Michel Blümelhuber

OAR Walter RADMOSER

Am 20. Jänner 1986 jährt sich zum 50. mal der Todestag Michel Blümelhubers des großen Steyrer Meisters des Stahlschnittes. Dieser Gedenktag gibt Gelegenheit, in einer repräsentativen Schau die bedeutendsten Werke des Meisters zu zeigen, darüber hinaus aber auch Aufschluss über seine Person und sein Schaffen als Schriftsteller und Erfinder zu geben. Die folgenden Zeilen sollen skizzenhaft die Schau ergänzen.

Michel Blümelhuber erweckte den bereits in der Antike bekannten Eisen­schnitt, die Bildhauerei in Stahl, wie er seine Kunst selbst in einem Radiointerview anlässlich seines siebzigsten Geburtstages nannte, zu neuem Leben. Wenn auch diese Kunst in unserer materialistisch eingestellten Zeit – der Wert des Materials steht in keinem Verhältnis zu dem künstlerischen und handwerklichen Aufwand – kaum mehr ausgeübt wird, sind seine Werke von einer zeitlosen Aussagekraft. Als er im Jahre 1936, im 71. Lebensjahr stehend und vielfach ausgezeichnet, für immer seine Augen schloss, hatte sich ein ungewöhnlicher Lebenskreis geschlossen.

Michel Blümelhuber wurde am 23. September 1865 in Unterhimmel, damals noch zur Gemeinde Garsten gehörig, geboren. Sein Vater Karl Blümelhuber, Vorarbeiter der Säbelschmiede des Wiener Hauses Bernhard Ohlig, war bemüht, seine Familie redlich durchs Leben zu bringen.

Der kleine Michel besuchte vorerst die Volksschule in dem höhergelegenen und damals schon weithin bekannten Wallfahrtsort Christkindl. Bereits in seinen frühen Lebensjahren traf ihn ein schwerer persönlicher Schicksals­schlag.

Mit acht Jahren erkrankte er an Typhus, als deren Folge­krankheit eine Kiefersperre auftrat. Bis zu seinem 27. Lebensjahr konnte er seine Kinnlade nur wenige Millimeter weit öffnen und musste sich daher überwiegend flüssig ernähren. Erst der Herzog von Cumberland, für dessen Schloss er ein Gitter kunstvoll restaurierte, brachte ihn zu dem berühmten Chirurgen Billroth, der ihn in mehreren komplizierten Operationen von seinem Leiden befreite.

Nach der Volksschule besuchte er die Bürgerschule, die Vorläuferin unserer heutigen Hauptschule in Steyr und fiel dort durch seinen außergewöhnlichen Fleiß und seine guten Lernerfolge besonders auf. Im Jahre 1880 trat er in die damals gerade eröffnete Versuchs- und Lehrwerkstätte (Bundeslehranstalt) für Eisen- und Stahlbearbeitung ein und erlernte bei Direktor Gustav Ritzinger die Technik des Gravierens, Ziselierens und des Stahlschnittes.

Im Jahre 1883 beendete er seine Ausbildung mit ausgezeichnetem Erfolg. Im Jahre 1885, mit knapp zwanzig Jahren machte er sich beruflich selbstständig und eröffnete unter großen finanziellen Opfern in Steyr, Sierninger Straße 14 eine eigene Werkstätte. Er selbst bezeichnete sich als Messer­schmied und Schwertfeger. Von Anbeginn fühlte er den Drang in sich, dem Gebrauchsgegenstand besondere künstlerische Formen zu geben. Bereits in seiner Anfangszeit beginnt er, die von ihm in Handarbeit hergestellten

Gebrauchsgegenstände mit künstlerischem Dekor zu versehen. Durch sein Leid geprägt ist er in dieser Zeit sehr in sich gekehrt und unermüdlich bemüht, seine Kunst, die später zu seinem Lebensinhalt wird, zu verfeinern. Er schmiedet selbst die Grundformen seiner Werke, die grundsätzlich immer aus einem Stück gestaltet werden. Seine Erstlingswerke sind Brieföffner, Papierscheren und Jagdmesser.

Der Schlossherr von Steyr, Graf Emmerich von Lamberg, selbst ein kunst­verständiger Sammler, wird auf Blümelhubers Werke aufmerksam und nimmt sich des jungen Künstlers an. Er ist es auch, der ihn beim kaiserlichen Hof einführte. Seine Arbeiten finden immer stärkere Beachtung und Aner­kennung und werden 1900 bei der Weltausstellung in Paris, 1901 im öster­reichischen Museum in Wien und 1902 in London öffentlich zur Schau gestellt. Kaiser Franz Joseph 1. würdigte im Jahre 1901 sein Wirken durch die Verleihung des Goldenen Verdienstkreuzes.

