Der große Stadtbrand
Ein schwüler Sommertag des Jahres 1824, der 21. Juni, sank langsam in die Dämmerung.
Menschen und Tiere sehnten sich nach kühlender Nacht und Ruhe.
Im Melzerschen Bräuhaus in Ennsdorf Nr. 29 (heute Haratzmüllerstrasse 12) hatte man am Abend Brandgeruch wahrgenommen und die Bewohner gewarnt.
Diese legten jedoch den in der Malzdörre des Bräuhauses ausgebrochenen Brande wenig Bedeutung bei und versuchten, seiner ohne weitere Hilfe Herr zu werden.
Um 10 Uhr abends ist das Element entfesselt und der rückwärtige Teil des Hauses steht schon in lodernden Flammen, die auch auf die Nachbarhäuser übergreifen.
„Rot wie Blut ist der Himmel“
Viele Steyrer stört der Lärm in den Gassen aus dem ersten Schlaf und eine große Menschenmenge eilt herbei und rettend einzugreifen.
Aber der herrschende Südostwind peitscht das Feuer durch die Lange Gasse und über die ausgetrockneten Schindeldächer weiter.
Rauchschwaden und Funkenregen ergießen sich schon über die Enns in die Vorstädte Ort und Steyrdorf.
Dorthin eilen nun viele der Helfenden, um daheim ihre Familie, die Kinder und das eigene Hab und Gut zu schützen, viele aber ergreifen in Angst und Schrecken die Flucht.
So fehlt es in Ennsdorf bald an helfenden Händen.
„Flackernd steigt die Feuersäule durch der Straße lange Zeile…“
Binnen einer Stunde steht der größte Teil des Ennsdorfes in hellen Flammen.
Große Mengen an aufgestapeltem Bau – und Brückenholz sinken in Asche.
Die Kollergasse ist ein einziger Flammenherd.
Die Hitze bei der Brücke steigert sich zu Unermesslichkeit.
Von den Häusern der Lederer fliegen glühende Knoppern und Funken gleich einem grausigen Feuerwerk bis ins Steyrdorf und Aichet..
Dort halten die Bewohner auf den Dächern Wache, um entstehende Brände im Keime zu ersticken.
Und verhindern so noch größeres Unheil.
Die Menschen haben sich über die Brücke zurückgezogen, das Feuer züngelt ihnen aber nach.
Schwarz droht der Nachthimmel, über den schwere Gewitterwolken jagen auf die gepeinigte Stadt, ein schauriger Kontrast zum flammenden Feuermeer!
Um Mitternacht lecken die Flammen das Dach des Wasserturmes in Zwischenbrücken.
Die Rohre des Pumpwerkes, das die beiden Brunnen auf dem Stadtplatz mit Wasser speist, werden arg beschädigt.
„Heulend kommt der Sturm geflogen, der die Flammen brausend sucht“
Der aufkommende Wind peitscht die Flammen. Die benachbarten Häuser, das Ennstor und die Mühle sind in einen Feuermantel gehüllt, aber unersättlich in seiner Gier ist das Element.
Bald steht auch das hochragende Schloss in Flammen.
Zu beiden Seiten der Enns aber frisst sich das Feuer vorwärts gegen die Stadtmitte und fast scheint es, dass die ganze Stadt in Asche und Schutt sinken muss.
Da sammelt der Besitzer des Hauses Nr. 134 am Stadtplatz (heute Stadtplatz 2) einige beherzte Leute, reißt mit ihnen das Hausdach ab und nun ist der Lauf des Feuers gewaltsam gehemmt.
Das ausbrechende Gewitter tut das seine und die geänderte Windrichtung treibt die Flammen zurück.
Gegen 2 Uhr morgens löschen die Steyrer noch einen Brand im Tischlerhause auf dem Schlossberg.
Im zweistöckigen Schloss aber wütet das Feuer fort und um ½ 5 Uhr morgens ergreift es sogar den hohen alten Schlossturm.
Das Tor an der Brücke nach Steyrdorf wird mehrmals von den Flammen ergriffen, aber hier stehen unerschrocken die wackeren Sierninger, die mit zwei Spritzen herbeigeeilt waren und seit Mitternacht unermüdlich an der Löscharbeit sind.
In den Morgenstunden des neuen Tages drücken ihnen die Steyrdorfer für die Rettung ihres Stadtteiles dankbar die Hände.
Furchtbar ist die Bilanz dieser Schreckensnacht: 57 Häuser in Ennsdorf und 46 Häuser in der inneren Stadt waren von den Flammen vernichtet oder schwer beschädigt worden, außerdem fielen acht Kramläden und zwölf Scheunen den Flammen zum Opfer.
Der Gesamtschaden wurde auf 1.033.338 fl 50 kr. geschätzt, wobei der am Schloss angerichtete Schaden nicht eingerechnet ist.
Ein gütiges Geschick hatte es walten lassen, dass kein Menschenleben in den Flammen zugrunde ging und nur ein Bewohner an den Folgen des erlittenen Schreckens starb.
Die arbeitsamen Steyrer begannen sofort mit den Aufräumungsarbeiten und da von allen Seiten Hilfe gespendet wurde, ging der Aufbau verhältnismäßig rasch von statten.
Viele der Betroffenen konnten sich von dem erlittenen Schaden freilich kaum mehr erholen.
Schöner aber als ehedem erhoben sich manche Gebäude und zeugten vom unbeugsamen Leben – und Arbeitswillen.
Zusammengestellt von Ing. W. Hack