Jakob Zetl und Steyr (1618 – 1635)

(Aus: Der Aufstand von 1596 und der Bauernkrieg von 1626 in und um Steyr)

Von Volker Lutz

 

Einer der Steyrer Bürger, die den Bauernkrieg 1626 in der Eisenstadt erlebten und sich den wechselvollen Ereignissen nicht durch rechtzeitige Flucht entzogen hatten, war Jakob Zetl. Zetl hat auch in seiner, vor allem die Jahre 1618 bis 1635 schildernden Chronik, über diese Vorkommnisse in Steyr berichtet.

Für den Bauernkrieg von 1626 stellt sein Werk die einzige beschreibende Quelle dar, denn seine Kollegen in der Steyrer Stadthistoriographie schweigen darüber. Die Annalen des katholischen Schulmeisters Wolfgang Lindner, 1590 begonnen, reichen nur bis 1622 und sind vor allem für die Religionsgeschichte von hervorragender Bedeutung. Die „Annales Styrenses“ des Valentin Preuenhueber brechen mit dem Tode Matthias im Jahre 1619 ab.1)

Lindner und Preuenhueber haben die Ereignisse des dritten Bauernaufstandes in Oberosterreich mitgemacht. Valentin Preuenhueber wird bekanntlich als Führer des Protokolls bei der Tagung der Bauernausschüsse in Steyr während des Juli 1626 genannt. Im Dienste der katholischen Sache, um die es im Jahre 1626 in Steyr nicht besonders gutstand, aktiv und dem angestammten Landesherrn, dem Kaiser, treu war der Färbermeister Jakob Zetl.

Jakob Zetl war schon 1613 als Färbergeselle nach Steyr gekommen. Seine Herkunft und seine frühere Tätigkeit kann selbst aus seinen eigenen Aufzeichnungen nur erahnt werden. In der Auseinandersetzung anno 1612 zwischen Wolfdietrich von Salzburg und dem bairischen Kurfürsten stand Zetl als Soldat in erzbischöflichen Diensten. Auch der Nachfolger auf den Rupertistuhl Markus Sittikus von Hohenems verwendete kurze Zeit Jakob Zetl als Musketier.2)

Durch die Ehe seiner Schwester Katharina wird er Schwager des bürgerlichen Steyrer Färbermeisters Leonhard Rädlmayr. Erst am 11. Jänner 1616 wurde Zetl das Bürgerrecht der Eisenstadt verliehen und ihm dadurch die rechtliche Möglichkeit gegeben, sich hier anzukaufen. Mangels klärender Quellen muss angenommen werden, dass Zetl, bevor er seinen eigenen Gewerbebetrieb gründete, bei seinem Schwager in Diensten gestanden war. Als neuaufgenommener Bürger musste Zetl das Bürgergeld in der Höhe von sechs Talern leisten und sich nach alten Herkommen mit Muskete und Säbel bewaffnen. Zwischen 1614 und 1616 ist Zetl auch Meister seines Handwerkes geworden und somit Vollmitglied der seit 1569 bestehenden Zunft der Färber, deren Hauptlade sich in Linz befand.3)

Als Bürger war es Zetl möglich, durch Wahl in die verschiedenen Ratsgremien mit Recht von Sitz und Stimme zu kommen und darüber hinaus Stadtämter zu übernehmen. Von 1625 bis zu seinem Tod im Jahre 1660 ist Jakob Zetl fast ohne Unterbrechung in den Rats- und Ämterlisten der Stadt Steyr zu finden.

