Die Bürgermeister der Stadt Steyr und ihre Zeit (Fortsetzung)
Von Erlefried Krobath
Als Bürgermeister der Jahre 1599 und 1600 spielte Hanns Muth im politischen Leben und im Glaubenskampfe Steyrs eine bedeutende Rolle. Die Ratswahlen für das Jahr 1599 waren nach altem Brauch und Herkommen abgehalten worden. Ohne Bekanntgabe des Grundes wurde der Stadt aber diese Art der Wahl für 1600 durch die n.-ö. Regierung eingestellt, den Stadtfunktionären des Jahres 1599 wurde jedoch befohlen, in ihren Ämtern zu verbleiben.
Muth erwarb als Tuchscherer, gegen eine Gebühr von 4 Thalern, das Bürgerrecht der Stadt.1) Auch er war mehrere Jahre lang Ratsmitglied gewesen und hatte die Funktion eines Siechenhausverwalters, Mautners, Kirchenmeisters, Verordneten zur Kasse, sowie des Stadtrichters der Jahre 1596-1597 bekleidet.2) Im Steuerbuch des Jahres 1583 wird er als Gastgeb und Händler mit Nägeln, Gewand und Wein genannt.3) Von seiner Mutter Anna hatte er das Haus Stadtplatz Nr. 10 (später Gasthaus „Zum braunen Hirschen“) geerbt,4) die Häuser Grünmarkt 3 und Ennskai 37 (später Gasthaus „Zum schwarzen Bären“) hatte er selbst erworben.5) Auch in Pyrach besaß er Haus und Garten.
Schon zwei Jahre nach Erreichung des Bürgerrechtes in Steyr wollte sich Muth verehelichen. Die Witwe des Ratsbürgers Hans Khlingler schenkte seinen Werbungen Gehör und es kam zu einer „ehelichen Heyratsverpflichtung“. Durch ein „verhenngnus Gottes“ jedoch war die Braut „mit dem schlag getroffen“ worden und konnte nicht mehr reden. Nach einigen Wochen aber hatte sie sich erholt und kam wieder in den Besitz der Sprache. Muth wollte sie nun heiraten. Inzwischen hatten aber liebe Nachbarn der vermögenden Witwe von der Ehe mit dem Versprochenen abgeredet. So leichten Kaufes gab sich Muth aber nicht geschlagen und er wandte sich an den Rat der Stadt mit der Bitte, dass dieser bei der Khlinglerin wegen der eingegangenen Heiratsverpflichtung intervenieren und mit „Ir handlen“ wolle. Die Stadtväter erklärten sich aber hierfür nicht zuständig und stellten das Ansuchen Muths dem evangelischen Ministerium mit dem Ersuchen zu, dass dieses das „angefanngen Heyrattswerch“ weiterbringen möge.6) Trotz der Fürsprache dieses höchsten örtlichen Kirchenamtes kam es zu keiner Einigung mit der Versprochenen und wir finden den Bürgermeister später der Susanna Haindlin, einer Tochter des Ratsbürgers Gotthard Haindl angetraut. Dieser Ehe entsprossen fünf Kinder: Matthäus, David, Johanna, Christina und Margaretha.
Am 13. 4. 1602 errichteten Muth und seine Frau ein gegenseitiges Testament, nach dem der überlebende Ehepartner Gesamterbe des vorhandenen Vermögens sein sollte, freilich wurde er mit der Aufgabe betraut, die Kinder zu erhalten und zu erziehen. Jedem Kinde wurden überdies 1000 Rheinische Gulden, den Söhnen des Erblassers auch dessen Kleider, Rüstung und Zugehör, den Töchtern Frauenkleider und „Frauenzier“, den Verwandten in auf- und absteigender Linie je 100 Gulden vermacht. Sollten sich diese an der genannten Summe nicht „ersättigen“ lassen, hätten die Legate zur Hälfte dem Kaiser und zur anderen Hälfte den Armen im Bruderhause zu gehören.7)
Erzherzog Ferdinand hatte 1596 die selbständige Regierung von Innerösterreich angetreten. Die von ihm begonnenen Religionsreformen veranlassten auch Landeshauptmann Löbl in den folgenden Jahren mit großem Eifer daranzugehen, den Protestantismus im ganzen Lande ob der Enns auszurotten und dem Katholizismus zum Siege zu verhelfen. Vorerst hatte man das Bestreben, die landesfürstlichen Städte, darunter Steyr, zum alten Glauben zurückzuführen.
