Die Bürgermeister der Stadt Steyr und ihre Zeit (Fortsetzung)
Von Dr. Erlefried Krobath
Als „angesetzter“ (kommissarischer)1) Bürgermeister trat der Handelsmann Franz Joseph Willensperger, nach dem Tod seines Vorgängers im Jahre 1740, an die Spitze der Stadt. Er hatte dieses Amt bis zum 18. März 1748 inne. Im Herbst 1747 waren wieder ordentliche Bürgermeister-, Richter- und Ratswahlen genehmigt worden, deren Bestätigung durch die Regierung erst im Mai 1748 eintraf.2)
Der im Jahre 1680 geborene Franz Joseph Willensperger war ein Sohn des Handelsmannes und gewesenen Stadtrichters Michael Willensperger.3) Nach dem Tode seiner Mutter erbte er das Haus Engegasse 33, das bei dem großen Stadtbrand des Jahres 1727 in Mitleidenschaft gezogen wurde. Die Übernahme des elterlichen Handels mit Kleineisenwaren ermöglichte ihm, auch das Bürgerrecht zu bewerben, das ihm gegen Erlag von 10 Reichstalern Bürgergeld und den anderen üblichen Bedingungen gewährt wurde.4) Ein Jahr vor seinem Tode erwarb er noch das Haus und die Färberwerkstätte des Joses Racher in Ennsdorf.5) Im Alter von 44 Jahren war Willensperger erstmalig in den Rat der Stadt berufen worden, dem er noch viele Jahre angehörte.6) Als er das Bürgermeisteramt zurücklegte, verblieb er Mitglied des Inneren Rates.7) Doch schon am 17. Mai 1749 ereilte ihn im Alter von 69 Jahren der Tod. Unter dem Geläute aller Glocken der Stadt wurde er bei der Stadtpfarrkirche zur letzten Ruhe beigesetzt.8) Er hinterließ drei Kinder, die seiner ersten Ehe mit Maria Catharina N. entstammten.9) Als diese im Jahr 1746 starb, ging er mit einem ehemaligen Mündel, Catharina Stainerin, eine zweite Ehe ein.10)
Der 16. deutsche Kaiser (7. spanischer König) aus dem Geschlechts der Habsburger und Landesfürst von Oberösterreich, Karl VI., starb am 20. Oktober 1740 im Alter von 55 Jahren. Seine Tochter, Erzherzogin Maria Theresia, übernahm die Regierung der Erbländer. Sie sah sich der Tatsache gegenüber, dass ihre Nachfolge zwar von den meisten Mächten Europas garantiert worden war, aber jetzt nur von wenigen anerkannt wurde.11) Nun begann der Kampf um das Erbe. Auf Grund zweifelhafter und überholter Rechtsansprüche glaubte Preußen, sich in den Besitz der schlesischen Fürstentümer setzen zu können. König Friedrich II. brach mit einem Heer in Schlesien ein und hatte im Jänner 1741 den größten Teil dieses Landes besetzt. Um die Armee zu verstärken, wurde in Oberösterreich mit Landschaftspatent vom 18. Jänner 1741 verfügt, dass auch der Magistrat Steyr der in der Stadt einquartierten Stahrnbergischen Miliz alle „Gaßlgeher, Rauffer, Wiltpraithschützen, Fornicanten und andere dergleichen liederlichen“ Burschen, die für den Kriegsdienst geeignet waren, übergeben sollte. Mit der Ausführung dieses Befehles wurde Stadtrichter Paumgarttner beauftragt.12)
Am letzten Julitag desselben Jahres nahmen die Bayern, deren Herzog Karl Albert die Anerkennung der pragmatischen Sanktion widerrufen hatte, im Handstreich Passau ein. Als dies in Steyr bekannt wurde, beantragte Bürgermeister Willensperger am 4. August im Rate „bei denen anscheinend gefährlich Bayrisch Kriegs Troublen“ einen Boten nach Linz zu entsenden, um dort in Erfahrung zu bringen, „ob dißfahls (für die Stadt) waß Zu besorgen (befürchten) seye oder nicht.“.13) Es erging nun der Auftrag, die Stadt in den Verteidigungszustand zu bringen, die Bürger zu bewaffnen und Wachen aufzustellen, um einen möglichen nächtlichen Überfall auf Steyr zu verhindern. Dafür wurde die Stadt von der Stellung des 10. Mannes für das verfügte Landesaufgebot befreit.14) Am 13. September wurden nun die drei Brücken der Stadt abgetragen, die dabei Beschäftigten entlohnte das Stadtkammeramt.
