Skizze einer mechanisch-statistischen Topographie der k. k. Kreisstadt Steyr in Ober-Österreich
von Friedrich Wilhelm Arming, k. k. Kreis-Wundarzt zu Steyr, Magister der Chirurgie etc.
Der Verfasser übergibt hier dem ärztlichen Publikum einige medizinisch-topographische Nachrichten über die k. k. Kreisstadt des Traun-Kreises, und glaubt nicht ganz überflüssig diese zu liefern, da überhaupt der Nutzen allgemein anerkannt ist, welchen derlei gute Abhandlungen für die genauere Völker- und Länderkunde, und besonders für die Heilkunde mit sich führen; und da überdies gerade Steyr und seine Umgebungen durch Witterungsbeschaffenheit und Klima, insbesondere aber durch manche örtliche Eigentümlichkeiten, durch Charakter, Beschäftigung, Lebensweise usw. seiner Bewohner sich auszeichnet. Obwohl nun diese Skizze, schon als solche, wohl jedenfalls auf die Benennung „gute Abhandlung“ Verzicht leistet, so dürfte sie doch vielleicht als Grundlage zu einer umfassenderen Arbeit dieses Gegenstandes dienlich sein.
Die Stadt und die Vorstädte
Die eigentliche Stadt Steyr (Styra, Gessodunum, Agunsum, Norio) erfreut sich einer äusserst schönen Lage in einem lieblichen Tal, im 31° 5p‘ 30 ‚ östlicher Länge, und 48° 4‘ 45″ nördlicher Breite, in dem, mehr zum spitzen sich hinneigenden Winkel, welchen die Enns und die Steyr bei ihrem Zusammenfluss bilden; nahe der durch den Ramingbach gesetzten Grenze von Österreich ob und unier der Enns. Der Ursprung der Stadt war in der sogenannten Berggasse, welche über beide Flüsse erhaben hinläuft, und sich, nahe dem rechten Ufer des Steyr-Flusses, an einem Felsen endet, auf welchem das Schloss Steyr, majestätisch die ganze Stadt überragend, mit seinen 88 Zimmern und einem stattlichen Turm, im Dreieck erbaut, sich erhebt. Hier war der Sitz der alten Grafen, Markgrafen und Herzoge von Steyr. Hier wurden unter den Habsburgern Burggrafen eingesetzt, welche aus den edelsten und bekanntesten Geschlechtern des Landes gewählt worden waren; bis es im Jahr 1631 an Johann Maximilian Freiherrn von Lamberg kam. Im Jahr 1707 wurde die Maximilianische Linie in den Fürstenstand erhoben, und ihr alle Einkünfte der Herrschaft Steyr eingeräumt.
War der Ursprung der Stadt auf einer Anhöhe, mitten im Talgrund, durch welchen sich die im Salzburgischen entspringende Enns von Süd nach Nord, und die aus dem Hinterstoder-Tal kommende Steyr von West nach Ost im raschen Lauf dahin bewegt, und waren ihre Bewohner auf diese Art vor den öfteren, und nicht selten bedeutenden Überschwemmungen dieser beiden, keineswegs in tiefen Betten dahin strömenden, und durch nahe Regengüsse und Schneewässer oft außerordentlich anschwellenden Flüssen gesichert; so nahm die Bevölkerung doch bald dergestalt überhand, dass sich Ansiedler fanden, die auf den schiefen Flächen der Anhöhe gegen die Enns und gegen die Steyr hinab, selbst knapp an den Ufern dieser beiden Flüsse, und bis zur Vereinigungs-Stelle derselben , ihre Wohnungen erbauten.
Bald wurden auch die jenseitigen Ufer, das rechte der Enns und das linke der Steyr, mit Häusern bepflanzt, und indem sich so nach allen Richtungen der Umfang der Stadt ausbreitete, indem Gewerbsfleiß und Notwendigkeit die Wohn- und Gewerkshäuser der Müllner, Hammer-, Pfannen- und Kupferschmiede, der Drahtzieher, Papiermüller, Schleifer usw. an den Ufern der ihre Gewerke treibenden Flüsse entstehen ließ, indem der steigende Wohlstand der Bewohner von Steyr, Land- und Lusthäuser und Garten-Anlagen in naher Ferne von der Stadt erbaute; so geschah es, dass die Stadt ihren gegenwärtigen Umfang erhielt, dass sich ihr neun Vorstädte anschlossen: Ennsdorf und Schönau am rechten , Reichenschwall am linken Ufer der Enns, Vogelsang am rechten, und bei der Steyr, Steyrdorf, Aichet, Wieserfeld und Ort am linken Ufer der Steyr, und dass sie nun 870 Häuser und 9508 Einwohner zählt.
Die Stadt und sämtliche Vorstädte werden durch drei größere und fünf kleinere Brücken und Stege verbunden, und teilen sich in zwei Pfarreien, von denen die Stadtpfarre Steyr die Stadt, Ennsdorf, Schönau, Reichenschwall, Vogelsang und ein nahe gelegenes Dorf: Ramingsteg überwacht, und 380 Häuser mit 4415 Einwohnern zählt. Die übrigen 5 Vorstädte, am linken Ufer der Steyr mit 490 Häusern und 5093 Einwohnern stehen aber unter der Vorstadt-Pfarre Steyrdorf (St. Michael).
Seit den zwei letzten bedeutenden Bränden, bei deren erstem, im Jahr 1824, in der Stadt und in Ennsdorf 101, bei dem letzten, im Jahr 1833, in Steyrdorf 24 Häuser abgebrannt sind , haben sich die mit Ziegeln gedeckten, und durch zweckmäßigere innere und äußere Einrichtung im Bau verbesserten Häuser vermehrt. Unter den Gebäuden sind 19 vorzüglichere öffentliche oder Privat-Gebäude zu nennen. In neun Kirchen und Kapellen verehren die, mit Ausnahme weniger, zur katholischen Religion sich bekennenden Einwohner ihren Gott. Ihre irdischen Überreste werden außerhalb, in dem weiten Raum, des sehr schönen, auf der Höhe gelegenen Kirchhofs dem Schoß der Erde einverleibt. Dieser Begräbnisplatz mag bei seiner Errichtung im Jahr 1569 wohl in ziemlicher Entfernung von der Stadt gelegen haben, und ist auch jetzt noch zweckmäßig genug abgesondert, obwohl sich die Vorstadt Steyrdorf durch die Ausdehnung ihrer Bauten ihm fast genähert hat.
