(1845 – 1918)
Ukrainischer Physiker und Elektrotechniker, wirkte 1883-1884 in der Waffenfabrik
Johann Puluj (ukrainisch Іван Павлович Пулюй/ Iwan Pawlowytsch Puljuj, wiss. Transliteration Ivan Pavlovyč Puljuj; * 2. Februar 1845 in Hrymajliw (heute Ukraine); † 31. Januar 1918 in Prag) war ein ukrainischer Physiker und Elektrotechniker. Mit der Entwicklung seiner Pulujlampe hat er eine wichtige Grundlage für Röntgens Entdeckung der Röntgenstrahlung gelegt. Puluj war einer der ersten Physiker, der die Röntgenstrahlung für die medizinische Diagnostik eingesetzt hat.
Prof. Puluj bewerkstelligte zusammen mit Johann Siegmund Schuckert und Ing. Franz Krizik 1884 die Elektro-Technische Aussstellung in Steyr, in deren Rahmen die erste Straßenbeleuchtung auf dem europäischen Kontinent installiert wurde.
Leben
Johann Puluj wurde in eine tief religiöse griechisch-katholische Familie im Gebiet Ternopil hineingeboren. Seine Eltern Pawlo Puluj und Ksenija (geboren Burschtynska) waren wohlhabende Bauern. Von 1857 bis 1865 absolvierte er seine Schulausbildung am Humanistischen Gymnasium Ternopil, wo alle Fächer auf Deutsch unterrichtet wurden. Von 1865 bis 1869 studierte Puluj an Theologischen Fakultät der Universität Wien. In Wien studierte er anschließend bis 1872 Mathematik, Physik und Astronomie an der Philosophischen Fakultät. Er wurde durch ein Franz-Josef-Stipendium gefördert und unterrichtete während seines Studiums in Wiener Familien, darunter bei Graf Trauttmansdorff.
Von 1872 bis 1874 war Puluj Assistent im Labor von Prof. Viktor von Lang und beschäftigte sich mit der Erforschung der Abhängigkeit der inneren Temperatur-Luftreibung. Danach bis 1875 war er Lehrer für Mathematik, Mechanik und Physik an der Kaiserlich und Königlichen Marinehochschule Fiume (heute Rijeka, Kroatien). Dort entwickelte er ein neuartiges Gerät zur Messung des mechanischen Wärmeäquivalents, wofür er 1878 bei der Pariser Weltausstellung mit einer Silbermedaille ausgezeichnet wurde.
1876 promovierte Puluj an der Universität Straßburg über die Temperaturabhängigkeit der internen Reibung von Gasen bei August Kundt. Die wissenschaftliche Schule von Kundt hat mehrere bekannte Physiker, unter anderem Pjotr Lebedew und Ferdinand Braun hervorgebracht. Hier lernte Puluj auch Wilhelm Röntgen kennen. 1876-1883 arbeitete Puluj als Assistent und Privatdozent an der Universität Wien. Seit 1882 beschäftigte er sich mit Problemen der praktischen und theoretischen Elektrotechnik. 1884 erhielt er einen Ruf als Professor für experimentelle und technische Physik an der Tschechischen Technischen Universität Prag, wo er 1888/1889 auch Rektor war. 1916 lehnte er das Angebot, österreichischer Bildungsminister zu werden, aus gesundheitlichen Gründen ab.
Johann Puluj starb 1918 in Prag, wo er auch begraben wurde.
