(Aus: Der Aufstand von 1596 und der Bauernkrieg von 1626 in und um Steyr)
Von Volker Lutz
Nach der Hinrichtung des Steyrer Bürgers Wolf Madlseder in Linz wurde vom Rat der Stadt sein Eigentum in die „Spörr“ genommen, ein diesbezügliches Inventar aufgenommen und die eingetragenen Objekte geschätzt. Der bairische Kammerrat in Linz Hans Ludwig Riemhofer hatte diese Veranlassungen zu beaufsichtigen. Auffallend ist es, dass ein solches Eigentumsverzeichnis erst sehr spät aufgesetzt wurde, obwohl schon im September 1626 die Sperre über das Madlsedersche Eigentum ausgesprochen und Madlseder selbst am 26. März 1627 justifiziert worden war.
So wurde das Inventar erst am 17. und 18. November 1627 verfasst. Es ist auch möglich, dass die Sicherstellung des Eigentumes nach der Verhaftung von Wolf Madlseder den Zweck haben sollte, für das beginnende Gerichtsverfahren Belastungsmaterial sicherzustellen. Andererseits hat man das Inventar erst benötigt, als sich nach dem Tod des ehemaligen Stadtrichters Schwierigkeiten in der Regelung des Nachlasses ergeben hatten.
Das Inventar mit seinen verschiedenen Rubriken ergibt ein interessantes Bild über die Wohnkultur und die Bekleidung einer begüterten Bürgerfamilie. Im Rahmen dieser Abhandlung kann leider nicht auf Einzelheiten eingegangen werden. Das „Silbergeschmeid und gülden Khöttl“ hatten einen Wert von 324 fl. Der Rat der Stadt Steyr hatte auch die Einrichtungsgegenstände im Wert von 502 fl. Sicherstellen und im Rathaus für den späteren Verkauf deponieren lassen. Auch Dinge des täglichen Lebens, die man zwar der Witwe und den Kindern zur Benützung überlassen hatte, wurden ohne Rücksicht geschätzt und mit 308 fl. beziffert.
Den umfangreichsten Posten im Inventar stellen die Grundstücke und die Liegenschaften dar:
- Das Haus in der Stadt (heute Stadtplatz Nr. 39) samt dem zugehörigen Stadel im Reichenschwall — 3000 fl.
- Ein Haus mit Garten in Pyrach, das in „fürgangener Rebellion stark ruinieret“ worden war — 450 fl.
- Ein Krautgarten vor dem Gilgentor — 35 fl.
Genannt wurden auch die verbrieften Darlehen, deren größtes, nämlich fünftausend Gulden, ein am 1. Jänner 1625 ausgestellter Schuldbrief von der Eisengesellschaft war. Mit den seinem Bruder Hans Adam gehörigen Objekten wurde das Madlsedersche Vermögen auf zirka 8.900 Gulden beziffert. Als Zeugen dieses Inventars fungierten Hans Helfenstorfer, Jeremias Wurschenhofer und Georg Wernberger. Eine spätere Schätzung erbrachte für das Vermögen einen Betrag von elftausend Gulden.
Doch die Passiva waren nicht gering. Es werden in einer „Spezifikation“ genannt:
Gerichtskosten — 150 fl., Steuern der Jahre 1626 und 1627 — 112 fl., und für Kanzleitaxen — 25 fl., der Witwe Heiratsgut, Widerlage und Morgengabe — 500 fl., Arztkosten gegenüber dem Stadtbader Paul Thurner — 22 fl., Kostgeld für die Madlsedersche Tochter, die bei dem Vorgenannten Pflegekind war — 30 fl., Erbgut der Madlsederschen Kinder — 1000 fl., um nur die größten Einzelposten der Gesamtsumme von 2.481 Gulden zu nennen.
Viele finanzielle Forderungen an die Witwe müssen als fragwürdig bezeichnet werden. Manche Gläubiger konnten die Originalschuldscheine nicht vorlegen. Oft waren Vorschreibungen überhaupt nicht begründet und für diese konnten keine Beweise erbracht werden und wurden sogar von der Stadtverwaltung, die der Witwe des ehemaligen protestantischen Stadtrichters nicht freundlich gegenüberstand, abgewiesen.
