Oskar Hacker

Von Hans Stögmüller

Oskar Hacker war 1940-1945 Chefkonstrukteur der Steyr-Daimler-Puch AG in Steyr.[1]

Geboren am 20. Februar 1898 in Göblasbruck (NÖ), besuchte er 1918 bis 1922 die Technische Hochschule Wien. Er stammte aus bescheidenen Verhältnissen und musste sein Studium als Werksstudent finanzieren. Bereits 1919 und 1920 war er Konstrukteur bei der Fa. Winiwarter.[2] Die Firma wurde von Georg Ritter von Winiwarter (* 21. 7. 1822 in Lemberg/Lwiw, + 2. 7. 1902 in Graz) mit seinem Bruder Joseph Max und dem Chemiker Hermann F. R. Baron von Gersheim in Gumpoldskirchen (NÖ) zur Erzeugung von verzinktem Eisenblech und Perkussionszündern gegründet. Die Firma wurde 1890 an Johann B. Ulrich verkauft.[3]

1922, im Alter von 24 Jahren, wagte sich Dipl.-Ing Oskar Hacker in Wien-Liesing an den Bau von Motorrädern heran. Er nannte sie Bison und rüstete sie mit Zweizylinder-Boxermotoren von Douglas, BMW oder Coventry-Victor aus. Der Taufschein der Bison ist das Automobil-Prüfungszeugnis Nr. 1278 aus 1922, mit dem Oskar Hackers Motorrad-Konstruktion typisiert wurde.[4]

Das Motorrad unterschied sich von anderen durch zwei hintereinander angeordnete Sitze – damals noch eher unüblich. Der langgestreckte, sehr niedere Rahmen war ideal zur Aufnahme eines längsliegenden Boxermotors geeignet und sollte eigentlich ein Aggregat der englischen Firma Douglas aufnehmen. Der M2B15, der von BMW-Ingenieur Max Friz ursprünglich in einen Douglas Rahmen „hineinkonstruiert“ wurde, passte da genauso, und so wurde die Bison mit einem BMW-Motor typisiert. Angeboten wurden drei Varianten: die Typen 312 und 332 als Solo-Tourenmaschinen mit Riemen bzw. Kettenantrieb, letztere auch in der zweisitzigen Variante als Type 322.

Erweitert wurde das Angebot durch ein Sportmodell, das den 688cm-„Super Six“-Motor von Coventry Eagle als Antriebsquelle verwendete, natürlich auch ein Boxer. Die Typbezeichnungen 412 für den Einsitzer, 422 für das Tandem. Die zweisitzigen Varianten unterschieden sich durch einen längeren Radstand und eine Federung des Hinterbaus mittels zweier Blattfederpaketen. Der hintere Sitz war so tief angeordnet, dass sich auch mit einem Passagier nichts am tiefen Schwerpunkt der Bison änderte. Aber auch diese Version lockte nicht mehr Kunden an. So verließen nur wenige dieser standardmäßig hinten mit einem Reserverad ausgerüsteten Zweiräder die Bison-Motorradfabrik GesmbH. in Liesing bei Wien, Perchtoldsdorfer-Straße 9.

Die Firma wurde 1923 von Oskar Hacker dem Metallwarenfabrikanten Wilhelm Lovrek aus Liesing mit Hauptsitz Wien VII, Stiftgasse 21, und Fabrik in Fünfhaus, Friedhofstraße 5, überantwortet, doch Hacker blieb als Prokurist in der neuen Firma, die 1924 den Betrieb einstellte. Die Ausgleichstagsatzung fand im Jänner 1925 statt.[5]

Ein Exemplar steht bei Franz Amering im Motorradmuseum in Vorchdorf. Es handelt sich um den Typ 312/S, ein einsitziges Tourenmodell mit dem M2B15-BMW-Motor, entgegen der Typenkennzeichnung aber mit Kettenantrieb. Von der im rustikalen Originalzustand erhaltenen Maschine mit der Rahmennummer 55 sind auch die Papiere erhalten geblieben, deshalb wissen wir, dass sie im Jahr 1922 an einen Kunden in Wien ausgeliefert wurde.[6]

Die erreichten Stückzahlen waren gering, so dass die Firma 1925 liquidiert wurde und er als Ingenieur zu Austro-Daimler ging.