Die zu einer Sitzung des Landtages nach Linz abgeordneten Ratsherren Hieronymus Händl und Hanns Stauder sandten anfangs Jänner 1599 der Stadt die Abschrift einer kaiserlichen Entschließung, der zu entnehmen war, dass die Ausübung der lutherischen Lehren im Lande abgeschafft werden sollte. Eine Ausnahme war nur für den Herrenstand und die Ritterschaft vorgesehen, die ihre religiösen Übungen „daheimbs in Iren Schlössern / als nur allein für sich selbst vben sollen vnd mögen / anderwerts aber niemandts Zu anhörung der Predigten hineinlassen sollen“. Da sich die politischen Stände des Landes durch diese Entscheidung „mercklichst beschwert“ fühlten, beschlossen sie, nach reiflicher Beratung, dem Landeshauptmann ein Schreiben zu übergeben, in dem sie bitten wollten, an den Kaiser in Prag ein neuerliches Ansuchen wegen Gewährung der Religionsfreiheit zu richten. Den in Linz befindlichen Ratsherren rieten überdies Freunde, man solle sich ferner des Predigens enthalten, die evangelische Gemeinde zur Geduld ermahnen und die Prediger anweisen, sich an geheimen Orten aufzuhalten.8)
Im Beisein der Herren des evangelischen Ministeriums, der Prediger, Magister9) Balthasar Richter und Magister Joachim Müller, sowie des Diakones Andreas Rennman, wurde über die Lage beratschlagt. Der Rat sah sich einerseits gezwungen, dem kaiserlichen Befehl der Einstellung der lutherischen Religionsausübung nachzukommen, anderseits versuchten Bürgermeister Muth, Stadtrichter Hirsch und die anderen Ratsmitglieder, als getreue Anhänger des Protestantismus, den Weiterbestand der evangelischen Religion zu sichern. Die Prediger gaben den versammelten Räten zu bedenken, dass im Falle der Aufgabe der öffentlichen Religionsausübung auch sehr bald die Gemeindefunktionäre verschiedenen Drangsalen unterworfen werden würden. Sei die freie Religionsausübung einmal abgeschafft, wäre sie kaum wieder zu erlangen, überdies könnte der Rat ohne Vorwissen und Einwilligung der evangelischen Gläubigen Steyrs die Kirchen nicht sperren und die Prediger „abschaffen“, meinten diese. Ein Ausweg fände sich, wenn man die Bürgerschaft vom Rate anweisen ließe, dass sie bei den kaiserlichen Kommissären in Linz (dem Landeshauptmann und Dr. Paul Garzweiler) eine Bittschrift um Genehmigung zur weiteren Ausübung der Exerzitien übergeben sollte, wobei ein Fußfall angebracht wäre.10) Es wäre aber notwendig, einen Ausschuss zu bilden, in den aus jedem Stadtteile eine Person zu wählen wäre. Vielleicht würden sich die Kommissäre dann erweichen lassen, wenn sie merkten, dass die Aufrechterhaltung des evangelischen Glaubens nicht nur „raths getrieb“, sondern auch der Wille der Bürger sei.
Auf diese Anregung der Prediger hin, wurde vom Rat befohlen, alle Viertelmeister am selben Tag um 12 Uhr ins Rathaus zu berufen. Jeder von ihnen sollte außerdem vier Bürger seines Stadtteiles mitbringen. Damit es aber aussehe, die Bürgerschaft habe die Idee einer Bittschrift „selbst erfunden“, wurde der Ratsherr Jakob Bischer beauftragt, mit dem Viertelmeister Hannß Müllehener aus Steyrdorf die Angelegenheit vorher im geheimen zu besprechen. Müllehener sollte dann, wenn er mit den anderen Viertelmeistern in das Rathaus gerufen und ihnen die Angelegenheit unterbreitet werden würde, den Versammelten den Vorschlag machen, eine Bittschrift zu verfassen. Dieser Plan gelang und die Viertelmeister forderten die Abfassung eines Schreibens an die Linzer Glaubenskommissäre.