Bevor Puluj nach Prag kam, interessierte er sich für die mechanische Theorie der Wärme, molekulare Physik und die Kathodenstrahlung. Zwischen 1880 und 1882 publizierte er vier Artikel über Kathodenstrahlung. Er untersuchte die Wirkung von Magnetfeldern auf die Kathodenstrahlen und zeigte, dass die Strahlen Ähnlichkeiten zu elektrischen Strömen in Festkörpern zeigen. Er entwickelte eine luminiszente Lampe, später als Pulujlampe bekannt. Diese Lampe wurde 1881 als eine prinzipiell neue Lichtquelle prämiert. Später stellte sich heraus, dass diese Lampe ein Prototyp einer Röntgenröhre war. Puluj war der Erste, der eine Antikathode in seine Röhre eingebaut hat. Später interessierte sich Puluj für Fragestellungen der Elektrotechnik. Erst nach dem ersten Bericht von Röntgen „Über eine neue Art von Strahlen“ nahm Puluj im Januar 1896 seine Untersuchungen zur Kathodenstrahlung wieder auf. Schon am 13. Februar 1896 reichte er seine Publikation ein. Der Artikel erschien früher als die zweite und dritte Publikation von Röntgen. In kürzester Zeit produzierte Puluj eine große Anzahl Bilder mit Hilfe der neuen Strahlung. Die Qualität seiner Bilder war damals unbestritten und sie wurden in der Presse oft publiziert. Es sind oft Zweifel entstanden ob Röntgen wirklich der erste Entdecker der Röntgenstrahlung war, aber Puluj hat selber Röntgens Priorität anerkannt. Obwohl beide Wissenschaftler einander kannten, hat Röntgen niemals Pulujs Arbeiten zitiert. Pulujs Sohn behauptete, dass sein Vater eine seiner Lampen Röntgen gegeben hat. Puluj war einer der ersten Physiker, der das Potential der Röntgenstrahlung für die medizinische Diagnostik erkannte.
Mehrere Versionen über Pulujs Priorität als Entdecker der Röntgenstrahlung wurden von Journalisten in Umlauf gebracht. Einer der Gründe dafür war die Tatsache, dass es zum Zeitpunkt der Entdeckung noch keine fest etablierte Terminologie zu Kathoden- bzw. Röntgenstrahlung gab. Die beiden Arten von Strahlung wurden von Laien oft verwechselt. Deswegen wurde Puluj, der die Kathodenstrahlung schon in den 1880er Jahren untersucht hat, von Mehreren als der wahre Entdecker vermutet.
Unterstützung der ukrainischen Kultur
Noch als Student in Gymnasium übersetzte der junge Puluj ein Planimetrie-Lehrbuch in die ukrainische Sprache. 1872-1873 war Puluj Vorsitzender der ukrainischen Studentenorganisation Sitsch in Wien. Er übersetzte auch weitere Lehrbücher auf Ukrainisch. Dabei setzte er sich mit der Entwicklung der wissenschaftlichen Terminologie in der ukrainischen Sprache auseinander. 1869 und 1871 wurden zwei Auflagen des von Puluj übersetzten Molytwoslowa (Gebetswort) herausgegeben. 1880 übersetzte er Evangelium und Psalter aus dem Griechischen und Lateinischen in Zusammenarbeit mit Panteleimon Kulisch in die ukrainische Sprache. Diese Übersetzung erschien seitdem in fünf Auflagen. 1899 wurde er zu einem Vollmitglied der Wissenschaftlichen Schewtschenko-Gesellschaft gewählt. Außerdem organisierte er Stipendien für die ukrainische Jugend. 1915 schrieb er auch auf Deutsch einen Artikel über die von ihm gewünschte Unabhängigkeit der Ukraine.
Würdigungen
- Die Technische Universität Ternopil wurde nach Johann Puluj benannt.
- 1995 wurde von der ukrainischen Post eine Briefmarke zum 150. Geburtstag von Johann Puluj ausgegeben.
- Eine Straße in Kiew ist nach Johann Puluj benannt.
- Denkmal in Hrymajliw.
- Gedenktafel für I. Puluj und P. Kulisch in Wien.
Werke (Auswahl)
- Strahlende Elektrodenmaterie //Wiener Berichte – 1880. – Bd. 81. – S. 864-923; 1881. – Bd. 83. – S. 402-420; 1881. – Bd. 83. – S. 693-708; 1882. – Bd. 85. – S. 871-881.
- Strahlende Elektrodenmaterie und der sogenannte vierte Aggregatzustand – Wien; Verlag Carl Gerold Sohn, 1883.
- Radiant Elektrode Matter and the So-Called Fourth State. – London: Physical Memoirs, 1889. – Vol. l, Part 2. – P. 233-331.
- Über die Entstehung der Röntgen’schen Strahlen und ihre photographische Wirkung//Wiener Berichte II Abt. – 1896. – Bd. 105. – S. 228-238.
- Nachtrag zur Abhandlung „Über die Entstehung der Röntgen’schen Strahlen und ihre photographische Wirkung“//Wiener Berichte – 1896. – Bd. 105. – S. 243-245.
