
Karl der Große wurde am 25. Dezember 800 von Papst zum Kaiser gekrönt.
Er begründete somit das Heilige Römische Reich, um damit die Tradition des antiken Römischen Reiches fortzusetzen und die Herrschaft als Gottes heiligen Willen im christlichen Sinne zu legitimieren.
„Unsere Aufgabe (d.h. Karls) ist es, mit Hilfe der göttlichen Zuwendung der Kirche Christi überall vor dem Einfall der Heiden und der Verwüstung durch die Ungläubigen nach außen mit den Waffen zu verteidigen und im Inneren die Anerkennung des katholischen Glaubens zu sichern. Eure Aufgabe ist es, heiligster Vater, mit zu Gott erhobenen Händen wie Moses unser Waffenwerk zu unterstützen, um das christliche Volk durch Eure Fürsprache mit Gott als Führer und Geber über die Feinde seines Namens immer und überall den Sieg erringen möge und der Name unseres Herrn Jesus Christus in der ganzen Welt gepriesen werde.“
Der Papst wird also auf die passive Rolle des Betenden beschränkt, während der Frankenkönig sowohl nach Außen gegen die Ungläubigen als auch nach Innen gegen die Häretiker zu kämpfen hatte.[1]
Die Aufteilung der kirchlichen und kaiserlich – weltlichen Macht funktionierte bis zum
6. 8.1806, als unter Kaiser Napoleon Franz II. letzter Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation war und bis 1835 als Franz I. erster Kaiser von Österreich.
Im Laufe der Jahrhunderte wurde das Verhältnis Kirche und Staat durch den Investiturstreit (1076 – 1122 Wormser Konkordat, Gang nach Canossa Heinrich IV. 28.01.2077),
die Reformation (1555 Augsburger Religionsfriede „Cuius regio, eius religio)
und die Kirchenreformen unter Kaiser Josef II. ernsthaft gestört.
Es war aber immer ein „interner“ Streit um die Vorherrschaft.
Das Wissen befand sich in den Skriptorien der Klöster, das einfache Volk hatte zu dienen und zu arbeiten, die kirchliche und weltliche Macht war zwischen dem Papst und dem Kaiser aufgeteilt.
Um 1700 entstand eine geistige und soziale Reformbewegung, die Aufklärung.
Durch rationales Denken sollten alle den Fortschritt behindernden Strukturen überwunden werden. Man berief sich auf die Vernunft als universelle Urteilsinstanz, der Kampf gegen Vorurteile, die Hinwendung zu den Naturwissenschaften, das Plädoyer für religiöse Toleranz und die Orientierung am Naturrecht wurden gefordert. Gesellschaftspolitisch zielte die Aufklärung auf mehr persönliche Handlungsfreiheit (Emanzipation), Bildung, Bürgerrechte, allgemeine Menschenrechte und das Gemeinwohl als Staatspflicht.
Auf Grundlage der Ideen der Aufklärung begann 1789 die Französische Revolution mit tiefgreifenden macht- und gesellschaftspolitischen Veränderungen in ganz Europa, die das moderne Demokratieverständnis entscheidend beeinflussen sollten.
1848 kam es in Österreich zur Revolution, Ursachen waren der starre Konservativismus unter Metternich, der den monarchischen Absolutismus verteidigte und liberale und nationale Bestrebungen mit hartem Polizeiregiment und strenger Zensur bekämpfte.
Die soziale Lage der Bauern, kleinen Handwerker und der entstehenden Industriearbeiterschaft war sehr schwierig. Der Arbeitslohn war gering, Kinderarbeit weit verbreitet. Die rasch, aber unorganisch durchgeführte Mechanisierung verursachte Massenarbeitslosigkeit und Hungerdemonstrationen. Der Bauernstand war trotz des Untertanenpatents von Joseph II. (1781) durch Zehent und Robot schwer belastet; in Galizien kam es bereits 1846 zu einem blutigen Bauernaufstand.
Unzufrieden waren auch das liberale Bürgertum und die Intelligenz, vor allem die Studenten, die gemeinsam mit Buchhändlern, Druckern und Schriftsetzern die eigentlichen Vorkämpfer der bürgerlichen Revolution wurden.
Dies war die Zeit für Gedanken über eine neue Gesellschaftsordnung.
„Der zwanzigste Februar 1887 ist für die Freidenker in Österreich historisch – denkwürdig, denn an diesem Tag fand in Wien, VI., im Hotel „Englischer Hof“ die Gründungsversammlung des „Vereines der Konfessionslosen“ statt
Internationales Abzeichen war und ist das Stiefmütterchen, weil „zwei Blumenblätter als Stiefkinder nur auf einem Stuhl (nämlich einem Kelchblatt) sitzen müssen, während zwei andere Blumenblätter als „rechte“ Kinder je einen Stuhl haben dürfen und die Stiefmutter gleich zwei Stühle besetzt.“
Da freies Denken und Handeln von der geistlichen und weltlichen Herrschaft seit jeh und überall als Stiefkinder vernachlässigt und gequält wurden, so ist diese Blume bald zum Symbol des Freidenkertums der ganzen zivilisierten Welt geworden. In Deutschland verwendete man das Vergissmeinnicht.[2]
Nachdem der erste Obmann, Dr. F. Plowitz „auf Druck von außen“ sein Amt zurücklegen musste, folgten Langtamer und Gustav Häfner.
1891 fiel die Wahl als Obmann auf den späteren Abgeordneten und Gemeinderat Ludwig Wutschel, der dreißig Jahre lang das Schiff des Vereines zum Wohle der Freidenker lenkte.
Aus Deutschland kamen Norbert Blum, Karl Scholl und Johannes Rouge, die in Wien und Graz Anhänger fanden und „freichristliche“ Gemeinden gründeten.
„Doch die Polizei war stets ein gefügiges Werkzeug der Klerikalen, Rouge flüchtete und Scholl wurde 1849 aus Graz ausgewiesen. Die Mitglieder der Gemeinde wurden gewaltsam der römisch – katholischen Kirche einverleibt und viele wurden des Landes verwiesen.“
Kardinal Rauscher, Erzbischof von Wien, und Graf Leo Thun, von 1849 an Kultus – und Unterrichtsminister, wetterten gegen die Glaubenslosigkeit des Volkes, die als die Ursache der Revolution bezeichnet wurden.
Am 18. August 1855 schloss Kaiser Franz Joseph I. ein Konkordat mit Papst Pius IX., das der Kirche u. a. weitgehenden Einfluss auf Unterrichtswesen und Eherecht zubilligte.
Es verdrängte das uralte Regiment des Staatskirchentums und räumte der Kirche im Habsburgerreich vorübergehend eine wahrhaft imperiale Stellung ein: so wurde das kanonische Recht zum Staatsrecht erhoben, verzichtete die weltliche Macht auf jede Einmischung in geistliche Angelegenheiten, waren das gesamte Schulwesen und die Bücherzensur den Bischöfen unterstellt und richtete sich die Ehegesetzgebung einseitig nach dem katholischen Dogma.. „Wir haben nur noch Talent zur Musik und zum Konkordat“ seufzte der alte Grillparzer.[3]
Es wurde jedoch am 31. Juli 1870 von Österreich aufgrund der Maigesetzte gekündigt. Diese waren auf Drängen liberaler Abgeordneter vom Reichsrat in Österreich angenommen worden. Die Dogmatisierung der Unfehlbarkeit des Papstes in Glaubensfragen war 1870 der Vorwand für die Kündigung des Konkordats durch die Regierung
Michael Biron, bis 1863 katholischer Seelsorger in Deutschland gründete 1869 in Graz zusammen mit Zimmermann und Kutschera die „Freie Religionsgenossenschaft“, die sich später in eine „Freidenkergesellschaft“ umwandelte und im Oktober 1869 den „Freidenker, Blätter für Humanität, Aufklärung und Bildung“ herausbrachte. Er verließ im April 1871 das „verpfaffte Österreich“.
In Wien hielt sich bis 1851 die von Scholl gegründete „Freichristliche“ Gemeinde, bis ihr Vorsitzender Preßegger des Landes verwiesen wurde.
1868 gründete in Wien Eduard Schwella, ein ausgetretener ehem. römisch katholischer Priester die „Konfessionslose Gesellschaft“ oder „Freie Kirche der Vernunft“.
1869 bis 1876 gab er eine Halbmonatsschrift die „Freie Kirche“ heraus, darauf arbeitete er in der von Martin Hilferding gegründeten „Inland“ mit, 10 Jahre später gab er den „Lichtfreund“ heraus. Er verstarb am 18. Mai 1894.
Unter Wutschel wurden 1894 Ortsgruppen im VI., XVI. und XVII. Bezirk gegründet, die Ortsgruppe in Floridsdorf wurde von „Freunden“ unterminiert und ging ein.
Im Oktober 1896 fand die Gründungsversammlung im III. Bezirk statt, die aber 1897 wegen „strafgesetzwidrigen Äußerungen“ von der Behörde aufgelöst wurde. Es folgten Gründungen in weiteren Bezirken.
„Aufklärende Vorträge auf allen Gebieten der Wissenschaft und des Sozialismus wurden abgehalten, doch bald versuchten einzelne Scheuklappen – Sozialdemokraten, unser Aufwärtsstreben zu unterbinden. In unseren Reihen fanden nur Sozialisten Aufnahme und unser Streben ging dahin, Menschen, vollwertige Menschen zu erziehen, die in Wort und Tat gleich sind“[4]
Im August 1896 erschien das Organ „Der Freidenker“ zum ersten Male. Der Verein der Freidenker war der Vorläufer des Monistenbundes in Österreich („für eine auf einheitlich – wissenschaftlicher = monistischer Naturerkenntnis gegründete Welt – und Lebensauffassung“) wie auch des Bundes „Freier Gedanke“ der Deutschen im Tschecho – Slowakischen Staat.
Während des 1. Weltkrieges waren die Aktivitäten des Vereins stärkstens unterdrückt, zensuriert und er stand vor der Auflösung.
1918 hatte die Monarchie nach dem verlorenen 1. Weltkrieg für „Gott, Kaiser und Vaterland“ zu existieren aufgehört.
„Die Revolution sprengte die Fesseln und als erste begrüßten wir sie durch unser weit verbreitetes Flugblatt „Bürger““. Die freigewordenen Kräfte schufen eine Freidenkerbewegung wie nie zuvor. Aus allen Städten und vielen Orten der Republik erscholl der Ruf nach Ortsgruppen unseres Vereines, dem nach Möglichkeit Rechnung getragen wurde. Um dem Verlangen nach Freidenkerschriften nachzukommen, wurde im Juni 1920 ohne Kapital der „Freidenker – Verlag“ gegründet und im selben Monat erschien das erste Heft der „Freidenker – Lichtstrahlen“ von unserem hochverdienten Angelo Carraro. Die Aufgaben des Vereines wuchsen mit jedem Tag ins Riesenhafte.“[5]
„Überall sonst suchen sich in Revolutionen und Kriegen Völker ihren Staat, nur hier wurde, einziges Beispiel in der Geschichte, ein Staat gezwungen, zu existieren und sich ein Volk zu suchen.“[6]
Während alle anderen Gruppen der neuen Lage hilflos und verwirrt gegenüberstanden, verfügten die Sozialdemokraten unter Viktor Adler bereits über ein fixes Programm.
Victor Adler, nach eigenen Worten „Hofrat der Revolution“ forderte im Namen seiner Partei den völligen Bruch mit der dynastischen Vergangenheit:…wir werden dafür kämpfen, dass der deutsch – österreichische Staat zu einer demokratischen Republik werde.“
In den Augen der Christlichsozialen offenbarte die Monarchie nach wie vor die „vollkommenste „ Regierungsform: “Nur der Monarch kann wirklich Demokrat sein“.
Die „Reichspost“ sprach gegenüber den Republikanern bloß von Hirngespinsten einiger politisch Irregeführter: „Kein republikanischer Kopf kann durch die Felsenwand der monarchistischen Gesinnung und Kaisertreue der deutschen Alpenvölker rennen“
Die „Arbeiter Zeitung“ forderte die unverzügliche Abdankung der Herrschers: “Mit der Sinnwidrigkeit eines Kaisers ohne Kaiserrecht ist sofort Schluss zu machen!“
Auf der Seite der Christlichsozialen Rechten hatte bereits ein noch jüngerer Politiker großen Einfluss: Ignaz Seipel. Der geweihte Priester und Minister für soziale Fürsorge im letzten kaiserlichen Kabinett des Ministerpräsidenten Lammasch war zwar im Herzen habsburgisch, doch hatte er realistischer weise das Ende der Monarchie erkannt.
