Ein Beitrag zur Geschichte der Steyrer Waffenindustrie
Von Josef Ofner
Die handwerksmäßige Waffenerzeugung reicht in Steyr bis ins Mittelalter zurück. Im Jahre 1367 arbeiteten in der Stadt ein Harnischmacher und ein Bogner,1) 1491 hatte Steyr 400 Schwerter der kaiserlichen Armee zu liefern.2) Mit der Herstellung von Feuerwaffen beschäftigten sich in der Eisenstadt im 16. Jahrhundert Büchsenmacher und Büchsenschifter,3) Bartholomäus Neumeister verfertigte Federspieße und Helmbarten.4) Wurden also bis zum Ausgang dieses Jahrhunderts Waffen nur in den Werkstätten der Handwerker angefertigt und auch von diesen in den Handel gebracht, so entstand, bedingt durch die politischen Ereignisse, um 1593 in Steyr eine nicht unbedeutende, bereits industriellen Charakter aufweisende Massenproduktion von Handfeuerwaffen. Wie die Waffenschmieden in Thörl bei Aflenz, in Ferlach und Mürzzuschlag5) sollte auch die Eisenstadt einen Beitrag zur Ausrüstung der kaiserlichen Kriegsvölker leisten.
Seit dem Jahre 1592 nahm der Krieg gegen die Türken, die damals weite Gebiete Ungarns beherrschten, ein größeres Ausmaß an. Nach wechselvollen Kämpfen eroberten die Truppen des Kaisers6) unter Pálffy und Schwarzenberg am 29. März 1598 die mächtige Festung Raab. Dieser für Wien und Europa bedeutungsvolle Sieg, der mit unbeschreiblicher Freude gefeiert wurde, bedeutete jedoch nicht das Ende des Krieges. Erst im Jahre 1606 kam zu Zsitva-Torok ein Friede zustande.7)
- Die Gründung der Gesellschaft
In der Zeit des Türkenkrieges hatte Steyr nicht nur Mannschaften zu stellen und Defensionsmaßnahmen zu treffen,8) sondern wurde als Verlagsstadt des Innerberger Eisens auch von der Niederösterreichischen Regierung9) aufgefordert, die Produktion von Schießwaffen zu organisieren. Mit der Durchführung des Befehls betraute man den kaiserlichen Rat und Landschreiber im Lande ob der Enns Johann Christoph Struz auf Hayding und Etzlsdorf, der von 1584 bis 1606 als Eisenobmann10) bestellt war.11) Die Stadtobrigkeit von Steyr war über diesen Auftrag keineswegs erfreut, denn sie hatte im Rahmen der 1581/83 gegründeten Eisenhandelsgesellschaft (Eisenkompanie)12) für den Verlag des Innerberger Eisens schon beträchtliche Geldsummen ausgegeben und wollte sich durch die Waffenherstellung nicht weiter mit Unkosten belasten. Im Hinblick auf die drohende Türkengefahr aber konnte sich die Stadt nicht ablehnend verhalten. Auch Struz ließ nicht locker und drang darauf, dass das Werk schleunig in Angriff genommen wurde. Da auch die obderennsische Landschaft versprach, hierfür einen Betrag von 2.000 Gulden aufzuwenden, übernahmen auf Betreiben der Stadtobrigkeit die Organisation und Finanzierung der Waffenproduktion die Bürger Heinrich Trisel, Hans Adam Pfefferl und Hieronymus Hirsch. Das Unternehmen führt die Bezeichnung „Gesellschaft der Rohr- und Büchsenhandlung in Steyr“. Die Geschäftsführung wurde Heinrich Trisel, der in der Pfarrgasse (Haus Nr. 22)13) eine Gastwirtschaft betrieb, übertragen.14) Hans Adam Pfefferl zu Piberbach war jedenfalls die einflussreichste Persönlichkeit. Er hatte schon 1575 das Amt eines Stadtrichters bekleidet, war 1583 Kassier der Eisenhandelsgesellschaft und wurde 1590 zum Bürgermeister gewählt. Er besaß eine Gastwirtschaft und handelte mit Getreide und Eisen. Sein Besitz umfasste die Häuser Stadtplatz Nr. 20/22,15) Nr. 23 und das Schloss Engelseck.16) Der Gastgeb und Eisenhändler Hieronymus Hirsch befand sich gleichfalls in guten wirtschaftlichen Verhältnissen. Er war Besitzer des „Hirschenhauses“, das sich damals an der Stelle des heutigen Hauses Stadtplatz Nr. 1317) befand.18)
Vorerst kaufte die Gesellschaft im Stadtteil Vogelsang einige Werkgaden (Schleifen und Mühlen) an der Steyr und ließ sie zu Werkstätten (Rohr- und Bohrschmieden) umbauen. Für die Herstellung der Feuerwaffen waren jedoch weder in Steyr noch in Ober- und Niederösterreich geeignete Facharbeiter aufzutreiben. Über Vorschlag des Eisenobmannes ließ daher die Gesellschaft auf ihre Kosten aus der Stadt Suhl am Südhang des Thüringerwaldes19) Rohrschmiede, Schleifer, Zintermacher, Bohrer, Ausbreiter, Flaschenmacher, Schlosser, Schifter, Zeugmacher und andere Handwerksleute samt ihren Angehörigen nach Steyr kommen.20) Von diesen Arbeitern erwarb sich um den Aufbau des Werkes besondere Verdienste der Büchsenmacher Matthäus Purckhardt.21) Mit der Erzeugung des Rohmaterials, nämlich Rohreisen (Rohr- oder Büchsenblech), wurden die österreichischen Hammermeister beauftragt, die es über die Eisenhandelsgesellschaft dem neuen Unternehmen zu liefern hatten.22)
Der Bau der Rohrschmiede, die Einrichtung der dazugehörigen Werkstätten und die Unterbringung der aus dem Reich zugewanderten Handwerker war mit mancherlei Schwierigkeiten verbunden. Erst im Frühjahr des Jahres 1595 dürfte die Produktion angelaufen sein.23)
- Der Kampf um das Privilegium
Das Rohr- und Büchsenwerk war durchaus nicht vom Glück begünstigt. Schon im Herbst des Jahres 1595 verließen „durch böser Leut Anreizung“ etliche widersetzliche Arbeiter heimlich die Rohrschmiede. Besonders die Schweißer Hanns Sebert und Hanns Hornester bereiteten der Gesellschaft viel Ärger. Dieser war mit dem Weib eines anderen Arbeiters verstohlen abgewandert, jener wiegelte vier Knechte zum Verlassen der Werkstätte auf, warf schließlich „den Herren den Sack vor die Tür“ und forderte Urlaub. Als Ersatz für diese Arbeitskräfte stellte man Scher- und Klingenschmiede ein, die zu Rohrschmieden ausgebildet wurden.24)
Die Stadtobrigkeit, die mit Recht in der Abwanderung der Arbeiter eine große Gefahr für den neuen Betrieb erblickte, trachtete nun, so rasch wie möglich für die Büchsenhandlungsgesellschaft die Berechtigung zur alleinigen Erzeugung von Feuerwaffen in Österreich ob und unter der Enns zu erwirken. Am 3. Oktober 1595 richteten Bürgermeister, Richter und Rat in dieser Angelegenheit ein Gesuch an den Kaiser.25) Darin wurde einleitend auf die Türkengefahr und auf die durch das Innerberger Eisenwesen gefährdete Finanzlage der Stadt Bezug genommen. Es wurden ferner die großen Schwierigkeiten aufgezeigt, die bei Errichtung der Rohrschmiedwerkstatt zu überwinden waren. Man vergaß nicht, die hohen Unkosten zu erwähnen und auf den bereits vorhandenen Vorrat an allerlei Feuerwaffen hinzuweisen. Da sie aber befürchteten, dass auch in anderen Orten Rohrschmiedwerkstätten erbaut werden könnten, wodurch die mit hohen Kosten angeworbenen Arbeiter aus Steyr abgezogen werden möchten und dadurch die städtischen Werkgaden in Verfall geraten müssten, richteten sie an den Kaiser die Bitte, ihnen „aus landsfürstlicher Macht allergnädigst eine solche Befreiung“ zu erteilen, „daß sonsten in dessen Erblanden Österreich unter und ob der Enns dergleichen Rohrschmiedwerkstatt auszurichten nicht zugelassen, sondern auf jetzo und hinfüran eingestellt werden.“ Bürgermeister, Richter und Rat verpflichteten sich, die österreichischen Lande nach Möglichkeit „mit der Notdurft gerechter Gschoß und Röhr in gebührlichem Wert“ zu versehen und wenn „Abgang und Verschleiß vorhanden“, weitere Werkstätten zu erbauen. Abschließend betonten sie, dass sie „in Österreich dies neue gemeinem Nutzen dienstliche Werk mit großen Unkosten erhebt“ hätten und auch „des Innerbergerischen Eisenwesens Verleger“ seien.