Die Stadt mit ihren Vorstädten ist nach keinem eigentlichen regelmäßigen Plan erbaut, indem sich ihre Häuser auf den Anhöhen und in den Tälern zwischen und an den Ufern der beiden Flüsse nach allen Richtungen hin ausbreiten. In der Stadt selbst befindet sich der große, mehr lange als breite Hauptplatz, welcher von den vorzüglicheren Gebäuden begrenzt ist, und von dem aus nach allen Richtungen die Gassen und Gässchen auslaufen. Ein zweiter Platz ist der obere Graben, welcher auf der Höhe, von dem Lamberg’schen Schloss aus, längs der westlichen Seite der Stadt hinläuft, und durch eine regelmäßig angelegte Allee zum angenehmen Spaziergange wird. Endlich ist noch der Platz im Wieserfeld, mit Zwetschkenbäumen bepflanzt. Einige andere kleine sind kaum dem Nahmen nach Plätze. Die Gassen der Stadt, und die vorzüglicheren der Vorstädte, zusammen 21, sind gepflastert. Die Plätze werden öfters angeschottert, und allenthalben wird für Reinhaltung der Wege nach Möglichkeit gesorgt.
Ein Teil der Stadt, welcher nahe am Ufer längs der Enns hinauf, und der Teil der Vorstädte, welcher längs der Steyr hinauf erbaut ist, und besonders letzterer, da die Steyr zur zweckmäßigen Benützung, zur Treibung der verschiedenen Gewerke, durch Wehren, Ableitungen u. dgl., in Seiten-Arme geteilt, und durch ihn geleitet ist, hat viele Feuchtigkeit des Bodens, welche sich auch durchgehend in allen Wohnungen äußert, da es gewiss wenige gibt, die nicht dämmig sind.
An Brunnenwasser fehlt es durchaus nicht; denn, wenn auch viele Häuser sind, die keinen eigenen Brunnen haben, so gibt es dafür neun öffentliche Brunnen in den verschiedenen Gegenden des Weichbildes, welche die Bewohner mit reinem, frischen, aber ziemlich harten Wasser überflüssig versehen.
Die Umgebungen.
Der größere Teil der Stadt Steyr und seiner Vorstädte, an welchen noch Spuren von Mauern,, verschiedenen nun kassierten Toren und sonstigen Festungswerken zu bemerken sind, liegt in der Tiefe, und erhebt sich in seiner Ausbreitung über Anhöhen; so, dass man, um zu den Ausfuhrstoren gegen Südwest und Norden, von denen das erste , das Pfarrtor, nach Garsten , das zweite, das Schnallentor in Steyrdorf, nach Enns führt, zu gelangen, bergaufwärts fahren muss. Das Neutor und die daran stoßende Neubrücke über die Enns, gegen Südost gelegen, führt zur Straße nach Steiermark. Das Reichenschwallertor gegen Süden, welches in die Vorstadt Reichenschwall führt, dient zum Durchgange für die der Enns aufwärts die Schiffe ziehenden Pferde, welche so zu einem schmalen Fusspfade gelangen, der knapp an der Enns, unter einer steilen Leiten sich fortschlängelt. Das Ennstor und die daran stoßende Ennsbrücke über die Enns, gegen Osten der Stadt, führt zur Straße nach Unter-Österreich, welche die Vorstadt Ennsdorf durchläuft.
Wenn man das Steyrtor, die Steyrbrücke, die Vorstadt Steyrdorf gegen Norden zu, den ziemlich jäh sich erhebenden Schnallenberg und das Schnallentor passiert hat, so wendet sich die Straße bald mehr nach Nordost, gegen Enns zu. Von dieser Straße links, seitwärts, etwa eine halbe Postmeile von der Stadt entfernt, liegt das ehemalige Benediktiner-Kloster Gleink in einer schönen Ebene, am Fuß des Neustifterberges. Der Boden dieser Ebene bis gegen Kronstorf (2 Postmeilen) zu, ist lehmig, mit Dammerde vermischt, wird aber an Güte noch bei weitem übertroffen von dem sogenannten Florianerboden, welcher jenseits des Neustifterberges sich gerade nördlich gegen St. Florian hin erstreckt, und üppig und fruchtbar, mit eisenhältigem Ton vermischt ist. Dieser enthält stellenweise in einer Tiefe von 2-3 Klafter Mergel.
Durchfährt man gegen Westen die Vorstädte Steyrdorf, Wiesenfeld und Aichet, so gelangt man auf die Straße nach Sierning, längs dem Steyrfluss hinauf. Hier ist der Boden minder fruchtbar, da er auf Lehmgrund auch Schotter enthält.
Die östlich nach Unter-Österreich führende Straße durchläuft nicht unfruchtbare Gegenden; aber ihr zur Rechten, gegen Südost zu, beginnt die mehr unfruchtbare Gebirgsgegend, gegen Behamberg, Kleinraming usw.
Und diese hier beginnenden Gebirge ziehen sich in einem Halbkreis bis gegen die zur Stadt westlich gelegene Gegend fort; durch sie bricht sich die Enns in unzähligen Krümmungen die Bahn; über sie führt die Straße in die Steiermark. Immer unwirklicher wird die Gegend, und der Feldbau nimmt mehr und mehr ab.
Unter den Produkten, welche die Umgegend von Steyr hervorbringt, behaupten alle Arten von Getreide den ersten Rang. Essbare Beeren und Schwämme findet man überall. Die Obstbaum-Kultur wird hier stark betrieben, und unter diesen wieder besonders die der Äpfel- und Birnenbäume, von denen Obstwein (Most) in großer Menge zum Hausbedarf und auch zum Verkauf gewonnen wird. Handelspflanzen wachsen mehrere wild. Eine ununterbrochene Reihe der schönsten Forste, der reichhaltigsten Waldungen, größtenteils von der Enns durchströmt, von Steyr bis nach Eisenerz in der Steiermark, liefern Brenn-, Bau – und Werkholz in genügsamer Menge, und lassen auch über die Notdurft der Bewohner jährlich große Partien hiervon zum Verkauf nach Wien. usw. übrig. Von den Nadelholzgattungen kommt die Zirbelfichte, von den Laubholzgattungen die Esche, die Ulme u. dgl. vor.
