Die gotische Bürgerspitalskirche in Steyr

Von Manfred Brandl

 

Die Baugeschichte des Spitals und der dazugehörigen Kirche, eines organisch gewachsenen Gebäudekomplexes, ist urkundlich mangelhaft belegt. Die Urkunden zu Stiftungen des 14. und 15. Jahrhunderts, die aus jener Zeit die einzige direkte Quelle für das Bürgerspital darstellen, liefern der Baugeschichte spärliche Hinweise. Preuenhuebers Annalen1) und Aktenmaterial für die Zeit seit dem 16. Jahrhundert im Stadtarchiv Steyr2) sind weitere Quellen; letzteres berührt die finanzielle Seite der Stiftung.

Die Lage dieses Gebäudekomplexes, den man sich aus dem Stadtbild von Steyr nicht hinwegdenken kann, darf uns zu einigen Gedanken anregen. Sehr zentral gelegen, befindet sich das Bürgerspital flussaufwärts neben der Steyrbrücke und somit unweit der Einmündung der Steyr in die Enns. Gegenüber, am anderen User, auf dem Schlossberg, liegt die alte Burg und unterhalb derselben, in der Enge, die um 985, 1082 und etwa 1170 urkundlich erwähnte Burgsiedlung. Es ist anzunehmen, dass der Brückenkopf „Innersteyrdorf“ kaum jünger als die Siedlung im Bereiche der Enge ist und somit das Gelände des Bürgerspitals ältesten Siedlungsboden im Stadtbereich darstellt. Die Sage erzählt uns von einer Römerschmiede unterhalb der Steyrbrücke,3) und wenn man auch diesen Römersagen keinen Glauben schenken darf, klingt doch darin die Erinnerung an eine uralte Stätte gewerblichen Fleißes nach. Um 1262 wird eine Mühle an derselben Stelle etwa erwähnt, die Spitalmühle.4)

Wenn wir die Lage berücksichtigen, so dünkt es wahrscheinlich, dass das Spital frühen Ursprungs ist. Auch die unzweifelhafte Bedeutung der „urbs stira“ unter den steirischen Otakaren gestattet die Annahme, dass schon früh eine karitative Einrichtung existierte. Tatsächlich bestand für arme, alte oder kranke Bürger schon im 12. Jahrhundert eine Fürsorgeanstalt, das Spital.5) Eine Stiftung zu demselben durch Wezilo de Styre wird um 1180 erwähnt; dieser schenkte ein an der Stelle des Bürgerspitals gelegenes Haus den Johannitern, die ursprünglich das Spital betreut haben sollen.6) Man darf das Steyrer Bürgerspital zu den ältesten Stiftungen dieser Art in Österreich zählen.

Nichts hilft uns, die älteste Baugeschichte zu erschließen und wir könnten bloß müßige Spekulationen anstellen. Das eigentliche Spitalsgebände steht auf einer kleinen Anhöhe neben dem Steyrfluss, von deren Scheitel die Badgasse und das letzte Stückchen der Kirchengasse hinunterführen. Es steht steil, aber nicht nennenswert hoch über dem Fluss. Flussseitig reicht das Bauwerk tiefer in den Boden als nordseitig; im Keller tritt der Konglomeratgrund zutage. Die Baugruppe war und ist eingezwängt zwischen dem Fluss einerseits sowie der Kirchengasse (Spitalberg) und der Badgasse andererseits.

Unzweifelhaft romanische Reste sind im Bürgerspital nicht nachweisbar. Wir haben in ganz Steyr keinen nachweislich romanischen Rest erhalten. Aber lange wurden Säulen und Gewölbe der Eingangshalle des Spitals als romanisch angesehen. Noch Riewel beschreibt 1868 ausführlich die „romanischen Säulen“, die er für eine gute Arbeit jener Zeit hielt.7) Selbst die Renaissance-Schallfenster des schlanken Turmes wurden lange als romanisch hingestellt. Riewel vermutete noch, dass wohl an Stelle der alten (also romanischen) Kirche die neue gotische Kirche gebaut worden wäre, die uns noch heute in verbautem Zustand erhalten geblieben ist. Für ihn ist unsere gotische Spitalskirche identisch mit der von Preuenhuber für das Jahr 1305 genannten.8) Die Existenz einer alten romanischen Spitalskirche dürfen wir aber bestenfalls als möglich hinstellen. So vermutete Dir. Dr. Ofner,9) an der Stelle der Eingangshalle könne sich eine romanische Kapelle desselben Grundrisses befunden haben;10) diese wurde dann im 16. Jahrhundert verändert. Diese Meinung möchte ich für wahrscheinlich halten.

