Dr. Volker Lutz
Die OÖ. Landesausstellung in Garsten „Kirche in Oberösterreich – 200 Jahre Bistum Linz“ ist auch Anlass, die Verbindungen des kirchlichen und kulturellen Zentrums Garsten mit der alten Eisenstadt aufzuzeigen.
Geografisch sind beide Orte durch den Ennsfluß verbunden, der neben der guten Transportmöglichkeit im Mittelalter und in der Neuzeit durch Überschwemmungen oft große Beeinträchtigungen beider Orte mit sich brachte. Die klösterliche Niederlassung in Garsten wurde von einem Steyrer, dem Markgrafen Otakar II., gegründet, der auf der Styraburg, dem heutigen Schloß Lamberg, residierte. Später verlegten die steirischen Markgrafen und Herzöge ihren Regierungssitz nach Graz. Die Otakare schenkten auch den Damberg dem Stift Garsten.
Die erste Nennung von Garsten und Steyr geht auf dieselbe Quelle zurück, auf die Aufzeichnungen der Mistelbaeher Synode, die zwischen 971 und 991 in dem genannten Orte bei Wels abgehalten worden war. Während dieser Zeit regierte Bischof Pilgrim von Passau, der auch aus der Nibelungensage als streitbarer Onkel Kriemhilds bekannt ist. Unser Gebiet gehörte bis 1785 zur kirchlichen Einflußsphäre Passaus. Theoretisch könnten die Garstener und die Steyrer im selben Jahr ihre 1000- Jahr-Feier begehen. Die Steyrer begingen diese Veranstaltungsreihe, darunter auch eine Landesausstellung zum Thema „Hallstatt-Zeit“ schon 1980, und die Bürger von Garsten heuer mit einer etwas mehr themenbezogenen Exposition des Landes Oberösterreich. Die historische Begründung für die Feier im Jahre 1980 in Steyr war der Umstand, daß die Steyrer ihre 900-Jahr-Feier im Jahre 1880 abhielten, und dass der in Steyr verstorbene Humanist Josef Grünpeck in einem umfangreichen, aber nebulosen Horoskop die Gründung Steyrs mit 23. August 980 datierte. Die wichtigste Verbindung zwischen Garsten und Steyr durch die Jahrhunderte war die Kirchenpatronanz. Die durch den Eisenhandel und die Eisenverarbeitung reich und selbstbewusst gewordenen Steyrer Bürger sehen dieses Recht später als Einmischung in die inneren städtischen Angelegenheiten an, und es kam daher öfter zu Streitigkeiten. Bis 1082 gehörte Steyr zur Pfarre Sierning, dann bis 1305 zum Kloster Garsten und war nach dieser Zeit eine eigene Pfarre unter dem Garstener Patronat, dessen Benediktiner die Priesterstellen in Steyr besetzten. 1180 war Kaiser Friedrich Barbarossa in Garsten und ernannte den dortigen Abt zum obersten Kaplan der Burgkapelle zu Steyr. ~ waren die Steyrer noch friedlich, als sie den Abt Ulrich von Garsten als obersten Pfarrer anerkannten und ihm die geistliche Administration der Stadt überließen. Viele Steyrer Bürger bedachten im 14. und 15. Jahrhundert das Kloster Garsten in ihren Testamenten. Steyrer Bürgersöhne besuchten die berühmte Klosterschule in Garsten. Viele traten auch in das dortige kirchliche Gemeinwesen ein. Patriziergeschlechter, wie das der Panhalme und Preuhaven und viele Burggrafen der Herrschaft Steyr hatten in Garsten ihr Erbbegräbnis und bekamen dort ihren Jahrestag.
