Die Bürgermeister der Stadt Steyr und ihre Zeit (Fortsetzung)
Von Dr. Erlefried Krobath
Die durch die Gegenreformation bedingte Abwanderung vieler erfahrener Kaufleute aus Steyr verursachte einen empfindlichen Niedergang des städtischen Handels, der Quelle des Wohlstandes der Stadt. Nach und nach füllten diese Lücken andere Kaufleute, auch solche aus Tirol, die als zuverlässige Katholiken galten und daher dem herrschenden Regime genehm waren. Diese Tiroler Handelsleute verfügten über geschäftliche Beziehungen nach Italien und ins Reich und waren daher in der Lage, die Abgewanderten und die ihres evangelischen Glaubens wegen Ausgewiesenen zu ersetzen. Nach Steyr waren neben anderen Zuwanderern auch Mitglieder der Familie Achtmarkt aus Bozen gekommen. Es waren dies der älteste, im Jahre 1600 geborene Sohn dieser Familie, wie sein Vater Josef genannt, und dessen jüngster Bruder Adam.2)
Josef Achtmarkt erwarb im Jahre 1629 die Christoph Richterische Eisenhandlung im heutigen Hause Stadtplatz Nr. 2 und führte diese, gemeinsam mit Matthäus Riß, weiter.3) In den Ratsprotokollen kann Achtmarkt erstmalig nachgewiesen werden, als er am 8. Oktober 1633 um „Linderung der angelegten Leibssteuer“ bat.4) Gegen Erlag von 20 Reichstalern erlangte er im Jahre 1635 das Bürgerrecht.5) Am 20. Oktober 1636 wird er als Pfarrkirchenverwalter erwähnt, der beim Magistrat den Antrag stellte, das baufällige Haus des Organisten herstellen zu lassen.6) Im Jahre 1640 kaufte er das in der Garstener Pfarre gelegene Gut am Rosenberg.
Als Wohnsitz erwarb Achtmark um 1641 den vor dem St.-Gilgen-Tor gelegenen Ansitz Teufelseck (so wegen seiner Lage am Teufelsbach genannt) und dazu den Wasch- und Rinnhof im Aichet. Nach Instandsetzung des Gutes Teufelseck erlangte Josef Achtmarkt von Kaiser Ferdinand III. die Erlaubnis, Teufelseck in Engelseck umzubenennen.7)
Schon am 14. November 1614 waren dem Vater Josefs von Erzherzog Maximilian ein Wappen und die Lehensfähigkeit verliehen worden. Josef Achtmarkt und seine Brüder, Tobias und Adam, erhielten am 18. September 1636 eine Wappenverbesserung und das Prädikat „von Achtmarktstein“. Anlässlich der Umbenennung von Teufelseck gestattete ihm der Kaiser, wegen seiner und seiner Vorfahren Verdienste um das Haus Österreich, für sich und seine Nachkommen weitere Renten, Zehenten und Gülten (Grundstückserträge) im Werte von 20.000 bis 24.000 Gulden zu erwerben und sich „auf Engelseck“ zu nennen.
