Die Schützenscheiben des Heimathauses Steyr

Von Adolf Bodingbauer

 

Im Mittelalter (um 1300) bildeten sich in den Städten Schützenbruderschaf­ten; im 16. Jahrhundert fand das alljährliche Schützenfest auf dem Lande Ver­breitung. Der Anlass eines Abschieds- oder Familienfestes, einer Ehrung oder eines Jubiläums bestimmte die ernste – lokale Geschehnisse bestimmten die heitere Darstellung der meist vom Tischler selbst bemalten Schützenscheiben. Häufig nannte sich der Stifter mit vollem Namen, der Schützenkönig brachte oft die Scheibe unter dem Giebel seines Hauses an. Gewöhnlich verblieben aber die Scheiben im Schützen­haus, so dass dort wahre Sammlungen entstanden. Motiv- und kulturgeschichtlich sind die Scheiben von Interesse, da sie oftmals bedeutende historische oder religiöse Ereignisse so ausdrücken, wie sie sich den Augen des einfachen und der Sache nicht ganz kundigen Volkes zeigen. Manche der Scheiben sind in ihrer naiven Strenge und moritatenartigen Erzählerfreude beste Laienmalerei. In Bild und Vers wird Scha­bernack gespielt, lustige und fatale Abenteuer unter Spannung und großem Hallo enthüllt. Auch sagenhafte Begebenheiten, lokale Episoden und viele folkloristische Darstellungen machen die Scheiben bemerkenswert. Von rein künstlerischem Stand­punkt aus betrachtet, sind die Schützenscheiben nicht besonders wertvoll und als kleinbürgerlich-allegorische Stilkunst zu bezeichnen. Doch gibt es bei der großen An­zahl vorhandener Schützenscheiben genug Beispiele eigenständiger Volkskunst, zumal wenn sie in entlegenen ländlichen Gebieten entstanden sind.

 

Im Heimathaus Steyr befinden sich 13 Schützenscheiben; 8 besitzen Quadratform, während 5 kreisförmig sind. Ihr allgemeiner Zustand ist verhältnismäßig gut.

 

Die interessantesten Schützenscheiben werden hier angeführt und kommentiert.

Eine Scheibe stellt 3 Männer bei einem Würfel- oder Brettspiel dar. Die In­schrift „Casus in eventu est“ lässt sich verschieden übersetzen:

 

  • Im Ausgang (im Ereignis, in der Entscheidung) ist Zufall.
  • Der Fall ist in der Entscheidung (im Ausgang).

 

Die folgende Scheibe spielt auf die Haare und das Ende Absoloms an. Im Alten Testament wird berichtet, dass die Menge seines Haares sehr groß war. Es wurde ihm sogar zum Verhängnis: Als er im Verlaufe einer Schlacht auf seinem Maultier unter das Geäst einer großen Eiche ritt, blieb er mit dem Kopfe an der Eiche hängen und wurde sodann von seinen Gegnern getötet.

Humorvoll ist die Inschrift dieser Scheibe: „Perrücken können ich will wetten, uns oft von Untergang erretten, den hält sie Absalon zu tragen einst begonnen, so wäre er gewiß der Feindeshand entronnen.“ Ladtschüssen 1828.

 

Wiederum heiter ist die Darstellung und Inschrift der nächsten Scheibe. Man sieht die Frauen von Weinsberg ihre Ehegatten durch ein Tor tragen (Abbil­dung 1). Die Inschrift lautet: „Art läßt nicht von Art, der Speck nicht von Schwärt, der Bock läßt nicht vom Bart.“ Ladschüssen 1828. Der historische Hintergrund ist folgender: Nach dem Tode des Kaisers Lothar (von Sachsen oder Supplinburg) traf die Wahl Konrad von Hohenstaufen mit Übergehung des Bayernherzogs Hein­rich des Stolzen. Da dieser die Wahl nicht anerkannte, wurde über ihn die Reichs­acht verhängt. Das Welfenreich wurde zerteilt; Bayern erhielt Markgraf Leopold IV. von Österreich. Nach dem Tode Heinrichs des Stolzen 1139 führte sein Bruder, Welf VI. für dessen minderjährigen Sohn (Heinrich den Löwen) den Krieg weiter. 1140 wurde die welfische Stadt Weinsberg von Konrad erobert. An diesem Sieg knüpft sich vermutlich die unverbürgte Angabe, dass hier zum ersten Male die Rufe „Hie Welf! Hie Waiblingen!“ erschollen sind. Der letztere Name steht in Zusam­menhang mit dem alten, von den Saliern an die Hohenstaufen vererbten Ort Waib­lingen an der Rems. Die volkstümliche Erzählung von der Weibertreue greift der Hersteller als Motiv auf. Als man den weiblichen Bewohnern der eroberten Stadt erlaubte, mit sich zu tragen, was ihnen am liebsten wäre da trugen sie alle ihre Ehemänner auf den Rücken durchs Stadttor hinaus.

 

Wahrscheinlich von einem Schützenfest der Fischer ist eine weitere Schützenschei­be. Dargestellt sind von (links nach rechts) ein Klosterbruder, ein Fischer, der in einem Kahn stehend ein Mädchen mit einem Netz aus dem Wasser fischt, am anderen Ufer ein gut gekleideter Mann und einer mit Krücken. Jeder von ihnen macht äußerst launige Bemerkungen (wiederum von links nach rechts):

 

  • Hätten mir im Kloster solche Fisch zu essen,

Wollten wir das Fleisch ganz leicht vergessen.

  • Der Fisch hat mir viel Müh gemacht,

bis ich ihn Hab ins Garn gebracht.

  • Fischer ist dir der Fisch nicht faill,

Ich kauf nur das vorani thaill.

  • Ihr Herr nembt euch wohl in Acht,

Solche Fisch haben mich in d‘ Krüggen bracht.

 

Auf eine Simandlbruderschaft weist die folgende Scheibe hin. Die Inschrift lau­tet: „Hier in diesem Buche drien, sind die Siemandl alle eingeschriebn. Ich bitte Sie mich einzuschreibn, in den großen Bund hinein.“ 1831.

Leider etwas undeutlich sind der Anlass und Ort des Schießens, sowie der Schützenkönig vermerkt.

 

Dass es auch schon früher Geldnot und Angst wegen des vielen Geldes gegeben hat, sagt uns die letzte Schützenscheibe (Abbildung 2). Die Inschrift bedarf keiner näheren Erklärung:

„O Geld! Wer dicht nicht hat, der klaget sich fast toll, und welcher dich besitzt, ist Furcht und Sorgen voll.“ L. Sch. 1827.

 

Aus den Veröffentlichungen des Kulturamtes der Stadt Steyr, Heft 19, Februar 1959

 

Rate this post
Print Friendly, PDF & Email