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Puluj (Juni 2011)
Puluj und Steyr
aus: Hans Stögmüller: Josef Werndl und die Waffenfabrik in Steyr. Steyr 2010, S.317
„Dr. Iwan Puluj, einer der bedeutendsten Mitarbeiter in der Elektroabteilung der ÖWG, half mit, das Antlitz unserer Welt zu prägen. Er schuf eine Sicherheitslampe, ein Fernthermometer, einen Telefon-Signalapparat, den Quecksilber-Drehstrom-Gleichrichter und ein Gerät zur Bestimmung des mechanischen Wärme-Äquivalents. Seine Arbeiten über die Reibung der Gase und Dämpfe, seine Erklärung der vorgänge in der Vakuumlampe und seine Erkenntnis, dass die Uranstrahlung der Pechblende nichts mit absorbiertem Sonnenlicht zu tun hat, sondern eine Eigenstrahlung ist, beeinflussten die forschenden Geister. Er errechnete für die ersten Elektrizitätswerke, etwas Gosau, Hohenfurt, Zwickau und Marienbad die Generatoren.“
„Die ÖWG holte Puluj, den Werndl vermutlich bei der Elektrischen Ausstellung in Wien kennengelernt hatte, nach Steyr, wo die Budapester Firma ausstellte, bei der er die Erzeugung von Glühlampen und Geißlerröhren in Schwung gebracht hatte. Werndl holte auch Johann Siegmund Schuckert aus Nürnberg, den Prager Ingenieur Franz Krizik und dessen Finanzierer und Mitinhaber des Bogenlampen-Patens Ludwig Piette, aus Pilsen in die Eisenstadt Steyr.“
„Puluj übernahm die Leitung der Glühlampenproduktion. Wie Krizik berichtete, lernte er von Puluj, der ein ausgezeichneter Experimentator war, das Blasen von Lampen. … Leider kam es zwischen Werndl und Puluj zu Meinungsverschiedenheiten, die dazu führten, dass die beiden Männer nicht mehr miteinander sprachen, sondern nur Briefe schrieben. Schuckert löste seinen Vertrag. Puluj, der mit Werndl gebrochen hatte, beendete die Steyrer Tätigkeit und damit sein Privatdozententum. Er trat mit 1.Oktober 1884 das Lehramt als ordentlicher Professor für Physik an der Deutschen Technischen Hochschule in Prag an.“ (S.317, Stögmüller)
aus: Austria-Lexikon
Johann Puluj absolvierte 1865 ein Gymnasium in Tarnopol, studierte 1869 an der Theologischen und 1872 an der philosophischen Fakultät der Universität Wien. Zugleich legte er die Lehramtsprüfung für Physik und Mathematik ab. 1877 wurde er Privatdozent für Experimentalphysik in Wien, 1884 ordentlicher Professor für Physik und Elektrotechnik an der Deutschen Universität in Prag, die ihn später zum Rektor wählte.
Seit 1882 war Puluj als Berater in der Wirtschaft tätig, wie bei der Österreichische Waffenfabrik in Steyr. Er gründete und leitete auch eine eigene Glühlampenfabrik. 1896/97 beschäftigte er sich mit der Elektrifizierung in deutschen Städten und projektierte das Prager E-Werk (Wechselstrom).
Als studierter Theologe gab Johann Puluj ein Gebetbuch (1870), eine Übersetzung des Neuen Testaments (1902) und der Psalmen (1902)in ukrainischer Sprache heraus.
Erfindungen:
- Apparat zur Bestimmung der mechanischen Äquivalente der Wärme (1875)
- Vacuumlampe für Kathodenstrahlen (1881)
- Thelethermometer
- Telephonstation mit Schutz gegen Starkstrom.
Quelle:
Technisches Museum Wien, Archiv (Personenmappe)
http://www.austria-lexikon.at/af/Wissenssammlungen/Biographien/Puluj,%20Johann
Steyrer Pioniere
Dieser Blog ist eine Sammlung von Materialien, Bildern, Berichten und Biografien von verstorbenen Persönlichkeiten aus und in Steyr. Initiiert durch ein Schulprojekt der HAK Steyr und der Redtenbacher Gesellschaft Steyr