Der Magistrat sandte das Gesuch an den damals in Wien weilenden Heinrich Trisel, der es den Wiener Behörden zur Weiterleitung an den Kaiser zu übergeben hatte. Gleichzeitig wurden der Eisenobmann, der Landmarschall Hans Friedrich Hofmann, der kaiserliche Haus- und Grenzzeugmeister Zacharias Stainegger und andere Persönlichkeiten um Befürwortung und Betreibung des Ansuchens gebeten.26)
Einige Wochen später schickte die Gesellschaft der Rohr- und Büchsenhandlung, wahrscheinlich um der Petition größeren Nachdruck zu verleihen, eine „Probesendung“ an den Hauszeugmeister Zacharias Stainegger. Diese Sendung, der auch eine Preisliste beigeschlossen war, umfasste 200 geschiftete Büchsenrohre oder Halbhaken, 50 Musketen und 150 gemeine halbe Musketenrohre mit „Schwamben Zintern“. Über Antrag Trisels verständigte die Steyrer Stadtobrigkeit am 25. Oktober 1595 den Hofkriegsrat in Wien von der Probesendung, verwies auf die in Steyr vorrätigen 600 Stück Feuerwaffen und ersuchte, Stainegger zur Abgabe eines Gutachtens über die Brauchbarkeit der vorgelegten Erzeugnisse zu veranlassen.27) Trisel wandte sich am 7. November an die Verordneten in Österreich unter der Enns. Er erinnerte in seinem Schreiben an das über Anordnung des Eisenobmannes errichtete Rohrschmiedwerk in Steyr und pries die Güte der erzeugten Büchsen, die den ausländischen weit vorzuziehen seien.28) Noch im November beauftragte der Kriegsrat Stainegger mit der Ausarbeitung des Gutachtens, das u. a. auch die Preise der aus anderen Orten in das Wiener Zeughaus gelieferten Schießwaffen enthalten sollte. Am 14. Dezember überreichte der Haus- und Grenzzeugmeister den für den Kaiser bestimmten Bericht dem Kriegsrat Pez. Er hob hervor, dass der Zeugschlosser die zur „Prob“ eingereichten Haken und Musketen „fleißig besichtigt und als eine gerechte gut und fleißige Arbeit“ befunden habe, sodass „Herr und Knecht im Fall der Not gegen und wider den Feind wohl versehen seien“. Da bei dem Zeugwesen, so führte Stainegger weiter aus, ein großer Mangel an solchen Büchsen herrsche, wäre der Ankauf der größeren Musketenrohre mit Schwammschlössern, die samt Zugehörung 3 Gulden kosten, und der halb geschifteten Musketen oder Halbhakenrohre, die auf 2 Gulden zu stehen kommen, wohl zu empfehlen. Die Bezahlung möge aus den Landschaftsgefällen des Landes ob der Enns erfolgen und mit den Herren von Steyr ein Waffenlieferungskontrakt aufgerichtet werden.29)
Die Befürchtung der Steyrer, dass mit entwichenen Arbeitern anderwärts eine Waffenindustrie aufgezogen werden könnte, war nicht unbegründet. Schon während seines Aufenthaltes in Wien erfuhr Trisel durch einen „guten Freund“, dass Stainegger in der Neustadt (Wiener Neustadt) mit den aus Steyr entlaufenen Rohrschmieden ein Werk aufrichten wolle. Trisel berichtete hierüber dem Vizedom zu Wien,30) der Stainegger zur Verantwortung zog. In den Verhandlungen gab der kaiserliche Zeugwart zu, dass zu ihm Handwerker aus der Eisenstadt gekommen wären, die von den Herren in Steyr abgefertigt worden seien, weil diese ihr Werk einstellen wollten. Die „heillosen Leute“ hätten sich nicht abweisen lassen. So habe er denn die Werkstätte mit einem Kostenaufwand von 346 Gulden eingerichtet.31)
Stainegger war sehr vermögend. Den Herren von Schenkirchen gab er 1595 ein Darlehen von 6.000 Gulden, Jakob Hannibal von Raitenau zum Langenstein, kaiserl. Regimentsoberst, entlehnte 1596 von ihm 10.694 Gulden Rheinisch.32) Schon im Jahre 1589 hatte der Kaiser dem Zeugwart ein Bauprivilegium erteilt. In Wiener Neustadt, wo er ebenfalls das Zeugwesen zu verwalten hatte, ließ er vor dem Wienertor eine Mühle erbauen, wodurch er mit der Stadt und dem Müllerhandwerk in einen langwierigen Streit geriet.33)
Der Rohr- und Büchsenhandlungsgesellschaft kam das Konkurrenzunternehmen in Wiener Neustadt höchst ungelegen. Stainegger war aber bereit, seine Waffenerzeugung aufzugeben, doch stellte er verschiedene Forderungen. Anfangs verlangte er eine Summe von 3.000 Gulden, da er in der Nähe von Steyr einen Landsitz erwerben wollte, später machte er den Vorschlag, der Magistrat oder die Gesellschaft möge den Schuldbrief der Herren von Schenkirchen übernehmen und ihm den Betrag von 6.000 Gulden in zwei Raten im Laufe eines Jahres ausbezahlen oder man löse ihm seine befreite Werkstätte um 1.500 Gulden ab, er werde sich dafür nach Möglichkeit beim Kaiser für die Sache der Steyrer einsetzen.34) Obwohl Trisel meinte, man solle Stainegger mit 3.000 Gulden behilflich sein und der Vizedom riet, man könne ihm eine „Ergötzlichkeit“ geben, dürfte Steyr auf die Ansprüche des Zeugwartes nicht eingegangen sein. Wahrscheinlich wollte weder die Stadtobrigkeit noch die Gesellschaft größere Summen ausgeben, ehe nicht der angestrebte Waffenlieferungskontrakt und das Erzeugungsprivilegium erreicht waren.