Der noch- Kaiser Karl mühte sich verzweifelt ab, die Christlichsozialen weiterhin auf die Monarchie einzuschwören, nach seinem Generalstabschef Conrad von Hötzendorf sollte ihm jedes Mittel recht gewesen sein. „Er hätte sich auch den Kommunisten angeschlossen, wenn sie ihm eine Krone angeboten und gesichert hätten“. Auch wird berichtet, dass ihm Freimaurerlogen die Krone wiederbeschaffen wollten, würde er die Trennung von Kirche und Staat durchführen.
Am 12. November 1918 beschloss die Provisorische Nationalversammlung den vorerst „Deutschösterreich“ genannten Staat in Form einer demokratischen Republik.
Es bestand eine informelle Parteienkoalition, die sozialdemokratische Führung (Bauer, Renner, Seitz)arbeitete mit der alten Ordnung zusammen, der sozialdemokratische Militärexperte Julius Deutsch versuchte die Reste der alten Armee als Ordnungsmacht einzusetzen.
Ein Kampf über die Stellung der Kirche im Staat entbrannte, die antiklerikalen Liberalen, die das Kapital, die Presse, die Mehrheit der Universitätsprofessoren und Lehrer, vor allem aber die Sympathien der Zeit für sich hatten, sicherten 1874 den weltlichen Behörden eine beträchtliche Kontrollgewalt über interne Angelegenheiten der Kirche zu. Da sie im Wiener Gemeinderat über zwei Drittel der 120 Sitze verfügten, ließen sie die Kruzifixe aus den Schulen entfernen und der Direktor des Pädagogikums verwehrte Priestern den Zutritt.
Darauf entstand eine katholisch – konservative Bewegung, die vorerst vom Hochadel und den Großgrundbesitzern getragen wurde. Als Zentralorgan diente das „Vaterland“, in rascher Folge wurden die „Tiroler Stimmen“, die „Salzburger Chronik“ oder die Volksblätter in Graz, Linz und Vorarlberg gegründet.
Im ersten, kurzen Wahlkampf lieferten sich die Christlichsozialen und Sozialdemokraten einen heftigen Schlagabtausch, in den auch die „schwarzgelbe“ Kirche involviert wurde. Für viele Geistliche galt das Bündnis von „Thron und Altar“ nach wie vor als Maxime, die Republik war für sie ein Werk der gottlosen Freimaurerei. Doch es gab auch „Vernunftrepublikaner“ wir Ignaz Seipl, Jodok Fink, Statthalter in Vorarlberg und den oberösterreichischen Landeshauptmann und christlichsozialen Fraktionsobmann Prälat Johann Hausner.
„Stark antisemitische Aussagen wurden ebenfalls von christlichsozialer Seite im Wahlkampf verwendet. Juden waren Volks- und Kulturschädlinge, aber Wahlspenden von jüdischen Großindustriellen und Bankiers wurden anstandslos übernommen.“[7]
Die meisten dieser „Kaplandemagogen“ standen im Banne des Theologieprofessors August Rohling, des damals wohl bedeutendsten, aber auch umstrittensten Vertreters des religiös begründeten Antisemitismus. Der Wiener Pfarrer Josef Deckert war in seinen antisemitischen Äußerungen soweit über die Grenzen des Gesetzes hinausgegangen, dass er von der Staatsanwaltschaft vor Gericht gestellt wurde.
Die Christlichsozialen waren zur Schutzmacht der Kirche geworden, wie einst der Monarch.
Katholisch und christlichsozial wurden synonym.
Die Freidenker nutzten die aufkommende Gleichgültigkeit, kühle Distanz und Ablehnung gegenüber dem Christentum und der Kirche, um den religiös entwurzelten Menschen ihre eigene „Festkultur“ als Ersatz für ihre seelischen Bedürfnisse zu bieten. Diese organisierte Gottlosigkeit, das Freidenkertum, träumte davon, dass im Jahr 2025 der Wiener Stephansdom unter der Bezeichnung „Victor Adler Halle“, der St. Veits Dom zu Prag in eine Hus Halle und der Petersdom zu Rom als „Giordano Bruno Halle“ für freidenkerische kulturelle Massenveranstaltungen Verwendung finden würde. So zu lesen im Zukunftsroman „Die lebende Mumie“ von Genossen Max Winter[8]
So wie einst die Christen bzw. die katholische Kirche „alte, heidnische Bräuche“ in ihre Fest – und Gedenktage übernahmen, war auch die Festkultur der Freidenker an die kirchliche Festfolge angelehnt, natürlich im proletarischen, weltlichen Sinn.
„Die kirchliche Festfolge „schuf mächtige seelische Bindungen, auf die der Konfessionslose verzichten muss, da er ja, außerhalb der kirchlichen Glaubensgemeinschaft stehend, an ihren Festen keinen Anteil mehr hat. So entsteht in ihm eine Leere, die ein Gefühl des Unbefriedigtseins hervorruft…Es gilt…nur, die proletarische Festkultur von den Eierschalen der kleinbürgerlichen Festkultur zu befreien… Auch die großen Kirchenfeste werden Anlass bieten zu Freidenkerfesten. Da wir nun einmal in einer bürgerlichen Gesellschaft leben, können wir unsere Feste noch nicht nach unseren Bedürfnissen ansetzen, sondern müssen uns an den bürgerlichen Kalender halten. Wir können aber den alten Kirchenfesten einen neuen Sinn geben, der unserer Weltauffassung entspricht…Wichtig ist vor allem, dass wir die seelischen Bindungen herstellen, die die Kirche durch ihre Zeremonien herzustellen weiß.“[9]
Ein Schwergewicht der Festkultur waren Veranstaltungen für Kinder und Jugendliche.
Statt der Taufe gab es ein Wiegenfest.
Statt der Firmung stand die Jugendweihe, womit sie feierlich in die sozialistische Arbeiterbewegung aufgenommen wurden.
Als Gegenstück zur Fronleichnamsprozession wurden Frühlingsfeste für Kinder mit Spiel und Tanz organisiert, bei denen im Jahre 1929 80.000 Kinder und 127.000 Erwachsene teilnehmen sollten.[10]
Prälat Hauser suchte die Versöhnung, was in seinen eigenen Reihen keine Zustimmung fand und so legte er seine Obmannstelle zurück, es folgte Prälat Ignaz Seipel, der zweimal als Bundeskanzler amtieren sollte. (1922–1924 und 1926–1929)
Mit Seipel wurde das katholische Element innerhalb der christlichsozialen Partei noch verstärkt und dominierend. Die innerpolitischen Fronten verhärteten sich.[11]
Durch Zusammenschluss aller bestehenden Freidenkervereine im „Freien Bund kultureller Vereine“ im März 1919 versuchte man den Kampf gegen die Kirche wieder aufzunehmen.
Es waren dies:
Der Allgemeine Österreichische Frauenverein
Die Ethische Gesellschaft bzw. die Ethische Gemeinde
Die Bereitschaft, Verein für soziale Arbeit und zur Verbreitung sozialer Kenntnisse
Der Eherechtsreformverein
Der Monistenbund in Österreich
Der Wiener Akademische Monistenbund
Der Verein der Freidenker
Die Sozialpädagogische Gesellschaft
Die Vereinigung für Volks – und Jugenderziehung.
Bis zum Jahresende 1922 wurden 141 Ortsgruppen des FBÖ gegründet, davon 24 in Wien, 47 in Niederösterreich, 22 in Oberösterreich, 31 in der Steiermark, 6 in Kärnten, 11 in Tirol.
1927 hatte sich als letzte die Landesorganisation Salzburg dem Bund angeschlossen, es
wurde damit ein Mitgliederstand von 41705 erreicht.[12]
Seit der Hauptversammlung vom 28.4.1921 war Genosse Karl Franzl Obmann des Vereins
nach Ludwig Wutschel geworden und führte ein straffes Regiment.
Die politischen Forderungen waren bereits 1919 vom „Freien Bund kultureller Vereine“ an
die Regierung formuliert worden:
Trennung der Kirche von Staat und Schule
Gleichstellung aller Konfessionen mit den übrigen Vereinen und deren Unterwerfung unter das Vereinsgesetz
Ersetzung des konfessionellen Religionsunterrichts durch konfessionslosen Moral – und Ethikunterricht
Abtrennung der theologischen Fakultäten von den Universitäten und ihre Erhaltung durch die Konfessionsgemeinschaften
Durchgreifende Reform der Ehegesetze im Sinne der obligatorischen Zivilehe
Aufhebung des Ehetrennungsverbotes für geschiedene Katholiken
Einführung einer vollständig unentgeltlichen Einheitsschule mindestens bis zum 14. Lebensjahr mit freien Lebensmitteln und Verköstigung aller Kinder, der vollen Unentgeltlichkeit aller Schulen einschließlich der Hochschulen und einer allgemeinen Bestellung von Schulärzten
Beseitigung der direkten und indirekten Nötigung zum Besuch des Religionsunterrichtes sowie des Zwangs zu religiösen Übungen in der Schule
Umfassende Strafrechtsreform
Gleichstellung der unehelichen mit ehelichen Kindern
Völlige Gleichberechtigung der Frau, insbesondere Zulassung der Frauen zu allen Schulen, Ämtern und Berufen und gleiche Entlohnung für die gleiche Leistung sowie Abschaffung des § 144 St.G.B.[13]
Zulassung der fakultativen Leichenverbrennung
Im Jahr 1921 wurden sie erweitert:
Sozialisierung des Kirchenvermögens, Beseitigung aller wirtschaftlichen und Steuervorrechte der Kirche (Vermögensabgabe)
Verweigerung des aktiven und passiven Wahlrechtes für Geistliche und Ordensleute, sofern und insolange sie einem ausländischen Souverän, z.B. dem Papste, direkt oder indirekt gehorsamspflichtig sind.
Mitte März 1919 übernahm der sozial- demokratische Lehrer und Abgeordnete Otto Glöckel im Kabinett Renner als „Unterstaatssekretär im Staatsamt für Inneres und Unterricht„ die Leitung der gesamten Unterrichtsverwaltung. Als „Schüler“ Viktor Adlers hob er am 10. April 1919 die verbindliche Teilnahme von Schülern an religiösen Übungen auf.
Kardinal Piffl legte dagegen im Namen der Bischöfe Verwahrung ein.
Im Mai 1919 zum Landeshauptmann Niederösterreich gewählt, dispensierte Alber Sever auf administrativem Wege vom Hindernis eines bestehenden Ehebandes. Die „Sever – Ehen“ fanden bei den Wienern überaus großen Anklang. Auch von anderen Landeshauptleuten wurde von der Erteilung solcher Befreiungen Gebrauch gemacht und wurden innerhalb von 12 Jahren mehr als fünfzigtausend Dispensehen geschlossen. Die Gerichte urteilten unterschiedlich über Gültigkeit oder Annullierung.
Seit November 1920 saßen die Sozialisten nicht mehr auf der Regierungsbank, das politische Klima wurde mit jedem Tag frostiger.
Mit dem Ende der Monarchie war die Stellung der Kirche in der Republik unangetastet geblieben.
Kaiser Josef II. hatte bis 1786 von den 2163 Klöstern in Österreich und Ungarn mit etwa 45000 Mönchen und Nonnen 738 Klöster aufgehoben.
Er regelte auch die Bezüge der Geistlichen neu. Aus dem eingezogenen Vermögen wurde die Religions – und Pfarrkasse geründet, der spätere Religionsfond.
Aus dessen Erträgnissen sollten die Geistlichen, deren Einkünfte unter dem standesgemäßen Einkommen lagen, einen Ausgleich, die Kongrua erhalten.
Die reichsbepfründeten Kleriker sollten über eine Religionsfondsteuer (7,5%) dazu beitragen, 1899 wurde diese aber wegen „Nichteinbringlichkeit“ völlig aufgehoben.
Das daraus entstehende Defizit des Fonds wurde durch jährliche Staatsdarlehen abgedeckt.
1848 betrugen die Schulden des Fonds beim Staat fl 21 Millionen, 1869 bereits fl 53,6 Millionen
„Budgetneutral“ wurden die Schulen später nicht mehr ausgewiesen, man führte den Religionsfonds als Einnahmen – Ausgabenpost.
1885 wurde unter Taaffe die Kongrua um 1 Million erhöht, 1897 um weitere 2 Millionen, nochmalige Erhöhungen folgten in immer kürzeren Abständen.
Ein Gesetz von 1902 brachte zusätzlich eine „Regelung der Ruhegenüsse der Priester“, wodurch der Staat 1904 11 Millionen Kronen für die Bezüge der römisch – katholischen Priester aus Steuergeldern bezahlte.
In einer christlichsozialen Regierungsvorlage betreffend eine Kongrua – Novelle vom 21. Juni 1921 sollte die „finanziell traurige Lage des Seelsorgeklerus“ verbessert werden.
Die Seelsorger, Dignitäre und Kanoniker bei den Metropolitan – und Kathedralkapiteln der katholischen Kirche sollten in sechs Gruppen eingestuft werden, deren „Kongrua“ den Gruppen 11 bis 18 des Beamten – Besoldungsschemas anzupassen wäre.