Zetl war ein aufrechter Katholik, nicht nur in den Zeiten der Gegenreformation, sondern auch damals, als Steyr gänzlich lutherisch war bzw. im Bauernkrieg von 1626, wo Anhänger der damals als orthodox geltenden Religion wahrlich kein leichtes Leben hatten und sogar um Leib und Gut fürchten mussten. Jakob Zetl war nicht nur standhaft in der Ausübung und Beibehaltung seines gewählten Glaubens, sondern es zeugte auch von besonderer persönlicher Tapferkeit, dass Zetl als Katholik nicht wie der damalige Bürgermeister, der Stadtrichter, der Stadtschreiber und der Stadtanwalt sowie bedeutende Bürger vor dem herannahenden Bauernheer Reißaus nahmen, sondern wie seine katholischen Gesinnungsfreunde Marx Wuschletitsch, Simon Beck, Georg Dill, Hans Lutz, Adam Putzer und Stephan Ganzeder in der bedrohten und später besetzten Stadt verblieb.4)

Jakob Zetl, nahm auch an der Ratssitzung teil, wo Wolf Madlseder „alles Regiments vnd Gewalts“ übernommen hatte — so Zetls eigene Worte. Auch an späteren Sitzungen des numerisch verkleinerten und dann durch die Aufnahme von Bauernvertretern ergänzten Rates nahm Zetl teil.5)

Am 30. Mai besuchte er den Pfingstgottesdienst in Behamberg — in der damaligen Situation ein sehr riskantes Verhalten! Am 1. Juni 1626 vermied er die Leistung des Treueides an die Bauern, indem er sich rechtzeitig heimlich entfernte.6)

Über die Verhandlungen der Ständeausschüsse zeigt sich Zetl gänzlich uninformiert oder er hielt sie nicht für erwähnenswert, desgleichen auch später über die Ereignisse in Enns im September 1626 sowie über das Datum der Verhaftung von Madlseder und Dr. Holzmüllner.

Gefährlich für Jakob Zetl und für die anderen wenigen in der Stadt verbliebenen katholischen Bürger wurde es gegen Ende Juli 1626, als die schlechte strategische Lage, das Stocken des Bauernaufstandes und das Herannahen kaiserlicher Truppen die Landleute radikalisierte. Die katholischen Bürger in Steyr ließen sich nicht sehen.

Am 5. August 1626 bekam Jakob Zetl über den Barbier Hans Lutz Verbindung mit dem kaiserlichen Obersten von Auersperg in Enns. In diesem Zusammenhang kam Zetl am 17. August durch aufgehetzte Bauern selbst in Lebensgefahr. In dieser ausweglosen Situation bewies Jakob Zetl Humor. Als ihm angedroht wurde, man werde ihm den Kopf spalten, Nase und Ohren abschneiden, bat Zetl, „sie sollten ihm nur die Nase stehen lassen, die Ohren wolle er gern hergeben!“7)

Am 3. und 4. September 1626 kehrten die geflohenen Vertreter der Stadtverwaltung wieder in die befreite Stadt zurück.8)

Bei der Verfolgung der Steyrer Rädelsführer, Aufnahme der beschlagnahmten Mobilien usw. bediente sich die Stadtverwaltung auch der Hilfe von Jakob Zetl; so am 25. September 1626 bei der „Spörr“ des Eigentums der Verhafteten Wolf Madlseder und Dr. Lazarus Holzmüllner und der Inventarisierung am 16. Oktober, bei den Nachforschungen gegenüber den Kollaborateuren Elias Ybbser und Matthäus Wagner am 22. Oktober, bei der Untersuchung vom 17. November und 8. Dezember gegenüber weiteren Sympathisanten, Sichtung des Belastungsmateriales gegen Dr. Lazarus Holzmüllner am 11. Dezember 1626. Am 19. Dezember 1626 leistete Jakob Zetl Bürgschaft für den verhafteten und nach Verhören freigelassenen Bürger Pankraz Wohlrab. Knapp vor Weihnachten — am 22. Dezember — folgte die Kommission im Brauhaus des Caspar Pruckner am Laichberg und am 2. Jänner 1627 bei arrestierten Bürgern in Ennsdorf.9)