Jedenfalls kam es zu Beginn des 14. Jahrhunderts zu einer Neugründung oder Wiederbelebung der Spitalsstiftung durch Elisabeth, die Gemahlin Albrechts I. Preuenhueber weiß für das Jahr 1305 folgendes zu berichten:11)

„Um diese Zeit hat Königin Elisabeth, gebohrne Graefin von Tyrol, Kaysers Alberti Gemahlin,
welche damahls das Schloß und Herrschafft Steyer innen gehabt und besessen, das Spital allhie zu Steyer samt der Kirchen, welche in honorem St. Elisabethae, St. Leopoldi, und St. Floriani consecriret worden, fundiert und erbauet…“

An anderer Stelle schreibt er wie folgt:12)

 

„An. 1302 erlitte das Schloss Steher einen mercklichen Brunst-Schaden, von einem Feuer, so
den 27. Febr. im Ennsdorff bey einem Haffner auskommen, und durch den Wind in die Stadt und Schloß getrieben worden.“

Aber Preuenhueber vermerkt nicht, dass das Spital etwa dabei zugrunde gegangen wäre. Rolleder13) und andere mit ihm bringen die Feuersbrunst von 1302 mit Spital und Stiftung der Königin in Verbindung. Die Zeit des Interregnums war auch für Steyr eine unruhige gewesen; unter anderem war es verpfändet worden. Es ist nicht undenkbar, dass die Spitalsstiftung zum Erliegen gekommen war oder wenigstens schwer gelitten hatte.

1305 wurden eine Spitalskirche und die Burgkapelle von Bischof Ruger von Bozen eingeweiht.14) Aber es ist offensichtlich, dass diese 1305 geweihte Kirche nicht identisch ist mit jener, die wir heute noch in verbautem Zustande besitzen. Im 14. und im 15. Jahrhundert wurden das Spital und sein Gotteshaus mit vielen Stiftungen begabt, es fällt auf, dass meist von einem „Gotteshaus“ und nicht von einer Kapelle die Rede ist. Noch 1490 hat diese Kirche sicher bestanden. In diesem Jahr stiftete der Steyrer Bürger und Messerer Stephan Praunauer mit 600 Pfund Pfennig vier Wochenmessen im Spital.15) Aber am Ende des 15. Jahrhunderts genügte die alte Spitalskirche nicht mehr den Anforderungen des ständig größer gewordenen Steyrdorfs. Wir müssen berücksichtigen, dass Steyr über keine ausreichend großen Kirchen verfügte; die 1443 begonnene Stadtpfarrkirche war zu Ende des Jahrhunderts noch nicht vollendet; die Dominikanerkirche ab 1477 oder später erst erbaut worden, die Bruderhauskirche wird erst 1511—1522 errichtet; somit ist gegen Ende des 15. Jahrhunderts ein dringendes Bedürfnis nach neuem Kirchenraum in der Stadt, die damals etwa 5000 bis 6000 Seelen zählen mochte.

Preuenhueber Angabe über den Spitalskirchenbau von 1305 darf nicht als Hinweis gelten, wann die Spitalskirche in ihrer heutigen Gestalt erbaut wurde. Sie entstammt nämlich der spätesten Gotik, einer Periode außerordentlicher Blüte des Kirchenbauens — und einer Zeit, da es um Steyr wirtschaftlich gar nicht besonders gut bestellt war!