Gemeinsam mit französischen Hilfstruppen hatten die Bayern inzwischen am 15. September Linz erreicht. Als man in Steyr erfuhr, dass die feindlichen Truppen mit dem Kurfürsten schon in der Landeshauptstadt waren, berief man für den 16. September nachmittags eine Sitzung im Rathaus ein. Bürgermeister Willensperger stellte zur Entscheidung, was man mit den in der Stadt befindlichen Rekruten machen und ob man die unbenutzbar gemachten Stadtbrücken wiederinstandsetzen solle. Die Räte entschieden, die Rekruten noch ein paar Tage in Steyr zu behalten, die Steyrbrücke wiederherzustellen, die beiden Ennsbrücken jedoch ebenfalls noch einige Tage in ihrem unpassierbaren Zustande zu belassen.15)
Ein bayrischer Quartiermeister verständigte am 18. September 1741 den Magistrat, dass auch Steyr eine Besatzung erhalten werde. Noch in den Nachmittagsstunden des gleichen Tages rückten, unter Befehl des bayrischen Obersten Arko, 600 Fußsoldaten und 60 Dragoner in die Stadt ein, für die Quartiere beschafft werden mussten. Im Gasthof zur goldenen Krone (heute Stadtplatz 31) wurde eine Kommandantur errichtet, auch wurden sofort alle Stadttore besetzt.
Mit „kurbayrischem Intimationsschreiben“ wurde der Magistrat aufgefordert, am 2. Oktober in Linz zu erscheinen, da sich an diesem Tage der bayrische Kurfürst als Erzherzog von Österreich huldigen ließ. Man erwählte als Teilnehmer der Abordnung Bürgermeister Willensperger, Stadtrichter von Paumgarttner, Stadtschreiber Dr. Huebmayr und das Mitglied des Inneren Rates, von Erb.16) Da man in Erfahrung brachte, dass Kurfürst Albert auch Steyr besuchen wolle, beschloss der Rat, um die Stadt nicht in Schwierigkeiten zu bringen, bei einem etwaigen Besuche ihm die „gehorsambste aufwarthung“ zu machen und den in Steyr einquartierten französischen Offizieren zwei Tage lang für deren Pferde je eine Portion Hafer und Heu verabfolgen zu wollen.
Vom Magistrat verlangte der Stadtkommandant „beim Seilerhaus in Ennsdorf“ Palisaden errichten und bei der unteren Ennsbrücke spanische Reiter aufstellen zu lassen. Ein „Steg über die Enns beim Neutor“ musste ebenfalls gebaut werden.17) Über kurfürstlichen Auftrag hatten nach Linz 7 Zimmerleute und 25 Taglöhner geschickt zu werden, die bei der Instandsetzung des Schlosses für das bayrische Kommando zu helfen hatten.18) Außerdem mussten für die bayrische Armee Schiffsknechte abgestellt werden, deren Entlohnung von 24 Kreuzer je Mann und Tag durch die Stadtkasse erfolgte.19)
In dieser Bedrängnis durch äußere Feinde, gelang es Maria Theresia die Ungarn zu bewegen, ihr mit Truppen zu Hilfe zu kommen. Auch die Österreicher waren nicht untätig geblieben, sie hatten Wien in den Verteidigungszustand versetzt. Die Bayern wurden am 24. Oktober bei Krems und Stein geschlagen und die Übergänge nach Böhmen besetzt. Diese militärischen Rückschläge veranlassten den Kurfürsten, seine Truppen nach Böhmen zurückzuziehen, sodass Unterösterreich am 5. November von den Gegnern geräumt war. Oberösterreich jedoch wollte er verteidigen. Zum Oberkommandanten des Landes wurde Graf Segur bestellt. In Steyr wurden einige Stadttore zugemauert und, über Befehl eines Armeeingenieurs, auf einem Felde zwischen den Jochen der Ennsbrücke eine Zugbrücke eingefügt, um ein eventuelles Vordringen des Feindes unmöglich zu machen oder ihn zunächst auszuhalten.