Auch mit der überraschenden Untersuchung gegen den ehemaligen Stadtrichter Hans Himmelberger war Jakob Zetl beauftragt. Desgleichen wurden die Nachforschungen gegen den Zeugsverhandler Wolf Ortner wegen der Sperrkette über die Donau bei Neuhaus dem Zetl übertragen. (5. Mai 1627). Schon tags darauf war er Beisitzer bei der Gerichtsverhandlung gegen Dr. Johann Joachim Anomäus, auch bei der Erklärung der Stadtbürger, hinsichtlich der Religion am 15. Mai 1627.10)

Am 3. September 1627 wurde Zetl als Mitglied des inneren Rates bestätigt. Am 6. September beauftragte man ihn mit der Verwaltung des äußeren Herrenhauses im Aichet. Eigenartigerweise finden wir ein Jahr darauf Jakob Zetl weder im inneren noch im äußeren Rat, sondern in der Liste der „Gnannten.“11)

Jakob Zetl war zweimal verheiratet gewesen. Im Herbst des Jahres 1635 trat er neuerlich in den Stand der Ehe. Um diese Zeit beendet er auch seine „Steyrische Chronik“. Aus beiden Verbindungen stammten sechs Kinder. Der Sohn Markus befand sich 1647 auf Wanderschaft, die Tochter Maria Susanna vermählte sich im August 1657. Der „Färbermeister in Steyrdorf“ bewohnte das Haus Haratzmüllerstraße Nr. 14. 1647 verkaufte Jakob Zetl einen Stadl auf der unteren Ennsleite.

Jakob Zetl starb im Spätherbst des Jahres 1660. Am 30. November wurde er begraben. In seinem, schon im Jahre 1647 verfassten, erhalten gebliebenen und in fast unleserlicher Schrift geschriebenen Testament beschenkte er die Pfarrkirche, die Dominikaner und die Kapuziner.

Im 20. Jahrhundert setzte ihm die Dichterin Enrica von Handel-Mazzetti in der „Armen Margret“ ein literarisches Denkmal.12)

Dass Jakob Zetl ein echter Katholik war, zeigt sein Verhalten und die persönliche Tapferkeit im Bauernkriegsjahr 1626. Obwohl ein Mensch der Neuzeit, war er den Traditionen und dem Wunderglauben des Mittelalters verbunden. Dies beweist die Darstellung von ungeklärten Vorgängen in der Stadt Steyr in seiner Chronik.

„Wer es nicht glauben will, kann am jüngsten Tag in der allgemeinen Auferstehung weiter nachfragen und die wahre Urkunde (Kunde) einholen!“ So kommentierte er die damals nicht genau zu klärenden Knochenfunde auf dem Areal der Kapuzinerkirche im Jahre 1617.13)

Im Advent des gleichen Jahres erschien ein Komet am Himmel; Zetl glaubte an die Prognose der „Doctores“, „daß in ganz Deutschland Krieg, Hunger und Pestilenz erfolgen werde“, ein Faktum, das ja dann wirklich eingetreten ist, „welche drei Ruten man hernach leider 12 Jahre empfunden! Gott behüte uns hinfür vor einem so erschrecklichen Komet(en)-Stern.“14)

Das Würfelspiel auf dem Haushamerfeld zu Frankenburg war ein grausames, aber nicht einmaliges Schauspiel. Ein ähnlicher Vorgang in Steyr bei der Suche nach dem wahren Schuldigen, also einem Gottesurteil, ist von Zetl für den Advent des Jahres 1625 überliefert, wo drei Soldaten würfeln mussten und der mit der geringsten Augenzahl als überführter Dieb an den Galgen kam.

Die drastische Schilderung der unmittelbaren Bedrohung des Jakob Zetl wurde schon angeführt.16)

Die kaiserlichen Reiter in der Stadt werden von Zetl bezeichnet als „üble Gäste, schwärmten die ganze Nacht und (es) mueßte Essen und Trinken genug da sein!“17)

Die „Visierung“ des übrig gebliebenen Weines nach dem Bauernkrieg am 12. Oktober 1626 kommentierte er mit folgenden Worten: „Der übrige (Wein) ist denen Soldaten und den rebellischen Bauern durch den Hals geronnen!“18)

Jakob Zetl bezeichnete die „alte Steinwendtnerin“, die in der Styraburg gefangen lag, als Zauberin. Diese war ursprünglich zum Feuertod verurteilt, wurde später zum Köpfen begnadigt.