Simon Venk, der 1373 in Steyr gestorbene und in Garsten begrabene Burggraf, hatte in Abt Nikolaus von Garsten seinen leiblichen Bruder und schenkte dem Stift das gesamte Mollner Tal. 1437 – Steyr war inzwischen größer geworden, seine Bürgerschaft hatte an Zahl zugenommen – erhob der Abt von Garsten die Stadtpfarrkirche zu einer eigenen Pfarrkirche. Den Ausbau der geistlichen Einrichtungen übernahm die Bürgerschaft der Stadt, die zeigen wollte, was sie sich leisten konnte. So wurde in dieser Zeit der Umbau der Stadtpfarrkirche von einem romanischen Gotteshaus zu einem gotischen Münster durchgeführt. Eine lückenlose Aufzählung aller Verbindungen zwischen Garsten und Steyr würde den Rahmen dieses Aufsatzes sprengen. Der Verfasser beschränkt sich auf einige ihm wichtig erscheinende Punkte: auf die Ansiedlung der Dominikaner in Steyr, auf die wechselvolle Zeit der Reformation und Gegenreformation, auf die Meinungsverschiedenheiten im Zusammenhang mit dem Bau des „lnnerberger Stadels“ und auf die Persönlichkeit des Abtes von Garsten Anselm Angerer.
Im 15. Jahrhundert ließen die Steyrer Bürger nicht nur die Stadtpfarrkirche erbauen, darüber hinaus betrieben die Stadtväter die Gründung eines Dominikanerklosters. Damals bestanden schon in Linz, Enns und Wels solche Klöster, doch in der reichsten Stadt im Lande ob der Enns, in Steyr, fehlte eine solche Niederlassung. Es wurde ein Predigerorden bevorzugt, und es kam im Jahre 1472 zu Errichtung eines Dominikanerklosters und zum Bau einer Kirche (heute Marienkirche und Postamt am Stadtplatz). Zwischen den Dominikanern und den sie unterstützenden Bürgern der Stadt einerseits und den damaligen Äbten zu Garsten Berthold VI. und Benedikt 1. andererseits kam es zu einem langwierigen Streit, der schließlich sogar den päpstlichen Hof in Rom beschäftigte. Abt Berthold VI., der auch den gotischen Bau der Abtei Garsten betrieb, befürchtete nicht ganz zu Unrecht, durch das neue Kloster in Steyr einen Schaden für sein Stift zu erleiden, für die Pfarrgeistlichen und für seine Jurisdiktion in Steyr. Er selbst erlebte das Ende des Streites nicht mehr. ,,Es hat aber doch der Orden ( der Dominikaner) obgesieget und ist durch Papst Sixti Quarti nach vorhandenem Urteilsbrief gemeldet dem Abt ( das ist nunmehr Benedikt 1.) und Konvent zu Garsten perpetuum silentium imponieret worden!‘
Der Brand von 1522 vernichtete bald darauf Kloster und Kirche der Dominikaner. Diese selbst verließen bald die Stadt. Von der gotischen Kirche ist nur ein spärlicher Rest erhalten geblieben, nämlich ein Netzrippengewölbe in der Kapelle links vom Hochaltar.
Steyr war eine der ersten österreichischen Städte, die den neuen Glauben des Protestantismus in ihren Mauern aufnahm – erklärbar durch die weitreichenden Handelsbeziehungen und durch das Studium Steyrer Bürgersöhne an deutschen Universitäten. Der neue Glaube wurde selbstverständlich vom Abt von Garsten ungern gesehen und er versuchte, diesen durch Gegenmaßnahmen zu verhindern, vor allem durch wortgewaltige Prediger. Der interessanteste war Calixtus mit dem Garsten zuerst sehr zufrieden war, doch es kam bald zu Gegensätzlichkeiten. Abt Pankraz Halzner (1524 bis 1537) führte das spätere „lutherische Treiben“ auf diesen Calixtus zurück. Auch der Pfarrer von Steyr, Michael Forster, musste in das Kloster zurückgerufen werden. Nach ~ wirkte kein Konventuale aus Garsten mehr im katholischen Sinne. Es begann die protestantische Zeit Steyrs. ‚ So erlaubte Abt Wolfgang (1537 bis 1559) seinem Pfarrer Wolfgang Waldner sogar protestantische Predigten! Dieser Pfarrer heiratete bald seine Wirtschafterin, mit der er aber zuletzt nach Augsburg fliehen musste.