Das Roh- und Büchsenwerk in Steyr fand die Zustimmung des Präsidenten Christoph v. Küngsperg und der Kriegsräte. Sie verlangten, dass es den ausländischen Waffenschmieden vorgezogen und gefördert werden möge. Auch Staineggers Gutachten über die zur Probe vorgelegten Schießwaffen war, wie wir gesehen haben, nicht ungünstig ausgefallen. Am 22. Dezember 1595 sandte der Magistrat neuerdings eine Eingabe an den Präsidenten und an die Kriegsräte, um den Vertrag für Waffenlieferungen zu beschleunigen.35) Auch mit Pfefferl und Hirsch eng befreundete Persönlichkeiten betrieben das Anliegen der Gesellschaft bei den Wiener Behörden. Trotz aller Bemühungen war jedoch kein Fortschritt zu bemerken. Die Ursache dieser Verzögerung war ohne Zweifel die mittlerweile in Wiener Neustadt erstandene Konkurrenz. Man gab schließlich Trisel den Rat, wieder nach Wien zu kommen und dann eine Reise nach Prag zu riskieren.36) Das Ergebnis der Verhandlungen ist aus dem lückenhaften Aktenbestand nicht ersichtlich. Es ist anzunehmen, dass ein Vertragsabschluss im Hinblick auf das Unternehmen Staineggers nicht zustande kam und die Angelegenheit versandete.
Ähnlich verhielt es sich mit dem Privilegium zur alleinigen Waffenerzeugung in Ober- und Niederösterreich. Die Bittschrift vom 3. Oktober 1595 und weitere Gesuche gelangten in den folgenden Jahren über den Reichshofkanzleischreiber Hans Zapf an den Hofkammerpräsidenten Ferdinand Hofmann.37) Noch am 5. Oktober 1598, also drei Jahre nach der ersten Eingabe, richtete die Stadtobrigkeit an Hofmann abermals ein Ansuchen. Alle Anstrengungen aber waren vergeblich, das Privilegium blieb unerledigt. Die im Lande ob der Enns 1598/99 einsetzende Gegenreformation mag hierzu beigetragen haben.
- Der Konflikt mit den Hammermeistern
Zur Herstellung der Haken- und Musketenrohre wurde das im Kleinhammer ausgeschmiedete Rohr- und Büchseneisen verwendet. Wie oben erwähnt, verpflichtete man die Inhaber der österreichischen Hammerwerke zur Lieferung dieser Eisensorte. Im Hinblick auf die „Feindsnot und offene Kriegsexpedition“ verlangte am 18. Oktober 1595 die Steyrer Stadtobrigkeit von den Hammermeistern in Österreich, den „bei Gmeiner Stadt Steyer zugerichteten Munition Werchgaden“ jährlich mit 400 Purt38) Rohreisen zu versehen. Dieses Quantum war sehr beachtlich. Da eine Purt 125 Pfund (à 56 dkg) oder 70 kg wog, hätten 28.000 kg Büchseneisen geliefert werden sollen. Etliche Hammermeister in Weyer und Reichraming versuchten die Erzeugung des geforderten Eisens. Sie mussten jedoch hierbei feststellen, dass diese Arbeit nicht jeder Meister ausführen könne und höhere Löhne, mehr Kohle und Zeit erfordere als die Herstellung von Ziehereisen. Sie fanden auch, dass bei dieser Produktion das „Hammerzeug“ stärker abgenützt wurde. Am 6. November 1595 berichteten sie daher an Bürgermeister, Richter und Rat der Stadt Steyr, dass „kein Hammermeister um solche Arbeit sonders Verlangen“ habe, aber mit Rücksicht auf den Büchsenrohrverkauf zur Aufbringung der gewünschten Eisensorte bereit wären. Sie könnten aber jährlich nur etwa 250 Purt liefern und müssten infolge höherer Gestehungskosten zum jeweiligen Preis des Ziehereisens pro Purt 2 ß 20 d oder 20 Kreuzer aufschlagen.39)
Das Ziehereisen verarbeiteten die Drahtzieher und Nagelschmiede, es wurde in welschen Hammerwerken angeschmiedet.40) Im Jahre 1626 kostete ein Zentner 5 fl. 2 ß 2 d, wobei zu beachten ist, dass seit 1574 die Eisenpreise stark angestiegen waren. Während im genannten Jahre ein Zentner Roheisen noch 6 ß 9 d kostete, bezahlte man 1624 hierfür 2 fl. 5 ß 3 d.41)
Da Steyr mit dem 20-Kreuzer-Aufschlag nicht einverstanden war und die Hammermeister von ihrer Forderung nicht abstehen wollten, musste auf Befehl des Eisenobmannes Struz am 3. September 1596 im Hammerwerk des Gregor Vorster in Reichraming zur Kalkulation des Rohreisenpreises eine „ordentliche Prob“ durchgeführt werden. In Gegenwart des Eisenproviant- und Salzüberreiters Georg Grueber und der geschworenen Hammer-Stachel- und Eisenbeschauer in Österreich Wolf Vaßlbintter und Augustin Pächler wurde Roheisen zuerst im welschen Hammer und dann im Kleinhammer zu einer Purt Büchseneisen ausgeschmiedet. Das Ergebnis lautete:
Hammerschmiedlohn für Arbeit am Kleinhammer 1ß — d
Eisenverlust („Hindangang“) 8 Pfund 1 ß 10 d
Verbrauch an Kohle (1 ½ Fassl) – ß 18 d
2 ß 28 d 42)
Die Büchsenhändler Trisel, Pfefferl und Hirsch nahmen natürlich diese Preisfestsetzung, die den 20-Kreuzer-Aufschlag noch um 8 Pfennig oder 2 Kreuzer überzog, nicht zur Kenntnis. Am 8. Jänner 1597 erhoben sie gegen diese „Prob“ in einem Schreiben an den Rat der Stadt Steyr folgende Einwände:
- Die Hammerbeschauer besitzen weniger Fachkenntnisse als die Hammermeister,
- wird in Steyr eine Purt Ziehereisen zu Büchsenblech ausgeschlagen, dann beträgt der Eisenverlust nur 4 bis 5 Pfund,
- bei „schleuniger Arbeit“ ist der Verbrauch an Kohle geringer,
- die Hammermeister bezahlen den Kleinhammerschmieden nicht 1 ß (= 30 d = 7 ½ kr.), sondern höchstens 5 Kreuzer pro Purt,
- die Hammermeister verarbeiten nicht immer die beste Eisensorte und beachten zu wenig die übersandten Muster, ein Überschmieden des Rohreisens durch die Kleinhammerschmiede in Steyr sei daher manchmal notwendig.