Als Verstärkung der Besatzung rückte, unter den Klängen einer Feldmusik, am 7. November Oberst Prinz Tingry mit 2.000 Mann französischer Truppen in Steyr ein. Als erste Maßnahme verfügte er, dass der Magistrat die Bürger anweise, ihre Gewehre, Pulver und Blei, sowie alle Mörser und „Stuckh“ (Kanonen) innerhalb von zwei Tagen ins Schloss zu bringen und hier zu übergeben. Die Schlüssel zum „Stuckh Gewölb“, dem Aufbewahrungsort der Kanonen, mussten am folgenden Tage dem Major de Gay des „Durennischen Regimentes“ im Rathaus überreicht werben.20)
Die Bewohner von je 10 Häusern hatten eine Person für Befestigungsarbeiten beizustellen, da um den Tabor, beim Schloss Engelseck, an der Peripherie von Ennsdorf und außerhalb der Kollergasse Palisaden auszustellen waren.21) Auch der vor dem Nonnenkloster gelegene Teil des Stadtgrabens (heute Promenade) sollte zur Verteidigung hergerichtet werden. Inzwischen hatte sich jedoch das Kriegsglück gewendet. Ungarisches und kroatisches Militär vertrieben in den ersten Dezembertagen Franzosen und Bayern aus Weyer. Graf Segur, der bayrische Oberkommandant des Landes, sah sich daraufhin veranlasst, die Steyrer Garnison um ein bayrisches Infanterieregiment zu verstärken, dessen Stabskompanie in der Stadt, 500 Mann in Ennsdorf und Steyrdorf, weitere 400 Mann in Garsten untergebracht wurden. Gegen die in Richtung Steyr vorrückenden österreichischen Kräfte, die unter dem Oberbefehl des Grafen Khevenhüller standen, wurden nun auch Verteidigungslinien in Ternberg und Dambach, sowie eine Vorpostenlinie um Garsten errichtet, wieder hatte die Stadt für diesen Zweck Schanzarbeiter aus der Bürgerschaft über Auftrag der Landschaft in Linz beizustellen.22) Der kurfürstliche Brigadier Minucci befahl weiters, das Dach des zur Stadtbefestigung gehörenden „Knöblturmes“ im Garten des Pfarrhofes abzutragen, um auf der Plattform Kanonen aufstellen zu können.23) Auch die Plattform des im Schlosshof stehenden sogenannten „Römerturmes“ war als Geschützstellung vorgesehen. Um ein eventuelles Eindringen der österreichischen Kräfte entlang der Enns verhindern zu können, wurden innerhalb der an ihr verlaufenden Stadtmauer Gerüste aufgestellt, damit aus diesen nötigenfalls Soldaten zur Verteidigung Platz fänden. Ein bayrisches Kürassierregiment löste die Truppen des Prinzen Tingry ab, der mit seinen Soldaten in die Gegend von Kronstorf beordert wurde. Nur Teile einer französischen „Freikompanie“, etwa 150 Mann, verblieben in der Stadt.
