Zur Geschichte der Schießpulvererzeugung in Steyr
Von Josef Ofner
In Steyr, wo die Waffenerzeugung seit dem Mittelalter handwerksmäßig, seit dem Ende des 16. Jahrhunderts industriell betrieben wurde, hatten auch Saliterer und Pulvermacher, in deren Händen die Schießpulverproduktion lag, ihre Werkstätten. Diese für die Landesverteidigung wichtigen Handwerksberufe schützte und förderte jederzeit der Landesfürst. Das „Salniter-Patent“, das Kaiser Franz II. am 1. September 1801 erließ, betonte in der Einleitung die große Bedeutung der Schießpulvererzeugung: „Die Bedürfnisse und das Beßte des Staats haben von jeher zur Nothwendigkeit gemacht, die inländische Gewinnung des Salniters, und die Erzeugung des Pulvers, zu einem landesfürstlichen Regale zu erheben, und als ein solches von den dazu bestellten Behörden, nach gesetzmässigen Vorschriften, verwalten zu lassen, durch welche einer Seits die Rechte des Privat-Eigenthums geschützet, anderer Seits Unser Regale gegen Bevortheilungen, die es vereiteln würden, sicher gestellt wird“.1)
Das zum Laden der Feuerwaffen früherer Jahrhunderte wie Scharfentiendl,2) Doppelhaken und Halbhaken,3) Musketen,4) Jagdbüchsen, Pistolen und Arkebusierbüchsen5) verwendete Schwarzpulver war ein in einem bestimmten Verhältnis zusammengesetztes Gemisch von Schwefel, Holzkohle und Salpeter (Salniter, Salliter). Während Schwefel eingeführt werden musste, wurden Holzkohle und Salpeter vorwiegend im Inland gewonnen. Das in eigenen Gruben verkohlte Holz der Schwarzerle diente zur Herstellung des gewöhnlichen Pulvers für Musketen und schwere Feuerwaffen, das Holz des „Pulverbaumes“ (Faulbaum, Rhamnus frangula) hingegen zur Erzeugung von Scheiben- und Pürschpulver.6)
Die Aufbringung des Salpeters besorgten die Saliterer (Salniter) auf Grund eines behördlichen Erlaubnisscheines. Salpeter „blüht“ als Mauersalpeter an alten lehmverputzten Mauern und Fußböden in Stuben, Stallungen, Scheunen und im Mauerschutt.7) Aber auch in sogenannten „Salpetergärten“ (Plantagen) kam er an Lehmwänden, die mit Lauge überschüttet wurden, „zum Ausblühen“.8) Seine Entstehung beruht auf Fäulnisvorgängen stickstoffhaltiger Substanzen.
„Aller in und auf dem Erdboden im ganzen Lande sich erzeugende Salniter“ war Eigentum des Landesfürsten. Die Salitergräber waren daher berechtigt, „aller Orten, in allen Gebäuden“ salpeterhaltiges Material zu gewinnen. Ausgenommen waren Spitäler, Kirchen, Pfarrhöfe, Schulhäuser, sämtliche Aerarialgebäude und Herrschaftssitze, doch war in den zu diesen Gebäuden gehörigen Ställen, Scheunen und Schuppen das Salpetergraben erlaubt. Mauerschutt durfte erst nach Auswertung durch den Saliterer abgeführt werden.9)
Laut § 8 des oben erwähnten kaiserlichen Patents waren die Salitersieder verpflichtet, „allenthalben, wo sie graben wollten, sich geziemend zu melden, sich, wenn es verlangt wird, mit ihrem Erlaubnißscheine zu rechtfertigen, die aufzuhebenden Steine, Bretter und Balken allemahl, ganz in den vorigen Stand herzustellen, und die gemachten Gruben, entweder mit derselben Erde, wann sie aus- gelauget und getrocknet ist, oder mit anderer trockener Erde wieder gut auszufüllen, im Allgemeinen aber, sich so zu betragen, und ihr Geschäft so zu verrichten, das; sie dem Eigenthümer so wenig als möglich, Angelegenheit verursachen, und zu keiner gegründeten Beschwerde Anlaß geben.“
Schäden, die durch das Salpetergraben verursacht wurden, mussten vergütet werden. Die Grundbesitzer durften den Salnitererzeugern „keine frevelhaften Hindernisse in Weg legen“, sondern hatten sie als „landesfürstlich bestellte Arbeiter“ in jeder Hinsicht bei ihrer Beschäftigung zu unterstützen.10)
In Gewölben oder Hütten wurde die verschmutzte Salpetermasse durch Kochen gereinigt, wozu auch Holzasche benötigt wurde.