Die Gruppen 11 bis 18, die im neunzehnstufigen Besoldungsschema den Beamten mit Hochschulbildung vorbehalten waren, wurden im Hinblick auf die vergleichbare Ausbildung von Priestern gewählt. Die Anpassung war auch bezüglich der Vorrückungsbeträge (Biennien), der Ortszuschläge, der Teuerungszulagen, des Anspruches auf Ruhegenuss und den dafür geltenden Bemessungsgrundlagen vorgesehen.
Diese grundlegenden Neuerungen exklusiv für die „Mitarbeiter“ der römisch katholischen Kirche bezogen sich aber nicht nur auf die Seelsorger, sondern auch auf die Nicht – Priester, die weltlichen Angestellten.
Die Sozialdemokraten, allen voran Abg. Leuthner, bliesen Sturm gegen dieses Gesetz, das zum Höhepunkt des Kongrua – Konfliktes in der Republik wurde.
Im Laufe des Jahres nahm die Inflation deutlich zu, geriet außer Kontrolle der Regierung und es kam zu Demonstrationen, Schlägereien, Plünderungen. Nach dem Rücktritt des parteilosen Kanzlers Schober bildete Prälat Seipel im Mai 1922 sein erstes Kabinett, im Oktober 1922 wurden die „Genfer Protokolle“ für die Völkerbund – Anleihe unterzeichnet, im Gegenzug wurde der Abbau von hunderttausend Staatsbeamten gefordert.
Mit Dekret von Mai 1886 hatte der Papst allen, die der Feuerbestattung anhingen, kirchliche Strafsanktionen angedroht, ausdrücklich ächtete er die Glaubenszweifler und Freimaurer, „die zu heidnischem Ritual verleiteten“.
Das konnte die Bildung des Arbeiter – Zweigvereines „Die Flamme“ nicht hindern, dessen Ziel es war, die Einäscherung des Toten als gesetzlich anerkannte Bestattung durchzusetzen.
In der Monarchie ohne Erfolg, wurde in den ersten Tagen der Republik die Errichtung eines Krematoriums in Wien durch Bürgermeister Jakob Reumann genehmigt.
Der Tiroler Architekt Clemens Holzmeister erhielt den Auftrag, ließ sich aber vorher vom Heiligen Stuhl bestätigen, dass er mit dem Bau „keine Sünde auf sich lade“.
Am 17. Dezember 1922 wurde die Feuerbestattungshalle feierlich eröffnet, schon im September 1924 konnte die eintausendste Einäscherung verbucht werden.
Für die Kirche und die Christlichsozialen war die Leichenverbrennung ein Kind des Umsturzes, des Kirchenhasses und der Freimaurerei, eine Rückkehr zu barbarischer Rohheit.
Der große Heimatdichter Peter Rosegger sah das anders:
Nicht ekle Würmer soll mein Leib einst nähren.
Die reine Flamme nur soll ihn verzehren.
Ich liebe stets die Wärme und das Licht.
Drum verbrennt mich, begrabt mich nicht.
Im Jahr 1923 rief die Partei zum Massenaustritt aus der Kirche auf:“ Man kann nicht Sozialist und zugleich Kirchgänger sein! Darum: Heraus aus der Kirche! Werdet konfessionslos!“ – Mit großem Erfolg, fast dreiundzwanzigtausend sagten sich von ihrem Glauben los.
1934, im Jahre der Vereinsauflösung hatte „Die Flamme“ hundertachzigtausend Mitglieder.
Die Kirche hatte vorher einen beschwörenden Mahnruf verlautbart: „Wir können nicht umhin, euch Arbeitern zu sagen, dass ihr einmal vor dem Gericht Gotte die Zugehörigkeit zur Sozialdemokratie verantworten müsst!“.
1923 gelang es Seipl wiederum die Christlichsozialen zum Wahlsieg zu führen
Aus der „roten“ Volkswehr wurde allmählich ein „schwarzes Bundesheer“, Otto Bauer und Julius Deutsch bauten daraufhin die bestehenden Arbeiterwehren im Mai 1924 zum Republikanischen Schutzbund aus.
Aber auch die Bürgerlichen begannen aufzurüsten und bald waren Zusammenstöße an der Tagesordnung und entwickelten sich zum Guerillakrieg.
Im Herbst 1924 trat Seipl als Bundeskanzler zurück.
Im Februar 1925 zählte der Freidenkerbund mehr als hundertachzigtausend Mitglieder, von denen die Hälfte konfessionslos war. Bei ihnen nahm der Sozialismus die Stellung der Religion ein.
Der ständig fortschreitende Prozess dieser Gottesentfremdung und Entkirchlichung der Arbeiterschaft löste die von den Sozialisten propagierte Vorstellung aus, dass die Kirche die Dienerin der ausbeutenden Unternehmer, die Schutzmacht des Kapitalismus sei.
Dem Arbeiter war der Kapitalismus sein Antichrist.
Im April 1927 erließ das österreichische Gesamtepiskopat eine „instructio pro clero in re sociali“ Danach sollten die Priester „sich immerfort das Studium der sozialen Fragen angelegen sein lassen“, aber auch über die Irrtümer des Sozialismus und Kommunismus und ihre „Verwerflichkeiten“ hätten sie unablässig Aufklärung zu geben und ernst vor dem Beitritt zu „geheimen, verbotenen, aufrührerischen und verdächtigen“ Vereinigungen zu warnen: „Wer sich der freimaurerischen Sekte anschließt oder anderen Vereinigungen derselben Art, die gegen Kirche oder die rechtliche Staatsgewalt Umtriebe planen, verfällt der dem Apostolischen Stuhle reservierten Exkommunikation.“
Für die meisten Freidenker war ein katholischer Parteigenosse ein „Sozialdemokrat zweiten Ranges“, sie lehnten eine religiöse „Neutralität“ strikt ab.
Dies wurde jedoch von Otto Bauer, dem Nachfolger von Victor Adler in einer modifizierten Form vertreten. „Die sozialistische Gesellschaftsordnung wird niemand eine Religion vorschreiben und niemand eine Religion verbieten. Sie wird vielmehr einzelnen erst die wahre geistige Freiheit geben, sich nach seiner innersten Überzeugung zu entscheiden“.
Die Freidenker wiesen den Toleranzgedanken des „Linzer Programms“ entschieden ab.
Wenige Wochen nach der Sozialistentagung in Linz wurde auch von den Christlichsozialen ein neues Parteiprogramm aufgestellt, das aber weitgehend an den alten Grundsatzerklärungen festhielt.
Im Burgenland, das nach dem Zusammenbruch der Monarchie Österreich zugesprochen worden war, gab es zahlreiche Querelen.
Man war zwar im Landtag übereingekommen, keine Aufstellung halbmilitärischer Wehrverbände zuzulassen, dennoch gründeten sowohl die Frontkämpfervereinigung als auch der republikanische Schutzbund ihre Ortsgruppen, mit dauernden lokalen Geplänkeln und Zusammenstößen.
Am 30. Jänner 1927 schossen in Schattendorf drei Mitglieder der rechtsstehenden Frontkämpfervereinigung Deutsch-Österreichs auf die zahlenmäßig deutlich überlegenen, jedoch unbewaffneten Teilnehmer einer gegen sie gerichteten Demonstration des Republikanischen Schutzbundes und töteten dabei ein achtjähriges Kind und einen Klingenbacher Schutzbündler. Die Täter wurden von einem Geschworenengericht wegen Notwehr freigesprochen. Am 15. Juli 1927, einen Tag nach dem Schattendorfer Urteil, versammelten sich aufgebrachte Arbeiter vor dem Justizpalast in Wien, erstürmten diesen und legten anschließend Feuer; die Regierung Ignaz Seipel ordnete die Niederschlagung der Demonstration an.
Die so genannte Julirevolte forderte 89 Tote, auch auf Seiten der Polizei; der abgebrannte Justizpalast und das verschärfte politische Klima waren zusätzliche Schritte in den Bürgerkrieg.
Im Nationalrat machte Karl Renner die Sonntagspredigten mancher burgenländischer Pfarrer dafür mitverantwortlich.
Anlässlich der Gerichtsverhandlung war ein Jugendlicher einvernommen worden. Befragt nach seinem religiösen Bekenntnis sagte dieser impulsiv: “rot“.
Während die bürgerliche Presse wegen „Vergiftung der Seelen“ Lärm schlug, triumphierte die „Arbeiter – Zeitung“. Für sie war die Antwort eine Bestätigung mehr, wie tief bereits das sozialistische Gedankengut in junge Herzen eingedrungen sei.
Junge Menschen waren bereits nach Schablonen geistig verkrüppelt worden, unfähig zu einem selbständigen Denken. – Ein leichtes Spiel für den nachkommenden Nationalsozialismus.
Schober wurde von einer Seite als „Arbeitermörder“, von anderer Seite als Retter Wiens gesehen.
„Nehmen sie vorläufig auf diesem Wege die Versicherung tiefster Bewunderung und herzlichster Dankbarkeit entgegen“ schrieb ihm der kirchliche Oberhirte Kardinal Piffl.
Seipl, der durch seine Doppelstellung als Politiker und Priester bereits die „meistgehasste“ Persönlichkeit der Republik war, steigerte die Frustration durch eine Rede im Parlament, in der er sich gegen jede Art von Aufruhr und Empörung wandte. Diese Rede trug ihm die Bezeichnung „Prälat ohne Milde“ ein.
Das entschlossene Eingreifen der Heimwehren hatte ihm imponiert, er verschaffte ihnen durch Interventionen bei Industrie und Banken Geld, um weiter aufrüsten zu können.
Mit dieser „unwiderstehlichen Volksbewegung“ wollte der Kanzler Druck auf die erstarrten parlamentarischen Fronten ausüben, vor allem den „Roten“ heimzahlen, was sie ihm und der Kirche angetan hatten. „Wenn wir die Widersacher Christi aufmarschieren sehen mit besser organisierten bewaffneten Gruppen, dann müssen wir nur alles tun, um die Mängel unserer eigenen Ausrüstung und Organisation zu beheben. Die wahre Liebe zum Volk muss sich gerade darin zeigen, dass wir den Entscheidungskampf im Volk und für das Volk nicht scheuen.“
So stand bald Gewalt gegen Gewalt.
In der Sozialdemokratischen Partei gab es Genossen, die um eine Verständigung mit den Katholiken bemüht waren. Unter dem Metallarbeiter, dem „Kleinen“ Otto Bauer, hatte sich ein „Bund religiöser Sozialisten“ zusammengeschlossen, der mit katholischen Geistlichen wie Michael Pfliegler Kontakt hielt.
Die religiösen Sozialisten wurden von der offiziellen Parteilinie akzeptiert, die Freidenker sahen im Begriff „religiöser Sozialismus“ eine Contradictio.
An der Parteispitze bekannte Wilhelm Ellenbogen, vor jeder Religion große Achtung zu haben. Religion habe für ihn die Funktion, eine theoretische Weltdeutung zu geben, um daraus einen ethischen Standpunkt zu gewinnen.
Die österreichische Bischofskonferenz wies in ihrer Tagung im November In Salzburg den Vorwurf des Bundes von sich, dass die Kirche durch die Verquickung mit den Christlichsozialen zu einem Machtinstrument des Kapitalismus geworden sei.
Auch gegen die Bezeichnung „Religiöse Sozialisten“ legten sie Verwahrung ein, da dieses „Firmenschild“, dieser Vorspann sozialistischer Werbearbeit, nur dazu diene, die katholischen Arbeiter und Angestellten, besonders aber das Landvolk zu düpieren.
In der päpstlichen Enzyklika „Quadragesimo anno“ verkündete das Kirchenoberhaupt, dass Sozialismus und Christentum unvereinbar seien.
Die dringend notwendige Brücke zwischen Katholizismus und Sozialismus war kirchenamtlich abgebrochen worden. Im Februar wurde der Bund der Religiösen Sozialisten „im Namen Gottes“ aufgelöst.
Am 03. April 1929 überraschte Seipl durch seine Demission als Bundeskanzler, ihm folgte Ernst Streeruwitz als Regierungschef. 1930 wurde Seipel kurzzeitig Außenminister im Kabinett von Carl Vaugoin. Nach dem Zusammenbruch der Creditanstalt im Jahr 1931 sollte er nochmals die Regierungsgeschäfte übernehmen, blieb aber in der Regierungsbildung erfolglos.
„So war es die scharfe Waffe des Kirchenaustrittes, die wir Freidenker unermüdlich schwangen, so war es unsere Propaganda, die wir unentwegt trieben, die Österreich von der Herrschaft Seipels befreite. Sein Sturz ist nicht zuletzt unser Werk.[14]
Am 4. April 1930 beschloss der Nationalrat das Bundesgesetz zum Schutz der Arbeits – und Versammlungsfreiheit (Antiterrorgesetz) um die „Politische Freiheit in den Betrieben zu sichern und Gesinnungszwang auszuschalten“. Die Freidenker sahen darin eine Einschränkung der gewerkschaftlichen Freiheit, gegen deren Referenten wurde eine Reihe von Anklagen wegen Gotteslästerung erhoben.