Der von Linz ergangene Befehl vom 22.12.1598 wurde am 4.1.1599 neuerlich in einer Ratssitzung verlesen. Aus ihm geht hervor, dass wegen Nichtbefolgung des kaiserlichen Befehles innerhalb von 14 Tagen die Prediger auszuweisen, die Kirchen zu sperren und eine Pön von 8000 Dukaten zu leisten wäre. Eine neuerliche Aufforderung gebot, alle Kirchenschlüssel, Stiftungsbriefe und Urbarien (Grundbücher) nach Linz zu liefern. Nach „zweiter vmbfrag“ im Rat wurde beschlossen, diesem Befehle Folge zu leisten.11)
Nachdem selbst der Fußfall der Abgeordneten in Linz nicht zum gewünschten Ziele geführt hatte, beschäftigte sich der Rat am 5.1.1599 wieder mit den Problemen der evangelischen Religionsausübung. Die beigezogenen Prediger äußerten sich zu diesen Fragen: „Weicht man anfangs ain wenig / so lässt der feindt nit nach / Setzt man sich dann Zu starckh / so hat man desto grössere Straff Zu besorgen. Das sie also Ihres theils auch anstehen / Welches Zu erwehlen“. Weil der Gottesdienst nicht an Gebäude gebunden sei, meinten die Geistlichen, solle man wohl noch am nächsten Tage, dem Dreikönigsfeste, die Frühpredigt in der Pfarrkirche abhalten und die Gelegenheit nützen, den Gläubigen mitzuteilen, dass künftighin in der Schul- und Spitalskirche gepredigt werde. Dies müsse man ihnen sagen, da sie sonst den Eindruck hätten, als sei man von der „erkanten vnd bekanten“ Religion abgefallen. Die Sperrung der Pfarrkirche solle einerseits „Zu mehrer begüetigung des Kaisers“ geschehen, anderseits könne man dadurch vielleicht die anderen Kirchen als Kultstätte für den Protestantismus erhalten. Zum Schutze der Prediger erwog man, sie aus den Stadtwohnungen zu entfernen und zu ihrer Sicherheit an anderen Orten zu verbergen. Sie selbst aber meinten, sie begeben sich in den gnädigen Schutz und Schirm Gottes und seiner Engel und fürchteten sich nicht. Sie bedankten sich beim Rate für alle treuherzige Fürsorge. Am liebsten verblieben sie in ihren Wohnungen, da sie nicht wüssten, wo sie sich in der Stadt verbergen sollten, und baten den Rat. ihre Haustüren instand setzen zu lassen, damit sie diese bei einem Tumult verschließen könnten.12)
Damit man das Übel nicht größer mache, beschloss der Rat am Ende dieser langen Beratung, die Predigten in der Pfarrkirche einzustellen und sie in der Schulkirche abzuhalten. Die Prediger sollten weiter in ihren Wohnungen verbleiben. Der Stadtkämmerer wurde beauftragt, alle Mängel beheben zu lassen. Außerdem sollte die Nachbarschaft auf die Predigerwohnungen „vleißig aufsehen“. Die Pfarrkirche ist nach der Frühpredigt am folgenden Tage, den 6. 1., zu sperren. Weitere Nachrichten aus Linz sind zu erwarten.