Es ist begreiflich, dass die Salitersieder bei den Hausbesitzern nicht gerne gesehen waren, mussten diese sogar die Abdeckung der Fußböden in ihren Stuben hinnehmen.11) Erst im Jahre 1802 wurde mit Hofdekret die Saliterarbeit in Einraumwohnungen verboten.12) Ab und zu richtete auch die Ortsobrigkeit an die Saliterer die Mahnung, bei ihrer Tätigkeit keinen Schaden anzurichten. 1634 forderte sie der Steyrer Magistrat auf, „nur an einem Ort zu arbeiten, wo der Bürgerschaft kein Nachteil ober Schaden“ erwachse.13) Ein kaiserliches Patent verlangte schon 1663, dass das Salitergraben in Stadeln und Ställen ohne Schaden geschehe.14) Als im Jahre 1770 der städtische Saliterer den Rat ersuchte, in den Bürgerhäusern nach Salpeter graben zu dürfen, wurde er abgewiesen. „Nachdem es die hiesigen Gebäu nicht zulassen“, so lautete der Ratsbeschluss, „der Supplikant auch hierauf niemand außer Schaden halten kann, als kann hierorts jenes nicht gestattet metben“15)
Der von den Saliterem16) gewonnene Salpeter musste in die vom Feld- und Artilleriehauptzeugamte bestimmten Magazine abgeliefert werden, die nun wieder die Händler und Pulvermacher mit diesem Rohstoff versorgten.17)
Die Pulverstampfe,18) die Werkstätte der Pulvermacher, lag in unserer Stadt am linken Ufer der Steyr. Genaue Angaben über den Standort sind nicht überliefert. 1659 und 1764 wird Aichet, 1747 der „Anger“ (vermutlich Kohlanger) genannt.19) Nach A. Rolleder soll sich die Pulvermühle an der Stelle des späteren (Objektes IV (Wehrgrabengasse Nr. 10) der Waffenfabriksgesellschaft befunden haben.20)
Die Pulvererzeugung war eine überaus gefährliche Arbeit. Durch Pulverexplosionen kamen mehrmals Menschen ums Leben, auch die Werksanlagen wurden zerstört. Schon Wolfgang Lindner berichtet in seinen „Annalen“ von Explosionen in der Steyrer Pulvermühle. So ereignete sich am 25. Jänner 1609 ein grässliches Unglück. Die durch Entzündung des Pulvers verursachte Explosion forderte drei Menschenleben21) Zehn Jahre später, am 30. April 1619, geriet die Pulvermühle in Brand und ging um acht Uhr in die Luft. Zufällig befand sich zu diesem Zeitpunkt nur eine Magd in der Mühle. Sie warf sich instinktiv zu Boden und entging so den Verletzungen durch das Feuer.22)
Gegen Ende dieses Jahrhunderts, um 1696, hören wir abermals von einer Explosion, bei der u. a. auch vier Zentner türkisches Pulver, die dem Pulvermacher Martin Eisengrueber anvertraut worden waren, vernichtet wurden.23)
Katastrophal war die Explosion im Juli 1751. Mit der Pulverstampfe wurde auch der Besitzer Franz Xaver Danckhueber „in die Lüffte gesprenget, und in den vorbey fließend Steyer : FIus geworffen“. Sonderbarerweise forderte deshalb die Herrschaft Steyr als Wassergerichtsobrigkeit durch die Rentbeamten die Witwe auf, einen Betrag von 1 Gulden 1 Pfennig zu erlegen. Diese wandte sich deshalb an Bürgermeister und Rat der Stadt Steyr. Der Magistrat beauftragte nun den Stadtschreiber, der zwar aus Grund des „Wasser Vertrages“ vom 21. Oktober 1606 festgestellt hatte, dass die vom Rentamt gestellte Forderung unberechtigt sei, mit den Rentbeamten „in der Güte“ die Angelegenheit auszugleichen, „um das nachbarlich gute vernehmen möglichst zu erhalten“.24)
Als im Jahre 1764 die zwei Pulverstampfen des Matthias Pürklhuber explodierten, verlangte die Bürgerschaft in Aichet wegen arger Beschädigung der Häuser (Fenster, Öfen, Mauern) die Verlegung derselben.25) Aber erst im Jahre 1777, nachdem 1776 die Pulvermühle neuerdings „losgegangen“ war,26) erfolgte ihre Verlegung in den Raum zwischen Steinbach und Leonstein.27)
Zeitweilig, besonders in Kriegszeiten, herrschte Mangel an Schießpulver.28) Erwähnt sei, dass die aufständischen Bauern im Jahre 1626 in den Klöstern Gleink und Garsten, aber auch bei den Bürgern nach Pulver suchten.29) Aus dem Benediktinerstift Gleink entwendeten sie zwei Fässer Wein, schenkten die Kandl um 8 Kreuzer aus und verwendeten das eingegangene Geld zum Ankauf von Pulver und Saliter.30)