Im November 1930 gab es auf Initiative der Bischöfe wieder Gespräche über die Schaffung eines neuen Konkordates. Mitte April 1931 fand in Salzburg eine außerordentliche Bischofskonferenz statt, in der es hauptsächlich um das herrschende „Ehewirrwarr“ ging. Ein Großteil des Klerus war gewillt, die fakultative Zivilehe als geringeres Übel hinzunehmen, da man weitere Kirchenaustritte befürchtete.
Der Vatikan wollte einer Ehereform nicht zustimmen, im Konkordatsentwurf vom August 1931 begehrte der Apostolische Stuhl zusätzliche finanzielle Leistungen des Staates an die Kirche.
Bereits am 31. Dezember 1930 hatte der Papst die Enzyklika „casti conubii“ veröffentlicht. Nach ihr habe der Hauptzweck der Ehe auf die ungehinderte Fortpflanzung hingeordnet zu sein. Jede bewusste Verhütung einer Schwangerschaft sei ein Verbrechen, jede Abtreibung Mord.
Sache jeder staatlichen Autorität müsse daher sein, „durch zweckmäßige Gesetze und Strafen“ das Leben ungeborener Kinder zu schützen: “sollte jedoch die öffentliche Gewalt diesen Kleinen nicht allein Schutz versagen, vielmehr durch ihre Gesetze und Verordnungen den Händen der Ärzte und anderen zu Tötung überlassen und ausliefern, dann möge sie sich erinnern, dass Gott der Richter und Rächer unschuldigen Blutes ist, das von der Erde zum Himmel schreit.“
Durch die Wirtschaftskriese hatte sich die Situation des FBÖ mehr und mehr zugespitzt. Die Mitgliederzahl sank weiter ab und fiel Ende 1932 auf 30.000 „und davon machten die Arbeitslosen schon mehr als 50% der Vollzahler aus“.[15]
Im Februar 1933 wurde noch mit einer Plakataktion für den Kirchenaustritt geworben, deren Inhalt dann von der Behörde für das Verbot des Freidenkerbundes herangezogen wurde.
Nach der „Selbstausschaltung des Parlaments“ am 4. März 1933 folgte Schlag auf Schlag gegen die „marxistische, materialistische Volksverführung“ und für den „sozialen, christlichen, deutschen Staat Österreich auf ständischer Grundlage unter starker, autoritärer Führung!“[16]
Die Versammlungsfreiheit wurde per Notverordnung eingeschränkt, die Landesversammlung des FBÖ Wien verboten.[17]
Durch Erlass des Unterrichtsministers Rintelen wurde am 10. April 1933 der Glöckelerlaß vom 10. April 1919 aufgehoben und der Zwang zu religiösen Übungen in Volks -, Haupt – und Mittelschulen wieder eingeführt.[18]
Am 12. Juni 1933 wurde der „Freidenkerbund Österreichs“ durch die Generaldirektion für öffentliche Sicherheit aufgelöst.
Nach dem 2. Weltkrieg hatte es die Provisorische Regierung Renner am 31. Juli 1945 ein Gesetz geschaffen, das die „Reorganisation“ kommunistischer und sozialistischer Vereine ermöglichte.
Im Februar 1946 meldete sich der Freidenker Pürk beim Parteisekretariat der SPÖ mit der Idee, nun auch den Freidenkerbund wiederzubeleben.[19]
Im Antwortschreiben wurde mitgeteilt:“…dass im Zuge der Neuorganisation der Sozialistischen Bewegung die Gründung eines Freidenkerbundes nicht in Frage kommt…“[20]
Dennoch stellte der fast 75-jährige Franz Ronzal[21], sozialistischer Bürgermeister von Eichgraben/NÖ, ein Reaktivierungsansuchen, das abgelehnt wurde. Daraufhin entschloss man sich, sehr zum Missfallen der Partei, 1947 zur Neugründung, was nicht untersagt wurde.[22]
Am 14. Mai 1958 beschloss die SPÖ bei einem außerordentlichen Parteitag ein neues Parteiprogramm, in dem der Führungsanspruch der Arbeiterklasse aufgegeben wurde, und die SPÖ für ein Mehrparteiensystem, die Sozialpartnerschaft und für einen sozialistischen Humanismus eintritt. „Sozialismus und Religion sind kein Gegensatz, jeder religiöse Mensch kann gleichzeitig Sozialist sein“. Am 23. Jänner 1959 wurde die „Arbeitsgemeinschaft sozialistischer Katholiken“ gegründet.
Aufgrund vieler interner Streitigkeiten, einem Auflösungsbeschluss vom 12. Dezember 1970, der wieder beeinsprucht wurde und der Gründung eines „Österreichischen Institutes für Geistesfreiheit und wissenschaftliche Weltanschauung – Freidenkerbund Österreichs“ bestimmte das Gericht Ende 1975 A.K. Konecny zum Kurator. 1976 gab es wieder eine Mitglieder – Vollversammlung, aufgrund dieser der alte FBÖ wieder vereinsgesetzlich handlungsfähig war und A. Konecny am 11. März 1977 seiner Funktion als Kurator enthoben wurde.[23]
Am 24. April 1978 wurden das Institut und der Freidenkerbund Österreichs unter der Bezeichnung „Freidenkerbund Österreichs (FBÖ) – (Institut für wissenschaftliche Weltanschauung) zusammengeführt, Richard Klucsarits wurde erster Bundesobmann.
Am 16. März 1991 wurde Dr. Soos zum Bundesobmann gewählt, beim XLII. Kongress der „Weltunion der Freidenker“ in Wien zum Vertreter Österreichs in der Weltunion.
In der allgemeinen Wahrnehmung werden Freidenker und Freimaurer gleichgesetzt, doch gab es zwar nicht in den Zielen über die geistige Freiheit und Selbstbestimmung der Menschen, doch im philosophischen Zugang grundlegende Unterschiede.
„Die Freidenker gelangten vom empirischen Rationalismus, über den epikureischen Marxismus (O. Neurath) zum reinen Atheismus.
Für sie ist die Welt das Ergebnis einer Entwicklung, die Naturgesetzen unterworfen und logisch erklärbar sind. Ihre Einstellung ist antimetaphysisch, antiesoterisch, antireligiös. Die menschliche Existenz ist mit dem Tod abgeschlossen, es ist der Übergang von Existenz in Nichtexistenz.
Sie üben einen gottesleugnerischen Gewissenszwang aus und richten einen „Mahnruf an alle freien Menschen: Werdet konfessionslos“.
Die Freidenker hatten sich schon lange dem Sozialismus zugewandt.
In der Freimaurerei ist der Deismus vom Kant´schen Idealismus geprägt.
Für sie schuf ein A.B.a.W. die Welt, sie bekennen im Ritual „Ehrfurcht vor dem großen Baumeister aller Welten“. Esoterik spielt eine besondere Rolle in Form von Symbolen, Riten und Gebräuchen. Mit dem Tod erreicht der Freimaurer die „Vollendung im Ewigen Osten“. Die Unsterblichkeit gilt als „Schlussstein sittlichen Handelns, die Abberufung zu höherer Arbeit, ein Vollendungsglaube“
Ihre Weltanschauung nimmt alle Konfessionen in sich auf und verbindet sie zu einer moralischen Macht.
Das Freimaurertum hat seinen ursprünglichen bürgerlichen Charakter bewahrt.“[24]
Die Freidenkerbewegung in Steyr
Am 21. Juni 1920 wurde in Steyr eine neue Ortsgruppe der FBÖ gegründet, die 200 Mitglieder zählt. [25]
Am 24. Juli 1921 fand zum erstenmal eine Freidenkerkonferenz des „Freidenkerbundes“ in Wels statt…Sämtliche Ortsgruppen und Zahlstellen in Oberösterreich hatten Delegierte entsendet, nur Steyr war nicht vertreten, was bei den Versammelten Befremden hervorrief“ meldete der „Freidenker“ vom 1. August 1921. Als Fußnote folgte die Ermahnung durch die Schriftleitung:“ Wir sind sehr erstaunt, dass die Freidenker in Steyr, die wackere Kämpfer für den freien Gedanken sind, an der Konferenz nicht teilnehmen. Wir rufen unseren Gesinnungsfreunden in Steyr zu, nieder mit dem Separatismus, nur in der Einigkeit liegt die Kraft.“[26]
„St. Ulrich bei Steyr. Am Mittwoch, den 10. Juli d.J. (1921) fand wiederum eine Versammlung unter Vorsitz des Gesinnungsfreundes Obmann Josef Tischler statt. Als Referentin erschien Gesinnungsfreundin Erna Schnitzer(?), welche über das Thema „Entstehung der Welt – Urgesellschaft – Kultur“ sehr sachlich referierte und dafür großen Beifall erntete. Gesinnungsfreund Nagel brachte vorher den Bericht von der Landesgruppenkonferenz in Linz. Die Berichte des Kassiers, …. und der Kontrolle wurden ebenfalls zur Kenntnis genommen. Der Gesinnungsfreund Obmann Tischler dankte zum Schlusse nochmals der Referentin für ihre vortrefflichen Ausführungen sowie allen Anwesenden für ihr Erscheinen und schloss um 11 Uhr abends mit einem kräftigen „Freiheit“ die Versammlung.“[27]
„Oberösterreich. (1922) In Steyr, St. Ulrich, Garsten, Gleink, St. Florian und bei einer überaus stimmungsvollen Sonntagsfeier auf dem Damberg bei Steyr sprach Carraro.“[28]
„In der Region Sierning/Letten wurde die Freidenkerbewegung von Neuzeug aus verwaltet. Dort war sie im April 1922 mit 133 Mitgliedern gegründet worden.
„Ortsgruppe Steyr, (1922) Einzahlung der Mitglieder, Zeitungsausgabe, Abrechnung der Subkassiere, Anfragen und Beschwerden, sowie Ausschutzsitzung jeden Freitag von ½ 7 Uhr ab im Bundeshaus „Zur Goldenen Gans“, Enge.“[29]
St. Ulrich bei Steyr. Am 5. Jänner d.J. (1924) fand die Jahreshauptversammlung statt. Nach Erstattung der verschiedenen Berichte wurden in den neuen Ausschuss gewählt: Obmann Josef Tischler, Stellv. Heinrich Schwarz, 1. Schriftführer Josef Nagl, 2. Schriftführer David Plank, 1. Kassier Franz Eibl, 2. Kassier Stefan Danner, Kolporteur Franz Hofer, Beisitzer Mat. Schmiedt, Josef Schinnerl, Karl Plank, Johann Plank. Abrechnung mit dem Subkassier findet jeden 1. Freitag im Monat und die Ausschusssitzung jeden 2. Freitag im Monat im Vereinslokal Pöllhubers Gasthaus „Märzenkeller“ statt.“[30]
„St. Ulrich bei Steyr. Am Freitag, den 18. Juni 1924 sprach im gutbesuchten Vereinsheim „Märzenkeller“ Gesinnungsfreund Znahden aus Linz in seiner bekannt hinreißenden und überzeugenden Weise über das Thema: „Gibt es ein Fortleben nach dem Tode?“ Seine vielfach mit Humor gewürzten Ausführungen fanden großen Beifall. Wir danken dem Gesinnungsfreund nochmals für sein vortreffliches Referat und wünschen, dass wir ihn bald wieder in unsere Mitte begrüßen können. Mit der Bitte an alle Anwesenden, wieder so zahlreich zu erscheinen, schloss Gesinnungsfreund Obmann Josef Tischler mit einem „Freiheit“ die schön verlaufende Versammlung“.[31]
1925 wurde mit der Errichtung eines aufstrebenden Feuerbestattungsvereines („Die Flamme“) von Steyr aus nachgesetzt.
1933 war der Obmann von Neuzeug auch Vorsitzender der Freidenkerorganisation in Letten.
Im klerikal geprägten Sierning selbst konnte die Bewegung kaum Fuß fassen.