Schließlich teilten die Prediger dem Rate noch mit, dass sie erfahren hätten, der Radschmied Winckler und der Bürger P. Reicheneder befänden sich in Linz. Dort „blasen“ sie dem Landeshauptmanne ein, was sie über die Beschlüsse des Steyrer Rates und Bürgermeisters erfahren und überdies „hauen (sie) ain Ersamen rath vnuerschuldter ding mit vnwarheit wacker ins Salz“.13) Diese Mitteilung bewirkte, dass eine Reihe wichtiger Ratssitzungen nicht mehr im Rathause, sondern in der Wohnung des Stadtschreibers Höher abgehalten wurde, um ein vorzeitiges Bekanntwerden der Beschlüsse zu verhindern.14)
Wie ernst und bedrohlich die Zeit für die Existenz eines öffentlichen Angestellten eingeschätzt wurde, zeigt wohl am besten ein Ersuchen, das Stadtschreiber Melchior Höber an den Rat richtete. Er bat ihn, in „billichen sachen vnd für (vor) gewaltt notturftiglich (zu) schützen vnd schirmen vnd (ihm) nichts vngelegenes widerfahren Zulassen“. Als Stadtschreiber sehe er sich in höchster Gefahr „so wol des leibs als auch des lebens“. In welcher Angelegenheit immer der Rat ihn habe Briefe schreiben lassen, wisse er sich keiner unredlichen Tat schuldig. Der Inhalt der verfassten Briefe sei stets vom Rate beschlossen und die Schreiben vor der Absendung nochmals verlesen worden. Falls man ihn für diese Briefe einmal zur Verantwortung ziehen sollte, bäte er den Rat, den ja die Verantwortung für den Inhalt dieser Schreiben trifft, sich hinter ihn zu stellen, andernfalls solle „am anderer vnd waiß nit wer in ainem solchen mühesamen officio (Amt)“ verbleiben. Da nunmehr, wie Höber ausführte, bald ein „Bäpstischer“ Stadtschreiber an seiner Stelle sein und ihn absetzen werde, müsste er sich um einen anderen Aufenthaltsort umsehen. Alles was er in Steyr verdient hätte, wäre zum größten Teile aus seine „gebeur vnd Haußhaltung“ aufgegangen. Da ihm wenig Barmittel zur Verfügung ständen, bitte er den Rat auch, ihm die seinerzeit versprochenen Honorare für seine zusätzliche „starcke vnd schier unmenschliche mühe vnd labores (Arbeiten)“ bei den zwei Eisenkommissionen und bei der neuen Wiener „rauch Eisenstaigerungs Commihsion“ auszufolgen. Er hoffe, dass der Rat jetzt sein Versprechen einlösen werde. Sollte dies jedoch nicht der Fall sein, so werde er zur Erlangung seines Honorares für die geleisteten Mehrarbeiten „andere mittl Zu dessen erlangung an die Handt… nemben“. In seiner Antwort stellte der Rat fest, dass Höbers Treue, Fleiß und Bemühungen im Dienste immer geschätzt worden wären. Es sei schon immer beabsichtigt gewesen, die Sonderarbeiten zu honorieren. Hätte man früher daran erinnert, so wäre dies längst geschehen. Man werde dies sofort nachholen. Es wurde durch die Ratsherren auch erklärt, dass sich Höber jederzeit auf ihren Schutz verlassen könne. Man lege auf seine wertvollen Dienste auch noch weiterhin großen Wert, ganz besonders in dieser traurigen Notzeit.15)
Die Rückkehr der Gesandten der Bürgerschaft aus Linz am 7.1. gab Grund, neuerdings über die Lage zu beraten. Die beigezogene evangelische Geistlichkeit meinte, da der Feind „sehr schnarcht vnd Pocht sye die gefahr (für den evangelischen Glauben) nit so groß, alß wenn er arglistig mit den fachen vmbging“. Man solle die Pfarrkirche sperren und die Predigten in der Schul- und in der Spitalskirche abhalten. Dieser Ansicht schlossen sich die versammelten Ratsherren an. Die Prediger sollten nicht mehr das Wort Gottes künden, sondern in ihren Wohnungen verbleiben, wo man sie jederzeit zu Rate ziehen könne. Kindertaufen, Krankenbesuche und andere Glaubensverrichtungen sollten von den Diakonen Rennman und dem „pestilentialis“ Conrad Khun besorgt werden. Auch sollten sie nicht predigen und nur Gläubige, von denen sie verlangt würden, in deren Häusern besuchen.16)
