Die Kohlkommunität der Feuerarbeiter in Steyr
Von Hans Stögmüller
Die zur Anfertigung der Stahl- und Eisenerzeugnisse bei den Steyrer Meistern erforderliche Holzkohle war in manchen Jahren des 18. Jahrhunderts nicht zur Genüge vorhanden. Um 1790 betrug der durchschnittliche Jahresbedarf eines Schmiedes 3118 Mutt (= 93.540 Metzen à 61,49 Liter). Die zur Beschaffung von Feuerungsmaterial 1757 gegründete „Kohlkommunität“, die 1760 „mit ungemeiner Mühe und großen Kosten“ die Holzschwemme auf der Steyr eingerichtet hatte, war häufig nicht in der Lage, das zur Kohlung notwendige Holz aufzutreiben.[1]
Die Akten der Herrschaft Steyr über die Kohlenkommunität Steyr und die Steyrischen Feuerarbeiter gehen sogar auf das Jahr 1659 zurück.[2]
Am 23. Mai 1784 wurde der große Kohlenstadel auf dem Kohlanger ein Raub der Flammen. Es verbrannten Wagen, Schlitten, Holz und 400 Mut Kohle. Die Schadensumme betrug 1894 Gulden.[3]
Wie Assessor Franz Bernhard Wachtel am 18. November 1791 in einem Gutachten beschrieb, wurde der „Feuerarbeiterischen Kohlkommunität“ der Langfirst und der halbe Buchberg im Forst Molln als „Verlasswald“ gewidmet. Verlasswälder waren die für den Bedarf der Hammerwerke und Eisenwarenerzeuger gewidmeten Waldgebiete.[4]
„Einen Begriff vom Bedarf an Holzkohlen kann man sich daraus machen“, schrieb 1793 Kajetan Franz von Leitner in seinem Buch „Vaterländische Reise von Grätz über Eisenerz nach Steyer“, „dass ein einziger Hammerschmied wöchentlich zwölf Mutt (à 1845 Liter) verbraucht. Das ganze Erfordernis mag wohl über 4000 Mutt betragen. Das Holz dazu wird drei Tage weit auf der Steyr hergeschwemmt“.
Die Genossenschaft der Schmiede und sonstigen „Feuerarbeiter“ (Eisenwarenerzeuger) hatte um das Jahr 1800 noch 150 Mitglieder. Der Kohlplatz war an der Gaswerkgasse, wo im 19. Jahrhundert das Gaswerk angesiedelt wurde. Der Straßennamen Kohlanger verweist noch heute auf die Verwendung dieses Stadtgebietes.
1837 gab es in Steyr eine Vielzahl an „Feuerarbeitern“: 15 Ahlschmiede, 3 Büchsenmacher, 2 Drahtzieher, 7 Eisengeschmeidler, 14 Feilhauer, 4 Frimmschlosser, 1 Fußeisenmacher 1 Gewehr-Ringmacher, 4 Hufschmiede, 3 Eisenhämmer, 1 Rohrhammer, 10 Klingschmiede, 1 Hufschmied-Artikelmacher, 2 Kochgeschirrmacher, 4 Polierer, 8 Lettschlosser, 1 Maultrommelmacher, 7 Messerschalen-Schrotter, 1 Messingschlager, 6 Nagelschmiede, 4 Neigerschmiede, 2 Pariser-Stiftelmacher, 1 Reißzeugmacher, 5 Ringmacher, 12 Schermesserer, 5 Scherschmiede, 1 Schrottschmied, 9 Schleifer, 2 Schuster-Werkzeugmacher, 2 Schwertfeger, 2 Schwertschmiede, 2 Striglmacher, 2 Windenmacher, 4 Zeugschmiede, 4 Zirkelschmiede, 12 Zweckschmiede, 60 Messerer, 1 Kupferhammer, 1 Pfannenhammer, 1 großes Drahtzugwerk.[5]
Der Zeichenlehrer Joseph Löw gab 1842 einen Überblick über den Kohlanger in seiner „Topographisch statistisch technischen Beschreibung von den bei der k. k. Kreis- und Commerzial-Stadt Steyr am Steyerfluss anliegenden Gewerken, Fabriken, Maschinen etz.“: „Der Kohlanger ist 250 Klafter lang und 50 Klafter breit. Dieser Platz schließt auch die kürzlich an sich gebrachte Kohlstatt (Kohlbrennerei) des Carl Jocher ein, welche sehr gut betrieben wird, indem so viele kleinere Feuerarbeiter hier für ihren täglichen Bedarf, auch das Kohl metzenweis zu jeder Stunde zu kaufen bekommen, zu dem Ende nun benannter Kupferhammer- und Papierfabriksinhaber[6] selbst auf der Steyr das nötige Holz herflötzet. Dabey befindet sich ein eigenes Kohlschreiberhaus, mit einem hübschen Garten, Stallungen und noch andere Remisen. Weiters findet man auf dieser Insel, in der Nähe der Kohlbrennerey weiter abwärts, den großen Holz-Vorrats-Platz des Michael Heindel des Vatern, Mühl- und Sägemeister.[7] Hier liegen in colosalen pyramidalförmigen Haufen wohl öfters über 4000 Stück Blöcher (Stämme Holz) von 6 bis 10 Klafter Länge, und in Durchmesser von 8/9 bis 10/12 zölliger Stärke, worunter sich auch viele Lärchenstämme befinden“. Löw ging dann auf die Hochwassergefahr ein. So habe die Flut 1827 alle Holzstöße weggerissen.
