Ferdinand von Mannlicher

Von Hans Stögmüller

Ferdinand Mannlicher wurde als Sohn des k. k. Oberkriegskommissärs Josef Mannlicher am 30. Juni 1848 in Mainz, Großherzogtum Hessen-Darmstadt, geboren. Mit 17 Jahren verlor er seinen Vater. Sein Bruder, der spätere k. u. k. Oberlandesgerichtsrat Dr. Friedrich Mannlicher, unterstützte ihn bei seinen Studien an der Technischen Hochschule in Wien. Nach Absolvierung seines Studiums trat er bei der k. u. k. Ferdinand‑Nordbahn ein, wo er es im Laufe seiner beruflichen Entwicklung bis zum Oberingenieur brachte.[1]

Nach seiner Rückkehr aus Amerika begann sich der Oberingenieur, dessen Interessen neben seinem Beruf beim Eisenbahnunternehmen nur der Entwicklung von galten, um 1880 intensiv mit dem Problem des Repetiergewehres zu beschäftigen. Unter Aufbietung aller finanzieller Mittel seitens seiner Familie errichtete er im 9. Wiener Gemeindebezirk, (Eisengasse 5) eine Gewehrversuchsanstalt, in der die von ihm konstru­ierten Mehrladegewehre von seinem damaligen Angestellten, dem Mechaniker Otto Schödlbauer, erstmals gebaut wurden. Damals wurden in der österreichischen Armee die Werndlschen Einzellader verwendet, dazu Karabiner, System Frühwirth, und Kropatschek‑Gewehre.

Die ersten Vorlagen Mannlichers für die österreichische Armee stammen aus der Zeit um 1880. Bereits damals konstruierte er ein Repetiergewehr, basierend auf der Werndl-Patrone, Muster 1877. Dieses Gewehr hatte ein sogenanntes Rohrbündelmagazin. 1881 entwickelte Mannlicher ein anhängbares Magazin, um 1882 schuf er ein Gewehr mit Vorderschaftmagazin, und im selben Jahr legte er ein Projekt mit einem aufsteckbaren Magazin vor. 1884 schuf er erstmals ein Repetiergewehr mit Geradezugverschluss und ebenfalls mit aufsteckbarem Magazin, und 1885 legte er der österreichischen Militärkommission das Repetiergewehr M.1885 vor, das ebenfalls für Patronen M. 1877 konstruiert war.

Dieses bildet den Ausgang für eine neue Epoche von Repetiergewehren mit festem Mittelschaftmagazin. So kam es zur Anwendung der Paketladung mit einem Geradezugverschluss, dem sogenannten Fallriegelverschluss. Diese Grundkonstruktion wurde nach Erprobung und einigen Abänderungen an zwei böhmische Infanterie‑Corps aus­gegeben. Mit der kaiserlichen Entschließung vom 27. Jänner 1887 wurde das Infanteriegewehr M.1886 in der österreichischen Armee eingeführt.

Bis zur allgemeinen Einführung des kleineren Kalibers von 8 mm in Österreich wurden von der ÖWG in Steyr 96.000 Stück des Infanteriegewehres M.1886 erzeugt. Kurze Zeit danach begann sich der Erfolg einzustellen. Nachdem Konstrukteure für Kriegswaffen sehr gut bezahlt wurden, trat Ferdinand Ritter von Mannlicher aus den Diensten der Ferdinand‑Nordbahn in den Ruhestand, um sich voll und ganz der neuen Aufgabe zu widmen.

Wenig später wurde man auch im Ausland auf den österreichischen                 Oberingenieur aufmerksam. Mit Aufträgen aus dem Deutschen Reich und Griechenland gelang ihm der internationale Durchbruch,

1891 wurde in Italien der Mannlicher‑Carcano, Kaliber 6,5 mm eingeführt, 1895 in Holland und 1903  in Griechen­land der 6,5‑mm‑Mannlicher‑Schönauer als Infanteriewaffe. Im Zuge der Kaliberverkleinerung wurde 1888 auch in Österreich ein 8‑mm‑Repetiergewehr eingeführt.

Mannlichers erste Konstruktion auf dem Gebiet der Faustfeuer­waffen war die halbautomatische Repetierpistole mit beweglichem Lauf 1894. Da diese Waffe keine Verschlussverriegelung hatte, wurde sie nicht für die k. k. Armee angenommen. Mannlicher entwickelte 1896 eine Repetierpistole mit rückgehendem Lauf und 1900 eine automatische Repetierpistole mit starrem Lauf. Die nächste Entwicklung Mannlichers war die halbautomatische Repetierpistole mit starrem Lauf 1896, und fünf Jahre später konstruierte er die von ihm so bezeichnete Karabinerpistole mit Anschlagtasche 1901. Daraus entwickelte er einen Pistolenkarabiner mit festmontiertem Schaft.

