Die Darstellungen der Vier Gekrönten in Steyr

Die Darstellungen der Vier Gekrönten in Steyr

Von Adolf Bodingbauer

 

Die großen Aufgaben, die den Steinmetzen in den Kirchenbauten des Mittelalters gestellt waren, verursachten, dass sie sich zur bedeutendsten, geschlossensten, das ganze Reich umspannenden Zunft jener Zeit entwickelten. Die berühmtesten Bauhütten waren Köln, Wien und Bern (später Zürich). Unter diesen war die Wiener die bedeutendste. Allen aber übergeordnet war die Straßburger Hütte. Besonders bedeutsam für Steyr war die Wiener Bauhütte. Im Jahre 1443 wurde mit dem Bau der Stadtpfarrkirche in Steyr begonnen — gerade zu einer Zeit, in der die Wiener Bauhütte weithin großen Einfluss hatte. In Steyr befand sich eine Viertellade dieser Dombauhütte. Trotz der vielen Schäden, die das „Steyrer Münster“ im Laufe von über fünf Jahrhunderten erlitten hat, bleibt seine Bedeutung als Werk der Wiener Dombauhütte aus der Blütezeit der Gotik ungeschmälert. Es ist zu den großen Werken österreichischer Gotik, deren Verwandtschaft augenfällig ist, zuzugesellen. Sie werden kunsthistorisch in nachstehender Reihen folge aufgezählt: St. Stephan — Wien, St. Ägid und Koloman — Steyr und St. Stephan — Eggenburg. Wie alle Berufsstände in vergangener Zeit hatten auch die Bauhütten ihre Schutzpatrone. Es waren dies die sogenannten Vier Gekrönten. Schon in der Hüttenordnung von Straßburg aus dem Jahre 1459 sind sie erwähnt, Steyr besitzt zwei Darstellungen der Vier Gekrönten: Eine befindet sich — (charakteristischerweise) — in der Stadtpfarrkirche, die andere im Heimathaus, Wer sind die Vier Gekrönten? Was macht die beiden Darstellungen erwähnenswert?

Die historischen Tatsachen sind äußerst spärlich überliefert, viele Angaben über die Vier Gekrönten sind legendenhaft. Bisweilen geht die herangezogene Literatur über sie etwas auseinander. Einen Hinweis darüber gibt die Kirchengeschichte von Tomek im Kapitel „Die ersten Christen in den Donauländern“: „…Die nächsten sicheren Nachrichten tauchen dann erst in der Zeit der diokletianischen Verfolgung auf: In den Marmorbrüchen von Sirmium (Mitrowitz) in Pannonien erlitten vier christliche Bildhauer, die einen fünften bekehrten, das Martyrium, weil sie sich vor Diokletian weigerten, eine Statue des Äskulap zu fertigen. Sie wurden in Bleisärgen in die Save gestürzt (294?)“. Ihre Namen werden nicht angeführt.

Im Lexikon für Theologie und Kirche werden die Namen der Vier Gekrönten angegeben.

Sie heißen Sempronianus (oder Symphorianus), Klaudius, Nikostratus und Kastor(ius). Weiter heißt es: „Nach der Legende arbeiteten die Vier Gekrönten als Bildhauer in den kaiserlichen Steinbrüchen Pannoniens, wurden wegen ihrer Weigerung, eine Statue des Asklepius und das Bild des Sonnengottes herzustellen, mit einem fünften Christen, Simplicius, getötet. Ist dies geschichtlich, so kam nicht nur der Kult früh nach Rom, sondern es wurden auch die leiblichen Überreste im 4. oder 5. Jahrhundert dorthin übertragen und „ad duas lauros“ beigesetzt.“ Irrtümlich wurden sie mit den Märtyrern von Albano, Viktorinus und Genossen identifiziert. Nach dem römischen Martyrologium wurden die Brüder Severus, Severianus, Karpophorus und Viktorinus in der diokletianischen Verfolgung um des christlichen Glaubens willen in Rom zu Tode gegeißelt (um 305). Da man lange Zeit ihre Namen nicht kannte, wurden sie die Vier Gekrönten genannt, Vielleicht ist die irrtümliche Identifizierung darauf zurückzuführen, dass in der Nähe ihres Grabes die vier Brüder an der Lavikanischen Straße beigesetzt und später ihre Überreste in der Kirche mit dem Titel „Die Vier Gekrönten“ in Rom gemeinsam bestattet wurden. Ihr Fest wird am 8. November gefeiert.

Es ist somit auf Grund ihres Berufes und ihrer Tätigkeit leicht erklärbar, dass sie als Schutzpatrone der Bildhauer, Steinmetze und Maurer verehrt wurden.