Abschließend schlugen die Rohr- und Büchsenhändler eine andere Durchführung der „Prob“ vor und ersuchten um Weiterleitung ihres Berichtes an den Eisenobmann.43)
Der Streit um den 20 Kreuzer-Aufschlag hatte zur Folge, dass die Rohreisenlieferungen aus Reichraming sehr unregelmäßig eintrafen, wodurch die Arbeit in der Rohrschmiedwerkstatt zeitweilig eingestellt werden musste. Die Eisenhandelsgesellschaft versprach schließlich, den Aufschlag zu bezahlen. Aber es blieb nur bei Versprechungen, denn man hielt die „Prob“ für „verdächtig“ und glaubte nicht, dass die Unkosten der Hammermeister so hoch seien.44)
1597 verlangten die Reichraminger Gewerken Gregor Vorster und Clement Schrapacher, dass nicht nur sie allein, sondern auch die übrigen österreichischen Hammerwerke zur Rohreisenerzeugung herangezogen werden sollten.45) Im Herbst 1598 dürften sie ihre Eisenlieferungen völlig eingestellt haben. Sie schickten auch kein Ziehereisen, sodass auch dieses in Steyr ausgeschlagen werden musste. Hieronymus Hirsch machte daher im November dieses Jahres den Vorschlag, der Überreiter Georg Grueber möge die Hammermeister zu Reichraming verpflichten, dass sie „bis künftige Ostern“ wöchentlich drei bis vier Purt Büchseneisen nach Steyr liefern. Hirsch zeigte sich auch zu Verhandlungen bereit und erbot sich, den 20-Kreuzer-Aufschlag anzuerkennen.46)
Der Ausgang des Konfliktes geht aus den Akten nicht eindeutig hervor. Es kann angenommen werden, dass bei Auflösung der Rohr- und Büchsenhandlungsgesellschaft ein Vergleich erzielt wurde. Die Verhandlungen dürften sich jedoch sehr in die Länge gezogen haben, denn eine Aufstellung aus dem Jahre 1606 zeigt, dass man Schrapacher für 214 Purt Rohreisen, die er von 1593 bis 1599 der Eisenhandlungsgesellschaft geliefert hatte, den Aufschlag von 71 fl. 2 ß 20 d noch schuldete.47)
- Die Erzeugnisse
Den Vorgang der Schießwaffenerzeugung schildert kurz Heinrich Trisel. Das im Kleinhammer ausgeschmiedete Büchsenblech wurde in der Rohrschmiede, in der vier Arbeiter an einem Feuer arbeiteten, über einer Stahlstange („Dorn“) zum Büchsenrohr geformt und der Länge nach geschweißt. In der Bohrmühle beseitigte man die Unebenheit im Laufinnern durch Ausbohren. Die weitere Bearbeitung erfolgte durch den Schleifer. Die Ausstattung mit Schaft und Schloss besorgten Büchsenschifter, Büchsenmacher und Schlosser. Die zum Auflegen der Muskete erforderliche Gabel erzeugte der „Gapelmacher“. Täglich wurden in der Rohrschmiede 8 bis 10 raue Musketenrohre angefertigt.48)
Aus den meist undatierten Archivalien49) lässt sich das Produktionsprogramm der Rohr- und Büchsenhandlungsgesellschaft zusammenstellen. Das Werk erzeugte in der Hauptsache gebohrte und geschliffene Büchsenrohre und gebrauchsfertige Büchsen.
- Rohre (nackte Büchsenläufe):
- Musketenrohr, gebohrt und geschliffen (14 oder 15 ß),50)
- Zielrohr (14 ß),
- Hakenrohr, sechs halbe Spannen (10 ß),
- Hakenrohr, fünfspännig (1 kl. oder 1 Taler),
- Jagdbüchsenrohr („Pürst Rörl“, 6 oder 7 ß),
- Arkebusierrohr (4 ß 20 d),
- Faustbüchsenrohr, Pistolenrohr (2 ß 20 d),
- Doppelhakenrohr (3 oder 4 Taler),
- Scharfentiendl-Rohr (je nach Größe: 13 fl. bis 50 Taler).51)
- Gebrauchsfertige Feuerwaffen.
Die Produktion umfasste sechs Gruppen, und zwar Scharfentiendl, Hakenbüchsen, Musketen, Jagdbüchsen, Arkebusierbüchsen und Faustbüchsen.
- Scharfentiendl (Scharfentintlein, Scharfentinle).
Ein leichtes Geschütz im Gewicht von ein bis eineinhalb Zentner,52) die Bleigeschoße wogen ½ Pfund und (25 bis 28 dkg).53) Der Preis richtete sich nach der Größe, doch konnten sie in Steyr unter 13 fl. 2 ß nicht hergestellt werden.
- Hakenbüchsen.
Sie wurden benannt nach dem an der Unterseite des Laufes angeschweißten Haken, der den Rückstoß aufzufangen hatte.54)
- Doppelhaken.
Die Lauflänge betrug etwa 1 ½ bis über 2 Meter, die Reichweite beiläufig 200 bis 250 Meter.55)
- a) Doppelhaken mit Feuerschloss (7 fl.).
Das Feuerschloss oder Radschloss bestand aus einem Rädchen, das durch eine kleine Kette mit einer zweiarmigen Blattfeder in Verbindung stand. Beim Aufziehen, wozu ein besonderer Schlüssel erforderlich war, wurde die Kette um die Radwelle gewickelt und die Feder gespannt. Eine Stange, die in die Rast des Rades Eingriff, war mit dem Abzug verbunden, bei dessen Betätigung das Rad abschnurrte. Der raue Rand des Rädchens erzeugte hierbei durch Reibung an einem, in den Lippen des Hahnes befestigten Schwefelkies Funken, die das Zündkraut auf der Pfanne entflammten. Sie Entzündung des Pulvers erfolgte durch eine Stichflamme, die durch den Zündkanal in den Lauf gelangte. Das Radschloss besaß verschiedene Nachteile. Pulverrückstände verschmierten das Rad, sodass die Funkenbildung ausblieb. Der sich rasch abnützende Schwefelkies war umständlich einzusetzen. Feuerschlossbüchsen wurden, da sie der glimmenden Lunten, die in der Dunkelheit aus größere Entfernung sichtbar waren, nicht bedurften und in geladenem Zustand mitgeführt werden konnten, hauptsächlich bei nächtlichen Kriegshandlungen verwendet.56) Um 1596 dürfte man diese Büchsen bevorzugt haben. Damals schrieb Trisel ans Wien, „es sei von Nöten, daß derzeit alle Schlosser nichts anderes als Feurschloß an die Hand nehmen“.57)
- b) Doppelhaken mit Schwammschloss (5 fl.).