In den letzten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts bahnte sich die erste katholische Gegenreformation in Steyr an. Vor allem ab 1574, als der tatkräftige Roman Spindler Abt von Garsten wurde. Spindler schloss auch einen langjährigen Streit mit Steyr bezüglich des Zehentes und des Burgfrieds mit einem Vertrag ab. Abt Martin Alopitius bemühte sich dann mit Erfolg um Abschaffung der protestantischen Geistlichen aus Steyr und die Wiedereinführung des katholischen Gottesdienstes. Mit dem ehemaligen Hofkaplan Abt Alexander di Lacu begann das katholische Zwischenspiel, das bis 1608 dauern sollte. Nach Alexander, dieser ging als Abt nach Kremsmünster, schlug das Pendel wieder auf die ndere Seite aus und Steyr war bis 1624 wieder eine protestantische Stadt. Immer wieder brachte das Eingreifen der Garstener Abte Bewegung in die Steyrer Verhältnisse. Bei tatkräftigen Klostervorständen war die katholische. Seite bestimmend, bei schwachen Äbten die protestantische.
1615 wurde Anton Spindler – nicht zu verwechseln mit dem früheren Abt Roman Spindler – Abt von Garsten. Über sein Betreiben wurde 1616 in Steyr ein Kapuzinerkloster gegründet, obwohl der Steyrer Stadtrat · dagegen war. Spindler weihte 1628 den Taborfriedhof ein, der 1584 als protestantischer Friedhof entstanden war. 1624 war es mit der Toleranz gegenüber den Protestanten vorbei. Graf Herbersdorf erließ ein Ausweisungsdekret. Lutherische Bücher wurden konfisziert und verbrannt. Der Abt von Garsten wirkte in der Gegenreformationskommission.
Das bedeutendste Wirtschaftsgebäude der Renaissance in Österreich ist unbestritten der „Innerberger Stadel“ am Steyrer Grünmarkt. Die Entstehungsgeschichte dieses prächtigen Bauwerkes nennt einige Meinungsverschiedenheiten zwischen Garsten und Steyr. Die Stadtobrigkeit plante den Bau eines Gebäudes, in dem ebenerdig Fleischbänke, in den oberen Stockwerken Getreideschüttböden untergebracht werden sollten. Als Baugrund fasste man den unteren Teil des Pfarrhofgartens ins Auge, der längs der südlichen Stadtmauer zum Grünmarkt abfiel. Von hier waren es dann nur wenige Schritte zum Ennsufer, wo die Schiffe anlegen und mit Lebensmitteln für die Arbeiter im Innerberg (Eisenerz) beladen werden konnten. 1590 kam es wegen des dem Stifte Garsten gehörigen Grundes zum Abschluss eines Vertrages, worin die Verbauung dieses Grundes durch die Stadt genehmigt wurde.