Über Auftrag der Landeshauptmannschaft war nach dem Tode Bürgermeisters Mann im Februar 1641 das Steyrer Bürgermeisteramt provisorisch mit Niklas Frizler besetzt worden.8) Dieser Zustand währte bis Mitte Juni 1641,9) zu welchem Zeitpunkt Josef Achtmarkt auf Befehl des Landeshauptmannes zum „angesetzten“ Bürgermeister ernannt wurde. Auf Grund dieses Befehles wurden ihm und dem gleichzeitig zum Stadtrichter ernannten Georg Wernberger die Ämter übergeben.10)
Für 1642 wurde Achtmarkt gewählt, die Wahl wurde auch vom Kaiser im Mai des gleichen Jahres bestätigt.11) Um der Stadt die Wahlkosten zu ersparen, wurde mit kaiserlicher Resolution entschieden, künftig nur alle zwei Jahre Wahlen vorzunehmen. Daher verblieb Achtmarkt mit allen anderen Gewählten auch 1643 im Amt.12)
Als man im Dezember 1643 bei der Landeshauptmannschaft um Genehmigung der Wahlen für die folgenden zwei Jahre bat, ließen Landeshauptmann und Vizedom mitteilen, dass sie dienstlich verhindert wären nach Steyr zu kommen und außerdem die Stadt mit den für ihren Besuch auflaufenden Unkosten verschonen wollten.13) Sie hätten deshalb den Abt Roman Rauscher von Garsten beauftragt, die Wahl durchzuführen. Im Beisein dieses geistlichen Würdenträgers wurde am 3. Jänner 1644 Josef Achtmarkt neuerlich für die folgenden zwei Jahre zum Oberhaupt der Stadt erkoren.14)
An die Spitze des schwedischen Heeres war Ende Mai 1641 Leonhard Torstenson, der letzte Schüler aus Gustav Adolfs Feldherrenschule, getreten. Nach dem Sieg über die kaiserliche Armee unter Erzherzog Leopold wollte er gegen Wien vorrücken. Schon breiteten sich die schwedischen Truppen im Marchfeld aus u. streiften bis in die Gegend Wiens, als Torstenson, wegen des inzwischen ausgebrochenen schwedisch-dänischen Krieges, eiligst nach dem Norden zurückkehren musste. Hier schlug er das dänische Heer und stand Ende Februar 1645 mit seinen Scharen wieder in Böhmen, rückte dann über Dürnstein, Stein, Krems und Korneuburg bis in die Gegend der heutigen Brigittenau vor. Inzwischen war auch der Woiwod von Siebenbürgen, Stefan Rakoczi, in Ungarn eingefallen. Torstenson hoffte nun, nach der Vereinigung mit Rakoczis Truppen, Wien einzunehmen. Dieser schloss jedoch im August 1645 mit dem Kaiser Frieden. Der schwedische Feldherr zog nun aus der Wiener Gegend ab und rückte vor Brünn, das er im Mai zu belagern begann. Da er diese Stadt nicht erobern konnte, trat er im August den Rückmarsch an.
Wenngleich Steyr durch diese Kriegshandlungen nicht direkt berührt wurde, so erwuchsen der Stadt doch durch die laufenden Einquartierungen kaiserlicher Truppen ungeheure Kosten und große Beschwernisse. Fast immer forderte die jeweils in der Stadt liegende Garnison neben den normalen Kosten der Einquartierung auch Sonderabgaben. Im Dezember 1642 war das Regiment Lüttich in Steyr etngerückt.15) Ein Oberstleutnant dieser Truppe, Johann Stadlmayr, verlangte vom Magistrat, dass ihm für jedes Pferd des Regimentes ein täglicher Zuschuss von einem Groschen geleistet werde.16) Der Rat lehnte diese Forderung ab. Um aber nicht den Groll dieses Offiziers auf sich zu laden, bot man ihm statt des begehrten Geldes eine „Verehrung“ von vier Eimern Wien an. Als dieses Regiment anfangs Mai 1643 verlegt wurde, wollte der Kommandant, Oberst Lüttich, einen Fuhrwagen und eine Fuhre Wein von der Stadt haben. Obwohl die Stadt mit „Vnerschwinglich villen Dorgaben bedrängt“ war, wurden dem Oberst, wegen ,,guet geholtener Disziplin“, der gewünschte Fuhrwagen und ein Fass Wein zugebilligt. Die der Stadt aufgelaufenen Kosten der Einquartierung dieses Regimentes betrugen 25.087 Gulden.17)
Erst im April 1645 scheint man in Steyr den Eindruck gehabt zu haben, dass sich die „Feindtsgefahr etwas nachet“,18) dass also die Stadt in Gefahr stand, in die unmittelbaren Kriegsereignisse einbezogen zu werden. Da im ganzen Lande ein Aufgebot für Wehrfähige angeordnet wurde, verlangten die Stände im Juni vom Magistrat nicht nur die Stellung des 20. Mannes und eine gewisse Menge Mehl, sondern auch von jedem Haus einen Taler.19) Die alten Befestigungsanlagen am Tabor und auf den Anhöhen um die Stadt mussten instandgesetzt oder wiederhergestellt werden. Der militärische Befehlshaber des Landes, Erzherzog Wilhelm, kam in die Stadt und unterzog die Anlagen einer Besichtigung. Schon im Februar des gleichen Jahres war beschlossen worden, fünf Regimenter zum Schutze, „aber auch zur Plage der Bewohner“, wie Pritz schreibt, in das Land ob der Enns zu verlegen;20) Steyr war als Standort für das Regiment Colloredo vorgesehen.21)