Von Haustieren findet man alle gewöhnlichen, und unter den Wald- und Gebirgsbewohnern auch Hirsche und Gämsen. In den Flüssen und Bächen kommen viele Sorten Fische vor.
Das Mineralreich liefert keine nennenswerte Ausbeute.
Das Klima
Die Witterungsbeschaffenheit einer Gegend wird größtenteils durch allgemeine tellurische Gründe bestimmt; daher auch alle jene Gegenden, die in einer Breite liegen, eine sich ähnliche haben. Dass diese aber keine gleiche, oft selbst eine bedeutend abweichende ist, hängt von besonderen lokalen noch vorzüglich ab, und wir sehen, dass das eigentlich Charakteristische der Witterungsbeschaffenheit einer Gegend durch lokale Bestimmungsursachen zunächst, und vor allem begründet wird. In Hinsicht des Klimas dürften wohl die beiden schnell fließenden, durch Schnee- und Wildwässer in naher Ferne entstehenden Flüsse, die nahen Berge, und die nicht sehr entfernten, bis im höchsten Sommer mit Eis und Schnee bedeckten Hochgebirge und Gletscher der nahen Steiermark das Wesentlichste beitragen. Somit ist das Überwiegende der Witterung Kälte und Nässe der Luft.
Ein eigenes Gepräge wird auch hierdurch den Jahreszeiten aufgedrückt; doch sind sich deren Ausdrücke aus leicht begreiflichen Gründen durchaus nicht immer ähnlich. Im Allgemeinen ließe sich folgendes Bild von demselben entwerfen. Nimmt es der Winter nur überhaupt ernst auf unserer Halbkugel, so stellt er sich hier mit dem der viel nördlicher gelegenen Gegenden gleich, ist strenge, schneereich und lange dauernd; doch hat es seitdem letzten, als überall sehr strenge bekannten im Jahr 1829/30 so keinen solchen mehr gegeben. Ihn ersetzen dann nasse Kälte, trüber Himmel und schneidende Winde.
Der Frühling fängt aber unter diesen Verhältnissen sehr frühe an. Schon Anfangs April beginnt es warm zu werden, und die Temperatur ist dann an manchen Tagen, wie in des Sommers Mitte. Man täuscht sich aber, wenn man dieses als eine gute Vorbedeutung für diesen selbst ansieht; denn meistens durchläuft dieser als wechsellauniger, oft selbst mürrischer Patron seine Monate, und während manche Tage hindurch die schwüle Hitze einer Kesselgegend den Bewohner dieses Striches zu Boden drückt, erheben sich gleich nach dieser schneidende Winde über die Steiermärker Hochgebirge her, und kühle Regengüsse lassen in der Höhe des Sommers zur wärmeren Bekleidung greifen.
Der Herbst nimmt dann gewöhnlich wieder die Sühnung auf sich, indem er freundlich, heiter und beständig auftritt, und sich so diese Witterungsbeschaffenheit oft bis zum Anfang des Winters gleich bleibt. Regen, dicker, schwerer Nebel über den Gewässern , und ein besonders dieser Gegend ganz eigentümlicher Nebelregen ist sehr häufig, und dauert oft lange Zeit an; wie es denn auch im entgegengesetzten Falle mit der schönen, Witterung der Fall ist, wo im Sommer häufige und bedeutende Gewitter die Gunst des freundlichen Himmels nur auf kurze Zeit zu stören vermögen.
Der günstigste Wind ist der Ostwind, welcher immer schönes Wetter und heiteren Himmel bringt, und dieses nicht nur im Sommer, sondern auch in den übrigen Jahreszeiten; nur dass er im Winter scharfe, doch trockene Kälte in Begleitung hat. Der Nordwind bläst selten in gerader Richtung, wo er dann heftig ist, und oft zum stürmischen ausartet. Am gewöhnlichsten nähert er sich in seinem Striche dem westlichen Nachbar, wo er dann nebst seinem, meistens stürmischen Charakter, auch noch den der Nässe und Kühle annimmt, und so zum unfreundlichen, äußerst unwillkommenen Gast wird. Bei seiner Verschmelzung mit dem anderen Nachbar ist er zwar auch kühl, aber doch trocken, und daher viel weniger unangenehm. Von Süden kommt zwar immer eine laue Luft, welche aber nur in der Mitte des Sommers zur wirklich warmen, nie aber zur schwülen wird, da sie ihren Strich teilweise über Gletscher und Eisgebirge zu nehmen hat. Nähert sie sich der östlichen Richtung, so ist sie rein und angenehm gemäßigt; nähert sie sich der westlichen , so sind öfters warme Regengüsse ihre Begleiter, und in welcher Richtung sie dann oft auch hartnäckig durch Wochen zu verharren beliebt. Die westlichen Winde sind die unangenehmsten, mit vielen wässerigen fliegenden Gewölken, Nässe, Regen und Kühle in Begleitung, und sie sind es auch, die sich am gewöhnlichsten mit ihrem nördlichen oder südlichen Nachbar vermählen, und ihm dann auch das Gepräge ihres widerlichen Charakters mitteilen.
Nach, einer mehrjährigen Aufmerkung kann man im Durchschnitt annehmen, dass sich in einem Jahr etwa 100-102 wirklich schöne, und 106-108 trübe Tage zeigen; dass 148-150 mit Regen, und 40-42 mit Schnee, 16-18 mit Reif, und 120-123 mit Nebel auftreten; dass sich 23-25 nahe, und 27-29 fernere Donnerwetter hören lassen.