Das Schwammschloss war dem Luntenschloss ähnlich. Statt der Lunte wurde am Ende des schwanenhalsförmigen Hahnes ein Stück Feuerschwamm eingesetzt, der nach dem Anzünden weiterglimmte. Bei Betätigung des Abzuges fiel der Hahn auf das Pfannenpulver und brachte es zur Entzündung.58)
- Halbhaken.
Wie der Name schon andeutet, kamen diese Büchsen hinsichtlich Größe und Gewicht etwa
einem halben Doppelhaken gleich. Sie wurden auch „gemeine Haken“ genannt.
- a) Halbhaken oder Birschrohr mit doppeltem Feuerschloss, 2 Hähne (3 fl. 30 kr.).
Die doppelten Feuerschlösser bestanden aus einem Radschloss und einem Lunten- oder Schwammschloss. Man nannte sie daher auch „Doppelschlösser“. Diese Bezeichnung findet sich aber auch für Schlösser mit zwei Luntenhähnen und für solche mit einem Lunten- und einem Schwammhahn.59)
- b) Halbhaken oder Handrohr mit Zinder-60) oder Schwammschloss (2 fl. 7 kr. — 2 fl. 20 kr.).
III. Musketen.
Die Muskete (franz., von mitteltat. muscetus, Sperber), in Deutschland bekannt seit Karl V., bildete im 17. Jahrhundert die Hauptwaffe der Fußtruppen. Sie hatte an der Laufunterseite keinen Haken, wurde von einer Gabel abgefeuert und wog 7 bis 8 kg (Kaliber 18 bis 19 mm, Schussweite ca. 300 Meter). Die Ladung, bestehend aus einer bestimmten Pulvermenge, einem Bleigeschoß und einer Abdichtung, wurde mit dem Ladestock im Lauf festgestoßen. An einem Bandelier, das zur Ausrüstung des Musketiers gehörte, waren 12 bis 20 Lademaße für das Pulver, der Kugelsack und die Pulverflasche befestigt. Am linken Handgelenk des Soldaten hing die Gewehrgabel.61) Diese Ausrüstungsstücke wurden beim Verkauf der Büchsen mitgeliefert und waren im Preis derselben inbegriffen (z. B. „Halbhaggen oder Birschrohr mit feuerschlossen, Flaschen und aller Zugehörung P. 3 fl. 30 kr.“).
- Muskete mit Feuerschloss, 2 Hähne (4 fl. 10 kr.).
Das Radschloss dieser Musketen verfügte über einen zweiten Hahn mit einem Ersatzstein. Man schwenkte ihn über das Rad des Feuerschlosses, wenn der Schwefelkies desselben unbrauchbar geworden war.62)
- Muskete mit Doppelschloss (4 fl. 4 kr. 20 d).
- Muskete mit Zunder- oder Schwammschloss (3 fl. 10 kr., 3 fl. 20 kr.).
- Jagdbüchsen („Pierstbüchsen“, lang und kurz).
Diese Büchsen besaßen ein Radschloss und entweder glatte oder gezogene Läufe. Sie dienten auch als „Zielbüchsen“ (Scheibenschießen) und als Kampfwaffen.63)
- Arkebusierbüchsen (Radschlossarkebuse).
Diese Feuerwaffe, die kleiner und daher handlicher war als die Muskete, wurde von den reitenden Schützen verwendet. Später führte sie die Bezeichnung „Karabiner“.64) Zu Anfang des 17. Jahrhunderts wurde in Steyr diese Waffe nicht mehr erzeugt.
- Faustbüchsen oder Pistolen.
- Waffenbestandteile und Ausrüstungsstücke.
Die Rohr- und Büchsenhandlungsgesellschaft verkaufte auch einzelne Büchsenbestandteile wie Doppelschlösser (2 fl.), Schnapper (10 bis 20 kr.), Feuerschlösser (12 bis 14 ß), Musketengabeln, Spanner u. dgl., aber auch Schützenhauben (1 fl.) und Hellebarden (7 ß).
- Waffenlieferungen
Das Wiener Zeughaus bezog zeitweise jährlich um 50.000 Gulden Waffen aus dem Reich. Der Kriegsrat begrüßte daher die neue Waffenindustrie in Steyr, die vorgab, pro Jahr 3.000 Stück Feuerwaffen produzieren zu können.65) Leider sind wir über den Waffenverkauf der Rohr- und Büchsenhandlungsgesellschaft sehr mangelhaft unterrichtet. Jedenfalls ging die Hauptmasse der Steyrer Waffen in das Wiener Zeughaus, doch wurden sicherlich auch Städte, Klöster, Adelige und Waffenhändler beliefert.66)
Im Mai 1596 bestellte auf Befehl der Niederösterreichischen Kammerräte der Rentmeister der Herrschaft Steyr Heinrich Nickhard zur Ausrüstung des Kriegsvolkes an der Militärgrenze in Komorn und Gran bei der Rohrwerkstatt in Steyr 400 Musketen und 600 Halbhaken.
Die Büchsenhändler vereinbarten nun mit dem Grenzzeugmeister Stainegger folgende Preise:
Muskete mit Feuerschloss 4 fl. 20 kr.
Muskete mit „Schildt Zinter“67 3 fl. 20 kr.
Gemeine Haken mit Feuerschlössern 3 fl. 20 kr.
Gemeine Halbhaken mit „Schildt Zinter“ 2 fl. 20 kr.