Kurz nach seinem Amtsantritt beschäftigte sich Bürgermeister Achtmarkt mit dem brennenden Problem der städtischen Schulden. Da fast keine Barmittel in den Magistratskassen vorhanden waren, empfahl er in der Sitzung vom 8. Februar 1642, wegen des zu Ende gehenden Moratoriums für die städtischen Schulden, den Stadtschreiber Vogt von Vogtberg und den Ratsherrn Zacharias Prenner zum kaiserlichen Hof nach Wien zu entsenden, um dort eine Verlängerung zu erwirken.22) Dieser erste Versuch eine Zahlungserstreckung für die Stadtschulden herbeizuführen, scheint fehlgegangen zu sein. Einer neuen Abordnung, bestehend aus dem Stadtschreiber und dem Ratsherrn Johann Egger, war endlich Erfolg beschieden, als sie am 20. Oktober 1643 nach Wien reiste. In der Ratssitzung am 12. Dezember berichteten die beiden über den Ausgang ihrer Mission. Es gelang, am kaiserlichen Hof nicht nur ein weiteres auf drei Jahre befristetes Moratorium, sondern noch zusätzlich eine Mautbefreiung für Steyrer Waren, die Mauthausen passierten, zu erlangen. Schließlich konnten die geschickten Unterhändler noch erwirken, dass ein Ansuchen des Steinbacher Messererhandwerks, den Handel mit Venediger Waren und mit Waren, deren Handel privilegierten Städten und Märkten vorbehalten war, betreiben zu dürfen, abgelehnt wurde. Damit hatten sich die Steyrer einer möglichen Konkurrenz entledigt. Der Hofkanzler, wie auch der geheime Sekretär des Kaisers, Johann Michael von Schlerzi, und der Kanzler des niederösterreichischen Regiments,23) Carl Perger, verlangten für ihre Bemühungen in den von den Steyrer Abgesandten vorgebrachten Angelegenheiten „Verehrungen“. Da sich in den Stadtkassen jedoch kein bares Geld befand, wollten sich die Genannten mit Waren zufriedengeben. Bürgermeister Achtmarkt sollte ihnen „so Zeitlichen als Immer möglich“, Hufnägel, Hufeisen, eiserne Reifen und andere „Eisenzeugssorten“ nach und nach übersenden lassen.
Die vielen leeren Häuser in Steyr, für die niemand Steuern zahlte, bereiteten der Stadtverwaltung besondere Sorgen. Im Februar 1642 schlug daher der Bürgermeister vor, mit Emigranten und Ausländern, die in Steyr unbewohnte Häuser besaßen, in Verbindung zu treten und sie zu ermahnen, die ausständigen Abgaben zu entrichten. Widrigenfalls sähe sich die Stadt genötigt, die Häuser zu verkaufen. Dieser Vorschlag wurde im Rat mit Beifall ausgenommen, die Ratsmitglieder verlangten noch zusätzlich, dass man vermögende Bürger der Stadt auffordere, solche Häuser zu erwerben.24)
Fast bei jeder Ratssitzung musste auch über Forderungen und Klagen von Gläubigern verhandelt werden. Da jedoch die Mittel fehlten, war man gezwungen, die Gläubiger nahezu ausnahmslos zu vertrösten.25) Einen umfassenden Bericht über die verzweifelte finanzielle Lage erstattete der Bürgermeister in der Sitzung vom 9. Juli 1644. Eingangs führte er aus, es sei den Ratsmitgliedern ohnehin bekannt, dass die Bürgschaft wegen der bedeutenden Kosten, die durch die Einquartierung von Kriegsvolk entstanden, so belastet wäre, dass man nicht mehr wüsste, wie man die unvermeidlichen laufenden Ausgaben der Stadt bestreiten könne. Nicht nur die Einkünfte aus der Maut und allen Gefällen, das „jus locati“ aus dem Ungeld,26) das Scheckenamt, ja sogar das Rathaus selbst würden von allen „Tribunalys (Gerichten) auß mit Clag (Klage) vnd Execution angefallen“. Es sei nicht mehr möglich, den täglichen Zahlungen und schon gar nicht den Forderungen bevorzugter Gläubiger nachzukommen. Wegen des darniederliegenden Handels könne auch nicht mit Erträgnissen des von der Stadt bei der Hauptgewerkschaft eingebrachten Geldes gerechnet werden. Am Ende seines Vortrages bat Achtmarkt die Ratsherren, sich Gedanken zu machen, wie man dieser finanziellen Bedrängnis Herr werden könnte.27) Man kam zur einhelligen Ansicht vorerst den Stadtschreiber zu beauftragen, ein Verzeichnis der Summen anzulegen, die seit 1628 den „Crediths Partheyen“ und dem Landhaus bezahlt werden mussten. In einer weiteren Aufstellung sollte er auch die Ausgaben für militärische Einquartierungen aufzeigen.