Die Bevölkerung
Wie gesagt, zählt die Stadtpfarre 4415, die Vorstadtpfarre St. Michael 5093 Einwohner; das Zahlenverhältnis dieser 9608 Einwohner ergibt sich in der Stadtpfarre mit 2000 männlichen, und 2415 weiblichen Individuen.
In der Vorstadtpfarre teilt sich die Summe in 2302 männliche und 2791 weibliche Individuen.
Nach einer Durchschnittsrechnung von zehn Jahren ergibt sich eine alljährliche Anzahl von 71 Getrauten, 283 Geborenen, 303 Gestorbenen, und zwar in der Stadtpfarre: 29 Getraute, 112 Geborene, 111 Gestorbene, und in der Vorstadtpfarre: 43 Getraute, 171 Geborene, 192 Gestorbene.
Von diesen 283 Geborenen sind: eheliche Kinder überhaupt 239; Knaben 117, Mädchen 122; uneheliche Kinder überhaupt 35; Knaben 17, Mädchen i8; totgeborene 9. Man kann also annehmen, dass das achte Kind ein uneheliches sei, und dass das 31. tot zur Welt kommt.
Von 112 in der Stadtpfarre Geborenen sind: eheliche Kinder überhaupt 96, Knaben 46, Mädchen 5o; uneheliche Kinder überhaupt 13, Knaben 7, Mädchen 6; totgeboren 3.
Und von den 171 in der Vorstadtpfarre Geborenen sind: eheliche Kinder überhaupt 143; Knaben 69, Mädchen 74; uneheliche Kinder überhaupt 22, Knaben 10, Mädchen 12 ; totgeboren 6.
Von den 303 Gestorbenen sind: männlichen Geschlechtes 153, weiblichen Geschlechtes 15o; und nach den verschiedenen Lebensjahren :
Nach der Geburt bis zu 1 Jahr………………………110,7
Von 1 Jahr bis zu 4 Jahren ………………………….. 30,6
„ 4 Jahren „ 20 „ …………………………………24,9
„ 20 „ „ 40 „ ………………………………..22,8
„ 40 „ „ 60 „ ………………………………. 50,8
„ 60 „ „ 80 „ ………………………………..50,9
„ 80 „ „ 100 „ ………………………………. 12,5
303,0
Von den 111 in der Stadtpfarre Gestorbenen sind: männlichen Geschlechtes 53, weiblichen Geschlechtes 58; und nach den verschiedenen Lebensjahren:
Nach der Geburt bis zu 1 Jahr ………………………. 35,9
Von 1 Jahr bis 4 Jahren ……………………………… 8,1
Von 4 Jahren bis 20 Jahren ……………………………9,5
„ 20 „ 40 „ ……………………………8,2
„ 40 „ 60 „ ……………………………19,6
„ 60 „ 80 „ …………………………. 25,5
„ 80 „ 100 „ …………… …………….. 4,2
111,0
Von den 192 in der Vorstadtpfarre Gestorbenen sind: männlichen Geschlechtes 100, weiblichen Geschlechtes 92; und nach den verschiedenen Lebensjahren :
nach der Geburt bis zu 1 Jahr ………………………..74,8
von 1 Jahr bis 4 Jahren ………………………………22,5
„ 4 Jahren „ 20 „ ………………………………15,4
„ 20 „ 40 „ ………………………………14,6
„ 40 „ 60 „ ………………………………31.0
„ 60 „ 80 „ ………………………………25,4
„ 80 „ 100 usf. ………………………………. 8,3
192,0
Von diesen starben:
In der Stadtpfarre in der Vorstadtpfarre zusammen
An natürlichen Krankheiten 106,0 185,0 291,0
An Epidemien 0,2 0,2 0,4
An Blattern 1,8 2,3 4,1
Durch Selbstmord 0,1 0,2 0,3
Gewaltsam ermordet 0,1 0,0 0,1
Verunglückt 2,8 4,3 7,1
111,0 192,0 303,0
An nützlichen Haustieren findet, man in Steyr: 46 Hengste, 11 Stuten, 123 Wallachen, zusammen 180 Pferde; 54 Ochsen, 306 Kühe, und 25 Schafe.
Die Bewohner von Steyr und der nächsten Umgebungen lassen sich füglich in zwei Klassen einteilen. Der einen sind zuzuzählen: die Geistlichkeit, die Beamten, die Privaten, der Handels- und Bürgerstand. Die andere ist die arbeitende Klasse, in welcher wieder die sogenannten Feuerarbeiter die zahlreichsten sind. Von diesen weiter unten noch Einiges ausführlicher.
Mit wenig Worten gönnen hier nur einige Andeutungen gegeben werden, aus denen sich auf den Charakter, auf die Lebens- und Nahrungsweise, auf das Hauswesen des Mittelstandes, welcher den Handels- und Bürgerstand in sich begreift, schließen lässt. Durch die Verleihungen mehrerer vorteilhafter Privilegien an die Bürger von Steyr vom Jahr 1287 an (vom Herzog Albrecht I. ist das älteste aufzufindende Dokument) bis auf spätere Zeiten, durch die Bestätigung bereits verliehener, und die Verleihung neuer Privilegien, welche besonders die Landgerichts-Exemtion, die Stadtrichterwahl, den Weinschank, den Eisen- und Holzverlag, nebst der Verführung dieser und anderer Waren, die Abhaltung der Jahrmärkte, die Steuerbefreiung der Lehengüter usw. betrafen, geschah es, dass Steyr alle Städte Österreichs, Wien ausgenommen, in früherer Zeit an Geld und Kredit übertraf, große Wechselgeschäfte und Handel im Großen nach allen Richtungen der Welt treiben konnte, usw. Kein Wunder, dass dieser errungene Wohlstand , dieses Übergewicht über alle übrigen Städte Österreichs, dem Bürger von Steyr ein gewisses Selbstgefühl einflößte, welches sich dann auch in seinem Charakter, in seiner Lebens- und Nahrungsweise, in Herhaltung seines Hauswesens im deutlichen Gepräge ausdrückte. Aber dieses ist auch jetzt noch nur wenig geändert, während doch die Auswanderungen der reichsten Privaten in den Jahren 1604, 1626, 1627 usw.; große Sterbefälle in pestartigen Krankheiten in den Jahren 1314, 1348, 1360, 1497, 1553 usw. Feuersbrünste in den Jahren 1302 usw., besonders aber im Jahr 1727 und 1824; Wassergüsse und vielen Schaden verursachende Überschwemmungen, besonders im Jahr 1821; Kriege, und die aus verschiedenen Ursachen hervorgehenden bedeutenden Stockungen in den Handelsgeschäften den errungenen Wohlstand von Steyr immer mehr und mehr herabkommen machten.