Sie wurde, ähnlich wie in Steyr, von (Fach)arbeitern und „Parteibeamten“ aus Steyr repräsentiert. Charakteristisch für die Führungsebene der Steyrer Freidenkerbewegung war ein-bezogen auf die übrige sozialdemokratische Bewegung-relativ hoher Intelligenzanteil von etwa einem Drittel und die meist qualifizierten Fabrikarbeiter, die die restlichen zwei Drittel ausmachten. Das durchschnittliche Alter von 39,7 Jahren, bezogen auf das Jahr 1930, lag um rund drei Jahre über jenem der Funktionäre der sozialdemokratischen Gesamtbewegung im Zeitraum 19181- 1934 (Die Datenbasis für diese Angaben besteht aus insgesamt 53 Personen). [32]
„St. Ulrich bei Steyr. Am 10. Jänner d.J. (1925) hielt unsere Ortsgruppe ihre Hauptversammlung ab, in der zum zweiten Mal unser Genosse Lehrer Maschke aus Steyr sprach. Vor seinen vortrefflichen Ausführungen über Religion, Konkordat und Erziehung, wofür ihm volle Aufmerksamkeit geschenkt wurde, sang unsere Sängerriege „Lyra“ ein Freiheitschor. Bei der Neuwahl des Ausschusses wurden wiedergewählt: Obmann Josef Tischler, Obmannstellvertreter Heinrich Schwarz, Schriftführer Josef Nagl, Schriftführerstellvertreter Rudolf Dorninger, Kassier Franz Eibl, Kassierstellvertreter Stefan Danner, Bibliothekar Franz Hofer, Kontrolle Josef Hartmann, Mathias Schmidt, Beisitzer Johann Plank, Karl Plank, Franz Schinko und Josef Schinnerl. Genosse Tischler forderte die Anwesenden auf, tatkräftig mitzuarbeiten, um unseren Bund groß und stark zu machen. Zum Schlusse der Versammlung dankte der Vorsitzende nochmals dem Referenten für seine guten Ausführungen. Mit einem Freiheitslied fand die Versammlung ihren Abschluss. – Am Freitag, den 23. Jänner d.J. feierte unser Obmann Genosse Josef Tischler im Kreise seiner Gesinnungsfreunde seinen sechzigsten Geburtstag. Der überaus gemütliche Abend bewegte alle Herzen und nahm einen besonders schönen Verlauf. Sämtliche Formationen der freiheitlichen Bewegung, in denen unser Obmann Genosse Tischler Mitglied ist, brachten ihm die schönsten Glückwünsche dar und wünschten, dass er noch lange Jahre seinen Geburtstag feiern möge. Unsere Sängerriege „Lyra“ trug bei, uns durch ihre Lieder den Abend zu verschönern.“[33]
„Garsten. Die Ortgruppe hielt am 13. März in Grabner´s Gasthaus ihre Jahreshauptversammlung ab. Die Wahl des neuen Ausschusses ergab nachstehendes Resultat: 1. Obmann Otto Zinkernell, 2. Obmann Löschenkohl, 1. Kassier Aug. Kreisel, 2. Kassier Jos. Petutschnig, 1. Schriftführer Karl Schinko, 2. Schriftführer Franz Krauskopf, Kontrolle Jos. Pfeiffer und Jos. Korpelik, Beisitzer: Rudolf Müller, Subkassiere: für Kraxental Franz Bergmeier, für Garsten Hugo Schimsa, für Pyrach und Sierning Karl Zettl, für Buchholz Jos. Petutschnig. Die Bibliothekarstelle blieb vorläufig unbesetzt. Nach der Wahl erstattete Landesobmann Hillinger ein sehr unterhaltsames Referat über das Thema „Freidenkerbewegung“, welches mit großem Beifall aufgenommen wurde. – Am 15. Februar 1925 feierte die Ortsgruppe ihr erstes Wiegenfest zu Ehren der vier konfessionslosen Kinder, und zwar: Patu(?) Alfred, Zinkernell Hermine, Szelegowitsch Berta, Korpelik Egon. Es war dies eine schöne, erhebende Feier, welche jeden Teilnehmer das Herz höher schlagen ließ, zumal das fest durch das Kinderfreundeorchester von Neuzeug und durch den Gesangsverein „Freiheit“ von Garsten sowie die ergreifende Ansprache der Gesfr.(?) Fräulein Schwitzer aus Steyr verschönert wurde, auch nahmen mehrere Gegner an unserer Feier teil, welche erstaunt äußerten, so schön hätten sie sich ein Wiegenfest doch nicht gedacht. Zum Schlusse bringen wir den Eltern sowie den kleinen Freiheitskämpfern unsere herzlichsten Glückwünsche entgegen. „Freiheit“.“[34]
„Steyr, Freidenkertag 5. Juli 1925. Um auch unseren klerikal – monarchistischen Bezirkshauptleuten und sonstigen Behörden der Landesregierung sowie der Öffentlichkeit zu zeigen, dass wir Freidenker nicht gewillt sind, uns die Gesetzesbeugungen der bischöflich orientierten Landesregierung gefallen zu lassen, wurde bei uns zur gleichen Zeit wie in Wien ein Freidenkertag abgehalten. Am 4. Juli sprach Ing. Stefan Popper und der Bundessekretär Ferd. Weber in einer unter der Parole „Antwort auf den Katholikentag“ einberufenen und sehr gut besuchten Versammlung. Das sich zeis Stunden währende Referat zeichnete sich durch besonders scharfe Logik aus und es wäre dem Prof. Scopes im „Affenprozess“ Ingenieur Popper als Verteidiger zu wünschen gewesen. Nachdem ein Steyrer Gesinnungsfreund die Seelensanierungsarbeit des vor kurzem in Steyr anwesenden Heerespropstes Pawlikofsky aufgezeigt hatte, der die Wehrmänner ganz besonders vor den Freidenkern warnte, berichtete Bundessekretär Weber seine Erlebnisse mit diesem Herrn in Wien und über das Ansuchen der Bundesleitung um Beistellung einer Militärmusik zum Freidenkertag analog der Beistellung zur Fronleichnamsprozession. Die am 5. Juli um halb elf Vormittags vor dem Rathause stattgefundene Demonstrationsversammlung war ausdrücklich stark besucht. Genosse Popper, der vom Balkon des Rathauses sprach, zeigte die zunehmende klerikale Reaktion in Österreich auf und streifte auch die Fälle römisch – katholischer Unduldsamkeit in Steyr aus der letzten Zeit. (Fall Reder, Oberlehrers Rudolf Thäridl?) und die ungesetzliche Handlungsweise der Landesregierung und Bezirkshauptmannschaft, die ……..macherei gegenüber todkranken Konfessionslosen. Er verlas und erklärte die Resolution der Bundesleitung an die Regierung und empfahl deren Annahme, die auch einstimmig erfolgte. Bundessekretär Weber überbrachte namens der Bundesleitung und der Freidenker – Internationale der Steyrer Demonstration die Grüße und den Dank der Wiener Freidenker und hob die geleistete Arbeit der Steyrer Freidenker hervor. Er teilte der Versammlung mit, dass ungefähr zur selben Stunde die Resolution der Regierung in Wien überreicht wird, was mit Beifall aufgenommen wurde. Die Stadtkapelle schloss mit dem „Lied der Arbeit“ die Demonstrationsversammlung.“[35]
„Waren bis 1926 zwei aktive Freidenker Mitglieder der durchschnittlich 22-köpfigen sozialdemokratischen Gemeinderatsfraktion, so betraute die Steyrer Stadtparteiorganisation danach als „freidenkenden Alibimann“ nur noch den Lokalredakteur des „Steyrer Tagblattes“ Josef Kirchberger, mit Sitz und Stimme.
Dies entsprach auch durchaus dem Bild einer linken Freidenkerorganisation, die enge Verbindung zu den Kommunisten pflegte und deren Repräsentanten in öffentlichen Parteifunktionen möglicherweise nicht erwünscht waren.“[36]
„Auszug aus dem Ortsgruppenverzeichnisse: Ortsgruppe Steyr, Obmann Alois Hölbling, Konrad Deublerstr. 1, Lokal: Gasthaus Pöschinger[37]
„Manch linke Parteifunktionäre wollten nach 1927 die zurückweichende Parteipolitik nicht mittragen. Der Obmann der Steyrer Freidenker, Alois Hölbling, 1890 geboren und als Lehrenschlosser im Steyr – Werk beschäftigt, war Mitte 1931 zur KP übergelaufen. Er konnte auch eine Reihe weiterer (Freidenker)Sektionsfunktionäre mitziehen.
Die sozialdemokratische Lokalzeitung merkte an, dass es „auch in unseren Reihen etliche (gebe), die mit dem kommunistischen Radikalismus liebäugeln“.
Von ihrer Gründung im Juni 1920 schwoll die Bewegung bis Ende 1921 auf 1995 Mitglieder an. Bis 1924 gingen 800 Kirchenaustritte aus ihre ideologische Ausstrahlungskraft zurück. Später verringerte sich die Zahl der Austrittswilligen, sodass 1928 bis 1931 nur noch 188 Austritte aus der katholischen Kirche verzeichnet werden konnten.“[38]
„Garsten. Die Ortsgruppe hielt am 4. Jänner (1929) ihre Generalversammlung ab. Aus dem Tätigkeitsbericht ist hervorzuheben: Trotz der würgenden Arbeitslosigkeit hat sich der Mitgliederstand von 22 auf 35 erhöht. Auch der Kassastand erweist sich als recht ordentlich. Die Neuwahlen ergaben: Obmann Otto Zinkernell, Kassier Fritz Kranawetter, Schriftführer Ludwig Pöschinger. Das Referat des Gen. Tetschitzegger über „Klerikalismus, Kapitalismus und Freidenkertum“ wurde mit großem Beifall aufgenommen.“[39]
Der Freidenkerbewegung entwuchs als selbständige Organisation ein Feuerbestattungsverein, der mit dem Zweck, „den Angehörigen alle Schwierigkeiten bei der Bestattung abzunehmen und die Bestattungskosten auf Versicherungsbasis zu organisieren, in Steyr Wurzeln schlagen konnte. Mit dem Verein solle gegen das Erdbegräbnis, das als „Monopolbesitz der Kirche… ihr eine gute Einnahmequelle verschafft“, angekämpft werden. Von 378 Mitgliedern im April 1923 wuchs der Verein bis 1927 auf 6297 Mitglieder an. Ende 1930 zählte er sensationelle 8384 Mitglieder, in ihrer Mehrzahl organisierte Sozialdemokraten, von denen 1793 konfessionslos, 107 altkatholisch, 585 evangelisch und der Rest römisch – katholisch waren.
Der Verein strebte die Errichtung eines Krematoriums in Steyr an, welches mit Hilfe einer großangelegten Bausteinaktion finanziert wurde. Nach der Grundzuweisung durch den Gemeinderat und dem Baubeginn im Dezember 1926 wurde die Feuerhalle bereits am 26. Juni 1927, als erstes Krematorium in Oberösterreich und nach Wien als zweites in Österreich, eröffnet. Bis März 1933 gab es 566 Veraschungen. Die Bewegung versuchte nicht nur die Bestattung zu verändern, sie führte ihre eigenen Symbole ein. So sollten Naturstiefmütterchen anstatt der Erdschollen den letzten Gruß an den Verstorbenen ausdrücken. Auch die Vermittlung antiklerikaler Traditionen sah die Freidenkerorganisation als eine wichtige Aufgabe an; beispielsweise am 22. März 1930 bei einer behördlich verbotenen Gedenkfeier „für 100 auf dem Ketzerfriedhof in Kraxenthal verbrannten Waldenser“[40]
„Auf zum Freidenkertreffen in Steyr – Garsten!
Wie bekannt, wurde unsere Gedenkfeier für die von der Kirche verbrannten 100 Ketzer (Waldenser) über Betreiben des Pfarrers von Garsten von der B.H. Steyr – Land verboten. Auch die für den 5. April angemeldete Feier wurde verboten. Die Rekurse dagegen sind von der oberösterreichischen Landesregierung noch immer nicht erledigt. Wir können daher die Feier nicht abhalten. Wir lassen uns jedoch die Versammlungsfreiheit nicht rauben und so veranstaltet der Bund am Sonntag, den 6. Juli von 9 bis 12 Uhr vormittags auf demselben Platz ein Freidenkertreffen. Redner: Bundesobmann Gen. Ronzal und Endres. Mitwirkende: Die Stadtkapelle Steyr und der Bezirksverband der Arbeitergesangsvereine. Wir erwarten, dass ie Bundesmitglieder und die Ortsgruppenleitungen ihre Sympathie für unseren Kampf durch zahlreichen Besuch bzw. durch die Entsendung von Delegationen zum Ausdruck bringen. Wir werden für angenehmen sowie billigen Aufenthalt unserer Gäste sorgen. Führungen zu Steyrs Sehenswürdigkeiten z.B. dem einzigen Freidenkerfriedhof Österreichs, dem Krematorium mit dem schönen Urnenfriedhof usw. Exkursionen zu dem weltberühmten Stahlschneideatelier des Prof. Michael Blühmelhuber und für Montag in die Steyrerwerke. Kleine und größere Ausflüge in die schöne Umgebung Steyrs und in das Salzkammergut sind leicht möglich. Für am Vorabend Ankommende erbitten wir Quartierbestellungen (privat oder Gasthof) Für Gesellschaften von mindestens fünf Personen können durch das Blockkartensystem auf der Bundesbahn 25 Prozent Ermäßigung jederzeit in Anspruch genommen werden.“[41]
„Der führerlose Demonstrationszug von 2000 – 2500 Personen richtete sich unter heftigen Pfui – Rufen gegen das Gebäude der Bezirkshauptmannschaft (in Steyr) und gegen das Gasthaus Bachinger, in dem die Heimwehr mit 80 Mann Bereitschaft hielt. Schließlich bewegte sich der Zug weiter in Richtung Garsten. Am Ortseingang von Sarning wurde die Straße durch 45 Gendarmen mit „gefälltem Bajonett“ abgesperrt. Da der Zuzug aus Steyr nicht aufzuhören schien und der Gendarmeriekordon der anwachsenden Menge kaum mehr standhalten konnte, wurde eine Kompanie Alpenjäger angefordert. Es kamen 60 Mann mit Handmaschinengewehren. „Sie wurden mit Pfui – Rufen empfangen und während des Vorbeimarsches durch die Demonstranten bespuckt.“ Um 13:30 Uhr trafen noch 23 Mann Sicherheitswache in einem Unfallauto aus Linz ein. Diese Abteilung trat jedoch nicht mehr in Aktion.“[42]
Die Arbeiter spürten: Durch das Veranstaltungsverbot sollte ein Exempel statuiert werden. Und beim nächsten Mal könnten bereits die Parteiveranstaltungen mit einem Verbot belegt werden.