Im Mai 1644 beschloss man, die Herrschaft Steyr, die Klöster Garsten und Gleink und Herrn von Grienthal in Dietach „beweglich anzuhalten“, ihre noch ausständige „Zuetragsgebühr“ (auf Anordnung der Landesregierung zu leistende Zuschüsse) für die Einquartierungen in der Stadt zu bezahlen.28) Zum Jahresende 1644 verfügte der Magistrat, alle noch irgendwo ausständigen Abgaben und Gefälle ohne Ansehen der Person einbringen zu lassen.29) Anfangs 1645 tagte in Steyr eine kaiserliche Visitationskommission, die den wirtschaftlichen Zustand der Stadt zu untersuchen hatte, um geeignete Vorschläge für die Sanierung unterbreiten zu können.30)
Wohl hatte der Kaiser der Stadt eine Steuerbefreiung für die 228 von ihren Bewohnern verlassenen Häuser gewährt, doch die oberen Landstände hielten sich nicht an diesen Befehl. Sie trieben die Steuern nach wie vor ein. Nun wandte sich der Magistrat neuerlich an Ferdinand III., der am 27. August in unmissverständlichen Worten die Stände auswies, die unrechtmäßig geforderten Steuern der Stadt zurückzuvergüten. Es wurde am 19. Oktober auch ein weiteres auf drei Jahre befristetes Moratorium gewährt, ein Getreideaufschlag bewilligt und den Ständen der Ersatz von Einquartierungskosten vorgeschrieben.31)
In dieser Zeit wurden an den Magistrat die vielfältigsten Ansuchen um Hilfe, die nicht gewährt werden konnte, gerichtet. Die in den Ablehnungen angeführten Gründe zeigen am besten die Notlage der Stadt auf.
So baten die Dominikaner im März 1642 vergeblich um Unterstützung. Der Rat lehnte mit der Begründung ab, dass er nicht einmal den „vilfeltig… ob dem Halß habendten Creditoren (Gläubigern) darunter vil Arme wittib vnd Waißen (Witwen und Waisen)“ ihre Guthaben auszahlen könne. Der Orden möge mit den fünf Gulden, die er wöchentlich von der Stadt als Unterstützung erhalte,32) zufrieden sein. Doch stelle die Stadt gerne ein Empfehlungsschreiben zur Verfügung, falls der eine oder andere Bürger zum Bau der Kirche beitragen wolle.33) Ungefähr ein Jahr später sah sich die Stadt genötigt, auch die wöchentliche Beihilfe von 5 Gulden auf die Dauer eines halben Jahres einzustellen. Wie geneigt der Rat auch war den Dominikanern zu helfen, sah er sich dazu außerstande wegen „außgstandter trangsale (ausgestandener Drangsale) und sonderlich“ wegen der drückenden Unterhaltskosten für das hier liegende Militär, das die Stadt über Gebühr belastete. Der Rat ersuchte die Patres, dies nicht „zu argen vernehmen“ zu wollen.34) Endlich wurde im Dezember 1643 versprochen, dass man im folgenden Jahre wieder den Wochenbeitrag von 5 Gulden flüssigmachen wolle.35) Diese Summe erhielt der Orden auch im Jahre 1645.