Um die Holzkohlepreise niedrig zu halten, gründeten die eisenverarbeitenden Handwerker in Steyr am 1. Oktober 1850 eine neue „Kohlkommunität“, nachdem ihre Statuten am 16. August 1850 veröffentlicht worden waren. Sie sollte allen „Feuerarbeitern“, deren größten Teil die Messerer stellten, den Bezug billiger Holzkohle ermöglichen. Der Beitritt erfolgte durch Ankauf von mindestens einer Aktie à 25 fl.
Als Organ der Gesellschaft waren Generalversammlung, Ausschuss, ein Vorstand, ein Stellvertreter, ein Kassier und ein Kontrollor vorgesehen. Die Dividende betrug vier Prozent. Zum Zweck der Holzkohlenerzeugung hatte sich die Gesellschaft das Recht der Holzschwemme, sowie die Holz- und Kohlenrechte der Stadt gesichert. Als Produktionsstätte wurde am 1. August 1850 der „Kohlanger“ gepachtet.[8]
Laut Brandl[9] wurde die neue Kohlkommunität 1851 gegründet (eine Nachfolgegesellschaft der alten), die den städtischen Kohlanger pachtete, die Mehl-, Säge- und Schleifmühle in Pichlern bei Sierning[10] kaufte und noch 1851 mit der Schwemme von Kohlholz begann.[11]
1863 versuchte die „bürgerliche Kohlkommunität in Steyr“ die Mahlmühle in Pichlern zu verpachten. Sie bestand aus fünf Gängen (Mahlwerken) und einer neuen Griesputzmaschine, den nötigen Wohnungen, Getreidekästen, Pferdestallung und Schweinestall. Vorstand der Kohlkommunität war damals der Feilenschmiedmeister Mathias Lechner, Bei der Steyr Nr. 223 (heute Fabrikstraße 26).[12]
Auf dem Kohlanger sollte laut Kontrakt vom 28. August 1864 das Steyrer Gaswerk errichtet werden, weil dieser Platz am geeignetsten von allen besichtigten Baugründen schien. Er gehörte der Stadtkommune, war aber an die Kohlkommunität verpachtet. Der Bau wurde durch die Ansprüche der Kohlkommunität verzögert.
Der Gemeinderat beschloss am 6. November 1864, den unteren Teil des Kohlangers zum Bau des Gaswerks zu verwenden. Der Pachtvertrag mit der Kohlkommunität wäre ohnehin mit 1. August 1865 abgelaufen und das Grundstück wurde nur noch zum Anbau von Kartoffeln genützt. Obwohl die Gemeinde geneigt war, der Kohlkommunität den restlichen Platz für Lagerung von Holz weiterhin zu überlassen, protestierte die Genossenschaft gegen den Beschluss des Gemeinderates und wandte sich an den Landesausschuss. Damit war der Werksbau verhindert. Im Februar 1865 entschloss sich die Stadtverwaltung, die Beleuchtung der Straßen mit Petroleumlampen einzuführen.[13]
Die Errichtung des Gaswerks konnte aber nicht verhindert werden. Die von der Kohlkommunität eingebrachten Beschwerden blieben ohne Erfolg. Nach Abweisung der Kohlkommunität erhielt die Gesellschaft für Gasindustrie in Augsburg die obere Hälfte des Kohlangers als Bauplatz.[14]
Nach der Bauverhandlung vom 27. Juli 1865 begann am 1. März 1866 der Bau des Gaswerks. Noch im gleichen Jahr, im September 1866, wurde über die Kohlkommunität der Konkurs eröffnet.[15]
Im Sommer 1867 wurden die Liegenschaften der Kohlkommunität versteigert: die Pichlmühle in Pichlern Nr. 36 und 37 im Schätzwert von 27.800 fl., das Surgentengütl Nr. 42 in Aschach (3000 fl), das Wolfschwängerhäusel Nr. 44 in Aschach (1850 fl), die Schieferederwiese, GB. Garsten fol. 319 (2150 fl) und der auf dem Holzplatz der Stadt Steyr befindliche hölzerne Ladenstadel samt Ladenhütte im Schätzwert von 500 fl.[16]
Das Kohlschreiberhaus, Gaswerkgasse 14 (früher Nr. 10), hat die Konskriptionsnummer Bei der Steyr 203 (alt Nr. 15) und die Grundbuchs-EZ. 834. Das Haus wurde von der Kohlkommunität zwischen 1785 und 1790 als Dienstsitz für den „Kohlmesser“ (Verwalter) erbaut und 1833 an Karl Jocher verkauft.[17] Das Haus existiert heute noch.