Eine wichtige Aufgabe sah die Freidenkerbewegung auch in der Aufklärung und Erziehung der Kinder: Als Gegenstück zum Religionsunterricht richtete man einen „Lebenskundeunterricht“ ein, der im Schuljahr 1930/1931 von 170 Steyrer Kindern besucht wurde. Um die humanistischen Gesinnung unter Beweis zu stellen, gingen sie in den Kriegsjahren daran, verarmte Steyrer Arbeiterkinder zu verschicken: So wurden 1932 60 Kinder bei Pflegeeltern in Oberösterreich untergebracht.[43]
„Steyr war neben Wien, Graz und Linz die bedeutendste Hochburg der Freidenker und besonders dicht organisiert. Aus einem „Situationsbericht der Kriminalbeamten – Abteilung A“ vom 12. Jänner 1930 ist zu entnehmen: Infolge der Wirtschaftskrise hat die Arbeitslosenzahl in Steyr „eine bisher noch nie dagewesene Höhe erreicht.“ Der Hauptarbeitgeber Steyr – Werke hat in sieben Monaten den Personalstand von 6500 auf 1960 reduziert.“ Im Stadtgebiet werden 3530 arbeitslose Personen gezählt. (Gesamteinwohnerzahl 22.123).. Die leidenschaftlich geführten politischen Kämpfe wirken sich insbesondere auf den Fremdenverkehr hemmend aus…bürgerliche Veranstaltungen werden in Steyr nicht mehr abgehalten… Misshandlungen und Anrempelungen sind über die Grenzen bekannt geworden und haben zum Verruf der Stadt wesentlich beigetragen…Die Freidenkerbewegung in Steyr…zählt 3000 Mitglieder, sie bilden den radikalen Flügel der sozialdemokratischen Partei“ [44]
Im Juni 1930 wurden Verhandlungen über Lohnherabsetzungen (von dzt. 92 g bis 2 S 20 g pro Stunde) mit Androhung der Werksschließung geführt.[45]
„Steyr. (Jahresversammlung am 1. März [1930]) Aus den Berichten der Funktionäre ist hervorzuheben: Die Gruppe veranstaltete 17 Vorträge, davon 3 mit Lichtbildern; durchschnittliche Besucherzahl 430. Ferner veranstaltete die Ortsgruppe ein Bergfest (Sommersonnwendfeier) mit 2110 Teilnehmern; Referent Nationalrat Witzani, eine Wintersonnwendfeier an der 180 konfessionslose Schulkinder mitwirkten, die beschenkt wurden, mit 814 Besuchern: den Familienabend des Freidenkerchors mit 810 Besuchern und die Feier für den Gesinnungsfreund Holfeld. Referent war meist Gesinnungsfreund Frantzl, der auch sechs Kursvorträge für die Funktionäre und Jugendlichen hielt. Sehr gut besucht waren auch die Totengedenkfeiern im Friedhof und beim Krematorium. Den Unterricht aus sittlicher Lebenskunde besuchten 184 konfessionslose Kinder, das sind 85 Prozent der konfessionslosen Kinder Steyrs. Es fanden auch zwei Elternversammlungen statt. Der Freidenkerchor wirkte bei allen Festfeiern und Kremationen (Beerdigungen) mit. Die Bibliothek weist einen vermehrten Bücherstand auf, während die Inanspruchnahme nachgelassen hat, ebenso ging die Kolportage zurück, Folgen der ungünstigen Wirtschaftsverhältnisse, die besonders in Steyr die Freidenkerbewegung lähmen. Der Stand der Mitglieder beträgt mit Jahresschluss 485 bei 40 Zuwächsen und 101 Abgängen (infolge Abwanderung zumeist). Die Zahl der konfessionslosen Mitglieder beträgt 474 und ihrer Kinder 301.In Steyr gibt es noch fast zweimal so viel Konfessionslose, deren Mitgliedschaft aus finanziellen Gründen nicht zu erreichen ist. Kranke Mitglieder, die konfessionslos sind, werden regelmäßig in den beiden Spitälern besucht und mit Liebesgaben bedacht. Der Kassenstand mit Jahresschluss beträgt S 122. Infolge der großen Arbeitslosigkeit der Mitglieder (siebzig Prozent) mussten Aushilfen von der Landes – und Bundesleitung in Anspruch genommen werden, die bewilligt wurden. Gewählt wurden wieder die vorjährigen Funktionäre: Obmann Gf. Alois Hölbling, Kassier Ignaz Pilous, Schriftführer Karl Stoll. Die Jahresversammlung, eingeleitet mit einem Freiheitschor der GF Sänger und beendet mit dem Referate „Wie soll man Freidenkertum verbreiten“ des Gf. Dr. Frantzl war gut besucht. Vorträge und Berichte fanden beifällige Aufnahme.“[46]
„Oberösterreich. Winterversammlungen. Für die Zeit vom 23. bis einschließlich31. Jänner 1931 hatte die Landesorganisation Oberösterreich in zehn Orten des Landes Versammlungen einberufen, in denen Ludwig Tötsch über das Thema „Der Kampf der Kirche um die Weltherrschaft“ zu sprechen hatte. Die erste Versammlung, die in Steyr stattfand, war trotz der herrschenden Arbeitslosigkeit ausgezeichnet gut besucht.“[47]
„Steyr. Es ist seit Jahren Gepflogenheit, den Fronleichnamstag unter den Freidenkern abseits vom Getriebe der Stadt als Bergfest zu begehen, was sich im Laufe der Zeit rasch eingelebt hat. Auch heuer wieder war der 19. Juli Anlass zu diesem Familienfeste im wahrsten Sinn des Wortes, und mehr als 4000 Teilnehmer, Männer, Frauen und Kinder gaben ihrer Frühlingsstimmung freudigen Ausdruck. Am Vorabend war das Fest durch ein mächtiges Höhenfeuer eingeleitet worden. Mit Tagesgrauen begann es sich in der alten Fabriksstadt zu regen, um 5 Uhr früh erfolgte der Abmarsch auf den Damberg, wo um halb 10 Uhr vormittags die eigentliche Feier eröffnet wurde. Mitten in der grünen Natur, auf sattgrünem, mit Blumen bunt bestreutem Wiesenteppich, vergoldet von den wärmenden Strahlen der Sonne, stiegen die erhebenden Klänge symphonischer Tondichtungen empor zum tiefblauen Himmel. Der Freidenkerchor „Lyra“ begeistere die Anwesenden durch seine Vorträge, denen sich inhaltsvolle Festworte von Gen. Kirchberger anschlossen, die sich gegen den mittelalterlichen Köhlerglauben und dessen Nutznießer wendete und ein Hohenlied auf die Macht und Kraft der Arbeit sang. Das mit großem Beifall aufgenommene Referat bildete den Mittelpunkt der ganzen Veranstaltung, die ihren Abschluss durch ein gediegenes Konzert der Stadtkapelle Steyr fand.
Das Bundestreffen. Wir Freidenker pflegen gefasste Gedanken mit Hartnäckigkeit zu verfolgen. Schwierigkeiten schrecken uns nicht ab, im Gegenteil, sie bringen mit sich, dass wir umso weniger nachgeben. So war es auch betreffend einer in Steyr im März geplanten Kundgebung, die durch schikanöse Amtshandlung verhindert worden war, aber schließlich doch der Behörde zum Trotz am 5. Und 6. Juli 1930 stattgefunden hat. Der Abend des 5. Juli diente nur der allgemeinen Begrüßung der zahlreich eingetroffenen Gäste, wobei festgestellt werden konnte, dass nicht nur alle Länder, sondern die Mehrheit der Gruppen durch Delegationen vertreten waren. Unter den Delegierten war auch der Senior der Salzburger Freidenker, Genosse Aigner, der trotz seiner 81 Jahre die Begeisterung aufbrachte, die Reise zu wagen. Am Morgen des 6. Juji sammelten sich die Freidenker und formierten sich zu einem machtvollen Zug mit gut 2000 Teilnehmern. Eröffnet wurde derselbe durch Arbeiterradfahrer, denen die Stadtkapelle folgte, dann die Sänger, hierauf die offiziellen Vertretungen unserer Organisation, einschließlich der Vertreter der sozialdemokratischen Partei von Steyr, der Pfeifer – und Trommelchor, der Mandolinenverein „Arion“ und der Republikanische Schutzbund als Abschluss. Eine große Anzahl von Tafeln mit Aufschriften kennzeichneten die Stimmung. Auf dem Festplatze selbst begann die Kundgebung mit einer Darbietung der Stadtkapelle, welcher die offiziellen Begrüßungen folgten. Hierauf schlossen sich Vorträge der vereinigten Sänger an. Gen. Dr. Endres als erster Redner wies unter stürmischer Zustimmung auf die historische Entwicklung der katholischen Kirche hin, kennzeichnete ihre Intoleranz und blutige Verfolgungswut, die sich in letzter Zeit besonders gegen uns richtet. Seinen mit stürmischem Beifall aufgenommenen Ausführungen schlossen sich die begeisternden und aufpeitschenden Worte des Bundesobmannes, Gen. Ronzal, an. Der Tenor dieser Rede lag darin, dass die Freidenker sich weder durch Maschinengewehre noch durch Übergriffe, Konfiskationen, Prozesse und andere Schikanen von ihrem geraden Weg abbringen lassen. Er formulierte die Grundforderungen unsere Organisation und wurde wiederholt von stürmischen Beifall unterbrochen. Hierauf wurden zwei Entschließungen angenommen, eine richtete sich gegen die Willkürakte der Behörde und forderte insbesondere die Gründung der Pfarrgemeinden, sowie die Einstellung der Kongrua, die andere kennzeichnet den verleumderischen Feldzug des Papstes gegen die Sowjetunion und fordert das organisierte Proletariat zum Widerstand gegen die reaktionären Bestrebungen auf. Nach Schluss der Kundgebung formierte sich gegen Mittag der Zug zum Rückmarsch. Insgesamt war die Kundgebung sowohl bezüglich des Arrangements, als auch hinsichtlich des Inhaltes ein imposantes Zeichen für Stärke und Werbekraft unserer Bewegung.
„Steyr. Wie alljährlich, hielt die Ortsgruppe auch heuer eine Wintersonnwendfeier ab, die am 26. Dezember in den Kasinosälen stattfand. Obmann Kahlig konnte unter den zahlreichen Anwesenden auch Gesinnungsfreund Aschl mit einigen Linzer Gesinnungsfreunden, den Parteisekretär Klement und den Betriebsrat der Steyr – Werke Wipplinger begrüßen. Redakteur Gen. Kirchberger wies in seiner Festrede auf den Sinn der Feier hin. Der größte Teil des Festes wurde von der Jugend bestritten, unter der sich unverkennbare Talente befinden. Aus dem reichen Programm seien besonders hervorgehoben: „Das Puppenlied“ von Klein Greti Böhm (Gesang) und Irmgard Suva (Klavier), das Lied: „Wenn dich die Menschen auch kränken“ von Grete Grasbon und Milli Dusek, der Reigentanz der Mädchen der Moralschule Ennsleite, einstudiert von Gen. Rosenauer am Klavier Gen. Urbanek), der Prolog „Weihnacht“, den Anna Wagner sprach. Von den Darbietungen der Erwachsenen seien besonders hervorgehoben: Die Chöre des Freidenkerchors unter Leitung des Oberlehrers J. Krenn und das Streichorchester der Kinderfreunde Ennsleiten; auch der Sprechchor der Freidenkerkinder erntete lebhaften Beifall. Die Regie führte Gesinnungsfreund Adalbert Schwarz. Die Kinder des Lebenskundeunterrichtes wurden mit einer Jause bewirtet. Die Sonnwendfeier 1931 zählt zu den schönsten Veranstaltungen des letzten Jahres.