Es kam aber auch vor, dass bei den Pulvermachern durch längere Zeit das Pulver liegen blieb. Im Jahre 1731 richtete der Magistrat an die N. Ö. Regierung und Kammer das Ersuchen, das bei den Erzeugern vorrätige Schießpulver, es waren schon über hundert Zentner, zur Verhütung eines Unglücks abführen zu lassen.31)
Das für die Stadtverteidigung benötigte Schießpulver wurde weitab von menschlichen Wohnungen gelagert. So befand sich ein Pulverturm auf dem Steinfeld an der Sierningerstraße.32) Im Jahre 1653 wurde von der geplanten Pulvereinlagerung im Knöblturm33) Abstand genommen, da er dem „Gewerkschaftskasten (Innerbergerstadel) zu nahe“ lag.24)
Seit dem 17. Jahrhundert erhielten häufig Tabakkrämer die Berechtigung zum Pulververschleiß im Kleinen.35)
In den städtischen Archivalien werden folgende Pulvermacher erwähnt: Christoph Scheuber (1591)36) Katharina Aignerin (1632); um diese Zeit dürfte sich die Pulvermühle im Besitze der Stadt befunden haben,37) Georg Richter (1626),38) Christoph Muringer (Moringer, 1641, 1655) ; im Jahre 1641 wurde die von ihm in Bestand genommene Pulverstampfe verkauft,39) vermutlich erwarb sie Bürgermeister Johann Egger;40) Veit Eisengrueber (1659, 1666), er war auch berechtigt, Tabak zu verkaufen;41) Paul Kürchmayr (1659, 1670) ; er war Saliter und Pulvermacher; zu Schleißheim „in Adigramb“ besaß er ein Häusl und eine Pulverstampfe (Herrschaft Weißenberg);42) Matthias Eisengrueber (1686),43) Martin Eisengrueber (1687, 1696), auch er durfte mit Tabak handeln, doch musste er diesen dem Tabakfabrikanten Johann Höllinger in Enns abnehmen und durfte ihn nicht neben dem Pulverstand verkaufen,44) seine Behausung lag im Viertel „Schaurstein, außers Tor“;45) Matthias Dankhueber (1700); er arbeitete zwei Jahre bei dem Pulvermacher Wolf Gstalter in Molln und drei Jahre bei Zacharias Oberlender in Ybbsitz, kam 1699 nach Steyr, heiratete die Witwe Martin Eisengruebers und erhielt 1700 das Bürgerrecht;46) Hans Georg Liechtenegger, Bürgerrecht 1730;47) Anton Dankhuber erwarb Haus und Werkstatt „auf dem Anger“ von seinem Stiefvater Johann Georg Liechtenegger, Bürgerrecht 1747;48) Franz Xaver Danckhueber (1751),49) Matthias Pürcklhueber 1758,1777 betätigte sich auch als Zimmermeister, sein Haus, das sich auf dem Wieserfeld befand, verkaufte er anlässlich seiner Übersiedlung nach Steinbach a. d. Steyr.50)
Im Jahre 1782 befassten sich im Lande ob der Enns nur noch vier Unternehmer mit der Schießpulvererzeugung, ihre Betriebe lagen in Steinbach a. d. Steyr, in Steyrling, an der Krems (Schneidermühle) und in Wels.51)
Ein Handwerksverband der Saliter und Pulvermacher dürfte in Oberösterreich erst um 1686 gegründet worden sein. In diesem Jahre forderten nämlich die Meister in Steyr die Überstellung der „neuaufgerichteten Handwerkslade“ von Linz in die Eisenstadt.52) Ihr Wunsch dürfte kaum erfüllt worden sein, da um diese Zeit die Stadt Linz bestrebt war, Mittelpunkt der Landes-Handwerksverbände zu werden.
Saliter und Pulvermacher brauchten zur „Rekruten-Stellung“ nicht erscheinen. Laut § 13 des oben erwähnten, 31 Punkte umfassenden Patents waren sie ferner befreit „von aller Steuer, Mauth und Abgabe dergestalt, daß sie weder von diesem Gewerbe eine Gewerb- oder andere Steuer, noch von dem in die Aerarial-Magazine bestimmten, fertigen Materiale, und von den zu dessen Erzeugung nöthigen Bestandtheilen, wie auch von andern Erfordernissen, als Salniter-Lauge, Läuterwasser, Mutterlauge, Asche, Holz, Kohlen oder Kohlenstaub, Schwefel, Geschirr etc., ingleichen von Bau-Materialien, zur Errichtung der Werkstätte oder Depositorien, weder Zoll, noch Weg – Brücken – Schranken – und Roßmauth, noch sonst eine Abgabe zu bezahlen“ hatten.