Am 12. Mai berichteten sie hierüber dem Rentmeister und versicherten, an den Waffen, die an Güte die „oberländische Munition“ übertreffen, die „Prob der Beschießung“ vornehmen zu lassen. Da jedoch das neue Werk bedeutende Kosten verursacht habe, können die in Steyr vorrätigen Feuerwaffen, die über 3.000 Gulden kosten, nur gegen Barzahlung geliefert werden. Trisel, der in Wien die Verhandlungen führte, teilte jedoch mit, dass zwar der Kriegsrat Palffy und der Zeugwart den Ankauf für notwendig erachten, doch hierfür die Mittel fehlen. Über die Aufbringung derselben müsse der Kaiser entscheiden.68) Im Juni übergab Trisel dem kaiserlichen Zeugwart Wolf Eglauer Muster der oben genannten Waffen, was auf die Durchführung des Waffenlieferungsauftrages schließen lässt.69)
Eglauer machte im November 1596 Trisel auch auf die Möglichkeit des Waffenabsatzes in der Steiermark aufmerksam. Für den Feldzug, der im nächsten Frühling stattfinden soll, benötige man dort eine größere Menge Kriegswehren. In einem Schreiben aus Graz, das im Jänner 1597 in Steyr einlangte, wurde aber mitgeteilt, dass man eine Waffenlieferung aus Augsburg „aus großer Not der kroatischen Grenzen“ habe annehmen müssen.70)
Im Herbst des Jahres 1597 verfügte die Rohr- und Büchsenhandlungsgesellschaft über einen Vorrat von 2.000 Stück Feuerwaffen, die teils in Steyr, teils in Wien lagerten. Der Waffenbestand des Wiener Zeughauses hingegen war um diese Zeit recht dürftig. Im Auftrag der Hofkammerräte und des Kriegsrates ersuchte daher die Niederösterreichische Regierung und Kammer am 30. September den Magistrat zu Steyr die vorrätigen Haken und Musketen gegen „leidentliche Bezahlung“ dem Kaiser überlassen zu wollen. Die Rohr- und Büchsenhandlungsgesellschaft erklärte sich bereit, die Waffen zu verkaufen, bestand aber, wie im Vorjahr, auf die sofortige Bezahlung und Ausfolgung eines Passbriefes, um die Waren mautfrei nach Wien bringen zu können.71)
Weitere Waffenlieferungsausträge bis zum Ausgang des Jahres 1602 bereiteten der Stadtobrigkeit und den Büchsenhändlern meist nur Ärger und Verdruss. Hieronymus Hirsch lieferte im Jahre 1600 nach Wien 2.400 Halbhaken, die für den Krieg in der Walachei benötigt wurden. Es sollte ihm hierfür der Betrag von 4.800 Gulden im Laufe eines Jahres aus den Amtsgefällen zu Engelhartszell überwiesen werden. Obgleich er mehrmals um die Bezahlung ersuchte, konnte er bis Oktober 1602 „weder Heller noch Pfennig“ bekommen. Er erhielt auch keine „Vertröstung“, wann die Bezahlung erfolgen werde.72)
Für das Oberungarische Zeugwesen bestellten am 28. Juni 1602 die Niederösterreichischen Kammerräte in Steyr 500 Musketen und 500 Handrohre mit Feuerschlössern, 1.000 Musketen und 1.500 Handrohre mit Schwammschlössern, 500 Hellebarden, 200 Federspieße und 30 Zentner Stahl.73) Einige Wochen später, am 19. Juli, erging im Auftrag des Kaisers von derselben Behörde an Bürgermeister, Richter und Rat der Befehl, bei der Eisenhandlungsgesellschaft für die Oberungarischen fünf „Arkebusiergesellschaften, so von denen Rohren gar abkommen“, 500 Stück Arkebusierrohre, „auf einerlei gleiche Lauf- oder Kugelgröße gerichtet“, zu bestellen. Die Bezahlung werde durch das Kriegszahlamt erfolgen.74) Die Stadtobrigkeit lehnte beide Aufträge ab. Die Hofkammer verlangte jedoch neuerdings die Aufbringung der Schießwaffen durch die Eisenhandlungsgesellschaft. Diese wiederum wies gleichfalls die Forderung zurück, weil sie mit der Rohrhandlung nie „verwandt“ gewesen sei und ohnehin mit „dem Eisenwesen all ihr Hand voll“ habe. Nur Hirsch zeigte sich bereit, 150 Halbhaken mit doppelten Feuerschlössern abzugeben, wenn ihm der ausständige Betrag von 4.800 Gulden samt Zinsen vorher bezahlt werde. Am 5. November 1602 beschloss der Rat, der Niederösterreichischen Regierung und Kammer zu berichten, dass in Steyr Arkebusierrohre nicht erzeugt werden können, da es an kundigen Handwerkern fehle. Bei dem „offenen Türkenkrieg“ befinde sich in der Stadt eine „ganz ausgeschöpfte arme Bürgerschaft mit unerschwinglichen Kontributionen und Oblagen äußerist überladen“, weshalb Steyr mit unmöglichen Forderungen verschont bleiben möge.75)
- Die Auflösung der Gesellschaft
Schon im Februar 1597 wollten Pfefferl, Hirsch und Trisel die Leitung des Unternehmens aus verschiedenen Gründen zurücklegen. Sie beklagten sich vornehmlich darüber, dass die Landschaft des Landes ob der Enns die etwas billigeren, aber schlechten oberländischen Büchsen lieber gekauft und damit die Steyrer, weil die Musketen ein wenig teurer, „aber bei weitem besser, gerecht, gut, auch von besserem Zeug und auf die Prob gemacht worden, beiseits gestellt und sitzen lassen“ habe. Von mehreren Seiten seien „allerlei Prügel dem Werk in den Weg geworfen worden“ und ihre Hoffnung auf eine „ordentliche Befreiung“ (Erzeugungsprivilegium) wurde nicht erfüllt. Sie wären aber auch „aus Mangel an Leibsgesundheit“ nicht mehr in der Lage, die Rohrschmiedwerkstatt weiter herzuhalten u. bitten, da sie diese auf Gutheißen der Stadtobrigkeit errichtet haben, um Erstattung der aufgelaufenen Unkosten. Die Stadt möge das Werk weiterführen, sie werde auch das Privilegium erlangen und die Erzeugnisse gut verhandeln können.75) Der Magistrat, der an dem Unternehmen wenig interessiert war, wusste jedenfalls den Rücktritt der Gesellschaftsmitglieder zu verhindern. Ohne Zweifel war deren Wirtschaftslage recht ungünstig. Bereits am 3. März 1597 waren sie gezwungen, an den Kaiser ein Bittgesuch um Bezahlung der gelieferten Geschosse und Geschütze abzusenden.77) Auch bei den folgenden Waffenlieferungen mussten sie, wie wir gesehen haben, oft jahrelang auf den Eingang des Geldes warten.
Am Sonntag Invocavit des Jahres 1598 starb Hanns Adam Pfefferl.78) Das Ableben des bedeutendsten Gesellschaftsmitgliedes hat zum Verfall der Steyrer Waffenindustrie wesentlich beigetragen. Die Leitung des Büchsenhandels übernahm nun vermutlich Hieronymus Hirsch. Aber auch er, der im Zuge der politischen Gegenreformation im Jahre 1600 mit anderen Ratsmitgliedern in Linz einige Zeit im Arrest verbringen musste,79) hatte keine Freude mehr am Werk in Vogelsang. Verärgert über den schleppenden Einlauf der Außenstände, entließ er im Jahre 1602 die Arbeiter.80) Damit wurde nach einem neunjährigen Bestand die erstmals in Ober- und Niederösterreich gegründete Waffenindustrie auf viele Jahre stillgelegt.
