Die Hellebardenschmiede Peter und Matthäus Schreckseisen
Vor mehr als 400 Jahren arbeiteten in Waldneukirchen und im benachbarten Bad Hall die wegen ihrer großen Produktionszahlen berühmtesten Hellebardenschmiede Mitteleuropas.
Die Schmiedemeister Peter Schreckseisen und Pankraz Taller aus Hall produzierten um 1600 Tausende von Hellebarden und Spieße, die heute europaweit von Experten als bedeutende Zeugen hochwertiger Schmiedekunst gelten. Solche Zeugnisse können zu Tausenden (!) heute noch im Grazer Zeughaus besichtigt werden.
Die Waffentypen
Die Hellebarde geht der Wortwurzel nach auf „halm“ (=Stange) und auf „barta“ (=breites Beil) zurück. Sie wurde als gefürchtete Stangenwaffe ab dem 14. Jahrhundert besonders gegen die Reiterheere eingesetzt. Um 1600 veränderte sich ihr Aussehen, weil die Harnischbleche der Reiter verstärkt wurden. Die Hellebarde erhielt eine 98 cm lange, vierkantige Spitze, die auf einem 180 cm langen Eschenholzschaft angebracht war.
Peter Schreckseisen produzierte als einziger für die Grazer Landstände eine Hellebarde, wo die Spitze wie ein breites Messer geformt war.
Der zweite wichtige Stangenwaffentyp aus Waldneukirchen waren die Spieße. Langspieße erreichten 5 bis 5,4 m und Kurzspieße, auch Tarden genannt, nur die Hälfte.
Peter Schreckseisen
Der Wirt und Hellebardenschmied Peter Schreckseisen erscheint in den Rechnungen diverser Archive zwischen 1568 und 1585 als Lieferant von Stangenwaffen.
Er brachte insgesamt 2825 Hellebarden und 3754 Langspieße nach Graz, die für den drohenden Krieg gegen die Türken in der Südsteiermark und der Windischen Mark vorgesehen waren. Auf allen prangte sein kreisförmiges, dreigeteiltes Meisterzeichen.
Spieße und Hellebarden verwendeten die einfachen, aus dem bäuerlichen Volk rekrutierten Fußsoldaten, die im Umgang mit Feuerwaffen ungeübt waren.
Produktion auf Lager
Besonders bemerkenswert ist die große Bestellung vom 20. Februar 1578, wo der Grazer Landesfürst 400 Hellebarden, 200 Säbelhellebarden und 3000 Tarden (Spieße) bestellte, die innerhalb eines halben Jahres geliefert wurden. Dabei muss man bedenken, dass die Produktion einer Hellebarde und deren Schäftung , das exakte Anbringen der Holzstange, mindestens einen halben Tag erforderte. Schreckseisen musste also auf Vorrat produziert haben.
Waffen für die Steiermark
Seit 1578 übernahm die Steiermark die Finanzierung und Verteidigung der sogenannten windischen Militärgrenze gegen die Türken. Dafür benötigte sie für die Ausrüstung diverser Landesaufgebote und Söldnertruppen Unmengen an Waffen, Rüstungen und Munition. Die einfachen Fußsoldaten wurden mit Spießen oder Hellebarden ausgerüstet, die von diesen entweder käuflich erworben oder aber entlehnt werden konnten. Damals mussten die Soldaten ihre Waffen selber bezahlen oder ausleihen.
Konkurrenz und Preiskampf
Dem alternden Peter Schreckseisen erwuchs in dem nur vier Kilometer entfernten Bad Hall eine ernsthafte Konkurrenz. Pankraz Taller machte ab 1578 ebenfalls gute Geschäfte mit den Grazern und lieferte um einiges billiger. Außerdem dürfte Taller nicht so „aufsässig“ gewesen sein wie Schreckseisen, der verlangte, dass er nur bis Leoben „frei Haus“ seine Waren zu liefern habe. Taller lieferte anstandslos – nach einer Woche Fahrt – direkt bis ins Grazer Zeughaus, einmal sogar bis Laibach. Es muss ein harter Konkurrenzkampf gewesen sein, der sich im Hellebardenzentrum Bad Hall – Waldneukirchen abspielte.
Schließlich dürften sich die zwei Waffenschmiede die Absatzgebiete so aufgeteilt haben, dass Taller in die Steiermark und Schreckseisen nach Oberösterreich lieferte.
Sehr schwer hatte es der Sohn Matthias Schreckseisen, der in diesem Konkurrenzkampf schließlich unterlag und seine Werkstatt und die „Taferne“1608 verkaufte. Es sind zwar große Lieferungen zu den Oberösterreichischen Landständen und ins Wiener Hofzeughaus belegt, doch um 1620 änderte sich die Waffentechnologie, wodurch Spieße und Hellebarden überflüssig wurden.
Der Standort der Schreckseisen´schen Waffenschmiede ist eindeutig zu lokalisieren, es wäre Waldneukirchen 18 (heute: Dorfplatz 15). Der Name „Schreckseisen“ lebt im Vulgonamen des bekannten Bauernhofes weiter, der im Grundbuch von 1644 im Besitz des dritten Sohnes des erfolgreichen Hellebardenschmiedes aufscheint.
Literatur: Leopold Toifl und Katharina Ulbrich: Thaller und Schreckseisen – Hellebardenschmiede in Bad Hall und Waldneukirchen. In: OÖ Heimatblätter 1999 (Heft 3/4), S. 220-244.- Ortschronik Waldneukirchen 2011