Die Notiz, Haus Fuchsberger habe 1494 „eine zweite Kapelle für das Spital erbaut“,16) wirft neues Licht auf die Frage der Entstehungszeit unserer Spitalskirche und man geht kaum fehl in der Annahme, diese Angabe könne sich nur auf die heutige Spitalskirche beziehen. Aber noch stört das Wörtchen „zweite“ — es hätten also zwei Kapellen nebeneinander bestanden, und nur können uns dies nicht recht vorstellen, wo da neben der heutigen Spitalskirche noch Platz sein solle für einen zweiten (älteren) Sakralraum. Man ist anfänglich geneigt anzunehmen, das Wort „zweite Kapelle“ solle heißen „neue Kapelle statt der alten“. Es kristallisiert sich nun als mögliche Lösung des Problems dies heraus: Die heutige Spitalskirche ist eine zweite Kirche. Die heutige Eingangshalle war ein vielleicht flachgedeckter einfacher Kultraum; vielleicht ohne abgesonderten Altarraum oder mit einem Altarraum im anschließenden Ostturm etwa nach der Art einfacher Kirchen des Waldviertels, bei denen der Kultraum sich in einem Ostturm befindet. Nach Errichtung der heutigen Kirche ab 1494 wurde diese Kapelle aufgelassen und später, wahrscheinlich unter Haus Schmiedhucker, in der einfachen, an die Romanik erinnernden Renaissancemanier umgebaut.

Die schon auf „um 1500“ bzw. „nach 1494“ festgesetzte Erbauungszeit der Spitalskirche wurde auch durch Sichtung neuer Archivalien und durch die Auffindung neuen Materials zur Baugeschichte nicht umgestoßen. 1502 wurde eine interessante Urkunde ausgestellt. Bürgermeister, Richter und Rat von Steyr baten „alle und jegliche Prälaten, Grafen, Burggrafen, Pfleger, Bürgermeister, Richter, Räte und Amtsleute, denen der Brief gezeigt wird“, den Stephan Schaurn „in ihren Gebieten, Städten, Märkten, Dörfern und Häusern“ Ablässe verkaufen zu lassen. Das Gotteshaus des Spitals, das zu Ehren der hl. Elisabeth, Leopold und Florian geweiht ist, hat an Büchern. Kelchen, Messgewändern und anderem nötigen Ornat und baulich viele Mängel!17) Auch die Pfleglinge konnten kaum ausreichend versorgt werden. 1517 — 1519 wurde ein Sakramentshäuschen in der Kirche erbaut. Vorher war ein solches auf Grund der Rechte des Gotteshauses gar nicht vonnöten!18) Es ist sehr wohl denkbar, dass die Kirche 1502 noch nicht vollendet war, oder aber im Rohbau dastand, also noch „viele Mängel“ an ihr hafteten. Andererseits scheint sie 1517 fertig zu sein; der Bau des Sakramentshäuschens geschah nicht im Zuge des Kirchenbaues, sondern auf Grund einer Erweiterung der Befugnisse des Gotteshauses.19)

Als vorläufiges, wahrscheinliches Ergebnis dürfen wir demnach festhalten: Die 1305 geweihte Kirche besteht noch heute; sie wurde nach Fertigstellung der spätgotischen, nach 1494 erbauten Kirche profaniert.

Aber auch die 1305 „erbaute“ Kirche war nicht von Grund auf neu errichtet worden. Die Anlage dieser Kirche gehörte einer doch schon romanischen Anlage an. Ein Kirchenbau von 1305 hätte jedenfalls schon gotisch ausgesehen und in unseren Baukomplex seine Spuren hinterlassen.

Preuenhuebers Schweigen über den für ihn eigentlich sehr rezenten Kirchenbau von 1494 fällt auf, aber die anfängliche Vermutung, es habe sich eben bloß um eine spätgotische Veränderung der Kirche von 1305 gehandelt, die als historische Tat nicht genügend hervorstach, um ausgezeichnet zu werden, wurde durch die Notiz von 1494 hinfällig.