Dennoch gibt es immerhin noch einige in gutem Kredit und guten Geschäften stehende Häuser, welche mit Eisenwaren, besonders mit Sensen, Feilen, Klingen, Schermessern usw. nach Deutschland, Frankreich, Schweiz, Italien, Russland und in die Türkei Handel treiben, andere, welche Holzgeschäfte u. dgl. machen, und so den alten Ruf von Steyr zu erhalten sich bemühen.
Auf keinen Fall sind den Eingeborenen von Steyr in vielen Beziehungen Talent, Lebensklugheit, Einsicht in ihre Geschäfte und sonstige Geistesgaben abzusprechen, und mehrere hier geborene ausgezeichnete Männer sind Belege hierfür. Aloys Blumauer, der k. k. Capellmeister F.X. Süßmayr, der Hof-Opernsänger Michael Vogl, der Dichter Mayrhofer, der Topograph Aloys Schützenberger, der ältere Joseph von Portenschlag-Ledermayr , der bekannte Dr. med. F. X. Swediaur, und mehrere Andere erblickten hier das Licht der Welt.
Es gibt hier sechs Schulen: die k. k. Haupt- und Mädchenschule, die Stadtpfarr-Schule, eine Mittelschule zu Ennsdorf, eine Vorstadtpfarr-Schule St. Michael in Steyrdorf, und eine in Aichet. Viele junge Leute, Söhne vom Handels- und Bürgersstande, begeben sich nach absolvierten deutschen Classen nach Kremsmünster oder Seitenstetten, und widmen sich dann höheren Fakultäts-Studien usf.
Ich befürchte den vorgesetzten Plan des Entwurfes „einer Skizze ohnedies schon überschritten zu haben; deshalb wage ich nicht, noch über so manche andere hierher gehörige Gegenstände mich zu äußern, und will nun zur Beleuchtung des
pathologischen Zustandes der Bewohner
übergehen.
So wenig man bei Beachtung des oben angegebenen klimatischen Verhältnisses annehmen kann, dass dieses für die Bewohner von Steyr und der nähern Umgegend durch Beständigkeit zum angenehmen werde, die Witterungsbeschaffenheit auch immer einen etwas rauheren Ausdruck erhält; so lässt sich doch nicht behaupten, dass sie eine absolut ungesunde wäre. Es ist zwar wahr, dass Fremde, besonders solche, die sich aus milderen Klimaten hier angesiedelt haben, die erste Zeit, selbst ein oder ein paar Jahre ihres Hierseins die Wirkung dieses rauheren Charakters, dieser mehr nässenden, nebligen, feuchtwindigen Witterung, in verschiedenen Formen von catarrhalischen, besonders rheumatischen Affectionen zu verspüren pflegen ; aber, einmal hier angewohnt, vertragen sie gleich den Eingebornen auch dieses, und erfreuen sich dann durchgehends einer mehr guten und dauerhaften Gesundheit.
Epidemien sind hier selten, und es ist in den letzten zehn Jahren keine beobachtet worden, die verheerend um sich gegriffen hätte. Als intercurrierende Epidemien exanthematischer Krankheiten hatten sich im Winter 1832/33 die Masern (Morbilli) hier gezeigt, waren aber mit einem sehr gelinden Charakter aufgetreten, so dass bei den meisten nach einem oder ein paarmaligem Nasenbluten alles Stürmische des Anfalles verschwunden war, und sie unter Begleitung wenig heftiger catarrhalischer Affectionen der Respirations-Organe, morbillöser Augen-Entzündungen u. dgl. ihren Verlauf nahmen. Im Februar 1833 brachen die Blattern aus, und obwohl sie einige Sterbefälle zur Folge hatten, so erlangten auch sie weder einen großen Umfang, noch eine bedeutende Höhe von Gefährlichkeit.
Wechselfieber, die sonst häufigen Produkte des Frühlings und Herbstes, sind hier selten, und dann milderer Art, gewöhnlich nur einfache Tertian-Fieber. Die Nervenfieber kommen sporadisch vor, und wurden hier selbst im Jahr 1830 und 1831 nicht epidemisch, wo sie als solche doch in nicht sehr weiter Ferne von Steyr grassierten. Wie allenthalben, so sind auch hier der Frühling und der Herbst die gefährlichen Wendepunkte für Brustkranke. Die Häufigkeit dieser ist, obwohl auch den klimatischen, doch vorzüglich manchen lokalen und anderen Verhältnissen, wie man unten sehen wird, zuzuschreiben.
Die übrigens noch vorkommenden Krankheitsformen sind immer auch durchaus mehr anderen, als den klimatischen Einflüssen zuzuschreiben, und wenn man Eine, als eigentlich stehende Krankheits-konstitution annehmen wollte, so wäre es die rheumatisch -catarrhalische, wie uns das Vorkommen vieler solcher Krankheitsformen beweist, welche nach Umständen, nach der Konstitution und Lebensweise der einzelnen Individuen, bald eine gichtische, bald eine rein entzündliche, bald eine gastrisch-nervöse Komplikation eingeht.