Bis nach 1895 blieben die Repetiergewehre Mannlichers unverändert, wenn man die allgemeine Kaliberverkleinerung und die Abänderung der Verschlussverriegelung und des Visiers, bedingt durch die Neueinführung der Patronen mit rauchschwachem und um 1893 mit rauchlosem Pulver außer Acht lässt. Mit den Gewehren des Musters 1895, die mit Erlass von 1898 an die Truppen ausgegeben wurden, war eine Bewaffnung der k. u. k. Armee geschaffen, die in Österreich lange nach Ende des Ersten Weltkrieges unverändert verwendet wurde.

Zahlreiche in‑ und ausländische Ehrungen wurden Ritter von Mannlicher für seine Vielzahl an Patenten erwiesen. Am 13. März 1890 wurde ihm von Kaiser Wilhelm der königlich‑preußische Kronenorden 3. Klasse verliehen, mit allerhöchstem Handschreiben vom 17. September 18991 wurde er als Mitglied auf Lebensdauer in das Herrenhaus des Wiener Parlaments berufen, ihm die Baronie angeboten, die er aber in seiner bescheidenen Art ablehnte.

Den absoluten Höhepunkt seiner Karriere erreichte er 1900 an­lässlich der Pariser Weltausstellung, wo er als erfolgreicher Konstrukteur in einer gesonderten Abteilung die Entwicklung der Militär‑Handfeuerwaffen und ihre Geschichte in Österreich zeigen konnte. Aus diesem Anlass erschien auch eine seiner wenigen Schriftlichen Veröffentlichungen, in der er einen geschichtlichen Abriss der Waffentechnik vom Gewehr System Crespi bis zu seinen Repetiergewehren zeigte.

Wegen des internationalen Erfolges wurde kurze Zeit nach Beendigung der Weltausstellung von Paris Ritter Ferdinand von Mannlicher am 27. Jänner 1901 von Kaiser Franz Joseph besondere, allerhöchste Anerkennung ausgesprochen und ihm der Orden der Österreichischen Eisernen Krone 3. Klasse verliehen. Beruflich am Höhepunkt in seiner Laufbahn als Konstrukteur und von der ganzen Welt anerkannt, zeigte sich auf der Weltausstellung in Paris erstmals der Beginn einer schweren Krankheit mit dem Auftreten von Schwindel‑ und Schwächeanfällen. Mannlicher, konnte sich damals von den Einnahmen als Techniker ein stattliches Zinshaus im 8. Wiener Gemeindebezirk in der Florianigasse schaffen und baute in der Hinterbrühl bei Mödling in der nach ihm benannten Mannlicher‑Gasse eine Villa.

1900 verkaufte Mannlicher sein Patent vom Repetiergewehr M. 1900, System Mannlicher‑Schönauer, an die Waffenfabrik Steyr. Bereits schwer erkrankt und vom Tode gezeichnet, konstruierte Mannlicher 1903 das Selbstlade‑Infanteriegewehr M. 1904.

Am 20. Jänner 1904 starb Mannlicher in Wien an Arteriosklerose. In seinem Nachlass beauftragte er Direktor Otto Schödlbauer, den Leiter seiner Versuchsanstalt, und seinen Bruder Dr. Friedrich Mannlicher im Namen seiner Familie, die Verwertung seiner Patente zu übernehmen, wofür er jedem der Genannten zehn Prozent des Reingewinnes zukommen ließ. Nach seinem Ableben verweigerte die Waffenfabrik Steyr die Fortzahlung der Patentgebühren, obwohl sie jahrelang mit der Erzeugung von hunderttausenden Gewehren an Mannlichers Ideen verdient hatte. Erst nach einigen Jahren des von Frau Cäcilia Mannlicher angestrengten Prozesses mit ihrem Rechtsanwalt Dr. Höfinger kam die Familie zu dem ihr zustehenden Geld.[2]

Ferdinand Mannlicher konstruierte folgende Waffen (laut Kromar):

Repetier‑Gewehr mit Rohrbündel‑Magazin im Kolben M. 80, System Mannlicher, Kaliber 11 mm,

Repetier‑Gewehr mit anhängbarem Magazin M. 81, System Mannlicher, Kal. 11 mm, Repetier‑Gewehr mit Vorderschaft‑Magazin M. 82, Sgstem Mannlicher, Kal. 11 mm,

Repetier‑Gewehr mit aufsteckbarem Magazin M. 82, System Mannlicher, Kal. 11 mm,

Repetier‑Gewehr mit Geradzug‑Verschluß und aufsteckbarem Magazin M. 84, System Mannlicher, Kal. 11 mm,

Repetier‑Gewehr M. 85 (Österreichische Vorlage), System Mannlicher, Kal. 11 mm,

Österreichisches Repetier‑Gewehr M. 86, System Mannlicher, Kal. 11 mm,

Repetier‑Gewehr mit Trommel‑Magazin M. 87, System Mannlicher, Kal. 11 mm,

Repetier‑Gewehr mit Geradzug‑Verschluss und Trommelmagazin für Paketladung M. 87/88, System Mannlicherl‑Schönauer,