Eine neue Delegation wurde nach Linz geschickt, um dort wegen der Pfarrschlüssel vorzusprechen und bei den Verordneten der politischen Stände Rat einzuholen. Gleichzeitig hatte sie Dr. Paul Garzweiler 50 Dukaten und seiner Frau 25 Dukaten namens der Stadt zu überreichen, da er von den Ratsherren und dem Bürgermeister als sehr einflussreicher Mann betrachtet wurde, in dieser „religions tractation“ fast das „factotum“ sei, und seine Geneigtheit Steyr sicher zum Vorteil dienen werde.17) Bei dieser Vorsprache erfuhren die Gesandten, dass sich die Lage neuerdings verschärft habe, dass unbedingt darauf bestanden würde, alle Predigten einzustellen und die Prädikanten, wenn sie sich noch länger in der Stadt aufhielten, an Leib und Leben belangt würden. Man schlug nun den Predigern vor, sich eiligst auf benachbarte Schlösser zu begeben, wo sie sicher wären. Sie aber beschlossen, in Stadtnähe Zimmer zu beziehen. Nur den alten Conrad Khun wollte man in der Stadt behalten. Er sollte im Spital hausen, wo er, mit Ausnahme des Predigens, seinen Amtsverrichtungen im geheimen nachgehen sonnte.18)
Die Bürgerschaft war mit dem Abzug der Prediger nicht einverstanden. Erst, als man ihr mitteilte, wie schwer die zu erwartenden Strafen bei Nichtbefolgung des kaiserlichen Befehles wären, willigten auch sie in die Abreise ein.19) Pfarrer Lampl verließ mit seiner Familie nach 34iähriger Tätigkeit die Stadt. Am 18.1.1599 teilte der Rat den Predigern M. Müller und M. Rennman mit, dass man sie nicht länger in Steyr aufhalten wolle. Jenem wurden 50 diesem 30 Taler zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes überreicht. Beide wollten vorläufig nach Sankt Peter in der Au ziehen.20) Von der Stadt wurde auch für den weiteren Lebensunterhalt der protestantischen Geistlichkeit gesorgt. Am 29.3. wurde über Ratsbeschluss den Frauen M. Müllers und M. Rennmans das „Quatembergeld“ überwiesen.21) Am 18.6. wurde beschlossen, dem Diakon Rennman jedes Vierteljahr 40 Gulden „Römisch“ aus dem Ungeldgefälle zu geben.22)
In der Bevölkerung der Stadt brodelte und gärte es. Den meisten Bewohnern Steyrs war der katholische Gottesdienst fremd geworden, da der letzte vor nahezu 50 Jahren abgehalten worden war. Der Rat hatte den Viertelmeistern mehrmals befohlen, letztmalig am 10.2. Unruhe zu vermeiden und die Bürger ermahnt, nichts „fürsetzlich“ und „muetwillig“ gegen die Ausübung der katholischen Religion zu unternehmen, da sonst nicht nur dem Rate, sondern auch der Bürgerschaft großer Schaden zugefügt werden könnte.
Trotz der Verwarnungen kam es am 21. Februar zu einem Zwischenfall, der durch ledige Handwerker ausgelöst wurde. An diesem Tage wurde in der Pfarrkirche, die zu Garsten gehörte, die Wiedereinführung des katholischen Gottesdienstes in Gegenwart des Landeshauptmannes Dr. Paul Garzweiler, des neuen Garstner Abtes Alexander vom See und anderer Persönlichkeiten festlich begangen. Gleichzeitig wurde der neue Pfarrer Dr. Oberschwender durch den Passauer Suffragan Dr. Andreas Hoffmann in sein Amt eingeführt. Während der Messe versammelte sich eine empörte Menge vor der Kirche und lärmte. Es kam so weit, dass durch ein Kirchenfenster ein Ziegelstein geworfen wurde, der neben dem Landeshauptmann niederfiel. Dieser schickte die Trümmer des Steines dem Bürgermeister Muth als stumme Ankläger ins Haus.