Bei Austro-Daimler

Dort wurde er nach dem Abgang von Karl Rabe zum Chefkonstrukteur bestellt. Ihm oblag die Entwicklung von Militärfahrzeugen mit zwei angetriebenen Hinterachsen, aber auch von Radpanzern mit Allradantrieb. Die AD-Fahrzeuge wurden ab den frühen Dreißigerjahren in Wiener Neustadt gebaut, nach der Fusion zur Steyr-Daimler-Puch AG auch in Steyr, aber weiterhin unter dem Namen Austro-Daimler.

Hacker entwickelte zum Beispiel aus der Austro-Daimler-Trosskarrette (ADTK) einen Feldküchenwagen samt Anhänger für das Bundesheer.[7]

Bei Steyr-Daimler-Puch

Hacker kam durch die Fusion der Austro-Daimler-Werke mit den Steyr-Werken 1934 nach Steyr und war vorerst Leiter der Produktgruppen Spezialfahrzeuge und Waffen. Die Steyr-Daimler-Puch AG lieferte alle modernen Panzerwagen für das Bundesheer der 1. Republik, nämlich den kleinen Panzerwagen ADSK (Zweiachser), den leichten ADSK (Dreiachser) und den mittleren ADGP (Vierachser), dessen Konstruktionszeichnungen von Oskar Hacker stammten.[8]

Am 18. Oktober 1938 wurde Hacker zum stellvertretenden Direktor der Steyr-Daimler-Puch. Mit 1. Jänner 1942 wurde er ordentliches Vorstandsmitglied. Hacker war unter Reichsminister Dr. Todt 1940 zum Geschäftsführer des Sonderausschusses Panzerwagen im Reichsministerium für Bewaffnung und Munition (RMBM) bestellt worden. Von 1941 bis 1945 war Oskar Hacker Mitglied des Aufsichtsrats der Montan (Verwaltungsgesellschaft staatseigener Rüstungsbetriebe Deutschlands). Weitere Mitglieder waren Friedrich Flick (Friedrich Flick KG), Philipp Keßler (Bergmann Elekticitäts-Werke AG), Paul Müller (Dynamit AG) und Hellmuth Roehnert (Rheinmetall-Borsig AG).[9] Hacker war kein Mitglied der NSDAP.

1940 war Hacker Chef der technischen Abteilung (Produktionsplanung, Entwicklung), Betriebsinspektorat (Arbeits- und Materialsteuerung, Qualitätssicherung), Bauabteilung, Maschinenverwaltung sowie die Großprojekte Nibelungen- und Wälzlagerwerk. Dipl.-Ing. Ernst Rausch wurde für das Hauptwerk zum technischen Werksdirektor bestellt. Ab 10. April 1941 war Hacker Chef der Technischen Vorstandsabteilung Steyr.

Gemäß Anordnung Todts vom 11. Jänner 1941 wurde Hacker, der bisher Geschäftsführer des Sonderausschusses Panzerwagen war, zum „Sonderbeauftragten für Panzerwagen“ beim Reichsministerium für Bewaffnung und Munition bestellt.[10]

Oskar Hacker war für die Planung des Nibelungenwerks in St. Valentin zuständig, ihm standen die Architekten Werner Zieritz und Erhard Lang zur Seite. Errichtet wurde das Werk nahe der Ortschaft Herzograd 1940 bis 1941 von der Steyr-Daimler-Puch AG, die damals schon den Reichswerken Hermann Göring einverleibt war. Dort sollten Vollkettenfahrzeuge (sprich Panzer) zusammengebaut werden. Die Maschinen- und Bauabteilung der Steyr-Werke plante in Gemeinschaftsarbeit mit dem Heereswaffenamt eine aus neun Fertigungshallen bestehende Fabrik. Die Gesamtbaukosten wurden zunächst auf 65 Millionen Reichsmark geschätzt. Für den Fertigungsbereich stützte man sich vor allem auf die Erfahrungen der Berliner Panzerproduktion Alkett, einer Mitte der Dreißigerjahre gegründeten Tochter des Rüstungskonzerns Rheinmetall-Borsig. Gegen Jahresende 1941 lief die Fertigung der Panzerkampfwagen IV probeweise an, worauf die Serienfertigung im April 1942 startete. Insgesamt 4786 wurden gebaut. Später wurden auch kleinere Einheiten der Panzertypen Tiger, des Sturmgeschützes Ferdinand, Elefant sowie Jagdtiger hergestellt.[11]