Über Vorschlag des Bürgermeisters empfingen auch die Kapuziner 1642 eine Beihilfe von 50 bis 60 Gulden und 5 bis 6 Eimer Wein.36) Eine größere Summe, 1.200 Gulden, wurde dem Jesuitenorden vom Einnehmeramt aus der Landessteuer zuerkannt. Rektor Johann Baptista Lackner bat den Magistrat im Dezember 1643 diesen Betrag anzuweisen.37) Im Mai 1645 wurde Rektor Martin Klingenberger SJ. beim Rat um Wachskerzen zur Abhaltung des Gottesdienstes vorstellig.38)
Oft hielt man Steyr noch für wohlhabend, da auch aus anderen Orten des Landes Bittschreiben einlangten. Ein Adam Cronhimbl, Provisor „bey vnser lieben frauen zu Ennß“, ersuchte im Mai 1644 um Beihilfe zur Erbauung eines Wohnhauses für die geistlichen Personen in diesem Orte. Der Rat sah sich veranlasst zu antworten, dass er, obwohl er die Ehre Gottes und der Jungfrau Maria nach allem Vermögen „Zubefürdern schuldigster Massen ganz begierig“, doch keine Barsumme zur Verfügung stellen könne, da ihm „der Zeit alle gelts mitl entwichen.“ Doch wollte man das für den Bau nötige Eisen in natura beistellen.39) „Zur befürderung der Ehr Gottes“ wurde auch den Franziskanern in Ybbs, ungeachtet der der Stadt „auf den Hals ligendten Nöth“, Baumaterial im Werte von 100 Gulden gegeben.40) Beim Magistrat wurden auch viele Ansuchen eingebracht, Almosen sammeln zu dürfen. Willfahrte man der Bitte, wurde dem Bittsteller vom Stadtrichter ein „Petlzaichen“ (Bettelzeichen) ausgefolgt.41)
Im Rathaus scheint eine große Raumnot geherrscht zu haben, denn die städtische Registratur war in einigen Zimmern des Dominikanerklosters untergebracht. Im August 1642 bat der Prior, man möge die aufzubewahrenden Akten und Bücher anderweitig unterbringen, da die benützten Räume vom Orden gebraucht würden.42) Stadtrichter Wernberger berichtete auch dem Rat im September desselben Jahres, dass er beim Fragner Hans Aichinger eine ganze Truhe voll Bücher, die aus der Registratur stammten, beschlagnahmen und zu sich habe bringen lassen. Der Rat ordnete ans diese Mitteilung hin an, dass Wernberger die Kanzleipersonen verhören solle, wie es zur Verschleppung der Bücher kam und ob noch weiteres Material aus der Registratur verbracht worden wäre. Den Fragner sollte der Stadtrichter befragen, ob er von den Büchern schon etwas verkauft oder verschenkt habe. Solchenfalls sollte er auch die Käufer namhaft machen.43) Erst unter Bürgermeister Schröffl wurde 1652 „ain eigener Orth“ für die Ablage errichtet, da dem Magistrat an „einer ordentlichen wollverwarthen Registratur merckhlich gelegen“ war.44)
Wegen des Geldmangels konnte in dieser Zeit an den stadteigenen oder den durch den Magistrat verwalteten Gebäuden nur das Notwendigste repariert werden. So musste 1642 das baufällig gewordene „Armen Herren Hauß bei der Steyr“ instandgesetzt werden.45)
Auch mit den Gewerbetreibenden gab es allerlei Schwierigkeiten. Es verlangten zum Beispiel die Wirte und Weinhändler der Stadt eine Ermäßigung der Weinsteuer um zwei Schilling je Eimer. Der Rat ließ die Bittsteller wissen, dass er ihnen ein Drittel der Steuer nachlassen wollte, obwohl jene „trotz des geleisteten Treueides und Gewissens dem Kaiser die schuldige Gebühr sträflich unterschlagen und überdies meistens feurigen Wein anschlagen, aber nur vierttigen (minderen) verkaufen.“46)
Am 21. Jänner 1646 übte Achtmarkt letztmalig das Amt des Bürgermeisters aus.47) Er diente der Stadt jedoch noch weiterhin als Ratsherr48) und Kirchenpropst.49) Letztere Stelle hatte der streng katholisch gesinnte Mann zwölf Jahre inne. Bei Abwesenheit des neuen Bürgermeisters vertrat er auch diesen zuweilen im Amt, dies noch am 23. Februar 1647.