Einer der künstlerisch wertvollsten Grabsteine der Stadtpfarrkirche zeigt ihre äußerst interessante Darstellung (Abb. 1), Im Inneren der Kirche steht im südlichen Seitenschiff, nahe dem Haupteingang, das Grabdenkmal des Baumeisters Wolfgang Tenk (gest. 20.9.1513). Früher befand sich dieser Grabstein an der nördlichen Außenwand der Kirche. Jetzt erinnert noch eine Tafel an den ursprünglichen Standort. Auch Preuenhueber erwähnt ihn: „Dessen Grab-Stein ist zu sehen außerhalb der Kirchen, wo man von St. Gilgen-Thor über das Gatter in Freythof gehet, an der rechten Hand;“. Der Grabstein besteht aus rotem, weißgeäderten Marmor und ist in zwei Teile gegliedert, von denen der obere eine viereckige gotische Einrahmung hat. Der größere obere Teil zeigt ein Kreuz, das auf einem Felsstück errichtet ist; vor diesem kniet links mit der Kopfbedeckung in den Händen der Baumeister Tenk, rechts steht ein Steinmetz geselle im Schurzfell, der einen Schild mit dem Wappen Tenks oder der Steinmetzinnung von Steyr vor sich hält. Das Wappen zeigt vom oberen Schildrand einen rechtwinkelig abgebogenen Arm aus einer Wolke ragend, der in der Faust einen Maurerhammer hält. Neben den beiden Personen wachsen reiche Blattornamente hervor, welche gleichsam als Blumen die Vier Gekrönten tragen und je zu zweien an den Seiten des Kreuzes gruppiert, mit verschiedenen Arbeiten der Steinmetze beschäftigt sind. Zu Füßen des Kreuzes liegt ein Schild mit Tenks Meisterzeichen. Die Figur des Baumeisters darf wohl als Porträt angesehen werden. Ausgehend von den Händen Tenks schlingt sich ein Spruchband um den Stamm des Kreuzes mit folgenden Worten in erhabener gotischer Minuskel: amor meus crucifixus est (der Gekreuzigte ist meine Liebe).

Die fünfzeilige Inschrift in stark vertiefter gotischer Minuskel auf dem unteren Teil des Steines lautet:

Hie leit begraben der erbar Maister Wolfgang

tenc schtainmez der paumeister ist gebesen

hie pei diser chirichen dem got genadig sei

der gestorben ist an erchtag nach des heilige

chreiz tag ethebum Anno domini 1. 5. 13.

 

Steinmetzmeister Wolfgang Tenk war vom Jahre 1482 bis 1513 als Baumeister an der Kirche tätig, vorher gehörte er der Bruderschaft der Steinmetze von Admont an; (das Handwerksbuch dieser Bruderschaft vom Jahre 1480 enthält sein Handwerkszeichen).

Die zweite Darstellung stammt aus späterer Zeit. Diese ist auf dem Zunftbild der Maurer und Steinmetze (Abb. 2) im 1. Stock des Heimathauses zu sehen. Der Rahmen des Bildes ist spätbarock, der das Bild krönende Adler deutet vielleicht bereits ein klassizistisches Formelement an. In Seiten- od. Eckbildern sind die Schutzpatrone auf Metallplatten gemalt. Die beiden oberen sind als betagte Männer mit Bärten (Abb. 3 u. 4), die beiden unteren als Jünglinge dargestellt, alle mit Emblemen des Handwerks. Das dominierende Bild in der Mitte zeigt eine allegorische Verbindung zwischen dem Tempelbau des Königs Salomon und der Unbefleckten Empfängnis. Unter diesem, wiederum auf eine Metallplatte gemalten Bild ist folgende Inschrift zu lesen:

 

Welch‘ Wunder, daß wir hier an Salomons Tempel zu schauen,

Ohn‘ Eisen Hammerschlag, ist göttlich Werk zu bauen,

Ein Sinnbild, daß wir nur an Christi Mutter finden,

Sie blieb ja unbefleckt von Adams Fall und Sünden.

 

Karl Huber, geprüfter Bau- und Maurermeister, als Obervorsteher,

Anton Haslinger, Steinmetzmeister, als Mitvorsteher.

Renoviert nach dem Brand 1824.

Links von der Inschrift:

Franz Arbeshuber, Baumeister, als Vorsteher;

rechts:

Georg Radermayr, Steinmetzmeister, als Mitvorsteher.

Renoviert 1875.

 

Diese beiden Darstellungen, besonders die erste, beweisen, dass Steyr ein bedeutender Mittelpunkt der Baukunst gewesen ist.

 

 

 

Als Unterlagen dienten:

 

  • Wörterbuch der deutschen Volkskunde, Stuttgart 1955, Seite 730.
  • Josef Wackerle, Die Stadtpfarrkirche zu Steyr.
  • Ferdinand Wiesinger, Von der Steinmetzzunft, In den „Heimatgauen“ (Zeitschrift für oberösterreichische Geschichte Landes- und Volkskunde), 7. Jahrgang, Linz 1926, Seite 147.
  • Dehio, Oberösterreich, Wien 1958, Seite 327.
  • Ernst Tornek, Geschichte der Kirche; Erster Teil, Altertum und Mittelalter, Seite 21—22.
  • Lexikon für Theologie und Kirche, 10. Band, Seite 602—603.
  • Anselm Schott, Das Meßbuch der heiligen Kirche, Freiburg 1952, Seite 981.
  • Deutsches Brevier, 2. Band: Pfingsten bis Advent; Seite 924—925.
  • Johann Wussin, Die Grabdenkmale der Stadtpfarrkirche in Stadt Steyr und ihres ehemaligen Friedhofes; Handschrift 1876.
  • Anton von Pantz, Die Grabdenkmale der Stadtpfarrkirche zu Steyr im Jahrbuch der k. k. Heraldischen Gesellschaft „Adler“, Wien 1911, Seite 89.
  • Valentin Preuenhueber, Annales Styrenses. Nürnberg 1740, Seite 96.

 

Aus den Veröffentlichungen des Kulturamtes der Stadt Steyr, Heft 20, April 1960

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