Mit seiner Konstruktion des „Raupenschleppers Ost“ setzte er sich gegen alle Konkurrenz durch. Der RSO wurde in großen Stückzahlen als Zugmaschine für den Einsatz im unwegsamen Russland in Steyr gebaut, dann auch in Lizenz bei anderen Herstellern. Hacker arbeitete auch an der Entwicklung eines „Radschleppers Ost“, doch wurde diese Konstruktion nicht umgesetzt.

Hacker wurde im Oktober 1945 verhaftet und nach Glasenbach bei Salzburg eingeliefert. Weil er nicht Parteigenosse war, dürfte er bald wieder freigekommen sein.[12] Hacker wanderte nach Australien aus, doch kam er 1948 wieder nach Österreich zurück

Der Motormuli

Hacker konstruierte kurz nach Kriegsende einen Raupenschlepper auf Basis des RSO für den Abtransport von Holz unter der Bezeichnung „Motor-Muli“. Für die Konstruktion von drei Versuchsmodellen wurden von der ECA-Mission 400.000 Schilling zur Verfügung gestellt. Die Konstruktionsabteilung der Fa. Schuster, Hacker & Co. Kom. Ges. war in Wien XVI, Nauseagasse 25, später Wien I, Singerstraße.

Nachdem die Versuche mit Prototypen erfolgreich abgeschlossen waren, wurde 1951 in einer Firma gemeinsam mit Dr. Ludwig Graf Lodron in einer Halle der Mollner Holzwaren in Leonstein mit Hilfe eines ERP-Kredites in der Höhe von 1,3 Millionen Schilling mit der serienmäßigen Herstellung des Raupenschleppers begonnen. Dort erfolgt jedoch nur der Zusammenbau. Die Einzelteile wie Motor, Chassis, Ketten und Reifen werden von anderen österreichischen Unternehmen hergestellt und angeliefert.[13]

Das Motor-Muli war in zwei Baugrößen vorgesehen, als M 30 mit dem 2-Zylindermotor mit 30 PS (nur ein Versuchsfahrzeug) und M 60 (bzw. M 70 und M 80) mit dem 4-Zylindermotor und 60 PS (bzw. 70 PS) der Steyr-Motor-Baureihe 13 (WD 413). Das Modell M 100 hatte einen Dieselmotor mit 125 PS der Firma Gräf & Stift. Das Fahrzeug war vor allem für die Land-und Forstwirtschaft konzipiert und ist in den Prospekten und vorhandenen Abbildungen fast immer mit Seilwinde, Holz-Nachläufer und ähnlicher Ausrüstung zu sehen. Der Einsatz beim österreichischen Bundesheer zum Ziehen des Grabenpfluges[14] und bei der Post waren nur einzelne Ausnahmefälle. Interessant war auch, dass ähnlich dem ADMK des 1. Bundesheeres für die Straßenfahrt ab Werk ein Rädersatz zum Aufstecken mit einer Fahrgeschwindigkeit bis ca. 40 km/h angeboten wurde. Insgesamt wurden ca. 150 Motormulis gebaut.

Der Winteromnibus Schuster-Hacker-Muli M 80 wurde von der Post als Bus für Skigebiete eingesetzt. Er hatte eine Karosserie von der Fa. Lohner in Wien mit 12 Sitzplätzen und zusätzlich zwei Notsitzen, die nach Molln angeliefert wurde. Als Antrieb diente ein wassergekühlter Vierzylinder-Dieselmotor von Steyr (WD 413). Das Fahrzeug war vom Dezember 1951 bis 1956 in Tirol, vorwiegend im Wintertourismus am Arlberg, eingesetzt. Ein Exemplar steht noch in Salzburg in der Garage der ÖBB-Postbus GmbH.[15]

Bei Magirus-Deutz in Ulm wurde nach dem Krieg Motormulis in Lizenz erzeugt. Ein Exemplar steht heute im Auto & Technik-Museum Sinsheim (Baden-Württemberg, Deutschland). Auch die Firma Atkinsons’s Agricultural Appliances Ltd., Clitheroe, Lancs. (Großbritannien) erzeugte das Motormuli M 60 in Lizenz. Exportiert wurden die Fahrzeuge von der Atkinson-Hacker Tractor Co. Ltd., Clitheroe.