Türkenkriege, Bauernaufstand und Gegenreformation verhinderten lange die Ausführung des Vorhabens. Im Juni des Jahres 1611, als Abt Johann Wilhelm von Garsten (1601 bis 1613) vorübergehend abwesend war, ließen die Steyrer im Pfarrhofgarten den Bauplatz abstecken und die Grundfeste legen. Es ist anzunehmen, dass der Garstener Abt den 1590 abgeschlossenen Vertrag nicht kannte. Er war daher sehr überrascht und erbost, als er nach seiner Rückkehr den begonnenen Bau sah. Er verlangte die Einstellung des Baues und die Aufnahme von neuen Verhandlungen -. Vier Mitglieder des Rates, die darauf nach Garsten entsandt wurden, betonten dem Abt gegenüber, dass ja schon früher über den Baugrund verhandelt worden wäre und nun statt der Fleischbänke eine Salzkammer eingerichtet werde. Der lnnerberger Stadel biete schließlich nicht allein der Stadt, sondern darüber hinaus dem gesamten Eisenwesen erhebliche Vorteile. Dem Landeshauptmann gegenüber, dem gleichfalls eine Beschwerde des Abtes zugegangen war, verteidigte sich der Stadtrat in ähnlicher Weise. Es kam am 26. Juli 1611 zu einem gütlichen Vertrag. Der Abt bewilligte der Stadt Steyr die Benützung des Grundes zur Errichtung des Stadels unter der Bedingung, dass der Pfarrhof nicht beeinträchtigt werde. Das Gebäude wurde dann vollendet. Bald musste man feststellen, dass in den ebenerdigen, feuchten Räumen die Salzeinlagerung nicht möglich war. Diese wurde dann im sogenannten „Schiffmeisterhaus“ durchgeführt. Heute sind im „Innerberger Stadel“ das Steyrer Kripperl und die Sammlungen des Heimathauses untergebracht.
Durch den nach dem hl. Berthold wohl bedeutendsten Abt Anselm Angerer hat Steyr eine weitere Beziehung zu Garsten. Angerer stand in den Jahren 1683 bis 1715 dem Kloster vor. Er wurde am 31. März 1647 in Steyr als Sohn des Messerers Urban Angerer geboren und erhielt bei der Taufe den Namen Wolf Siegmund. Anselm war denn sein Ordensname. Schon Ulrich IV. (1495 bis 1524) von Garsten war der Sohn einer reichen Steyrer Messererfamilie gewesen.
Angerer legte 1665 die feierlichen Gelübde ab, wurde 1671 zum Priester geweiht, 1681 Subprior und im Türkenjahr 1683 Abt. Garsten wurde damals zum Mittelpunkt von Kunst und Wissenschaft, dessen Auswirkungen auch die Stadt Steyr berührten. Dankbar erinnert man sich in Steyr an diesen großen Kirchenmann. Er bewog den Magistrat, den 1630 begonnenen Pfarrhof endlich 1687 fertigzustellen. Für die Stadtpfarrkirche ließ er 1688 den Hochaltar mit einem Bild von Reselfeld anfertigen. 1692 weihte er fünf Altäre in diesem Gotteshaus und vier weitere in der damals noch bestehenden Spitalskirche. 1688 ließ Angerer die Reliquien der hl. Columba, die er aus Rom erhalten hatte, in die Stadtpfarrkirche übertragen. Zwischen 1691 und 1693 veranlasste er den Neubau des Schlosses Rosenegg 1693 wurde in Garsten die neuerbaute Stiftskirche vom Bischof von Passau, Johann Philipp von Lamberg, dem Bruder des in Steyr residierenden Grafen von Lamberg konsekriert.
Abt Anselm war auch ein Förderer der Wallfahrt „Zum gnadenreichen Christkindl im Baum unterm Himmel“. Die Grundsteinlegung der schönen nunmehr renovierten Wallfahrtskirche war am 31. Mai 1708.
Angerer hatte schon 1702 mit dem Bau der Kirche angefangen, doch nach Beseitigung von Hindernissen gab die Diözese Passau erst 1708 dem Abt die Erlaubnis, die Kirche weiterzubauen. Die Kirche war bis auf die Kuppel fertig, als am 29. September 1709 der erste Gottesdienst abgehalten wurde. feierlich geweiht wurde die Kirche allerdings erst unter Angerers Nachfolger, Abt Ambros 1. von Freudenpichl (1715 bis 1729), durch den Bischof von Passau, Josef Dominik Graf von Lamberg. Der heutige Pfarrhof, ehemals Superioratshaus neben der Kirche, wurde ebenfalls von Abt Anselm Angerer begonnen und von seinem Nachfolger fertiggestellt.
Das Benediktinerkloster Garsten fiel den josefinischen Aufhebungen zum Opfer. Schon vorher war der Einfluss Garstens auf Steyr fast geschwunden.
Volker Lutz
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