Österreichisches Repetier‑Gewehr M. 88, System Mannlicher, Kal. 8 mm,

Deutsches Repetier‑Gewehr M. 88, Magazin‑System Mannlicher, Kal. 7,9 mm,

Deutscher Repetier‑Carabiner M. 88, Magazin‑System Mannlicher, Kal. 7,9 mm, Österreichischer Repetier‑Carabiner M. 90, System Mannlicher, Kal. 8 mm,

Italienisches Repetier‑Gewehr M. 91, Magazin‑System Mannlicher, Sicherung von Carcano, Kal. 6,5 mm (auch als Repetier‑Stutzen)

Französischer Repetier‑Carabiner mit Paketladung M. 92, Magazin­system Mannlicher, Berchier‑Verschluss,

Rumänisches Repetiergewehr M. 93, System Mannlicher, Kal. 6,5 mm,

Rumänischer Repetier‑Carabiner M. 93, System Mannlicher, Kal. 615 mm,

Schweizer Cavallerie‑Repetier‑Carabiner mit Geradzug‑Verschluß M. 94, System Mannlicher,

Repetier‑Gewehr mit Paketladung X. 94, System Mannlicher, Kal. 6 mm,

Österreichisches Repetier‑Gewehr M. 95, System Mannlicher, Kal 8 mm,

Österreichischer Repetier‑Carabiner M. 95, System Mannlicher, Kal. 8 mm,

Österreichischer Repetier‑Stutzen M. 95, System Mannlicher, Kal. 8 mm,

Holländisches Infanterie‑Repetier‑Gewehr M. 959 System Mannlicher, Kal. 6,5 mm,

Holländischer Cavallerie‑Repetier‑Carabiner M. 95, System Mannlicher, Kal. 6,5 mm,

Holländischer Gendarmerie‑Repetier‑Carabiner M. 95, System Mannlicher, Kal. 6,5 mm,

Repetier‑Gewehr mit Paketladung M. 96, System Mannlicher , Kal. 6 mm,

Automatisches Repetier‑Gewehr (Handmitrailleuse) mit rückgehendem Lauf und aufsteckbarem Magazin M. 85, System Mannlicher, Kal. 11 mm,

Automatisches Repetier‑Gewehr mit rückgehendem Lauf und Paket­ladung M. 91, System Mannlicher,

Automatisches Repetier‑Gewehr mit Drehverschluss, fixem Lauf und Paketladung M. 93, System Mannlicher,

Automatisches Repetier‑Gewehr mit fixem Lauf, Geradzug‑Verschluss und Paketladung M. 93, System Mannlicher,

Halbautomatische Repetier‑Pistole mit vorgehendem Lauf und Paketladung M. 94, System Mannlicher, Kal. 8 mm,

Halbautomatische Repetier‑Pistole mit fixem Lauf und Paket­ladung M. 95, System Mannlicher,

Automatisches Repetier‑Geweht mit angebohrtem Lauf, Blockver­schluss und Paketladung M. 96, System Mannlicher,

Automatische Repetier‑Pistole mit rückgehendem Lauf und Paket­ladung M. 96, System Mannlicher,

Automatische Repetier‑Pistole mit fixem Lauf und Paketladung M. 1900, System Mannlicher, Kal. 8 mm,

Automatisches Repetier‑Gewehr mit angebohrtem Lauf, Kolbenver­schluss und Trommelmagazin für Paketladung M. 1‑900, System Mannlicher,

Repetier‑Gewehr mit Trommel‑Magazin und Paketladung M. 1900, System Mannlicher‑Schönauer, Kal. 6,5 mm.

Weitere bekannte Armeegewehre mit der Mehrladeeinrichtung nach dem System Mannlicher sind: Die französischen Berchier-Mehrlader M. 07 und M. 07/15 mit einem verdeckten Magazin für nur drei Patronen und das Gewehr M. 16 für fünf Patronen.  1900 führte auch die US‑Armee Versuchswaffen mit Mannlichers Mehrladesystem ein. (DWJ 6/1972)

Nach Mannlicher wurde in Steyr eine Straße benannt, die von der Ennser Straße zur Resthofstraße nördlich dem Fabriksgelände der GFM führt. Später wurde die Straße umbenannt und nach Mannlicher wurde die Zufahrtstraße zum ehemaligen Werksgelände von Steyr-Mannlicher nahe der Gusswerkstrasse benannt.

 

[1] Hans Stögmüller, Josef Werndl und die Waffenfabrik in Steyr, Steyr 2010, 315

[2] Robert Reisinger, Ritter Ferd. v. Mannlicher, DWJ 4/1982

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