Im besten Mannesalter von 47 Jahren starb Josef Achtmark am 14. März 1647 an der „Dörre“ (Auszehrung).50) Unter dem Geläute aller Kirchenglocken wurden seine sterblichen Überreste in der Stadtpfarrkirche beigesetzt.
Die Witwe bat am 13. April 1647 um Eröffnung des im Rathause erliegenden Letzten Willens des Verblichenen.51) In ihrer und in Gegenwart der Steyrer Bürger Wolfs Strauß, des Gatten einer Nichte Achtmarkts,52) wurden die Bestimmungen des Testamentes am 15. April kundgetan.53) Der Bürgermeister hatte allen Angehörigen Legate ausgesetzt, seinem Bruder Tobias, Ratsbürger und Gastwirt in Bozen und dessen Kindern 4.000 Gulden.54) Dem Kloster Garsten vermachte der Verstorbene 1.000 Gulden mit der Aufgabe, für ihn 1.000 Seelenmessen zu lesen.55) Der Abt erklärte sich bereit, das Legat anzunehmen und die daran geknüpften Bedingungen erfüllen zu wollen.56) Auch der anderen Orden wurde im Testamente gedacht.
Für die Errichtung einer Kapelle und eines Altares in der Stadtpfarrkirche widmete Achtmarkt 1.000 Gulden. In der Kapelle wurde eine hölzerne Gedächtnistafel angebracht, die nachfolgenden Wortlaut trägt: „Disen Altar vnd Capelln haben vorderist Gott dem Allmechtigen zu Lob: Dann der Muetter Gottes vnd Himmel Khönigin Marie, dem Heilligen Joseph vnd der Heilligen Muetter Annae: vnd Junckfraven Catharinae: Zu sondern Ehrn, Ihnen aber zu Ewigen Seelen Trost vnd Angedenckhen: Der Edl vnd Gestrenge Herr Joseph Achtmarckht von Achtmarckhtstain auf Englßegg Röm: Khay. May. Diener in das Fünffte Jahr gewester Bürgermeister der Statt Steyr: deß Alten Raths: Handelsmann: auch diser Pfarrkhürchen in das zwölffte Jahr gewester Khürchprobst alda, So den 14. Manaths Tag Marty deß 1647igist Jahrß in Gott seeligkhlich endtschlaffen vnd dessen Herzliebste Ehefrau Anna Catharina ein geborne Mozlin noch im Leben aufrichten vnd machen lassen.“
Nach Abbruch der Kapelle in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde die Gedenktafel geborgen und befindet sich heute im Heimathaus, der Stadt.
Zwei große Fragmente des Marmorgruftdeckels sind noch erhalten und derzeit an der Nordwand der Margarethenkapelle angebracht. Sie tragen, in vertiefter Kanzleiminuskelschrift die Worte „Der Edllen Achtmarckhtischen Begröbnuhz 1647“. Man sieht noch die Vertiefung für drei der fehlenden massiven Deckelringe, die vierte ist nicht mehr vorhanden.57)
Der Ehe Achtmarkts waren keine Kinder entsprossen. Die Witwe Anna Catharina blieb Eigentümerin des Gutes Engelseck. Vorsorglich hatte Achtmarkt schon im Jahre 1644 den Rat gebeten, ihm und seiner Gattin künftig die jährlich anfallenden Steuern für diesen Ansitz und den dazugehörigen Garten zu erlassen. Der Rat stimmte dieser Begünstigung mit der Begründung zu, dass der Bürgermeister bei Ausübung seines Amtes stets „besonderen Fleiß, Emsigkeit und Wachsamkeit“ bewiesen hatte.58) Auch das Haus Stadtplatz 2 war der Witwe vermacht, sie verkaufte es im Jänner 1649.59)
Anna Catharina Achtmarkt heiratete wieder, das Ladeschreiben zu ihrer Vermählung mit dem kaiserlichen Forstmeister Johann Christoph Staindl wurde am 4. Jänner 1649 im Rat verlesen. Dieser bewilligte als Hochzeitsgeschenk ein „Silber Stuck von 40 — 50 Lot“ Gewicht60), auf welchem das Stadtwappen angebracht wurde.61)
- Schreibweise in den Ratsprotokollen meist „Achtmarckht von Achtmnrckhtstain“: Verlass.-Inv. Niklas Frizler, K. XI, L. 17, St.A.