Rotations-Schneepflug System Wallack

Die heute noch an der Großglockner Hochalpenstraße im Einsatz stehenden Schneefräsen wurden 1953 im Auftrag von Hofrat DI. Franz Wallack von der Firma Motormuli konstruiert und bei der Fa. Metallbauwerke Wels GesmbH, Bauernstraße 1 (am Flugplatzgelände, vormals Fa. Hinterschweiger, die Traktoren herstellte) gebaut. Bis 1963 wurden auf dem Fahrgestell M 100 acht Stück dieser Rotations-Schneepflüge System Wallck gebaut.[16] Angetrieben wurden sie von drei Saurer-6-Zylinder-Dieselmotoren mit je 125 PS.

Allerdings haben der Unimog und andere Zugmaschinen mit Allradantrieb (z.B. MAN und Latil) dem Motormuli von Beginn an den Rang abgelaufen, da ein Kettenlaufwerk im Universaleinsatz die bekannten Nachteile hat. 1952 wurde die Firma noch in „Motormuli Hacker & Co. Kom. Ges.“ umbenannt. 1955 wurde der Betrieb eingestellt und das Projekt Motormuli an die Österreichischen Saurerwerke AG verkauft. Dort wurde 1959 die Produktion des Kettenfahrzeuges eingestellt und die Pläne nach Russland verkauft. 1957 war die Motor-Muli GmbH pleite. Die Firma wurde 1959 im Handelsregister gelöscht. Die Firma Alpen-Transport in Traun (Geschäftsführer Dipl.-Ing. Ernst Wörther und Walter Nowak) erwarb die Restbestände und Maschinen, erzeugte aber nur mehr wenige Fahrzeuge.

Hacker war dann als Konsulent für Gräf & Stift tätig. 1958 wurde Hacker von der Voest als Direktor engagiert. Hacker starb am 5. Jänner 1961 in Linz.

[1] Günther Nagenkögl/Hans Stögmüller, Hans und Erich Ledwinka. Die Autopioniere und Chefkonstrukteure in Steyr und Graz, ihr Leben, ihre Technik, Gutau 2015, 296

[2] Bertrand Perz, Projekt Quarz. Steyr-Daimler-Puch und das Konzentrationslager Melk, Wien 1991, 38

[3] http://www.aeiou.at/aeiou.encyclop.w/w776162.htm

[4] Rudolf Santner, Österreichische Motorräder und Beiwagen. 1918-1960, Gnas 1994, 33

[5] http://www.voz.co.at/VKMA/Div-a-d/bison.html

[6] http://www.mvca.at/Museumsseiten/Bison312.htm

[7] Fritz Baer, Fahrzeuge des Bundesheeres in der 1. Republik, Militaria Austriaca 9/1992, 11

[8] Erwin Steinböck, Österreichs militärisches Potential im März 1938, Wien/München 1988, 62

[9] Barbara Hopmann, Von der Montan zur Industrie-Verwaltungs-Gesellschaft (IVG), 1916-1951, 49

[10] Dietrich Entholtz, Geschichte der deutschen Kriegswirtschaft 1939-1945, München 2003, Bd. 1, 20

[11] Gerhard A. Stadler, Das industrielle Erbe Niederösterreichs, 666-670

[12] Protokolle des Ministerrats der Zweiten Republik, 20. 12.1945 – 9.4.1946, 258, 627

[13] Steyrer Zeitung Nr. 1, 4. Jänner 1951

[14] Karl Anveiler, Prototypen und Sonderfahrzeuge der Bundeswehr seit 1956, Motorbuch Verlag 2004. http://www.doppeladler.com/forum/viewtopic.php?t=1484

[15] www.postbus.at

[16] http://www.salzburg.com/wiki/index.php/Wallack-Rotations-Schneefr%C3%A4se

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