STEYR, DIE „HAUPTWERKSTÄTTE“ DER MESSERER
Als mächtigster Handwerksverband der Stadt Steyr galt in früheren Jahrhunderten die „Liebfrauenzeche der Messerer“. Im Jahre 1407 bestätigte Herzog Ernst den Messerermeistern zu Steyr neuerdings die in der zweiten Hälfte des 14.Jahrhunderts ihnen von den Herzogen Albrecht und Wilhelm verliehenen Handwerksprivilegien.
Die durch Kriegsereignisse bedingte schlechte Wirtschaftslage der Eisenstadt am Ausgang des Mittelalters bekam auch das Handwerk zu spüren. 150 Messerer und andere Handwerker wollten damals die Stadt verlassen. Erst im vierten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts besserten sich die wirtschaftlichen Verhältnisse. Messerer aus dem Reich und aus der benachbarten Stadt Wels ließen sich in Steyr nieder. Außerhalb der Stadtmauern, auf dem Wieserfeld, erbauten sie und andere Eisenarbeiter ihre Werkstätten.
Die Steyrer Messererzunft schrieb eine Lehrzeit von fünf Jahren und Meistergebühren im Betrage von etwa 50 Gulden vor. Während die anderen Handwerksverbände die Wahl des Vorstandes in ihren Herbergen durchführen mussten, durften die Messerer im Hinblick auf ihre bedeutende Stellung im städtischen Wirtschaftsleben die Wahl der Zech- und Fürmeister am St. Thomastag nach der Bürgermeister- und Ratswahl im Rathaus vornehmen. In Steyrdorf, wo die Messerer ein Zechhaus besaßen (Kirchengasse Nr. 1), befand sich auch ihre Herberge, die um 1718 in das Gasthaus des. Johann Hammer in der Gleinkergasse, später zu Adam Beham in der Kirchengasse verlegt wurde. Die Zeche ließ in diesem Jahrhundert eine neue Zunftfahne anfertigen, und zwar „auf die Art, wie die Fahnen in Wien gebräuchig“ waren.
Nach V. Preuenhueber (Annales Styrenses, 1740) sollen zwei oder drei Angehörige des Messererhandwerks „von alters her“ dem Rat der Stadt angehört haben. Wahrscheinlich handelte es sich um vermögende Messerverleger. Im Jahre 1668 beschloss die Stadtobrigkeit, dass unter den vier Ratsmitgliedern aus Steyrdorf auch ein Messerer sein müsse.
Seit 1478 waren in Steyr auch die Messerergesellen in einem eigenen, von Fürgesellen geleiteten Verband geeinigt.
Die Messerproduktion vollzog sich seit dem 15. Jahrhundert in der Weise, dass der Klingenschmied die Rohklinge lieferte, der Schleifer ihr die „Schneid“ gab und der Messerer dazu aus Bein, Perlmutter, Messing oder Buchsbaumholz die Schale anfertigte. Messing lieferte meist das Hüttwerk in Reichraming, Buchs die Nürnberger Handelsleute und Muscheln für die Perlmutterschalen bezog man aus Venedig.
Zu den gangbarsten Messersorten zählten „Steyrer Netterl“ (Taschenmesser), Steinbacher Messer, Tiroler Messer, „Profanter“ und die besonders schön ausgeführten „Ehrmesser“ für Geschenkzwecke. Als vollwertige Handelsware qualifizierte sie die Handwerksmarke oder das Zeichen. Ein kaiserliches Privileg berechtigte die Messerermeister, auf ihre Erzeugnisse, die in bedeutenden Mengen nach Venedig geliefert wurden, zum Meisterzeichen das Wappen „Neuösterreichs“ (Bindenschild) aufzuschlagen. Die den Meistern verliehenen Marken verzeichnete von 1516 bis 1666 die Zunft im so genannten „Schuldt Buech“ und auf einer Bleitafel. Nach diesem Jahre überwachte die Eisenobmannschaft die Verleihung der Meisterzeichen
Zur Regelung des Materialbezuges, des Absatzes, der Arbeitsverhältnisse und anderer wirtschaftlicher Fragen, vereinigten sich die Messerer der Städte Wien, Steyr, St. Pölten und Waidhofen a.d.Ybbs schon im 15.Jahrhundert zur mächtigen „Gottesleichnamszeche „, die erstmals 1439 als „Vereinigte niederösterreichische redliche Messererwerkstätte“ erwähnt wird. Im Jahre 1470 traten dieser Vereinigung, in der Wien die führende Rolle inne hatte, auch die Meister der Städte Krems und Wels bei. In der Reformationszeit übernahm die Eisenstadt die Führung. 1546 wurde Steyr die „Hauptmesserwerkstätte“ und damit Mittepunkt des großen Zunftverbandes. In der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts suchten auch die Messerer von Steinbach a.d. Steyr (1559) und von Freistadt (1581) Anschluss an diese Vereinigung, der um 1662 auch das Messererhandwerk zu Preßburg angehörte. Wenn in der einschlägigen Literatur behauptet wird, dass in der Zeit der Glaubensspaltung in Steyr ungefähr 300 Messererwerkstätten bestanden haben, so ist diese Angabe wohl übertrieben. Denn es ist undenkbar, dass von den im Jahre 1576 im Burgfried der Stadt gezählten 702 Wohnbauten rund 43% Messererwerkstätten gewesen wären, wobei zu beachten ist, daß diese Kleinbetriebe vorwiegend nur in Steyrdorf und Aichet lagen.
Das Handwerkszeichen aller Messerer in den österreichischen Ländern und in Deutschland, nämlich drei gekreuzte Schwerter, umschlossen von einer goldenen Krone, soll Kaiser Karl IV. im Jahre 1348 dem Messererhandwerk zu Nürnberg verliehen haben.
Politische, konfessionelle und wirtschaftliche Ereignisse führten bereits in den ersten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts zum allmählichen Niedergang des Messererhandwerkes. In den Jahren der Gegenreformation verließen 31 Meister die Stadt. Von 1676 bis 1681 beeinträchtigte die Messererzunft zu Nürnberg die Steyrer Klingenindustrie. Die jährliche Einfuhr nürnbergischer Messer nach Wien wurde auf 70.000 Gulden geschätzt.
Um 1696 gab es in Steyr nur mehr 61 Messererwerkstätten. Doch nicht nur in der Eisenstadt, auch in anderen Städten Österreichs zeigte sich der Verfall dieses Handwerkes. Im Jahre 1704 gehörten zur „Gottesleichnamszeche“ noch die Werkstätten Steyr, Steinbach und Waidhofen, die bis in die Zeit Kaiser Josef II. Bestanden. 1784 fassten sie letztmalig gemeinsam Beschlüsse.
Dr. Josef Ofner