Als ursächliche Momente für die Bestimmung dieser nicht ungünstigen klimatischen Beschaffenheit dürften anzunehmen sein: die ziemlich hohe Lage dieser Gegend, da sie um nicht Bedeutendes tiefer liegt, als das drei Stunden weit entfernte Benediktiner-Stift Kremsmünster, welches nach genauen Messungen auf der dasigen Sternwarte 1087 Par. Fuß über dem Meer seine Lage hat; die Nähe zweier rascher Flüsse; die beinahe nie ruhenden Winde, welche meistens über Gebirge und höher gelegene Gegenden ihren Strich nehmen, und endlich, und zwar besonders: der stete Wechsel der Witterung, der selten lange dauernde Bestand einer gleichen Temperatur. Denn ist auch ein plötzlicher Umtritt eines Temperatur-Verhältnisses zum gerade entgegengesetzten, nach längerem Bestehen des ersten, zur Hervorrufung der diesem Wechsel zukommenden Krankheitsformen fähig; so sind es doch anderseits gerade solche lange anhaltende Witterungsverhältnisse durch ihr langes Andauern, welche ausgebreitete epidemische Krankheiten zur Folge haben. So bemerken wir z. B. bei anhaltend trockenem Sommer, besonders in Gegenden von Sümpfen und Morästen, aber auch in den Gegenden von sonst ziemlich schnellen Flüssen, die aber, nun eingetrocknet, an manchen Stellen stehende Lachen gebildet haben, die Nerven-, Faul- und gastrischen, die Wechselfieber, die Ruhren und Bauchflüsse der Erwachsenen, und besonders letztere bei Kindern entstehen. Allem diesen wird aber in unserer Gegend durch einen häufigen, selbst immerwährenden Witterungswechsel vorgebeugt, besonders aber durch viele Winde. Und, wenn nun auch hierdurch das Vorkommen mancher sporadischer Krankheiten bedingt ist; so gewöhnt sich doch die Konstitution der Bewohner im Durchschnitt eher an derlei Wechsel, als an solche zu Epidemien als Grundursache anzunehmende stete Witterungsverhältnisse; wie uns die in Ungarn selbst unter den Eingebornen häufig vorkommenden Wechselfieber bezeugen.
Ohne hier der einen Klasse, des sogenannten Mittelstandes , besondere Erwähnung machen zu wollen, da sich dessen Individuen in ihrer Lebensweise meist denen anderer Städte und größerer Plätze annähern; scheint es uns doch nicht überflüssig zu sein, über die andern, bei weitem zahlreichern, ein paar Worte zu sagen , da wir aus der Beleuchtung ihrer Lebensweise, ihrer Sitten, ihrer Gebräuche ersehen werden, wie gerade hierdurch besonders der Genius, wie auch der Charakter der Volkskrankheiten konstituiert werde. Zu dieser zweiten, als der arbeitenden Klasse, gehören die Ahlschmiede, Armatur-Arbeiter, Bohrerschmiede, Büchsenmacher, Drahtzieher, Drahtstiftmacher, die Feil-, Hammer-und Klingschmiede, die Kupferhämmerer, die Kupfer-, Messer- und Nagelschmiede, die Nadler, Pfannenhämmerer, Rohrschmiede, Schermesserer, Schleifer, Schwertschmiede, Stahlpolierer, die Zeug-, Zirkel-, Zweckschmiede usw., also größtenteils Feuerarbeiter, welche meistens in den zur Vorstadtpfarre St. Michael gehörigen fünf Vorstädten, teils aber auch in der Umgegend von Steyr, besonders in der gebirgigen, gegen Unter-Österreich und Steiermark zu, wohnen, und durch ihr Hämmern, Pochen und Schmieden schon früh, um zwei oder drei Uhr nach Mitternacht die nächtliche Ruhe der Bewohner stören. Vorzüglich diese Gegenden sind Gewerksplätze; und wer bedenkt, dass deren Bewohner meistens in oder nahe der kohlrussigen Werkstätte unter pochendem , hämmerndem und feilendem Lärmen das Licht der Welt erblicken; dass sie frühzeitig zu demselben Gewerbe angehalten, und dann frei gesprochen, meistens in derselben Werkstätte, oft bis zu ihrem Lebensende fort arbeiten; dass nur Wenige zum Militär-Dienst tauglich, oder sonst auf Wanderung in die Fremde einen Einblick in andere Verhältnisse, Sitten und Gebräuche erhalten; der wird es glauben, dass an Änderung von Ansichten, hellere Blicke über so Manches, was über ihren so nahen Horizont hinaus liegt, nicht so leicht zu denken sei. Es wäre übrigens ungerecht, wenn man nicht eingestehen wollte, dass es auch viele gibt, die aus sich selbst, oder durch Beispiel von Anderen, so Manches in ihrem Sein geändert haben, was nur zu ihrem Vorteil gereichen konnte.
Der epidemische Krankheils-Genius erhält vorzüglich durch den endemischen einen eigentümlichen Ausdruck, und es ist daher dieser letztere auszumitteln und dieser Rubrik einige Aufmerksamkeit zu schenken. Um aber diesen sogenannten endemischen Krankheits-Genius , der sowohl den epidemisch vorkommenden, als auch den übrigen interkurrierenden Krankheiten seinen eigentümlichen Ausdruck gibt, gehörig in Erkenntnis zu bringen, wird es nötig sein, nicht nur, wie es geschehen ist, das Eigentümliche der Witterungsbeschaffenheit zu bemerken, sondern auch verschiedener anderer krankmachender Einflüsse, welche aus der besonderen Beschaffenheit des Ortes, aus der Lebens- und Nahrungsweise der Bewohner entspringen, zu erwähnen. Ohne jedoch hier den gewiss weit umfassenden Forderungen Genüge leisten zu können, will ich doch versuchen, hierüber einige Grundzüge zu entwerfen, die wenigstens die Skizze zu einem vollkommeneren Gemälde abgeben dürften.