In den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts regelten noch weitere Verordnungen die Schießpulvererzeugung und den Salpeter- und Pulverhandel.53) Durch die Verbesserung der Feuerwaffen und der Zündsätze in der zweiten Hälfte des genannten Jahrhunderts aber schwand immer mehr die Bedeutung des Saliterhandwerks und der Pulvermühlen, doch standen noch vor dem ersten Weltkrieg solche Werksanlagen in Betrieb.54)
- kaiserl. Patent in Salniter- und Pulver-Angelegenheiten v. 1.9.1801. Im Besitze des Verfassers.
- Ein leichtes Geschütz im Gewichte von 1 bis 1 ½ Zentner.
- Benannt nach dem an der Unterseite des Laufes angeschweißten Haken, der den Rückstoß aufzufangen hatte. Die Lauflänge des Doppelhakens betrug etwa 1,5 bis 2 Meter. Die Halbhaken kamen hinsichtlich Größe und Gewicht etwa dem halben Doppelhaken gleich.
- Die Muskete bildete die Hauptwaffe der Fußtruppen, Kaliber 18 bis 19 mm.
- Feuerwaffe für reitende Schützen, handlicher als die Muskete.
- Brachmann, Salniterer und Pulvermacher. O.Ö. Heimatblätter, Jg. 4 (1950), Heft 3, 8. 248 f.
- Mauersalpeter ist ein hygroskopisches Salz, das größtenteils aus Calciumnitrat Ca(NO3)2
- Brachmann, a.a.O., S. 249.
- Patent v. 1.9.1801, §§ 1, 3, 7.
- Ebenda, §§ 9, 11.
- Brachmann, a.a.O., S. 249.
- Ebenda, a.a.O., S. 249, 254.
- A. (= Stadtarchiv Steyr), Rp. (= Ratsprotokoll) 1634, 71.
- A., Rp. 1663, 155.
- A., Rp. 1770, 74.
- In Steyr werden im 17. Jahrhundert folgende Saliterer erwähnt : Georg Taschner, unbehaust (Stadtgerichtsprotokoll 1651, Hs. ( Handschrift) Nr. 195, Rp. 1658, 138), Paul K i r c firn a y r, er erhielt 1659 das Bürgerrecht (Rp. 1659, 136), nach seinem Testament v. 2. 6. 1670 besaß er auch eine Werkstatt in Neuhofen (St.A., Fasz. Testamente, Kasten XI, Lade 13: „Testamentum Reciprocum Paul Kürchmayr, Bürger und Salliterer alhier Elisabetha dessen Ehe- wärthin“), Matthias Hirbl (Rp. 1686, 40), Andreas Teucher; er besaß ein Haus im Viertel „Schaurstein, außers Tor“, heute Fabrikstraße (St.A., Steuerbuch 1695, Hs. Nr. 115 ; Stadtgerichtsprotokoll 1696, Hs. Nr. 203, S. 176.
- 17) 1758 beklagte sich die Pulvermacherin Pürcklhueber beim Rat, weil sie von Linz keinen Saliter bekomme und daher „das Gewerb nicht betreiben könne“. Der Magistrat richtete ein „Anfragsschreiben“ an die Pulver-Inspektion in Linz. St.A., Rp. v. 3. 7. 1758, 384.
- 18) In den Archivalien : „Der Pulverstampf“.
- 19j St.A., Rp. 1659, 80 ; 1784, 428. — A. Haindl, Die Ergänzung der Bürgerschaft Steyrs im 18. Jahrhundert. Phil. Diss. Innsbruck (1950), Maschinschrift, Bd. II, S. 123.
- 20) A. Rolleder, Heimatkunde von Steyr (1894), 8. 191, 197.
- 21) Die Annalen (1590—1622) des Wolfgang Lindner. Herausgegeben von Dr. K. Schiffmann. Archiv
- für die Geschichte der Diözese Linz. Jg. VI und VII (1910), 8. 182.
- 22) Ebenda, S. 347.
- 23) Mitteilung M. Eisengruebers an den kaiserlichen Pulver- und Saliter-Inspektor Johann Enzinger in Wien. St.A., Stadtgerichtsprotokoll 1696. Hs. Nr. 203, S. 45.
- 24) St.A., Rp. 1751, 242. Das von F. X. Pritz angegebene Jahr 1749 dürfte nicht stimmen. Nach Pritz
- befand sich die Stampfe an der Stelle, an der 1837 die Weinstabel-Fabrik stand. F. X. Pritz,
- Beschreibung und Geschichte der Stadt Steyer (1837), S. 343.
Aus den Veröffentlichungen des Kulturamtes der Stadt Steyr, Heft 27, Dezember 1966