Am 4. März 1628 war Zetl Beisitzer des Stadtgerichtes. Angeklagt war Christoph Zengl, der Wirt im Hause des Jakob Wötzl, wegen Zauberei. Zetl schildert dies mit äußerster Sorgfalt. Zengl wurde der Stadt verwiesen.20)

Desgleichen wurde am 18. April 1629 der Müllner von Zwischenbrücken des gleichen Deliktes angeklagt. Er musste fünfzig Reichstaler Strafe zahlen und durfte das Müllerhandwerk nicht mehr ausüben.21)

Im Jahre 1630 wurde ein „Kristallseher“ verhaftet und seine Zauberinstrumente als Beweis sichergestellt. Er wurde des Burgfrieds auf zwei Jahre verwiesen.22)

Einen ungeklärten Doppelmord, am 25. Oktober 1631 schildert Zetl (moderne Schreibweise): „Den 25. ist der Scherenschmied Bruckmayr und sein Weib allhier, als sie zu Nachts um sieben Uhr nach Haus gegangen sind, von einem Gespenst oder was es gewesen auf der Buckleten Wiesen in die Steyr geworfen und ersäuft, welche den anderen Tag der Herrschaft Steyr Gerichtsdiener gehoben und sodann in den Gottesacker begraben worden!“23)

Über das Verhalten Wallensteins war er sehr erbost. Wallensteins Ermordung sah Zetl als gerechte Strafe an.24)

  1. Karl Eder, Ein Reformationshistoriker — Valentin Preuenhueber, VKSt 15/1955, S. 3 ff. — Valentin Preuenhueber, „Annales Styrenses“, Nürnberg 1740. — A. Obernhuemer, Valentin Preuenhueber und andere Steyrer Historiografen, ungedruckte Wiener Dissertation 1910. — K. Schiffmann. Die Annalen 1590 bis 1622 des Wolfgang Lindner, Archiv für die Geschichte der Diözese Linz, Band 6, 1910, S. 49 f. — Jakob Zetl, Chronik von Steyr, herausgegeben von L. Edelbacher im Linzer Musealbericht, Band Nr. 33, 1878. —
  2. Zetl, S.10 f. — Josef Ofner, Ratsherr Jakob Zetl, Färbermeister und Stadtchronist, AB. 1966, Nr. 10, S. 146, ff. —
  3. Zetl, S. 11. — Ofner, AB. 1966/ 10. — RP. 11. 1. 1616. —
  4. Zetl, S. 50 f. —
  5. Zetl, S. 52. —
  6. Zetl, S. 54. —
  7. Zetl, S. 64 und 68. — Ofner AB. 1966 / 10.
  8. Zetl, S. 73. —
  9. Zetl, S. 76 ff und 81 ff. —
  10. Zetl, S. 86 ff. —
  11. Zetl, S. 91. —
  12. Ofner, AB. 1966/ 10.
  13. Zetl, S. 12. —
  14. Zetl, S.16. — Diese Stelle ist ein Beweis, dass die Chronik keine gleichzeitige Aufzeichnung war, sondern erst ca. 1629 begonnen wurde.
  15. Zetl, S. 44. —
  16. Zetl, S. 66 ff. —
  17. Zetl, S. 76. —
  18. Zetl, S. 76. —
  19. Zetl, S. 78. —
  20. Zetl, S. 94. —
  21. Zetl, S. 103. —
  22. Zetl, S. 110. —
  23. Zetl, S. 118. —
  24. Zetl, S. 130 ff. —

Aus den Veröffentlichungen des Kulturamtes der Stadt Steyr, Heft 33, 1976

Rate this post
Print Friendly, PDF & Email