Wurde unter obiger Rubrik „das Klima“ der häufige Wechsel von Hitze und Kälte, von feuchter Wärme und strenger Kälte, die vorherrschende Nässe und Kühle als Charakteristisches der hiesigen Witterung angeführt, und hieraus auf eine Neigung zu catarrhalischen, rheumatischen und gichtischen Affectionen geschlossen; so sind noch besonders mehrere andere, auf die Lokalität begründete Verhältnisse zu bemerken, welche im Verein mit jenen einen Zuwachs und eine Vermehrung dieser Formen hervorrufen, anderseits sie aber auch wieder modifizieren, ihnen einen eigentümlichen Ausdruck verleihen, Ursachen zu verschiedenen Komplikationen abgeben. Besonders ist hierher zu rechnen, dass so viele Wohnungen sich dicht an den beiden Flüssen befinden, welche öfters zu verschiedenen Zeiten im Jahr, besonders aber gegen Ende des Sommers so bedeutend anschwellen, dass sie über ihre Ufer austreten, die an ihnen gelegenen Wohnungen, und somit einen großen Teil der Vorstädte unter Wasser setzen. Kaum ist dieses abgeflossen, so werden die Quartiere auch schon wieder bezogen; welches durch die strengsten gesundheitspolizeilichen Maßregeln nicht zu hindern ist, da oft von einer Austretung der Gewässer bis zur anderen die Quartiere nicht trocknen, und so oft Jahre lang leer stehen müssten, welches überhaupt, besonders aber wegen Stillstehung so vieler Gewerke nicht angehen kann. So werden also die Wohnungen wieder bezogen, und da dieses meistens die ärmere Klasse trifft, so findet man oft Familien von acht und mehr Gliedern in solchen, durch ihre Lage in der Nähe der Flüsse an und für sich schon feuchten, nun aber nach der kaum überstandenen Überschwemmung selbst nässenden, dämmigen, düsteren, selten oder nie von einem wohltätigen Sonnenstrahl erleuchteten und erwärmten, kellerartigen Gewölben, die sich überdies noch keineswegs durch große Reinhaltung auszeichnen , versammelt.
Der Zusammenfluss dieser Schädlichkeiten, das Hinzukommen der feuchtwarmen Winde und der dicken schweren Nebel über den Flüssen, dürfte genugsam Ursache zu schlechter Blutmischung abgeben, und Schlaffheit und üble Säftebereitung zur Folge haben. Hieraus entstehen jene zahlreichen asthenischen Leiden der irritablen Systeme, Rheumatalgien, Katarrhe, asthenische Gicht, dergestaltige Kopf-, Augen- und Zahnleiden, Brust-Affectionen u. dgl., üble Beschaffenheit der Säfte und hieraus hervorgehende Fußgeschwüre, Scrofeln in allen Formen unter asthenischem Charakter usw.
Wenn man durch den Nahmen „Feuerarbeiter“ getäuscht, sich hierunter große, kräftige, starke Leute, würdige Porträts jener Zyklopen der alten Mythologie vorstellt; so ist man sehr im Irrtum, da sich, mit Vorbehaltung einiger Ausnahmen, diese vorgefasste Meinung durchaus nicht realisieren wird. Die jederzeitige Militär-Revidierungs-Kommission wird das hier Ausgesprochene auch in der Wahrheit so finden; da gerade von dieser Abteilung der arbeitenden Klasse die Wenigsten zum Militär-Dienst für tauglich befunden werden. Unter bemerkten Umständen geboren und erzogen, in früherer Jugend eine Mehrzahl der Skrofel-Formen durchwandernd, kommt frühzeitig der schwächliche Knabe meistens zum Gewerbe seines Vaters, oder zu einem diesem ähnlichen , und muss nun, ohne Berücksichtigung seiner noch unausgebildeten, oft vielleicht bei ihm nie mehr zu erwartenden Kräfte die schwersten Arbeiten verrichten. Hierher ist vor Allem zu rechnen, das Heben und Tragen schwerer Lasten. Der Feil-, Nagel-, Klingschmiedlehrling u. dgl. muss Eisenstangen oft von eines Zentners Schwere und darüber auf dem Kopf oder auf den Schultern Stunden weit tragen, oder verhältnismäßig gleiche Lasten mit dem Karren ziehen oder schieben; und wie einerseits hiervon die nur zu oft vorkommenden Dickhälse, Vorlagerungen, Verkrümmungen und daraus entstehende Brustleiden usw. herzuleiten sind; so ist auch anderseits gerade dieses zu frühzeitige Überspannen der Kräfte das Hemmungsmittel der vollkommenen Entwicklung derselben.
So kommt nun der nach einigen Jahren von der Lehrzeit freigesprochene Jüngling, nach der Art seiner Beschäftigung, an den Feuerherd, an den Amboss u. dgl., und während manche dieser Arbeitsgattungen wieder zu verschiedenen Krankheitsformen disponieren, z. B. die Arbeit des Feilhauers mit vom frühesten Morgen bis zur Nachtzeit nach vorwärts gebeugt sitzender Stellung zu Rückenmarkskrankheiten, zu Verkrümmungen, Brust- und Unterleibskrankheiten u. s. w., so sind bei jedem dieser Handwerke das Entbehren der nächtlichen Ruhe, da sie, wegen geringer Bezahlung für ihre gelieferten Stücke, durchgehends um 2 oder 3 Uhr Morgens zur Arbeit gehen, und, um sich doch das Notdürftige zu verdienen, bis wieder in die späte Nacht dabei verharren; das immerwährende Ausgesetztsein der stärksten Feuerhitze, der Kohlendampf, der Aufenthalt in dunstigen, gewölbeartigen Schmieden usw., Beweggründe genug zur Hervorrufung von Krankheiten der Respirations-Organe, Herabstimmung der irritablen Faser usw.
Nicht minder trägt zur Herabsetzung der Konstitution auch der häufige Genuss des Obstweines (Most), des Branntweines u. dgl. bei; für das Herunterkommen der Generation aber insbesondere das zu frühe Heiraten, und das häufig sich bei diesem ergebende Missverhältnis, indem es nicht selten geschieht, dass ein Jüngling bei noch keimenden, oder wenigstens noch nicht vollendeten Organen zur Zeugung, sich mit einer, durch ihre Jahre sich mehr zu seiner Mutter qualifizierenden Frauensperson verbindet, um so vom Militär-Dienst frei, Haus- oder Gewerbsbesitzer zu werden.
Es würde zu weit führen, diesen und noch so manchen andern Gegenstand hier ausführlicher zu betrachten ; aber schließlich wollen wir doch eine Abtheilung der arbeitenden Klasse, „die Schleifer“, in einige Betrachtung ziehen, da sie durch ihre vielen Individuen: Meister, Gesellen, Lehrlinge und weibliche Arbeiter, zu einer bedeutenden wird, und durch manches Eigentümliche in Betreibung ihres Gewerbes eigentümlich zu besonderen Krankheiten disponiert wird.