Die Anwesenheit so vieler Soldaten bereitete dem Magistrat große Sorgen. Schon anfangs Oktober mussten die Bäcker berichten, dass das für die Bevölkerung aus Ungarn herangebrachte Getreide nicht mehr lange Vorhalten werde. Man wüsste nicht, wo man anderes beschaffen sollte, da auch die Grundherrschaften der Umgebung ihren Untertanen den Verkauf von Getreide verboten hätten. Um sich zu helfen, beschloss man, dem kommandierenden Offizier statt der Brotlieferungen Bargeld anzubieten, „da ja die meisten Soldaten das Brot wieder verkauften.“24) Um den ärgsten Mangel zu steuern, wurden Mitte Oktober bei der Eisengewerkschaft drei Mut Getreide geliehen.25)
Die Stände wurden gebeten, irgendwie Getreide zu beschaffen, um der Bevölkerung das tägliche Brot zu sichern. Auch diese Notlage wurde ausgenützt. Die Bäckermeister Damaschko und Forstberger lieferten „ungenießbares Brot“ und wurden daher zu je vier Reichstalern Strafe verurteilt. Außerdem ließ der Magistrat wieder eine „Bäcker Schupfen“ zur Abschreckung aufrichten.26) Die Bewohner von je 60 Häusern wurden gezwungen, der Landschaft in Linz ein Rind abzuliefern, da auch dort, wegen der zahlreichen Besatzung, Fleischmangel herrschte.27) Mehrfach gab es Zusammenstöße mit den Zivilisten; den Nachtwächtern musste aufgetragen werden, in der Nacht nicht mehr die Stunden auszurufen und keine Laternen zu tragen, da ihnen von den Soldaten mit Rapieren Stöße versetzt wurden.28)
Vor allem wurden die Forderungen des Landschafts-Einnehmeramtes, die rückständigen Steuern zu bezahlen, immer dringender. Zusätzlich wurde am 27. September verlangt, innerhalb von vier Tagen ein volles Rüstgeld abzuliefern. Der Magistrat sah sich, trotz der angedrohten Exekution im Nichtbefolgungsfall, außerstande, diesen Betrag aufzubringen.29)
Österreicher und Ungarn rückten immer näher heran. Vorsorglich wurde von den Bayern, die ihre aussichtslose Lage zu erkennen begannen, viel Gepäck in Richtung Passau weggeführt. Die Stadt musste hierfür ebenfalls am 23. Dezember, um 7 Uhr früh, Pferde und Wagen zur Verfügung stellen.30) Am 30. Dezember begannen die Truppen Maria Theresias mit der Entsetzung Steyrs. Reiter des Generals Mercy übersetzten die Enns bei Losenstein. Damit wurden die bei diesem Ort und bei Ternberg errichteten Schanzen ihres Verteidigungswertes beraubt und von der bayrischen Besatzung verlassen. Gleichzeitig rückte Feldmarschall Khevenhüller von Haag aus vor, mit dem Ziel, ebenfalls über die Enns zu kommen und dann Steyr mit seiner rund 4.000 Mann starken feindlichen Besatzung in die Zange zu nehmen. Fußtruppen und Reiter des Generals Bernklau vertrieben die Feinde aus ihren Uferstellungen vor dem Dorf an der Enns, so konnte am Morgen des letzten Jahrestages in der Nähe dieses Ortes eine Schiffbrücke errichtet werden, um Artillerie über den Fluss bringen zu können. Nach dieser Entwicklung, die in weiterer Folge eine vollkommene Einschließung der Stadt bedeutet hätte, zogen die Bayern es vor, noch am frühen Morgen desselben Tages, ohne Verzug in aller Stille aus Steyr abzuziehen und auf dem Wege über St. Florian, der für sie noch nicht gefährlich war, nach Linz zur Hauptmacht zu marschieren. Als die Steyrer dieses Abzuges gewahr wurden, setzten sie eiligst alle Brücken instand und öffneten das von den Bayern verriegelte und verbarrikadierte Stadttor bei der Pfarrkirche, um die aus der Richtung Garsten anrückenden königlichen Truppen zu erwarten. Um acht Uhr morgens ritt eine Vorhut, 36 Husaren, ein, dem dann Kroaten und Panduren mit ihrem Obersten Trenk und anderes Militär folgten. Es wurden vorerst alle Stadttore besetzt, dann machten sich die Streitkräfte an die Verfolgung der Gegner.