Regina Madlseder hatte nach dem gewaltsamen Tode ihres Gatten von keiner Seite Hilfe zu erwarten; von der katholischen Stadtverwaltung nicht, vom bairischen Statthalter Herberstorff nicht, der im Interesse des Kurfürsten auf die Konfiskation des gesamten Madlsederschen Vermögens drängte — und auch von den Mitbürgern nicht, die immer vom Schwächeren abrückten und sich der jeweils stärkeren Partei anbiederten, so den Protestanten, dann den aufständischen Bauern und mit der durchgreifenden Gegenreformation der wiedererstarkten katholischen Sache.
Neben dem Kampf um das tägliche Brot für sich und ihre sechs Kinder hatte Regina Madlseder durch eineinhalb Jahre das schreckliche „Spectacul“ des Kopfes ihres Mannes auf dem Spieß am Stadtplatz zu erdulden.
Gegen die ursprünglich im Urteil gegen ihren Gatten vorgeschriebene Gesamtkonfiskation des Vermögens wehrte sie sich tapfer. Vor allem forderte sie die Rückgabe ihres persönlichen Eigentums, so des Heiratsgutes, der Morgengabe und der Widerlage.
Um zu ihrem Recht zu kommen, überschüttete die Witwe alle Stellen, so den Statthalter Herberstorff, die Stadt Steyr, die kaiserlichen Räte, die bairischen Kommissare usw. mit Gesuchen und Bittschriften. Sogar an den Kaiser trat sie mit einer Petition heran. Sie flehte, das von ihrem Mann begangene Unrecht nicht an ihr und den sechs unschuldigen Kindern rächen zu wollen. Im gleichen Gesuch wies sie darauf hin, dass sie sich der katholischen Religion zugewandt hätte und die Kinder im Sinne dieser Glaubenslehre erziehen lasse.
Das aber brachte ihr zusätzlich die Feindschaft und Ablehnung ihrer bisherigen Glaubensgenossen, die trotz Drangsalierung durch die Obrigkeit weiterhin dem protestantischen Glauben anhingen.1)
Zunächst wurden der Witwe Madlseder und ihren Kindern aus dem beschlagnahmten Vermögen wöchentlich drei bis vier Gulden Alimentation zugestanden. Sie musste darüber hinaus befürchten, wenn die berechtigten und nicht stichhaltigen Forderungen aller Gläubiger befriedigt werden, dass für sie selbst und für ihre Kinder nichts mehr übrigbleiben werde.
Hans Adam Madlseder, der Bruder des Wolf und Bürger im niederösterreichischen Ort Gresten, erhob auch Anspruch auf seinen brüderlichen Erbteil, der mit dem gesamten Vermögen beschlagnahmt worden war. Um die Angelegenheit zu seinem und seiner Schwägerin Vorteil voranzutreiben, forderte er eine Sammlung und Sichtung der verstreuten Dokumente und Unterlagen. Er wurde aber wie Regina Madlseder jahrelang vertröstet.
Über Hans Adam Madlseder, der am 12. Juni 1633 „von vornehmen adeligen Eltern in der Stadt Steyr geboren“, im 49. Lebensjahre starb, ist uns auf seinem Grabstein das Madlseder’sche Wappen erhalten geblieben:
„Oben wachsender Mann mit Stulphut und fliegender Binde, in der erhobenen rechten Hand drei Ähren haltend, die linke Hand in die Hüfte gestützt, unten mit eingebogener Spitze ein sechsstrahliger Stern; offener, gekrönter Helm; zwischen Büffelhörnern, die oben mit Ähren bestickt sind, der wachsende Mann mit den drei Ähren.“2)
Am 22. September 1628 wurde der Kopf des Wolf Madlseder abgenommen und mit den übrigen Leichenteilen vereint und beim Bruderhaus in Steyr begraben.
Um diese Zeit wurde die Krida abgeschlossen. Die einzelnen „Treuhänder“ gaben jedoch die Vermögensteile kaum oder nur widerwillig heraus. Sie waren an deren Genuss schon lange gewöhnt. So sind z. B. im Nachlassinventar des 1643 verstorbenen Stadtrichters Niklas Frizler noch der Familie Madlseder gehörige Gegenstände verzeichnet.