Über verschiedenen Ab-und Nebenflüssen der Steyr, so auch über dem Ennsfluss und dem benachbarten Ramingbach sind (meistens auf Bürsten) hölzerne Hütten erbaut, in denen sich nach Umständen 6-10 große und kleinere Steine durch die Kraft des Wassers in rascher Eile um ihre Achse bewegen, und in denen die Arbeiter: Männer, Kinder und Weiber, ein gefährliches, immer aber ein ihrer Gesundheit äußerst nachteiliges Gewerbsleben führen. Ober, unter und seitwärts des schnell sich drehenden Steines hängen, sitzen und kauern die mit Schleifwasser und Steinstaub Besudelten, mit großen Brillen vor den Augen, und sind bemüht, von allen Seiten die Flächen des schärfenden und glanzgebenden Mittels zu benützen. Zerspringt ein solcher Stein – kein so ganz seltener Fall —, so sind augenblicklicher Tod, Knochenzerschmetterungen, Zerreißungen der Weichgebilde die Folgen. Aber auch außer diesem, und trotz der großen Brillen, sind es doch öftere Fälle, dass Augenverletzungen durch das Abspringen größerer oder kleinerer Eisen- oder Steinsplitter entstehen.
Auf diese Art befindet sich ein solcher Arbeiter den ganzen Tag, vom frühen Morgen bis in die späte Nacht, den ganzen Monat, das ganze Jahr hindurch in einem eisgewölbeähnlichen Gemach, welches diese Beschaffenheit durch den unter ihm hineilenden, durch Wild- und Schneewässer zusammengesetzten, außerordentliche Kälte aushauchenden Fluss erhält, und immer vom Kopf bis zum Fuß durchnässt, wie vom Fieberfrost geschüttelt, muss er von Zeit zu Zeit hinauseilen ins Freie, um sich mitten im Sommer von der glühenden Sonne trocknen und durchwärmen zu lassen. Diese immerwährenden Erkältungen, dieser oft plötzliche Übergang von einem Extrem zum andern, der feuchte Stubendunst; im Winter, wo im Gemach kleine eiserne Ofen gehitzt werden, das Einschlucken und Einatmen des Stein- und Eisenstaubes sind wohl Gelegenheitsursachen genug zur Hervorrufung von Koliken, Unterleibs-Entzündungen, gichtischen Verkrüppelungen, Brustkrankheiten aller Art, usw.; und man übertreibt gewiss nicht mit dem Ausspruch: „Jeder, der sich diesem Geschäft widmet, leistet im Voraus schon auf Erreichung eines höheren Lebensalters, auf Erhaltung einer ungetrübten Gesundheit Verzicht.“
Das Sanitätswesen
Steyr ist der Sitz des Kreisamtes, und somit befindet sich hier der Kreisarzt und der Kreis-Wundarzt. Außer diesen sind hier noch 5 Heilärzte und 4 Gewerbs-Wundärzte; 3 Apotheker und 10 Hebammen.
Aber eine bei weitem noch größere Anzahl von Heilkünstlern findet man in den Personen weiser Matronen, mit Pülverchen, Pillen, Salben und Wässern ausgerüstet, an den Jägern, Kurschmieden und Abdeckern, an den sogenannten „Wendern“ (Umwenden) in beiden Geschlechtern und in verschiedenen Ständen, welche als wahre Wunderwirker, der eine die Gemütskrankheiten, der andere die Lähmungen, der eine die Abzehrung, der andere den Brand, Rotlauf usw. durch Räucherungen, Zaubersprüche, durch Anhängung von mit Hieroglyphen bekritzelten Zetteln, durch Kneten, Bestreichen, Betasten mit den Händen u. dgl. zu wenden vermögen. Diese Wundertäter haben einen zur Schande für das neunzehnte Jahrhundert hier noch fest bestehenden Glauben des Volkes für sich und die strengste Sanitäts-Aufsicht wird diesem Unwesen nicht eher zu steuern vermögen, bis sie nicht mehr, wenigstens von Personen aus dem Mittelstand unterstützt wird, — es ist beinahe nicht glaublich, dass es nicht so wäre,— die sich selbst von der Nichtigkeit dieser Alfanzereien überzeugen ließen, und besonders durch ihr Beispiel einen wohltätig belehrenden Einfluss auf ihre Dienstleute und Untergebenen ausüben wollten.
In Steyr befindet sich ein Bürger-Spital, ein Bruderhaus, ein Siechen- und ein Krankenhaus. Alle diese vier sind Privat-Anstalten, von denen jedes der ersten drei einen Unterstandsort für alte kränkliche Männer und Weiber abgibt, die hier Dach und Fach finden, gewöhnlich auch täglich mit einigen Kreuzern zur leichtern Subsistierung beteilt werden. Das Krankenhaus, auch der Plautzenhof genannt, befindet sich am äußersten Ende der Vorstadt Aichet, an der Straße nach Sierning gelegen, und ist ein Eigentum der Stadt Steyr. Selten kommen hier junge kräftige Leute in die ärztliche Behandlung, sondern meistens von mittlerem und hohem Alter, viele mit unheilbaren Gebrechen und Siechtum behaftet, welche als ehemalige Bürger oder Hausgesessene Ansprüche zur Aufnahme in diese Kranken-Anstalt haben.
Der Krankenstand ist nach einer zehnjährigen Durchschnittsrechnung in einem Jahr: 56 in der Behandlung, 30 geheilt, 17 gebessert oder ungeheilt entlassen, 9 gestorben. Da diese Anstalt ohne eigenes Vermögen ist, so wäre noch Manches für deren innere Einrichtung zu wünschen übrig. Dem Kreisarzt und dem Kreis-Wundarzt liegt die ärztliche Besorgung in allen diesen vier Anstalten ob. In jeder derselben ist ein eigener Hausmeister aufgestellt.
Dr. A. J. Freiherr von Stifft (Hg.), Medicinische Jahrbücher des k.-k. österreichischen Staates, Band 7, Wien 1835, 336