Steyr. Samstag, den 30. Jänner d.J. fand unter dem Vorsitz des Obmannes Genossen Kahlig die Jahreshauptversammlung der Ortsgruppe statt. Einleitend sang der Freidenkerchor unter Leitung das Chormeisters Oberlehrer Genossen Krenn einen Freiheitschor, worauf die Berichte des Schriftführers, des Kassiers, der Bibliotheks-und Friedhofssektion, des Spitalausschusses und des Freidenkerchors erstattet wurden. In ausführlicher Weise besprach hierauf Genosse Kahlig die Tätigkeit der Ortsgruppe, wobei er allen Mitarbeitern, besonders den Subkassieren für ihre unermüdliche Arbeit, den besten Dank zum Ausdruck brachte. Trotz der Wirtschaftskrise, unter welcher die Ortsgruppe Steyr des Freidenkerbundes besonders schwer zu leiden hat, ist beim Mitgliederstand ein kleiner Schritt nach vorwärts zu verzeichnen. Über Vorschlag des Wahlkomitees werden nachfolgende Genossen in den Ortsgruppenausschuss gewählt: Kahlig Hans, Obmann; Pilous Ignaz, Kassier; Ausschüsse: Schwarz Adalbert, Kirchberger Josef, Kaindl Josef, Plocek Franz, Scheuwimmer Josef, Schwöri Karl, Orthofer Leopold, Pichler Franz, Suwa Franz, Zötl Karl, Wutsch Franz; Kontrolle: Zachhuber Josef, Stamberg Franz. Nach vollzogener Wahl hielt Genosse Schüßler, Linz, eine hochinteressanten Vortrag über Kirchen – und Religionsgeschichte und fanden dessen wertvolle Ausführungen ungeteilten Beifall.[48]
„ Die Landesorganisation Oberösterreich hielt Sonntag, den 8. März 1931, ihre IX. ordentliche Landesversammlung in Aigners Saal ab…….An den Berichten der Ortsgruppen und den darüber geführten Debatten beteiligten sich die Gsfd. Vogl (Wels) Hölbling (Steyr), der einen ausführlichen Bericht über die Waldenser Feier in Steyr und ihre Auswirkungen auf Pfarrhofpartei und der ihr untertanen Behörde gab, Benedikt (Steyrmühl), Dannerbauer (Römerberg), Zinkernell (Garsten) und Morgenstern (Nordost) Interessante Terrorakte waren bei den Berichten zu hören….
Steyr. Jahresversammlung der Ortsgruppe Steyr am 7. März 1931. Tätigkeitsbericht: Rehthaler: „Mexiko und Kirche“ (207 Besucher); Ferch, zwei Vorträge: Geburtenregelung (1864 Besucher); Frantzl: „Wie soll man Freidenkertum verbreiten (113 Besucher); Frantzl bei Waldenser – Gedenkfeier (Demonstration) (2000 Besucher); Agnihotri: „Suggestion, Fakire, Indien“ (466 Besucher); Tösch: „Kirche, St. Lorenzen“ (450 Besucher); Bergfest, Kirchberger: „Sommersonnenwende“ (2818 Besucher); Freidenkerbundtreffen, Ref. Konzal und Dr. Endres (1209 Besucher); Totengedenkfeier, Ref. Kirchberger (347 Besucher); Wintersonnwendfeier, Kirchberger (605 Besucher); Familienabend des Fr. Chores (402 Besucher); 46 Spitalsbesuche (198 Personen). Ausgaben S 90.60. Mitgliederstand 1929 485, 1930 515 (+30), Arbeitslose 214, davon konfessionslos 471, konfessionslose Kinder 298, Einnahmen S 9777, Ausgaben 9751. Bibliothek mit 297 Bänden. An Broschüren und Schriften vertrieben 4057 Stück. Freidenkerfriedhof: 72 Gräber, bildet ein Agitationsaktivum. Der Lebenskundeunterricht wird für 172 konfessionslose Kinder in 5 Abteilungen mit 70 Prozent Beteiligung abgehalten; dabei sind 4 Lehrkräfte tätig. In der Oberstufe wird mit Lichtbildern gearbeitet. Religionswechsel 1930: konfessionslos 66, von der röm. kath. Kirche zur evang. Kirche 107, von der evang. Zur röm. kath. 6 Personen übergetreten. Alle konfessionslosen Kanada – Auswanderer wurden evangelisch. Ziviltrauungen waren 13, konfessionslose Geburten 10, verstorben 13, Konfessionslosenstand zirka 1800 Personen. – Besonders Bemerkenswertes: Mehrmaliges Verbot der Waldenser – Gedenkfeier durch die Bezirkshauptmannschaft Steyr, Demonstration vor der Bezirkshauptmannschaft und Garsten, Einschreiten gegen die Demonstranten mit 46 Gendarmen und einer Abteilung Wehrmacht mit zwei Maschinengewehren. Verhinderung von Blutvergießen durch Ortsgruppenleitung. Konfiszierung von Flugblättern, Anklage und Verurteilung des Obmanns Hölbling wegen des Satzes: “Weg mit der Kongrua, jeder bezahle seinen Märchenerzähler selbst!“ zu acht Tagen Arrest bedingt auf ein Jahr. Freidenkertreffen in schönster Disziplin verlaufen. Dank den auswärtigen Gästen. Im Kampf für die Versammlungsfreiheit wurden wir vom sozialdemokratischen Landeshauptmannstellvertreter Hafner und anderen Funktionären nicht unterstützt, sondern sogar daran gehindert. Sehr bezeichnend ist, dass im roten Steyr in den letzten Jahren sechs katholische Privatschulen mit 481 Kindern errichtet wurden. So arbeiten die Gegner; was wird von den Sozialdemokraten dagegen unternommen? Gewählt wurden wiederum: zum Obmann Alois Hölbling, zum Kassier Ignaz Pilous und die meisten der bisherigen Funktionäre. Anschließend an die Jahresversammlung: Lichtbildervortrag durch Lehrer König: “Der Kampf gegen die Pfaffen in der Sowjetunion“, welcher begeisterte Aufnahme fand.“[49]
Steyr. Am 28. April feierte unser lieber Gesinnungsfreund und langjähriger Mitkämpfer, Gemeinderat Josef Kirchberger, Redakteur des „Steyrer Tagblatt“, seinen 60. Geburtstag. Josef Kirchberger, der Sohn eines Schmiedes, wurde in Burglengenfeld in Niederbayern geboren. Nach den Wanderjahren ließ er sich als Buchdruckergehilfe in Linz nieder und war bald auch in der Gewerkschaft und in der Partei tätig. Als nach dem Kriege die Freidenkerbewegung auch in Oberösterreich festen Fuß fasste, da stand Kirchberger in den vordersten Reihen und so manche Ortsgruppe zählt ihn zu ihren Gründern. Im Jahr 1923 wurde er Redakteur beim „Steyrer Tagblatt“, in welcher Stellung er heute noch wirkt. Kirchberger führt nicht nur eine schneidige Feder, er ist auch ein glänzender Redner; in vielen hunderten Versammlungen hat er als Referent die Idee des Freidenkertums verkündet, Tausenden neue Erkenntnisse gebracht. Eine Sonntagsfeier oder ein Bergfest ohne Kirchberger ist in Steyr nicht mehr denkbar. Auch im „Freidenker“ hat er wiederholt geschrieben und seine volkstümlichen Aufsätze fanden stets reichen Beifall. So danken wir ihm bei diesem Anlass für die große Arbeit, die er durch mehr als ein Menschenalter für das Proletariat und für den freien Gedanken geleistet hat. Wir hoffen, dass ihm noch viele Jahre erfolgreichen Wirkens beschieden sein mögen.“[50]
„Steyr. Bei der am 4. Februar 1933 abgehaltenen Jahreshauptversammlung hielt Redakteur Genosse Kirchberger Josef einen beifällig aufgenommenen Vortrag über „Schuhmeier, der Volkstribun von Ottakring“. Nach den debattelos zur Kenntnis genommenen Berichten wurde nachstehender Ortsgruppenausschuss einstimmig gewählt: Obmann: Kahlig Hans, Arbeiterstraße 2; Obmannstellvertreter : Schwarz Adalbert, Steyr, Annagasse 1; Kassier Plocek Franz; Steyr, Ludwiggasse 4; Schriftführer: Scheuwimmer Josef, Steyr, J.-Wokralstraße 5/13; Kontrolle: Stamberg Franz, Steyr, J.- Wokralstraße 25 und Duchatschek Ludwig, Steyr, Schwimmschulstraße 8.- Ergänzend sein noch berichtet, dass unsere Sängerriege (Freidenkerchor) die Versammlung mit dem Chor „Gottesstimme“ würdig einleitete, wofür ihr reicher Beifall zuteil wurde.“[51]
„Versammlungen in Oberösterreich. Auf Wunsch der Landesleitung Oberösterreichs des F.B. begann ich am 10. Mai eine Vortragsreise über das Thema „Klerus, Kirche und Freidenkertum“, die mich in mehr als 20 Ortsgruppen führte….Die würgende Arbeitslosigkeit in Steyr unterbindet logischerweise vieles; trotzdem war der Besuch von über 500 Menschen der beste im ganzen Lande. Der Abschluss in Letten, das ja nur eine Zweigstelle der Arbeitslosigkeit von Steyr darstellt, war ein glänzender, so dass zum Schlusse gesagt werden kann, wenn die Genossen mit ihrer Organisations – und Agitationsarbeit so fortfahren, auch günstige Resultate in dem schweren Kampfe gegen die Finsternis und weltliche Macht des Klerikalismus zu verzeichnen sein werden“[52]
Texte im Museum Arbeitswelt zur Ausstellung „Vom Boom zum Bürgerkrieg Steyr 1914 – 1934“
„Bevor in Österreich 1973 die Fristenlösung Gesetz wird, ist ein legaler Schwangerschaftsabbruch nicht möglich. Die konservativen Parteien lehnen jede Reform des § 144, der Abtreibung unter Strafe stellt, strikt ab. Ungeachtet dessen werden Frauen schwanger und beschließen aus unterschiedlichen, meist ökonomischen Gründen, das Kind nicht zu bekommen. Unter welchen Umständen der Abbruch geschieht, hängt zu allererst vom sozialen Status ab. Besser situierte Frauen finden meist ohne größere Probleme einen Arzt, der gegen gutes Geld bereit ist, zu helfen. Die Mehrzahl der Steyrerinnen verfügt aber weder über ausreichende finanzielle Mittel noch das notwendige Wissen. Um den Betroffenen wenigstens Informationen zur Verfügung zu stellen, gründet sich 1920 eine Ortsgruppe des Bundes gegen Mutterschaftszwang. Seine Mitglieder treten offen für eine Legalisierung der Abtreibung ein und betreiben eine eigene Beratungsstelle für Frauen. Trotz dieser Initiative ist eine Frau unter „anderen Umständen“ sich selbst überlassen. Manche verüben in ihrer Verzweiflung Selbstmord, andere vertrauen sich Kurpfuschern und „Engelmacherinnen“ an. Die unter teils haarsträubenden Bedingungen tätig sind. Wenn das Geld oder Wissen selbst dazu fehlt, versuchen viele Frauen ihre Schwangerschaft auf eigene Faust zu beenden.“[53]
„Die Kirche ist bis 1918 eine bedeutende Stütze der Monarchie. Fast zwangsläufig gerät sie daher seit den 1880er Jahren immer stärker in Konflikt mit der aufstrebenden Arbeiterbewegung. Zunächst reagiert die Kirche auf die neue Bedrohung vor allem, indem sie ihre antisemitische Agitation verstärkt. In der gläubigen Landbevölkerung erweist sich der Vorwurf der Gotteslästerung als noch effektiveres Mittel der Immunisierung. Er wird zudem durch die Existenz von Gruppierungen wir den Freidenkern scheinbar bestätigt. Regelmäßig machen Erzählungen von blasphemischen Schandtaten der „Roten“ die Runde. Im Laufe der Zeit bilde sich ein richtiggehender Kanon von Geschichten heran. Einige beziehen sich auf Vorkommnisse, die sich in Steyr abgespielt haben, andere stammen aus dem Ausland.“[54]