- LV 10, 8—9.
- Nachbesitzer wurden die Brüder Michael und Wolfs Strauß
- RP 1633, 95.
- RP 1635, 31; Bgr. 54.
- RP 1636, 156.
- Umbenennungsurkunde; Berndt behauptet, dass zu Engelseck auch die Häuser Redtenbachergasse 10 und Spitalskyg. 2 gehört haben (LV 7). In den Ratsprotokollen (1644, 19 und 1647, 12) spricht Achtmarkt selbst nur von einem Haus und einem Garten und davon, dass er ein im „Ebhardtischen Garten gelegenes Häusl“ abgebrochen habe. Die Grundmauern einer Schmiede des Ansitzes wurden bei Errichtung des Städt. Gesundheitsamtes (Redtenbachergasse 3) in den Jahren 1953/54 festgestellt.
- RP 1641, 194, 199.
- RP 1641, 262, 14. Juni.
- RP 1641, 266.
- RP 1643, 30, 3. Juni: „Vor einem Jahr haben die Wahlen stattgefunden.“
- 547, Mk, L. 10, St.A.
- RP 1643, 208, 215.
- LV 9.
- RP 1642, 250.
- RP 1643, 7, 20.
- RP 1643, 88, 92; LV 1, 292
- RP 1645, 77.
- RP 1645, 99.
- RP 1645, 32; LV 1, 292.
- RP 1645, 47, 65.
- RP 1642, 24.
- RP 1643, 218.
- RP 1642, 33.
- RP 1642—1645.
- Das Ungeld war eine von Rudolf IV. am 21. 3. 1359 eingeführte Getränkesteuer.
- RP 1644, 133.
- RP 1644, 133.
- RP 1644, 194, 302.
- RP 1645, 26.
- LV 1, 292.
- RP 1642, 13.
- RP 1642, 88.
- RP 1643, 213.
- RP 1643, 213
- RP 1642, 108, 202.
- RP 1643, 221.
- RP 1645, 83.
- RP 1644, 122.
- RP 1642, 105.
- RP 1645, 212.
- RP 1642, 170.
- RP 1642, 222.
- RP 1652, 352.
- RP 1642, 40.
- RP 1642, 25.
- RP 1646, 20.
- RP 1646 und 1647.
- RP 1646 333.
- RP 1647, 72; Totenregister II, Stadtpfarrkirche Steyr.
- RP 1647, 124.
- RP 1647, 128.
- Die Schwester Achtmarkts hieß Maria Edtl, deren Tochter Elisabeth.
- RP 1647, 131, 169, 186; RP 1648, 120, RP 1649, 26, 105.
- RP 1647, 144.
- RP 1647, 147. „Prior der Dominikaner bittet ihm vom ausgeworfenen Legat 300 Gulden zu appliciren“ (RP 1647, 131).
- Die Achtmarktische Kapelle mit der letzten Ruhestätte des Bürgermeisters befand sich in der Nähe des 2. Gewölbejoches des rechten Chores der Stadtpfarrkirche an der Stelle, da heute der Herz-Jesu-Altar errichtet ist.
- RP 1644, 19.
- RP 1649, 1.
- 1 Pfund (0,56 kg) waren 32 Lot. — RP 1649, 2, 76, 227.