Die Stadt Steyr litt selbst unter einer ungeheuren Schuldenlast und konnte keine Bargeldauszahlung vornehmen. Endlich am 20. Februar 1629 beschloss der Stadtrat, die Witwe Regina Madlseder auszuzahlen. Im März 1630 war das noch nicht geschehen, sodass Frau Madlseder die Landesregierung bemühen musste. Im Juni 1630 erhielt die Stadt den strikten Auftrag dazu. Auch dann wurden die berechtigten Forderungen der Witwe nicht vollkommen befriedigt. Am 14. März 1631 stand die Angelegenheit zum wiederholten Male auf der Tagesordnung der Ratssitzung.
Ein ähnlich bewegtes Schicksal wie Regina Madlseder hatte die Witwe Susanna nach dem ebenfalls hingerichteten Dr. Lazarus Holzmüllner. Auch ihr wurden durch das Statthaltereiamt am 19. April 1627 die Gerichts- und Exekutionskosten bezüglich ihres Gatten, in der Höhe von 330 Gulden zur Bezahlung vorgeschrieben. (Regina Madlseder 332, und Maria Himmelberger 340 Gulden). Sollten diese Kosten bezahlt sein, könnten der Witwe Holzmüllner die ihr gehörigen Güter und Mobilien ausgefolgt werden.3)
Doch wie bei der Madlsederschen Krida zog sich auch diese Angelegenheit in die Länge. Am 3. März 1629 ersuchte Susanna Holzmüllner um Auszahlung der ihr zustehenden Witwenabfertigung. Am 27. März des gleichen Jahres mussten die Gläubiger des Dr. Lazarus Holzmüllner seitens des Rates dringend aufgefordert werden, endlich einen Bericht zu legen. Diese Urgenz hatte Erfolg. Am 4. April lag der Bericht vor, der sogleich der niederösterreichischen Landeshauptmannschaft zur Prüfung übersendet wurde; doch vollständig scheint dieser nicht gewesen zu sein, denn am 23. Juli 1629 wurden, wie später am 3. August 1629, die Kreditoren neuerlich mit der Rechnungslegung beauftragt.4)
Obwohl am 16. September 1629 die Holzmüllnersche Krida nach einem Befehl des Landeshauptmannes als abgeschlossen bezeichnet worden war, war die Witwe Susanna noch am 17. Juli 1631 in ihren Forderungen noch nicht befriedigt.5)
Die Witwe Maria nach dem hingerichteten ehemaligen Stadtrichter Hans Himmelberger, verließ als aufrechte Protestantin unter Hinterlassung einer Nachsteuer von 500 Gulden die Eisenstadt. Noch am 3. Jänner 1629 meldeten die Gläubiger ihre Forderungen an. Am 18. Mai 1629 wurde die Durchführung der Himmelbergerschen Krida von den Interessenten urgiert. Für Maria Himmelberger war es sehr schwierig, von auswärts nur durch schriftliche Verbindung zu ihrem Recht zu kommen.6)
Am 11. Juni 1629 wurde den Gemeindekommissären in dieser Angelegenheit aufgetragen, die Witwe Maria Himmelberger ehestens abzufertigen. Am 16. September 1629 wird die „Raitung“ als abgeschlossen bezeichnet.7)
- Neumann Ilse, Einer ehrsamen Wittib demütig Bitten. VKST 15/1955, S. 34 — 37.
- Die deutschen Inschriften, Band 10, Wiener Reihe, 3. Band, die Inschriften Niederösterreichs, 1. Teil, die Inschriften des Bezirkes Amstetten und Scheibbs, Nr. 347, Wien 1966.
- Zetl, S. 95.
- 1629/88, 57, 67, 138 und 147.
- 1629/211. — RP. 1631/79.
- K. XI, L. 24, Nr. 1735.
- 1629/1, 95, 108 und 182.
Aus den Veröffentlichungen des Kulturamtes der Stadt Steyr, Heft 33, 1976