Es war das Verwaltungsgebäude der Kohlkommunität, die im Kohlanger Köhlerei im großen Stil betrieb. Schon auf dem Stich von Hauser (um 1600) waren die Holzstöße der Köhler zu sehen, die ihre Meiler nahe der „Kohlerfalle“ (Große Falle, sprich Wehranlage, bei der Schwimmschulbrücke) hatten.
Das Köhlerhaus („Kohlhäusl auf dem Anger“) der bürgerlichen Kohlkommunität, Gaswerkgasse 7, hatte die Konskriptionsnummer Bei der Steyr 509 (alte Nr. 14). Es wurde als Wohnhaus für die Köhler erbaut und 1833 an Karl Jocher verkauft.
Der Gemeinderat beschloss am 15. März 1867, das Köhlerhäusl Nr. 509 und den Kohlstadl zusammen um 800 fl. von der in Konkurs gegangenen bürgerlichen Kohlkommunität Steyr anzukaufen.[18] An 25. Oktober 1867 beschloss der Gemeinderat, die Liegenschaft um 1150 fl. anzukaufen.[19] Die Liegenscha
[1] Hans Stögmüller, Wehrgraben. Führer durch Geschichte und Arbeitswelt, Steyr 1987, 139
[2] OÖLA, HA. Steyr, Nr. 45, Sch. 757
[3] Josef Ofner, Hauptgewerkschaft und Feuerarbeiter, Amtsblatt der Stadt Steyr 9/1972
[4] Josef Zeitlinger, Wald und Waldwirtschaft um das mittlere Steyrtal, Jahrbuch des oö. Musealvereines, Linz 1966, 415
[5] Franz X. Pritz, Geschichte der Stadt Steyr, Steyr 1837, 30
[6] Der Kupferhammer und die Papiermühle des Karl Jocher befanden sich anstelle des heutigen Kraftwerks an der Direktionsbrücke
[7] Die Heindlmühl befand sich unterhalb der Steyrbrücke in Zwischenbrücken
[8] Kurt Schroffner, Die Entwicklung der Steyrer Eisenindustrie, Dissertation Univ. Innsbruck 1948
[9] Manfred Brandl, Neue Geschichte von Steyr, Steyr 1980, 78
[10] Heute Kraftwerk der Ennskraftwerke AG
[11] Jakob Kautsch, Aus den Aufzeichnungen eines Steyrer Bürgers (= die Annalen von Willner), StKal 1915, 64
[12] Inserat im Alpenbote Anzeigenblatt Nr. 25, 1863
[13] Josef Ofner, Zur Geschichte des Gaswerkes und der Straßenbeleuchtung in Steyr, Amtsblatt der Stadt 5/1962
[14] Alpenbote 1864/51, Gemeinderat vom 9.12.1864; Jakob Kautsch, Aus den Aufzeichnungen eines Steyrer Bürgers (= die Annalen von Willner), StKal 1917, 146; die „obere Hälfte“ des Kohlangers ist falsch, es handelt sich um die untere Hälfte des Kohlangers im Bereich der Gaswerkgasse
[15] Manfred Brandl, Neue Geschichte von Steyr, Steyr 1980, 109; Alpenbote 1864/46; StKal 1917, 147, 149
[16] Alpenbote 23.5.1867
[17] Helmut Begsteiger, Häuserchronik der Stadt Steyr, Abschnitt Steyrdorf, Steyr 2010, 170
[18] Alpenbote 21. 3. 1867
[19] Alpenbote 31. 10. 1867