- RP 1659, 10. Staindl scheint, lt. Contributionsbuches im Stadtarchiv, 1651 als Eigentümer des Engelseck auf. Am 14.2.1653 teilte er dem Magistrat mit, dass er das Gut dem Bürgermeister Schröffl verkauft hatte und ersuchte um Ratifizierung des Verkaufes (RP 1653, 37). Schon eine Woche später veräußerte Schröffl das Gut an Matthias Riß (RP 1653, 41). Dieser ließ Engelseck in seine heutige Form umbauen. — Adam Achtmarkt, der Bruder des Bürgermeisters war schon zu dessen Lebzeiten in das Handelshaus eingetreten und leitete das Zweiggeschäft in Krakau. Er wurde in dieser Stadt Bürger. Im Juli 1646 (RP 1646, 162) ist er wieder in Steyr, am 15. Mai 1648 teilte er dem Magistrat mit, dass er das Krakauer Bürgerrecht zurückgelegt hatte (RP 1648, 153). Mitte November 1652 heiratete er zum zweiten Mal (RP 1652, 352). Wie aus den bezüglichen Ratsprotokollen hervorgeht, geriet er in den folgenden Jahren in finanzielle Schwierigkeiten. 1669 verkaufte er sein Haus in Steyr. Am 5.2.1680 starb er im Alter von 72 Jahren (Totenregister II der Stadtpfarre Steyr). — Adam Achtmarkt war auch Eigentümer des Berg- und Hammerwerkes Wendbach (Archiv der Eisenobmannschaft, Nr. 18 ex 1670, Landesarchiv Linz).
Literaturverzeichnis
- Franz Xaver Pritz, Beschreibung der Stadt Steyr und ihrer nächsten Umgebung. Linz 1837.
- Franz Xaver Pritz, Geschichte der ehemaligen Benediktinerklöster Garsten und Gleink. Linz 1841.
- Josef Ofner, Die Eisenstadt Steyr. Geschichtlicher und kultureller Überblick. Steyr 1958.
- Bruno Gebhardt, Handbuch der deutschen Geschichte, Bd. 2. Von der Reformation bis zum Ende des Absolutismus, 16. —18. Jhdt. Stuttgart 1955.
- Josef Aschauer, Das Messingwerk Reichraming. Oberösterreichische Heimatblätter Jg. 7, Heft 3-4.
- Friedrich Berndt. Schloss Engelseck (Unterhaltungsbeilage der Steyrer Zeitung vom 13. 10. 1955).
- Verzeichnis der Bürgermeister, Richter und Räte 1500— 1651. St.A.
- Bürgermeister-, Richter- und Ratswahlenbuch. St.A.
- Wahlbuch de anno 1618. St.A.
- Jahrbuch der k.k. heraldischen Gesellschaft Adler. XXVII und XXVIII. Bd. Wien 1917/18.
- Josef Ofner, Das „kaiserliche Armaturswerk“. Veröffentlichungen des Kulturamtes der Stadt Steyr, Heft 23, Dezember 1962.
- Ludwig Bittner, Das Eisenwesen in Innerberg-Eisenerz bis zur Gründung der Innerberger Hauptgewerkschaft im Jahre 1625 (Archiv für österreichische Geschichte, Bd. 89 — 1901).
- Anton von Pantz, Die Innerberger Hauptgewerkschaft 1625—1783. Archiv für österreichische Geschichte, Bd. 89, 1906.
- Heinrich R. v. Srbik, Der staatliche Exporthandel Österreichs von Leopold I. bis Maria Theresia. Wien 1907.
- Krobath, Bürgermeister. Richter und Räte der If. Stadt Steyr, Amtsblatt der St. Steyr Nr. 8, Jg. 6.
- Alfred Hoffmann, Die Quellen zur Geschichte der Wirtschaft im Lande ob der Enns.
- Alfred Hoffmann, Wirtschaftsgeschichte des Landes Oberösterreich, 2 Bde. Salzburg 1952.
- Ludwig Edlbacher, Landeskunde von Oberösterreich. Wien 1883.
Weiteres Quellenmaterial Steuerbücher, Ratsprotokolle, Jurisdiktionsakten, Erbhuldigungsakten im Stadtarchiv Steyr, Sterbematriken im Stadtpfarramt Steyr, Eisenakten im Landesarchiv Linz.
Abkürzungen: LV = Literatur Verzeichnis, RP = Ratsprotokoll, K = Kasten, L = Lade.
Aus den Veröffentlichungen des Kulturamtes der Stadt Steyr, Heft 24, Dezember 1963