„Ein zentrales Wahlmotiv in ländlichen Regionen ist in der Ersten Republik die religiöse Überzeugung. Die katholische Wahlwerbung argumentiert daher, schon das bloße Vorhandensein eines religiösen Bekenntnisses lasse zwangsläufig nur eine Wahl zu – die der Christlichsozialen. Dem Kampf gegen die Behauptung, christliches und sozialistisches Gedankengut schlössen sich aus, hat sich auf sozialdemokratischer Seite besonders der „Bund religiöser Sozialisten“ verschrieben. Neben der starken Freidenkerbewegung fällt diese kleine Gruppe von Katholikinnen und Katholiken zwar zahlenmäßig kaum ins Gewicht, sie ist aber durchaus rege. In seiner Argumentation ähnelt der Bund stark der späteren Befreiungstheologie. Er versteht das Christentum als sozialrevolutionäre Strömung und zitiert gerne Matthäus, 19.24: „Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt.“[55]
„ Die gesellschaftliche Dominanz der katholischen Kirche beruht vor allem darauf, dass sie zentrale Bereiche des sozialen Lebens organisiert. Die Geistlichkeit verantwortete die festliche Aufnahme in die Gesellschaft (Taufe) und den Initiationsritus bei Erreichung des Erwachsenenalters (Firmung); sie besiegelt Partnerschaften (Ehe) und trägt am Ende des Lebens Sorge für die Verabschiedung und Tröstung der Hinterbliebenen. Um dem kirchlichen Einflussbereich größere Teile der Bevölkerung zu entziehen, ist rationale Kritik am religiösen Gedankengebäude nicht ausreichen. Zusätzlich müssen alternative Riten für die wichtigsten Stationen im Leben entwickelt werden. Beides übernimmt innerhalb der proletarischen Kulturbewegung der Freidenkerbund. Die Organisation ist am linken Flügel der Sozialdemokratie angesiedelt und hat in Steyr fast zweitausend Mitglieder. Nirgends in Österreich ist der Mitgliederstand im Verhältnis zur Bevölkerungszahl auch nur annähernd so hoch wir hier.“[56]
„Das kirchliche Bestattungsmonopol zu brechen, ist eines der Kernanliegen des Freidenkerbundes. Dabei geht es nicht nur um ein kultisches, sondern auch um ein finanzielles Privileg. Den Pfarren obliegt die Festsetzung des Begräbnispreises. Um dem von vielen als unwürdig empfundenes Armenbegräbnis zu entgehen, nehmen Familien oft schwere finanzielle Bürden auf sich. Der Verein „Die Flamme“, der in Steyr 1927 das erste Krematorium außerhalb Wiens errichtet, bietet vergleichsweise kostengünstige Einäscherungen an und stellt die Begräbniskosten auf Versicherungsbasis. Der Vereinsmitgliedsbeitrag ist eine Anzahlung auf das eigene Begräbnis.“[57]
„Was dem Verein „Die Flamme“… so viele Mitglieder zuführt, ist kaum freidenkerische Überzeugung, auch nicht Trotz gegen die Vorschriften der katholischen Kirche, sondern gewiss vielfach die rein praktische Erwägung, dass durch die Beiträge eine leicht erschwingliche Bestattungsversicherung eingegangen wird. Weiter denken manche nicht, Es ist ja Tatsache, dass heutzutage die Begräbniskosten die Überlebenden schwer belasten, so dass ein Todesfall in der Familie zu einer finanziellen Katastrophe werden kann. Die Versicherung ermöglicht es, um billige Monatseinzahlungen sich ein Begräbnis zu sichern und den Hinterbliebenen drückende Auslagen zu ersparen…Die Verurteilung der Feuerbestattung genügt nicht, es genügen auch die gewichtigen Einwände vom juridischen und medizinischen Standpunkte nicht: wir müssen das Gleiche bieten, was der Gegner bietet, dann gibt es keine Ausreden mehr.“ [58]
„Der noch immer andauernde Streit um die Frage der Schulorganisation ist letztlich ein Relikt des Kulturkampfes der Ersten Republik. Damals geht es neben der gemeinsamen Schule für alle besonders um die Frage des religiösen Einflusses. Die katholische Kirche pocht auf konfessionelle Schulen, während die Sozialdemokratie deren Beseitigung und den Gratis – Schulbesuch verlangt. Außerdem wird gefordert, der Religionsunterricht dürfe nicht länger Pflichtgegenstand sein. Trotz der gegenseitigen Blockade haben die Länder einen gewissen Gestaltungsspielraum. Die Gemeinde Wien nützt diese Möglichkeit zu zwei Initiativen, die in Kirche und bürgerlichen Parteien besondere Empörung hervorrufen: Durch den nach dem zuständigen Stadtrat benannten „Glöckel-Erlass“ werden Schulkinder von der Pflicht entbunden, an religiösen Übungen teilzunehmen, gleichzeitig dürfen Gebet nur noch im Religionsunterricht stattfinden. Darüber hinaus ist die Anbringung religiöser Symbole Angelegenheit der jeweiligen Schulleitung. Für Aufregung sorgt in katholischen Kreisen außerdem, dass Volksschulkinder als Teil der öffentlichen Gesundheitsvorsorge auch Hygieneunterricht erhalten sollen.“[59]
„Konfessionslose Kinder. Das (sozialdemokratische Steyrer) „Tagblatt“ beschwert sich, dass in manchen Klassen der Steyrer Volksschulen eine kleine Minderheit von Kindern das Schulgebet anhören müssen. Ist denn das etwas gar so Unerträgliches, ein schönes, gedankentiefes Gebet anhören zu müssen? Das kann doch nur fanatischer Hass behaupten. Und übrigens, was müssen oft andere anhören! Wenn zum Beispiel die Kindefreunde durch die Straßen ziehen und ihre unschönen, hasserfüllten und aufreizenden Lieder singen – wie viele müssen das anhören und werden auch nicht gefragt, ob es ihnen genehm ist oder nicht. Oder wenn die Massen auf den Stadtplatz beordert werden und vom Balkon des Rathauses heran gegen die Bürgerlichen losgedonnert wird – wer frägt darnach der Minderheit, ob sie es hören will oder nicht? Also nur nicht von Intoleranz sprechen, wenn man selbst intolerant ist!“[60]
Im „Freidenker – Jahrbuch 1923“ wurden folgende Steyrer in führenden Funktionen angeführt:
Bundesleitung, Beisitzer Oberösterreich: Josef Manzenreiter, Steyr, Schlüsselhofgasse 42
Landesleitung Steyr: Alois Hölbling, Steyr, Konrad Deublerstrasse 1
Literaturliste
– Franz Joseph Grobauer, Kirche, Ketzer, Klerikale, Selbstverlag , Wien 1983
– Freidenker Jahrbuch 1923, 1. Jahrgang, Verlag des Freidenkerbundes in Österreich
– Franz Sertl, Die Freidenkerbewegung in Österreich im zwanzigsten Jahrhundert, WUV – Universitätsverlag 1994
– Theodor Meenzen, Unter Krone und Krummstab, Agitationsbibloithek Heft 22, Verlagsanstalt der proletarischen Freidenker Dresden, vor 1924
– P. Heribert Holzapfel, Die Kirche und die Freidenker, Verlag Josef Kösel & Friedrich Pustet KG, Regensburg 1924
– Peter Stiegnitz, Gott ohne Kirche, Edition Va Bene, Klosterneuburg 2003
– freidenkerIn, Organ des Freidenkerbundes Österreich, 1/2013, 43. Jahrgang, Freidenkerbund Österreich
– P. Zyrill Fischer O.F.M., Die proletarischen Freidenker, Verlagsanstalt Tyrolia, 1930
– Josef Stockinger, Zeit die prägt, Eigenverlag Dr. Josef Stockinger, Steyr, 2011
– Frank Pohle, Ausstellungskatalog „Karl der Große, Orte der Macht“ , Sandstein Verlag, 2014
– Vom Boom zum Bürgerkrieg, Vermittlungsunterlagen, Museum Arbeitswelt Steyr, 2014
[1] Ausstellungskatalog „Karl der Große“, Orte der Macht, Essays, Aachen 2014
[2] Freidenker Jahrbuch 1923, S. 150
[3] Kirche, Ketzer, Klerikale, Seite 11, F.J. Grobauer, Wien 1983
[4] Freidenker Jahrbuch 1923, Seite 87
[5] Freidenker Jahrbuch 1923, Seite 89
[6] Kirche, Ketzer, Klerikale, Seite 7, F.J. Grobauer, Wien 1983
[7] Franz Sertl, Die Freidenkerbewegung in Österreich im zwanzigsten Jahrhundert, Seite 83, WUV 1994
[8] P.Zyrill Fischer O.F.M., Die proletarischen Freidenker, S. 92, „Neues Reich“ – Bücherei Nr. 8, 1930
[9] Freidenker, Dezember 1931, 101f
[10] Jahrbuch der Arbeiterbewegung 1929, Seite 406
[11] Franz Sertl, Die Freidenkerbewegung in Österreich im zwanzigsten Jahrhundert, Seite 85, WUV 1994
[12] Franz Sertl, Die Freidenkerbewegung in Österreich im zwanzigsten Jahrhundert, Seite 92, WUV 1994
[13] § 144 St.G.B.: Abtreibung der eigenen Leibesfrucht ist mit schwerem Kerker zwischen ein und fünf Jahren zu bestrafen.
[14] Freidenker, Juni 1929, Seite 89
[15] Jahrbuch der Arbeiterbewegung 1932, Seite 362
[16] E. Dollfuß, 11. September 1933, Trabrennplatzrede
[17] Freidenker, April 1933
[18] Freidenker, Juni 1933/44
[19] RKN, Ordner1, Teil 7, Brief von Franz Pürk an Parteisekretariat der SPÖ vom 23. Februar 1946
[20] Brief des Parteisekretariates an F. Pürk 14. März 1946
[21] Franz Ronzal war der letzte amtierende Obmann des FBÖ bis zum Zeitpunkt der Auflösung 1933
[22] BMI/Vereinsabteilung, Gen.Dion.f.d.öffentl. Sicherheit GZ 125.534-4/47 vom 5. Dezember 1947
[23] BG Innere Stadt 2 P 244/75
[24] Franz Sertl, Die Freidenkerbewegung in Österreich im zwanzigsten Jahrhundert, Seite 357/358, WUV 1994
[25] Freidenker Nr. 8/9, 1920
[26] Franz Sertl, Die Freidenkerbewegung in Österreich im zwanzigsten Jahrhundert, Seite 93, WUV 1994
[27] Der Freidenker 1921
[28] Der Freidenker 1922, Seite 3
[29] Der Freidenker Nr. 13, Seite 4, 1922/23
[30] Der Freidenker Seite 7, 1924
[31] Der Freidenker Nr. 8, Seite 7, 1924
[32] [32] Josef Stockinger, Zeit die prägt, Seite 64/65, Eigenverlag Dr. Josef Stockinger, Steyr, 2011
[33] Der Freidenker, 1925
[34] Der Freidenker Nr.4, Seite 6, 1925
[35] Der Freidenker, 1925
[36] Josef Stockinger, Zeit die prägt, Seite 64/65, Eigenverlag Dr. Josef Stockinger, Steyr, 2011
[37] Der Freidenker, Seite 8, Nr. 10, 1926
[38] Josef Stockinger, Zeit die prägt, Seite 64/65, Eigenverlag Dr. Josef Stockinger, Steyr, 2011
[39] Der Freidenker, Seite 54, Nr. 3, 1929
[40] Josef Stockinger, Zeit die prägt, Seite 64/65, Eigenverlag Dr. Josef Stockinger, Steyr, 2011
[41] Der Freidenker, Seite 125, 1925
[42] Franz Sertl, Die Freidenkerbewegung in Österreich im zwanzigsten Jahrhundert, Seite 255, WUV 1994
[43] Josef Stockinger, Zeit die prägt, Seite 66, Eigenverlag Dr. Josef Stockinger, Steyr, 2011
[44] Situationsbericht über Steyr an BuPolDion Linz vom 12. Jänner 1930, Z1 107.637/1930, AdR
[45] Situationsbericht vom 27. Juni 1930, Z1 168.481, AdR
[46] Der Freidenker, Seite 71, Nr. 4, 1930
[47] Der Freidenker, Seite ?, Nr. 3, 1931
[48] Beide: Der Freidenker Nr. 3, Seite 232, 1931?
[49] Der Freidenker, Nr. 5, Seite 49, 1931
[50] Der Freidenker, Nr. 7, Seite 58, 1932
[51] Der Freidenker, Nr. 4, Seite 32, 1933
[52] Der Freidenker, Nr. 7, Seite 126, 1933
[53] Vom Boom zum Bürgerkrieg, Vermittlungsunterlagen, MAW Steyr 2014
[54] Vom Boom zum Bürgerkrieg, Vermittlungsunterlagen, MAW Steyr 2014
[55] Vom Boom zum Bürgerkrieg, Vermittlungsunterlagen, MAW Steyr 2014
[56] Vom Boom zum Bürgerkrieg, Vermittlungsunterlagen, MAW Steyr 2014
[57] Vom Boom zum Bürgerkrieg, Vermittlungsunterlagen, MAW Steyr 2014
[58] Steyrer Zeitung, 23. Dezember 1926
[59] Vom Boom zum Bürgerkrieg, Vermittlungsunterlagen, MAW Steyr 2014
[60] Steyrer Zeitung, 16. September 1928, Seite 6
(c) Wolfgang Hack