Das Erscheinungsbild der Kirche

Die Lage der Spitalskirche ist reizvoll. Bis zur Erbauung des Jesuitenklosters und der Michaeler-(Jesuiten-)kirche beherrschte sie das Steyrdorf als das damals größte Gebäude dieses Stadtteils. Da die Kirche auf leicht fallendem Gelände steht, war im Osten der Kirchenboden mehr als zwei Meter über dem Straßenniveau. Die Kirche hatte rechteckigen Grundriss, war zweischiffig und dreijochig mit fast quadratischen Jochen und hatte somit einen geraden Ostabschluss. Die Innenabmessungen betragen 13 mal 18 Meter. Die noch vorhandenen Details der Architektur weisen mit Sicherheit auf eine Entstehung der Kirche um 1500. Im Dachboden des Vorstadtpfarrhofes sind etwas mehr als 2/3 des Netzrippengewölbes der ehemaligen Kirche sichtbar. Die Rippen treten stark hervor und besitzen natürlich gegenüber dem aus Ziegeln gebildeten Gewölbe keine tragende Funktion mehr. Stellenweise sind sie entfernt. Sie sind nicht besonders qualitätsvoll gearbeitet. Die meisten Rippen sind zweifach gekehlt, einige Rippenbahnen haben Birnstabprofil. Sie sind aus äußerst weichem Sandstein gebildet. Die kurzen Zierrippchen in der Mitte jedes Gewölbefeldes erinnern an gleich gebildete kurze Rippchen im komplizierten Gewölbe der Vorhalle zum westlichen Südtor der Stadtpfarrkirche. Dieses Südtor ist einer späten Bauphase der Stadtpfarrkirche zuzuweisen. Die schlanken Pfeiler sind achteckig und leicht gekehlt. Diese Art von Pfeilern finden wir in vielen der spätgotischen Landkirchen im Einflussbereich der Steyrer und Freistädter Bauhütte, so in Perg, das um 1500 erbaut wurde (Langhausgewölbe),20) in Gutau, dessen Gewölbe um 1510 gebaut wurde21); in letzterer setzen die Gewölberippen noch unter Vermittlung von Konsolen an den Pfeilern auf. In Schenkenfelden, laut Inschrift 1525 vollendet, finden wir denselben Ansatz der Rippen des Gewölbes, nämlich einen vermittlungslosen. Auch das prächtige Königswiesen, dessen Gewölbe der Zeit um 1520 zuzuweisen ist,22) zeigt in selber Weise gekehlte Achteckpfeiler und vermittlungslos ansetzende Rippen. Die Rippen in der Spitalskirche münden an den Wänden zuerst in Dienste, die einem halben der gekehlten Achteckpfeiler gleichen. Ob sich diese massiven Rippenträger bis zum Kirchenboden hinunter fortsetzten, konnte nicht festgestellt werden. An der Mitte der Ostwand münden die Rippen in ein barockes Gebilde aus Stuck, das Reste von Bemalung aufweist. An der Südwand verjüngt sich der östliche der beiden Dienste offensichtlich über einige Abtreppungen. Möglich wäre, dass die Rippen des Gewölbes an der Wand so in Konsolen einmünden, wie es zu beiden Seiten des Kefermarkter Triumphbogens etwa geschieht.

Ein verstäbtes Nordportal bot Eintritt in die Turmhalle; es ist unverkennbar vom selben Stilgefühl getragen, das einzelne Architekturformen der Stadtpfarrkirche schuf; zu vergleichen ist hier besonders die Nordkapelle neben dem Nordportal der Stadtpfarrkirche. An der Westwand der Kirche befinden sich zwei weitere steinerne Türgewände. An das eben besprochene Nordportal erinnert die Sakristeitür. Die Sakristei grenzte westlich an die Kirche — ebenfalls ein Unikum! Die nördliche der Westwandtüren führt in die Turmhalle und ist der spätesten Gotik bereits entwachsen. Es dürfte dieses Türgewände der Mitte des 16. Jahrhunderts entstammen. Die Sakristeitür weist als zentrales Motiv zwei senkrechte Rundstäbe auf, die von einem gebogenen Rundstab überschnitten werden. Die verdickten Basen der senkrechten Rundstäbe sind skulptiert. Nichts Hartes, Kantiges haftet diesen drei Türgewänden an.

Die Lage des Turmes zwischen der Eingangshalle und der Kirche gereicht dem Bild des Gebäudekomplexes zum Vorteil; er steht nordwestlich an die Kirche anschließend. Seine Nordwand und die der Kirche bilden eine Linie. Die obersten Fenster sind aus der Renaissance, jedoch in romanischen Formen gehalten.

Nicht mehr nachempfinden können wir die Gründe, die den Bauleiter bewogen, der Kirche rechteckige Form zu geben. Buchowiecki will für viele der rund 50 österreichischen Kirchen der Gotik mit geradem Chorabschluss Verbundenheit mit der alten Holzbauweise sehen.23) Maximale Baugrundnutzung könnte einer der Gründe gewesen sein, rechteckigen Grundriss zu schaffen. Es lag jedenfalls nicht in der Absicht, einen (wegen der Brückendurchfahrt stark überhöhten) Ostchor dranzubauen; die Spitalskirche stellt eine allseitig geschlossene Einheit dar. Als guter Vergleich bietet sich die Wiener Neustädter Georgskapelle an.