Die mit allerlei Streitigkeiten verbundene Liquidierung des Unternehmens zog sich jedoch über ein Jahrzehnt hin. So führte noch im Mai 1611 der Stadtrat mehrmals Verhandlungen mit Hieronymus Hirsch, den Erben Pfefferls und Heinrich Trisel.81) Dem Bürger Georg Leschenbrant, der als Verwalter den Rohr- und Büchsenhändlern fast neun Jahre lang gedient hatte, schuldeten sie laut Rechnung vom August 1608 noch 408 fl. 5 ß 12 d an Besoldung. Als er sich deshalb 1613 an die Stadtobrigkeit wandte, warf ihm der Stadtkämmerer Georg Thalhammer vor, dass bei seiner Rechnung noch Waren im Werte von 1.800 Gulden fehlen. Leschenbrant aber konnte nachweisen, dass diese Waffen, und zwar 859 verschiedene Haken und Musketen, von Hirsch und Matthäus Purckhardt in Wien verkauft worden waren. Er selbst hatte im Einvernehmen mit Trisel und Hirsch nur 37 Doppelhakenrohre zurückbehalten. Unter solchen und ähnlichen Zwistigkeiten vollzog sich die allmähliche Auflösung der Rohr- und Büchsenhandlungsgesellschaft.82)
Durch einige Jahrzehnte wurde nun die Feuerwaffenerzeugung wieder durch einzelne Handwerker betrieben. Zu Anfang des Jahres 1599 bewilligte der Rat den Büchsenschiftern Christoph und Hans Laimber das Rohrziehen und die Verbesserung der Ziel-, Pürst- und Faustbüchsen.83) Der hervorragendste Büchsenmacher nach dem Niedergang der Waffenindustrie dürfte wohl der mehrmals erwähnte Matthäus Purckhardt gewesen sein. Er versorgte die Stadt Steyr und Mitglieder des Adels mit Schießwaffen.84)
In der Zeit des Dreißigjährigen Krieges wurde Steyr vom Kaiser öfters aufgefordert, die Massenproduktion wieder in Angriff zu nehmen.85) Im Jahre 1633 verlangten dies auch die Obervorgeher der Innerberger Hauptgewerkschaft.86) Der Waffenbezug aus Nürnberg und Suhl wurde nicht selten durch Kriegshandlungen gestört. Im genannten Jahre z. B. bezog Österreich aus Suhl 2.574 Musketen, 316 Karabiner, 309 Pistolen und 5 lange Feuerrohre im Gesamtwert von 10.758 fl. 25 Kreuzer.87)
Der von Jahr zu Jahr zunehmende Bedarf an Kriegsausrüstung bewirkte schließlich, dass unter Kaiser Ferdinand III. (1637—1657) auch in Steyr wieder die Produktion von Feuerwaffen in größerem Umfang ausgenommen wurde.
- Bittner, Das Eisenwesen in Innerberg-Eisenerz bis zur Gründung der Innerberger Hauptgewerkschaft im Jahre 1625. Archiv für österreichische Geschichte (1901), Bd. 89, 2. Hälfte, S. 555, 557
- Rolleder, Heimatkunde von Steyr (1894). S. 194.
- Ofner, Der Handwerkerstand in der tausendjährigen Geschichte Steyrs. Veröffentlichungen des Kulturamtes der Stadt Steyr (1949), S. 13.
- Neumeister lieferte 1578/79 in die Rüstkammer des Stiftes Kremsmünster Spieße, Partisanen, Helmbarten und Federspieße. P. Th. Dorn, Abriss der Baugeschichte Kremsmünsters. Heimatgaue (1929), S. 98.
- Tremel, Der Frühkapitalismus in Innerösterreich (1954), S. 89 f. — K. Dinklage, A. Wakolbinger, Kärntens gewerbliche Wirtschaft von der Vorzeit bis zur Gegenwart (1953), S. 158. — H. Pirchegger, Das steirische Eisenwesen von 1564 bis 1625 (1939), S. 91, 109.
- Kaiser Rudolf II. (1576 — 1612).
- Hantsch, Die Geschichte Österreichs, Band 1 (1951), S. 333 f. — K. Eder, Glaubensspaltung und Landstände in Österreich ob der Enns 1525 — 1602 (1936), S. 299. — Mayer-Kaindl, H. Pirchegger, Geschichte und Kulturleben Österreichs, Band II (1960), S. 64, 75.
- Preuenhueber, Annales Styrenses (1740), S. 308 ff.
- Niederösterreichische Regierung und Kammer in Wien; nach 1564 Mittelbehörde für die Länder Österreich ob und unter der Enns.
- Die Eisenobmannschaft für Österreich wurde 1584 gegründet. Sie hatte ihren Sitz in Steyr. A. Hoffmann, Wirtschaftsgeschichte des Landes Oberösterreich (MCMLII), S. 118.
- Pantz Anton v., Die Innerberger Hauptgewerkschaft (1625 — 1783). Forschungen zur Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte der Steiermark. Bd. VI, Heft 2 (1906), S. 171 f., Anhang VII.
- Die Eisenhandelsgesellschaft war „eine Vereinigung von Bürgern unter Garantie der Stadt zum Zwecke des Eisenverlages“. L. Bittner, a. a. O., S. 607.
- Krenn, Häuserchronik der Altstadt Steyr. Veröffentlichungen des Kulturamtes der Stadt Steyr (Juni 1951), S. 86.
- Abkürzungen: F. = Faszikel, F. RMH. = Faszikel Rohr- und Musketenhandel, Kasten IV, Lade 15, Nr. 82, Rp. = Ratsprotokoll, BRR. = Bürgermeister, Richter und Rat. Die zitierten Archivalien befinden sich im Archiv der Stadt Steyr. — F. RMH. BRR. zu Steyr an den Kaiser, 3.10.1595, Konzept.
- Gebäude der Sparkasse.
- Krobath, Die Bürgermeister der Stadt Steyr und ihre Zeit. Veröffentlichungen des Kulturamtes der Stadt Steyr. Heft 19 (Februar 1959), S. 63 — 68. — V. Preuenhueber, a. a. O., S. 291, 297.
- Kreisgerichtsgebäude.
- Krenn, Häuserchronik der Altstadt Steyr. Phil. Dissertation, Innsbruck, Maschinschrift (1949), Nr. 146.
- In den Armaturenwerkstätten der Stadt Suhl gelangte auch Eisen aus dem Innerberg zur Verarbeitung.
- RMH., BRR. zu Steyr an den Kaiser, 3.10.1595, Konzept. — Den ersten Büchsenmacher aus dem Reich brachte mit Zustimmung des Stadtrates Heinrich Trisel im September 1593 nach Steyr. Rp. v. 11.9.1593, S. 265
- RMH., Mattheusen Purckhardt, Büchsenmacher und Bürger zu Steyr an den Rat der Stadt Steyr, ohne Datum.
- RMH., Schreiben der Hammermeister zu Reichraming an die Gesellschaft der Eisenhandlung zu Steyr, 17.12.1597.
- Kurze Darstellungen der Steyrer Rohr- und Büchsenhandlungsgesellschaft finden sich bei L. Bittner, a. a. O., S. 558, und W. Krenn, Steyr als Mittelpunkt des oberösterreichischen Eisenwesens von den Anfängen bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts. Phil. Dissertation Graz, Maschinschrift (1951), S. 101 — 104.
- RMH., „Die Rohr Arbeitter Betreffent“, undatierter Bericht von Jakob Talner.
- RMH., BRR. zu Steyr an den Kaiser, 3.10.1595, Konzept.
- RMH., Konzepte v. 3. und 23. Oktober 1595.
- Ebenda, Schreiben v. 25. Oktober 1595, Konzept.
- Ebenda, Schreiben v. 7. November 1595, Konzept.
- RMH., Staineggers Bericht v 14.12.1595, Abschrift.
- Landesvizedomamt = oberste Finanz-Landesbehörde.
- RMH., Undatierte Berichte von Trisel und Stainegger, Abschriften.
- Ebenda, Abschriften der Schuldbriefe.
- Mayer, Geschichte von Wiener Neustadt. Bd. III (1927), S. 102.