In der ersten Sitzung des neuen Jahres, am 5. Jänner 1742, betrachtete es der Rat als Pflicht, an „Ihro königliche Majestät (Maria Theresia) ein Dankabstattungs-Memorial anläßlich der erlesung (Erlösung) von der bayrisch-französischen Besatzung“ verfassen und, im Wege der Landschaft in Linz, nach Wien senden zu lassen. Bei diesem Anlasse wurde auch vorgebracht, dass Graf Carl Harrach derzeit die „Verfügungsgewalt im Lande habe und man sich an ihn wenden müßte, wenn etwas vorfiele. Die Verordneten (der Stände) hätten dermahlen nichts zu disponiren (verfügen).“ Gleichzeitig wurde vom Grafen befohlen, sofort 50 Leute zum Schanzen abzustellen.31)
Wegen des Abzuges der Feinde wurden am 5. Jänner in drei Kirchen der Stadt Danksagungsandachten abgehalten.32) Da am 25. Jänner auch die Besatzung von Linz kapitulierte und in der Folge Bayern und Franzosen abzogen, war Oberösterreich feindfrei.
In Steyr wurden inzwischen versprengte und Kriegsgefangene gesammelt und die erbeuteten 89 Pferde in Ställen von Privathäusern untergebracht.33) Der Abtransport der Kriegsgefangenen erfolgte im September, wozu die Stadt vier Reiter und acht Mann zu Fuß „mit Pulfer und Pley versehen“ stellig zu machen hatte.34) Gegen Mitarbeiter der Besatzungstruppe in Steyr und Weyer wurden Untersuchungen eingeleitet, doch nur ein einziger, der Tischler Kranichl aus Ennsdorf, für schuldig befunden.
Man ging sehr bald daran, die während der Besatzung entstandenen Schäden in Ordnung zu bringen. Auch in der Schule am Berg, in der gegnerische Truppen einquartiert waren, wurden größere Reparaturarbeiten nötig. Der Bürgermeister, der gleichzeitig Verwalter des Bruderhauses war, erhielt vom Rat die Genehmigung, die auflaufenden Kosten in der jährlichen Abrechnung abzubuchen.35)
Soldaten des „Decrinischen Regimentes“ wurden bei Bürgern in der Stadt untergebracht und verpflegt. Da ihnen aber „nichts als Kraut“ vorgesetzt wurde, forderten sie statt der Naturalverpflegung je Mann täglich zwölf Kreuzer. Schließlich erklärte sich der Oberstwachtmeister dieser Truppe bereit, die Forderung auf neun Kreuzer täglich zu mindern, doch müssten von der Stadt Brot und Licht (Kerzen) beigestellt werden.
Da der Krieg außerhalb der Landesgrenzen fortgesetzt wurde, musste Steyr noch öfters Schützen, Rekruten und Schiffleute für die österreichische Armee beistellen.36)
von 1740 bis 1742 war die Kaiserkrone verwaist. Am 22. Februar 1742, dem Tage, an dem der bayrische Kurfürst unter dem Namen Karl VII. zum römischen Kaiser gekrönt wurde, konnte österreichisches Militär sich Münchens bemächtigen und in der bayrischen Hauptstadt einrücken.
Im Juli desselben Jahres schloss Maria Theresia mit dem Preußenkönig Frieden, sie musste aber dem siegreichen Gegner den größten Teil Schlesiens abtreten. Nun wurde von den Österreichern das noch immer in Händen der Franzosen befindliche Prag belagert. Ein weiteres französisches Heer, das im September nach Böhmen kam, drohte die militärische Lage der Österreicher zu gefährden, die nun gezwungen waren, den größten Teil ihrer in Bayern stehenden Truppen aus diesem Land abzuziehen und nach Böhmen zu dirigieren. Diesen Anlass benützte die bayrische Bevölkerung, um sich gegen die noch im Lande befindlichen Österreicher zu erheben. Die österreichische Truppenführung sah sich genötigt, München aufzugeben und sich auf die Innlinie zurückzuziehen. Hierdurch entstand wieder für Oberösterreich eine gefahrvolle Lage, die den Landeshauptmann Mitte Oktober veranlasste, ein Generalaufgebot zum Schutze der Grenzen des Landes zu erlassen. Auch aus Steyr rückten am 30. Oktober 144 Schützen aus, zusätzlich wurden 14 Zimmerleute für Zwecke des Heeres nach Frankenmarkt abgestellt.37)
Nach einem Bericht des Stadtrichters Paumgarttner war das Steyrer Kontingent statt nach Frankenmarkt, über Befehl des Oberkommandierenden Khevenhüller, ohne Rasttag von Kammer nach Mondsee marschiert. Um die Schützen für diese Strapazen zu entschädigen, da der Marsch „sehr Starckh“ war, hatte der Stadtrichter jedem Ausgerückten zum Tagessold weitere drei Kreuzer „beisetzen“ lassen. Für die Verpflegung wurden dem Hofrichter in Mondsee 590 Gulden ausgehändigt.