Es wäre ein großer Gewinn für das künstlerische Bild von Steyr, wenn die Kirche in ihre ursprüngliche Form zurückgeführt würde, aber dies muss eine Utopie bleiben. Wichtig und teilweise möglich wäre es immerhin, festzustellen, ob sich unter dem Verputz Reste alter Bemalung erhalten haben. Preuenhueber teilt uns mit, dass „in der Kirchen drinnen an der Wand . . . Teutschen Reimen“ angeschrieben sind, deren Text er überliefert.24)

Noch fällt es schwer, die Stellung der Spitalskirche im Schaffen der Steyrer Viertellade (der fast alle gotischen Kirchen des Gebietes zuzuschreiben sind) zu beleuchten, da hier die Forschungslage ungünstig ist. Hier können somit nur einige Anregungen gegeben werden. Unsere Stadtpfarrkirche (1443-1522), der bedeutendste und beispielgebende Bau der Steyrer Viertellade, lässt auf den ersten Blick keine Verwandtschaft mit der Spitalskirche erkennen. Beide Kirchen gehören zwei verschiedenen Stilphasen an, aber sie müssen zur selben Zeit in Arbeit gewesen sein. Die Rippenrhomben mit den gekurvten Seiten, die sich in jeder Jochmitte der Spitalskirche finden, hat aber schon Hanns Puchsbaum gekannt; Rhomben mit gekrümmten Seiten hatte er schon auf seinem Chorgrundriss der Steyrer Pfarrkirche für die Mitten der Gewölbefelder der Seitenschiffe vorgesehen.25) Die – nicht Puchsbaums Plan entsprechenden – Figurationen der Seitenschiffgewölbe in der Stadtpfarrkirche ähneln aber noch eher der Figuration in der Spitalskirche.

Zusammenhang mit der Figuration der Spitalskirche (und jedenfalls der der Seitenschiffe des Chores der Stadtpfarrkirche) dürfte jene des Langhausgewölbes in Rems aufweisen. Das Remser Gewölbe wurde nach 1500 statt einer früheren Flachdecke eingebaut. Die Langhausmauern sind hier noch romanisch. An Stelle der gewundenen Rippen der Spitalskirche finden wir hier schon ein Rippenrechteck in den Jochmitten, wie es so typisch ist für die Steyrer Bauhütte. Das Gewölbe in Rems ist reicher ausgeschmückt und im Detail durch komplizierteres Rippenprofil und angedeutete Verstäbungen lebhafter als jenes der Spitalskirche. So ist die Remser Figuration in Nachfolge der beiden Steyrer Figurationen entstanden, die sie ornamental ausschmückt, in logischer Weise die gewundenen Rippen aufgebend. Das Gewölbe der Orgelempore in der Pfarrkirche von Wartberg ob der Aist hat ein ähnliches Schema wie das Gewölbe der Steyrer Spitalskirche, nur ist es hier einfacher. 1508 wurde die Kirche in Wartberg ob der Aist geweiht.26)

Den Raumeindruck, den dieses Steyrer Gotteshaus vermittelte, können wir kaum nachempfinden; alles zusammen war es eine eher schlicht gehaltene Kirche von seltener Konzeption.

Schon vor 1546 wurden an der Kirche Veränderungen vorgenommen. Hanns Schmidhucker, Ratsbürger, Eisenhändler und langjähriger Spitalmeister, hat „bey gedachtem Spital, den armen Leuten auf viel weg nuetzlich gewirthschafftet, des Spitals jaehrliche Einkuenffte und Ertragniß in eine feine richtige Ordnung gebracht; … Das Spital und die Kirchen renovirt, und die Messinge Taffel, zur Gedächtnis der Koenigin Elisabeth Stifftung üeber dem Eingang aufsetzen lassen …“.27) Im Zuge der schon um 1525 eingedrungenen Reformation hat man damals wohl Änderungen in der Inneneinrichtung im protestantischen Sinne vorgenommen und jene „Teutschen Reimen“ angebracht.