Michel Blümelhuber wandte sich in der Folge immer mehr der künstlerischen Gestaltung des Stahls zu und war jahrelang um die Errichtung eines Meister­ateliers für Stahlschnitt in Steyr bemüht. Nach zahlreichen Fehlschlägen und damit verbundenen Enttäuschungen kam es im Jahre 1908 zu den ver­schiedenen Beschlüssen über die finanzielle Absicherung des Vorhabens. Der Staat, das Land Oberösterreich und die Stadt Steyr entschlossen sich zu bedeutenden finanziellen Leistungen. Im selben Jahr noch wurde mit dem Bau des Gebäudes am Posthofberg nach den Plänen des Architekten Alfred Rodler begonnen. Eine Reihe von Steyrer Firmen, aber auch solche aus ganz Österreich und Deutschland trugen zu dem Bau bei. Zahlreiche Ein­richtungsgegenstände stammten aus Spenden von privaten Gönnern. Am 29. 9. 1910wurde die Landeskunstschule für Stahlschnitt in Steyr eingeweiht.

Blümelhuber selbst hat die Stahlschnittkunst mit folgenden Worten charakterisiert: “Stahlschnitt ist kurz gesagt, die Einführung von Stahl, des Werkstoffes für alles, als Werkstoff in die bildende Kunst, dessen Bezwingung Werkfeinheiten erzielen lässt, die mit anderen Stoffen unerreichbar sind. Die neueste Errungenschaft, nichtrostender Stahl, bedeutet für den Stahlschnitt eine weitere hohe Wertsteigerung“.

Zu seinen bedeutendsten Werken der früheren Periode, in welcher er noch · dem Gebrauchsgegenstand verbunden war, zählen das Fürstenbergische Jagdmesser, das Jagdmesser des Freiherrn von lmhof, das Jagdbesteck der Familie Hofrat List und die Erzherzog-Franz-Ferdinand-Schere. Von seinen späteren symbolischen Plastiken sind die Unika Plakette „Evangelium“, eine aus einem Stück Waffenstahl durchsichtig geschnittene Blumen­gruppe, die „Menschheitszunft“, die „Himmelsbotschaft“, der „Bergmanns­stock von Wittkowitz“, der „Linzer Domschlüssel“, das „Stahlkreuz von Kalksburg“ und der „Medaillienbaum“ besonders zu erwähnen.

Michel Blümelhuber selbst nannte sein Leben in einen „Lebensweg von unten voll Drang, von oben emporgehoben durch dichterische Intuition“. Der Ausbruch des ersten Weltkrieges hinterließ auf ihn einen tiefen Ein­druck und inspirierte ihn zu seinem Epos „Weltenwende“ dessen erste Handschriftskizzen schon im Jahre 1914 vorliegen.

Anlässlich seines sieb­zigsten Geburtstages lüftete er auch das Inkognito seines „Jung-Faust“. Neben seiner künstlerischen und schriftstellerischen Arbeit war Blümelhuber auch als Erfinder tätig. Zahlreiche Patentschriften, wie etwa jene für ein lenkbares Luftschiff, für ein Schraubenwasserrad oder einen Rauchabzug für Lokomotiven zeugen heute noch von seiner erfinderischen Phantasie. Seine Erfindungen wurden nie in die Tat umgesetzt, seine dichterischen Werke werden heute kaum gelesen. Seine Kunstwerke jedoch sind aus unvergänglichem Material für die Ewigkeit geschaffen. In ihnen sind sein hohes künstlerisches Empfinden mit seinem überragenden handwerklichen Können in ergreifender und beglückender Weise vereint.

Als Michel Blümelhuber am 20. Jänner 1936, nach einem erfüllten künstle­rischem Leben seine Augen für immer schloss, geleitete eine große Trauer­gemeinde den großen Sohn der Stadt zu seiner letzten Ruhestätte, einem Ehrengrab der Stadt Steyr, auf den Steyrer Friedhof.

Ein Nachruf in der „Reichspost“ vermag seiner vielschichtigen, manchmal auch schillernden Persönlichkeit am besten gerecht werden.

„Blümelhubers Werk hat Ewigkeitswert. Er ist als Mensch und Künstler in der Ganzheit seines Wesens unersetzlich. Die Menschen, die ihn kannten und schätzten, werden dem Steyrer Stahlschnittmeister ein treues Gedenken bewahren. Michel Blümelhuber war ein Idealist, vielleicht bis zu einem ge­wissen Grade ein Phantast, ein Weltverbesserer, der aus einem reichen Innenleben heraus mithelfen, mitarbeiten wollte bei der Erneuerung der Menschheit“.

 

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