Brot wurde auch im genannten Ort gebacken und so konnte jedem Mann ein 4 Pfund schwerer Laib im Wert von 9 Kreuzern gegeben werden. Um die ausreichende Verpflegung der Steyrer zu sichern, wurde durch einen vertrauenswürdigen reitenden Boten weiteres Geld nach Mondsee gesandt.38) Da in der Stadtkasse das Geld knapp war, sah sich Bürgermeister Willensperger veranlasst, 1.000 Gulden vorzustrecken.39)
Zu diesem Grenzschutz waren die Steyrer 39 Tage hindurch eingesetzt. Sie mussten während dieser Zeit von der Stadt erhalten und verpflegt werden.40)
Inzwischen wurde Böhmen von den Franzosen geräumt. Maria Theresia ließ sich nunmehr in diesem Land und dann am 25. Juni 1745 in Linz huldigen. An der unter großen Feierlichkeiten veranstalteten Erbhuldigung in Linz nahmen aus Steyr der Bürgermeister, der Stadtrichter, ein Mitglied des Inneren Rates und Stadtschreiber Dr. Huebmayr teil. Der Rat beauftragte diese Abordnung, der Landesfürstin namens der Stadt „die aller gehorsambste aufwarthung“ zu machen. An dem Huldigungszug nahm auch die Turnermusik teil.41)
Steyr hätte 1743 wieder Rekruten aufzubringen gehabt. Da sich in der Stadt niemand für den Militärdienst fand, beschloss der Rat, die in Haft gehaltenen Arrestanten als Rekruten anzubieten, der Rest auf die verlangte Kopfzahl sollte mit Geld abgelöst werden.42)
Im März 1743 hatten sich die Ratsherren mit einer Eingabe der Bürgerschaft an den Landeshauptmann zu beschäftigen. Anscheinend, um ihre Interessen besser zu Gehör zu bringen, hatten die Bürger um Erlaubnis gebeten, aus ihren Reihen zwei „Gemeindefürsprecher“ für die Stadt und je einen für Ennsdorf und Steyrdorf wählen zu dürfen. Dieses Ersuchen wurde von der königlichen Wahlkommission genehmigt und dem Magistrat eine weitere Entscheidung überlassen. In der Genehmigung wurde aber verlangt, dass die Bürgerschaft nur „solche Subjecta antragen (vorschlagen)“ solle, die den Nutzen aller Bürger im Auge behalten und dem Rate nicht unnötige Beschwerden vortragen würden. Auch hätten als „Fürsprecher“ Personen, die zwischen Bürgerschaft und Rat Uneinigkeit und Zwietracht stiften könnten, nicht vorgeschlagen zu werden. Nach längerer Beratung kamen die Stadtväter zum Schluss, auf das Verlangen der Bürger nicht einzugehen.43)
Nach dem Sieg bei Simbach im Juni 1743 waren die Österreicher wieder in Bayern eingedrungen und besetzten dieses Land. Der frühere bayrische Kurfürst und jetzige römische Kaiser Karl VII. versuchte vergeblich seine Besitzungen im Verhandlungswege wieder zu erlangen. Er gewann Frankreich, Bayern, Preußen und den pfälzischen Kurfürsten zu einem Bündnis gegen Österreich. Im Elsass bekämpften nun Franzosen die Österreicher während die Preußen im August Prag und im weiteren Verlauf auch Budweis eroberten. Ihre Husaren erschienen schon vor Krumau. In dieser gefahrvollen Lage beschlossen die Stände in Linz, nicht nur ihren Sitz nach Steyr zu verlegen, sondern auch ihr Archiv und die Kassen hierher zu verlagern.44) Statt die bisher üblichen kostspieligen Aufgebote zu erlassen, erhielten die Stände den Befehl, ein Landwehrregiment in der Stärke von 2.000 Mann aufzustellen und in die bedrohten Grenzgebiete zu schicken. Doch blieb das Land verschont, da die Preußen im November 1744 Böhmen räumten.