Unter der Spitalskirche befand sich eine Weinstube, und schon Preuenhueber freute sich über die Rarität, die Steyr aufzuweisen habe, nämlich eine „Kirchen üeber einem Wirths-Hauß“.28)

1784 war die Jesuitenkirche, welche seit dem 17. Jahrhundert die Spitalskirche entbehrlich gemacht hatte, in eine Vorstadtpfarrkirche umgewandelt worden.29) Nachdem die Spitalskirche lange Zeit den Protestanten gedient hatte, wurde sie 1632 von den Jesuiten übernommen, die hier am 3.11.1632 ihren ersten Gottesdienst hielten.30) 1785 wurde die Spitalskirche nach Um- und Einbauten ihrer neuen Bestimmung als Vorstadtpfarrhof übergeben.31) Im selben Jahr wurden zwei Decken eingezogen, die gotischen Fenster vermauerte man; von der Brücke her sind ihre ungefähren Konturen noch erkenntlich. Flussseitig beließ man die Strebepfeiler, an der Nordwand befinden sich keine.

Sinn dieses Aufsatzes soll es gewesen sein, auf eine bisher allzu unbeachtete gotische Kirche aufmerksam gemacht zu haben, die doch baulich fast vollständig erhalten ist und in der Kirchengeschichte der Stadt eine noch nicht sehr beachtete Rolle gespielt hat.

 

  1. Preuenhueber, Valentin Annales Styrenses, Nürnberg 1740.
  2. Stadtarchiv Steyr, K. III, Lade 20, 21.
  3. Rolleder, Anton: Heimatkunde von Steyr, Steyr 1894, p. 186.
  4. Rolleder a. a. O. p.l U83
  5. Ofner, Josef: Die Eisenstadt Steyr, Steyr 1956, p. 21.
  6. Oö. Urkb. Bd. I, S. 179: Rolleder a. a. O. P. 183.
  7. Riewel, H.: Das Bürgerspital in Stadt Steyr. In: Mitteilungen der k. k. Centralkommission für Erforschung und Erhaltung der Baudenkmäler (Wien 1868) pag. VI—VIII. (Dieser Aufsatz beschreibt die Eingangshalle und die Säulen derselben.)
  8. Preuenhueber a. a. O. p. 40.
  9. mündlicher Mitteilung. Herzlichen Dank für die Hinweise, die mir die Arbeit erst ermöglichten!
  10. Ofner, Josef: Kunstchronik der Stadt Steyr. VKSt Heft 24 (Steyr, Dezember 1963) p. 33.
  11. Preuenhueber a. a. O. p. 40.
  12. Preuenhueber a. a. O. p. 368.
  13. Rolleder a. a. O. pp. 120, 137.
  14. Oö. Urkb. Bd. IV. S. 479; Rolleder a. a. O. P. 120.
  15. Karl: Das Land ob der Enns vor der Glaubensspaltung. In: Studien zur Reformationsgeschichte Oberösterreichs, Band I (Linz 1932) p. 59.
  16. Eder a. a. O. p. 133.
  17. Stadtarchiv Steyr, K. III L. 20 Nr. 59. Frl. F. Bodingbauer bin ich für den Hinweis auf diese und die folgende Urkunde zu Dank verpflichtet!
  18. Stadtarchiv Steyr, K. III L. 20 Nr. 84.
  19. Mitteilung Frl. F. Bodingbauer.
  20. Ulm, Benno: Die Stilentfaltung in der Architektur der gotischen Landkirchen in den Bezirken Freistadt und Perg in Oberösterreich. Phil. Diss. Wien 1953. Alphabetischer Schlusskatalog.
  21. Ulm a. a. O.
  22. Ulm a. a. O.
  23. Buchowiecki, Walther: Die gotischen Kirchen Österreichs, Wien 1952, p. 54.
  24. Preuenhueber a. a. O. p. 40.
  25. Grimschitz, Bruno: Hans Puchspaum, Wien 1947, Bildtafel Nr. 42 zeigt Puchspaums Grundriss für den Chor der Steyrer Stadtpfarrkirche.
  26. Ulm a. a. O.
  27. Preuenhueber a. a. O. P. 264.
  28. Preuenhueber a. a. O. P. 41
  29. Ofner, Eisenstadt a. a. O. p. 114.
  30. Pritz a. a. O. p. 23.
  31. Pritz, Franz Xaver: Beschreibung und Geschichte der Stadt Steher und ihrer nächsten Umgebung, Linz 1837, P. 350.

Aus den Veröffentlichungen des Kulturamtes der Stadt Steyr, Heft 25, Dezember 1964

Rate this post
Print Friendly, PDF & Email