- RMH., Undatierte Berichte von Trisel und Stainegger, Abschriften. BRR. zu Steyr an Heinrich Trisel (Wien), 8. Mai 1596, Konzept.
- Ebenda, Schreiben u. 22. 12. 1595, Konzept.
- Ebenda, Schreiben v. 21. 12. 1595. — Kaiser Rudolf II. residierte in Prag.
- RMH., Hans Zapf an BRR. der Stadt Steyr., 4. Juli 1956. BRR. an Hans Zapf, 16. 10. 1596 und 3. 1. 1597, Konzept. BRR. an Ferdinand Hofmann, 3.1.1597, Konzept. BRR. an Ferdinand Hofmann. 5.10.1598, Konzept.
- Purt, Pucrd, Bucrd oder Puschen — 125 Pfund, lt. Eisenordnung Kaiser Ferdinand I. (1560). I. Hack, Steyr und seine Beziehungen zum innerbergischen Eisenwesen Veröffentlichungen des Kulturamtes der Stadt Steyr (März 1953), S. 54, Anmerkung 98.
- RMH., „Von den Hammermeistern in Österreich der Aufbringung des Puxen- oder Roreisen betr.“ 6.11.1595. — fl. = Gulden, ß = Schilling, d = Pfennig, kr. = Kreuzer; 1 fl, = 8 ß = 240 d = 60 kr.
- Bittner, a. a. O., S. 521. — H. Pirchegger, Das steirische Eisenwesen von 1564 bis 1625, S. 27. Welsche Hämmer waren schwere Hämmer, wie sie auch in Oberitalien (Brescia) in Verwendung standen.
- Pantz A. v., a. a. O., S. 15, 166 f.
- RMH., Bericht über die „Prob“ am 3. September 1596.
- RMH., Trisel, Pfefferl und Hirsch an den Rat der Stadt Steyr, 8. Jänner 1597.
- Ebenda, Reichraminger Hammermeister an den Eisenobmann, 14. April 1597, Abschrift. —Büchsenrohrhändler an BRR. in Steyr, 25. April 1597.
- Ebenda, Reichraminger Hammermeister an die Gesellschaft der Eisenhandlung in Steyr, 17. Dezember 1597.
- RMH., „Memorial das Büchsenwerckh Zu Styer betreffent“ von Hieronymus Hirsch, 27. November 1598.
- Ebenda, Rohreisenlieferungen des Clement Schrapacher, 20. 7. 1606.
- Krenn, a. a. O., S. 104.
- RMH., Undatierte Preislisten („Tax oder Anschlag der Büchsen in welchem Wert so können von Steyr aus gen Wien geliefert werden“).
- In Klammer: Angabe des Stückpreises.
- RMH., Undatierte Preisliste von Heinrich Trisel.
- 1 Zentner = 100 Pfund = ca. 56 kg.
- Müller, Historische Waffen (1957), S. 139.
- Ebenda, S. 120.
- Ebenda, S. 120. — V. Poschenburg, Die Schutz- und Trutzwaffen des Mittelalters (1939), S. 187.
- Müller, a. a. O., S. 129. — Mitteilung d. Herresgeschichtlichen Museums in Wien (Abkürzung: M. HGM.) — Für wertvolle Hinweise danke ich ergebenst Herrn Prof. Dr. Heinz Zatschek, Direktor des Herresgeschichtlichen Museums in Wien.
- RMH., H. Trisel an den Rat der Stadt Steyr, 30.5.1596.
- Müller, a. a. O., S. 123.
- HGM.
- Vielleicht von mhd. zinden = brennen, glühen; — Zunder = getrockneter Baumschwamm zum Feuerfangen. F. Kluge, A. Götze, Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache (1951), S. 910.
- Müller, a. a. O., S. 124. — O. Zierer, Entfesselte Gewalten (1956), S. 309.
- HGM.
- HGM.
- HGM. — H. Müller, a. a. O., S. 28.
- RMH., Undatierte Aufstellung.
- Am 30. Mai 1596 meldete Trisel aus Wien, dass er 40 Stück Feuerschlossbüchsen und etliche Halbhaken an Augsperger verkauft habe. F. RMH., Trisel an BRR. der Stadt Steyr, 30.5.1596.
- Dem Preis nach zu schließen, dürfte es sich um ein Schwammschloss handeln.
- RMH., „Die Verwandten des Püxenhandels Zu Steyr“ an den kaiserl. Rat, Kriegssekretär und Rentmeister auf Steyr Heinrich Nickharden und Michael Heuig, Gegenschreiber daselbst, 12.5.1596, Konzept. — H. Trisel an Heinrich Nickhard, 24.5.1596.
- Ebenda, Empfangsbestätigung Wolf Eglauers, 28.6.1596.
- Ebenda, W. Eglauer au H. Trisel, 27.11.1596. — Schreiben aus Graz an den Bürger und Handelsmann Matthäus Zöchling, Jänner 1597.
- RMH., NÖ. Kammerräte an BRR. zu Steyr, 30. September 1597. — BRR. zu Steyr an die NÖ. Regierung und Kammer, 30.10.1597.
- Ebenda, Kaiser Rudolf II. an die Aufschlag-Amtsleute zu Engelhartszell, 28.7.1602. — H. Hirsch an den Rat der Stadt Steyr, 9.10.1602.
- Ebenda, NÖ. Kammerräte an BRR. zu Steyr, 28.6.1602,
- Ebenda, NÖ. Kammerräte an BRR. zu Steyr, 19.7.1602.
- RMH., NÖ. Kammerräte an BRR. zu Steyr, 10.9.1602. — H. Hirsch an den Rat der Stadt Steyr, 9.10.1602. — Vorgeher der Gesellschaft d. Eisenhandlung an den Rat d. Stadt Steyr, 4.11.1602.
- Ebenda, Pfefferl, Hirsch und Trisel an den Rat d. Stadt Steyr „vmb haimsagung der hierigen Puxenwerckstadt gehorsambes anlangen vnd bitten“, 7.2.1597.
- Bittner, a. a. O., S. 558.
- Krobath, Die Bürgermeister der Stadt Steyr und ihre Zeit. Veröffentlichungen des Kulturamtes der Stadt Steyr, Heft 19 (Februar 1959), S. 67.
- Eder, a. a. O., S. 350. — V. Preuenhueber, a. a. O., S. 328 f.
- Hirsch an den Rat der Stadt Steyr, 9.10.1602.
- v. 13. Mai 1611, S. 98.
- RMH., Georg Leschenbrant an den Rat der Stadt Steyr, 22.5.1613.
- v. 10. Februar 1599, S. 66. — Das Rohrziehen galt damals als „freie Kunst“.
- RMH., Matthäus Purckhardt an den Rat der Stadt Steyr, ohne Datum.
- Krenn, a. a. O., S. 103.
- X. Pritz, Beschreibung und Geschichte der Stadt Steyr (1837), S. 33.
- Krenn, a. a. O., S. 103.
Aus den Veröffentlichungen des Kulturamtes der Stadt Steyr, Heft 22, Dezember 1961