Noch war die Gefahr für Oberösterreich nicht gebannt. Karl VII. hatte mit französischer Hilfe München wieder genommen, die vereinigten Franzosen und Bayern rückten bis zum Inn vor.
Die zerrüttete finanzielle Lage des Staates, eine Folge der langen Dauer des Krieges, veranlasste den Hof, Darlehen zu suchen. Obervorgeher Johann Michael Menhard unterbreitete dem Rat am 14. Februar 1744 ein Schreiben des Inhaltes, dass der königliche Hof von der Eisengewerkschaft ein Darlehen von 50.000 Gulden gegen 5 %-ige Verzinsung verlange.
Der Kammergraf in Eisenerz wollte wissen, ob die Stadt als drittes inkorporiertes Glied der Gewerkschaft, gegen die Erteilung des Darlehens Bedenken trüge. Der Rat ließ mitteilen, dass er keine Einwände habe, da das Geld „Zu Ihro Königl. Mayt. (Majestät) von Hungarn und Boheimb (Böhmen) vnser aller durchleuchtigsten Erblandsfürstin und Frauen Frauen allerhöchsten Diensten von nöthen ist.45)
Der Tod Kaiser Karls VII. setzte der laufend über Österreich schwebenden Kriegsgefahr ein Ende. Karls Sohn und Nachfolger, Maximilian Joseph III. verzichtete am 22. April 1745 im Frieden zu Füssen auf weitere Ansprüche an Österreich. Das von den Österreichern besetzte Bayern erhielt er zurück. Der Gemahl Maria Theresias, Franz Stephan von Lothringen wurde am 15. September in Frankfurt zum deutschen Kaiser gewählt und bestieg als Franz I. den Thron. Auch der Magistrat Steyr wurde eingeladen, an dem aus diesem Anlass von den Ständen in Linz abgehaltenen Dankfeste teilzunehmen.46)
Im Land Oberösterreich war man sehr an der Erhaltung des Katholizismus interessiert. Im September 1745 langte wieder ein Patent des Landeshauptmannes ein, das dem Magistrat vorschrieb, „auf die ketzerischen, der lutherischen Lehre zugetanen Insassen fleißige Obsicht zu halten und sie im Falle des Betretens, (der Ausübung)“ anzuzeigen.47) Ebenso wurde aufgetragen, auf die „Bildt- und Büecher Crammer“ zu achten, die „abergläubische“ Bücher ins Land brächten.48)
Der schadhafte Turm der Stadtpfarrkirche war 1746 äußerst reparaturbedürftig. Nach dem vom Stadtbaumeister Hayberger erstatteten Kostenvoranschlag waren für die Instandsetzung 5.044 Gulden 10 Kreuzer erforderlich.49)
Starke Regengüsse im Juli 1747 richteten an den Wehren der Steyr einen Schaden von rund 1.000 Gulden an.50)
- Ratsprotokolle der Jahre 1741 — 1748.
- RP 1747,150; RP 1748.46. — Da so lange keine Ratswahlen durchgeführt worden waren, beauftragte der Magistrat im März 1747 den Sprecher einer, in Angelegenheiten der Steinbacher Messerer nach Wien reisenden Bürgerabordnung, Bernhard Großruckher, bei der Regierung wegen der Wahlen vorzusprechen (RP 1744,43).
- Stadtrichter von 1691 — 1693; Steuerbuch 1694,43; Spitalsurbar 1670; Matrica mortuorum II,473 (Stadtpfarramt).
- Bürgereid am 27. Mai 1709 abgelegt. Willensperger musste sich verpflichten, keine anderen Eisenwaren „außer des Geschmeids“ zu verkaufen (RP 1709,86 ; Steuerbuch 1695,42).
- RP 1748,11.
- Mitglied des Äußeren Rates 1724,1727 — 1732, Mitglied des Inneren Rates 1733 — 1736; Bruderhausverwalter (RP 1736,15).
- RP 1749,9.