Um künftige Unruhen solcher Art hintanzuhalten, wurden von der Stadt für einen Wiederholungsfall Strafen an Leib und Gut angedroht.23)
Der Landeshauptmann erteilte dem Rat wegen dieses Vorkommnisses einen Verweis, überdies entsandte er zwei Kommissäre. Dr. jur. Salomon Solinger und Caspar Pürner, nach Steyr. Diese gaben dem Rat bekannt, dass sie beauftragt worden wären, dem katholischen Gottesdienst in der Kirche beizuwohnen, Erkundigungen wegen der stattgefundenen Tumulte zu machen, namhaft gemachte Personen einzuziehen und nach Linz zu überstellen, sowie Wachen der Bürgerschaft und des Rates bei der Pfarrkirche aufziehen zu lassen.24)
Die versammelten Ratsherren erklärten den Kommissären, dass es ihnen nicht möglich sein werde Wachen der Bürgerschaft und des Rates zu stellen, da man dazu ja niemand zwingen könne. Aber es würden die städtischen Gerichtsdiener, die Marktrichter und Stadtwachen zur Verfügung gestellt werden. Was von den Kommissären namhaft gemachte Personen beträfe, so würde das Stadtgericht diese in Haft nehmen. Sollten sie schuldig befunden werden, wolle man sie in Steyr bestrafen.25)
Zu einem neuerlichen Zusammenstoß kam es während der Osterfeiertage 1599. Um die Stadtpfarrkirche hatte sich eine große Anzahl lediger Handwerksburschen eingefunden, während die Religionskommissäre im benachbarten Pfarrhof bei einem Mahl saßen. Aus den Fenstern des Pfarrhofes wurden unter höhnenden Zurufen Feuerwaffen auf die Menge gerichtet und das Tor wurde von Männern mit vorgestreckter Hellebarde gesichert. Dieses Vorgehen erbitterte die Demonstranten aufs Äußerste. Während ein Teil von ihnen den Pfarrhof umlagert hielt, sah sich der andere um Hilfe in der Stadt um. Sehr rasch erfolgte, weiterer Zuzug von Neugierigen und Bewaffneten. Auch Bürgermeister Muth, Stadtrichter Hirsch mit einigen Mitgliedern des Inneren Rates, Viertelmeister und Wachen eilten herbei, um einen Zusammenstoß vermeiden zu helfen. Aus dem Pfarrhof wurden in der Zwischenzeit mehrere Schüsse auf die Demonstrierenden abgegeben. Zwei Messerer und ein Beutlergeselle wurden von „doppelten Trath-Kugeln getroffen und erbärmlich zur Erden gefällt“.
Unter Lebensgefahr hielten nun der Bürgermeister und die Gemeindefunktionäre die Menge ab, den Pfarrhof zu stürmen. Ein eigenartiger Zufall kam ihnen bei ihrem Bemühen zu Hilfe. In dem allgemeinen Trubel wurde auch die Sturmglocke der Kirche geläutet. Da diese Glocke aber auch bei Feuersbrünsten in der Stadt und den Vororten angeschlagen wurde, glaubte ein Großteil der Menge, dass in Steyr Feuer ausgebrocken wäre. Eilends verließen nun viele den Schauplatz, um ihre Wohnungen oder Häuser zu schützen. Die Verbleibenden konnten zum Abzug bewogen werden.26)
Nach Ansicht der Stadtväter schien sich das Predigtverbot in der Stadt auch äußerst schädlich auf die Moral auszuwirken. „… weil sich vngebürliche Vermischung von Mann vnd weibs Personen starckh eraignen…“ befahl der Rat am 3. Mai 1599 dem Stadtrichter, ledige Personen beiderlei Geschlechtes, „welche sich mit diesem Lasster der vnzucht vnd vnehelichen Vermischung / sither der eingestelten Predigten vnd vorher vergriffen haben … alßbaldt …“ aus der Stadt abzuschaffen. Hierbei solle der Stadtrichter mit aller Schärfe vorgehen.27)
Das Fehlen der Predigten hatte seine Auswirkung auch auf die Gemeindearmen. Bisher konnten von den „Armen leutten“ des Spitales, sowie des Bruder- und des neu erbauten Herrenhauses an Sonn- und Feiertagen, sowie an Dienstagen und Freitagen, vor den Kirchen Almosen gesammelt werden. Um die Armen doch in den Genuss der Almosen kommen zu lassen, gab der Rat dem Armenhausverwalter Hieronymus Händl den Auftrag, mit einer „Verschloßenen Püxen“ in die Häuser sammeln zu schicken.28)