- Matrica mortuorum ab anno 1700,403 (Stadtpfarramt); RP 1749.95; RP 1750,105,106. — Franz Ignati Willensperger kaufte seinem Vater das Haus in der Enge und die Handlung im Oktober 1747 ab (RP 1747,25) und heiratete am 29. Jänner 1748 Klara N. (RP 1748,16).
- Maria Theresia, verehelichte Zechnerin, Franz Ignati und Catharina, verehelichte Pachnerin.
- RP 1749,82.
- Bayern und Sachsen wandten sich gegen die Nachfolge Maria Theresias, Frankreich wollte die österreichischen Niederlande und Spanien seine ehemaligen Besitzungen in Italien gewinnen.
- RP 1741,83.
- RP 1741,245.
- RP 1741,260.
- RP 1741,308.
- RP 1741,309; LV 1,355 ff.
- RP 1741,334.
- RP 1741,316.
- RP 1741,338.
- RP 1741,362,368.
- RP 1741,371.
- RP 1741,379.
- RP 1741,373.
- RP 1741,321.
- RP 1741,330. — 1 Mut = 30 Metzen à 61,49 Liter.
- RP 1741,340.
- RP 1741,377.
- RP 1741,362.
- RP 1741,310.
- RP 1741,375; LV 1,337,338. — Es wurden beigestellt: vom Pfarrkirchenamte ein mit vier Pferden bespannter Wagen und weitere vier angeschirrte Pferde, vom Bruderhaus ein vierspänniger Wagen und zwei angeschirrte Pferde, vom Spitalamt ein vierspänniger Wagen und zwei angeschirrte Pferde, vom Messerer- und Schneiderhandwerk ein Wagen und vier Pferde, vom Scheckenamt zwei angeschirrte Pferde und vom Magistrat zwei angeschirrte Pferde und ein Reitpferd.
- RP 1742,2.
- RP 1742,8. — Pritz (LV 1,339) schreibt, dass schon am Neujahrstage in der Stadtpfarrkirche ein feierliches Hochamt unter Teilnahme des Magistrates abgehalten worden wäre.
- RP 1742,8.
- RP 1742,251.
- RP 1742,86.
- RP 1742,14,75,109,112,119,134.
- RP 1742,277; LV 1,340.
- RP 1742,287.
- RP 1742,304.
- LV 1,340.
- RP 1743,175,181.
- RP 1742,94,123.
- RP 1743,62.
- Lv 1,341.
- RP 1744,29.
- RP 1745,181.
- RP 1745,181.
- RP 1747,5.
- RP 1746,187.
- RP 1747,115.
Literaturverzeichnis
- Franz Xaver Pritz, Beschreibung der Stadt Steyr und ihrer nächsten Umgebung. Linz 1837.
- Joses Ofner, Die Eisenstadt Steyr. Geschichtlicher und kultureller Überblick. Steyr 1958.
- Alfred Hoffmann, Oberösterreichisches Schicksal im Wandel der Jahrhunderte. Linz 1946.
- Alfred Hoffmann, Die Quellen zur Geschichte der Wirtschaft im Lande ob der Enns.
- Josef A. Tzöbl, Österreich — Großmacht.
- Bruno Gebhardt, Handbuch der deutschen Geschichte, Bd. 2, Stuttgart 1958.
- Ludwig Edlbacher, Landeskunde von Oberösterreich. Wien 1883.
- Heinrich Demelius, österreichisches Grundbuchsrecht. Wien 1948.
Weiteres (Quellenmaterial: Ratsprotokolle, Steuerbücher, Jurisdiktionsakten im Stadtarchiv Steyr, Sterbematriken im Stadtpfarramt Steyr.
Im Stadtarchiv fehlen die Ratsprotokolle der Jahre 1597, 1598, 1726, 1729, 1740 und 1761. Diese dürften bei Verlagerungen verloren gegangen sein. Die Archivalien der Stadt wurden 1704 und 1741 nach Eisenerz, 1809 nach Preßburg und 1944 nach Spital am Pyhrn gebracht.
Aus den Veröffentlichungen des Kulturamtes der Stadt Steyr, Heft 27, Dezember 1966