Am 16. April 1599 befahl der Rat den Viertelmeistern anzuzeigen, dass der „graussame Erbfeindt der Türckh abermals mit Khriegsmacht wider die Christenheit Zuziehen vorhabe“. Die Bürger sollten aufgefordert werden, sich für den Notfall zu bewaffnen. Den Viertelmeistern und den ihnen unterstellten Rottmeistern wurde aufgetragen, dass sie in ihren Stadtvierteln ein Verzeichnis über jene Bürger, die keine Waffen besaßen, anfertigen sollten. Dieses Verzeichnis müsste bereits am nächsten Tage in der Ratskanzlei abgegeben werden, damit Waffen verteilt werden konnten.29) Auch über die Gestellung von 2000 Mann durch die o.-ö. Städte für die Kämpfe in Ungarn wurde am 4.10.1599 in Linz beraten.30)
Die Kriegsgefahr veranlasste den Rat, energische Maßnahmen zur Sicherstellung von Brotgetreide für die Bevölkerung zu treffen. Das auf den Wochenmärkten zugeführte Getreide hatte in Gegenwart eines Deputierten der Stadt direkt vom Produzenten, den Bauern, an den Konsumenten gegen Barbezahlung verkauft zu werden. Damit wurde die Ausschaltung des Schwarzhandels bezweckt. Weiters erhielten die Viertelmeister den Auftrag, in ihren Stadtteilen die Getreide- und Mehlvorräte aufzuzeichnen und das Ergebnis ihrer Recherchen dem Magistrat bekannt zu geben.31) Wie es sich herausstellte, waren Mehl und Roggen, von denen sich die „arme Bürgerschafft vnd Handwerchsleuth“ ernährten, nur in ungenügender Menge vorhanden. Es wurde daher den Bäckern bei Androhung „ernstlicher vnablessiger bestraffung“ aufgetragen, sich mit Getreide, Weizen und Korn, einzudecken.32) Genügend Getreide einzulagern war auch wegen der geplanten (Einquartierung von Soldaten des Scheubergischen Regimentes in Steyr dringlich geworden. Überdies hatte die Stadt Enns an den Rat ein „bewegliches“ Begehren um Getreide gerichtet, da sich der Hauptmusterungsplatz des genannten Regimentes in dieser Stadt befand. Die Bäcker wurden vom Rate angewiesen, wenn im Land Getreide nicht mehr zu erhalten wäre, dieses in Bayern zu besorgen.33) Das Ersuchen des Marktes Weyer um Getreidelieferungen aus der Stadt wurde unter dem Hinweis auf die zu erwartende Einquartierung abgewiesen.34) Da in Enns, Asten und an der Traun große Mengen Kriegsvolkes einquartiert waren und diese an der Bevölkerung allerlei Mutwilligkeiten verübten, wurden die Viertelmeister der Stadt am 6. Juni angewiesen, in Steyr an den notwendigen Orten während der Nacht einen Wachdienst einzurichten, um eventuellen Übergriffen der Kriegsknechte zu begegnen.35)
Ein makabres Schauspiel wurde den Stadtbewohnern durch die Justifizierung des Anführers im Bauernkriege 1595—1597 geboten. Peter Tasch war am 2. 5. 1598 wegen Rebellion zum Tode verurteilt worden. Da sein Heimatort Pettenbach, in dem er als Gastwirt tätig gewesen war, zum Gerichtsbereiche der Stadt Steyr gehörte, war das Urteil durch die Stadt zu vollstrecken. Über Befehl des Landeshauptmannes sollten auch 300—400 Personen aus der Bürgerschaft zur Bewachung des Hinrichtungsplatzes gestellt werden. Dieses Ansinnen lehnte der Rat ab, da sich hierzu kein Bürger finden würde. Im Übrigen, führte man aus, würde es einer so starken Bewachung gar nicht bedürfen, da Tasch seinerzeit der Stadt allerlei Ungemach durch die Belagerung und Sperrung der Zufahrtswege nach Steyr zugefügt hatte.36) Am 16. September 1599 wurde das Urteil am Stadtplatze vollzogen. In einem Ratsprotokoll ist hierüber vermerkt: „… Vnd ist er (Tasch) auf freiem Platz alhie auf einer Pün mit dem Schwerdt vom Leben Zue Todt gerichtet worden / Vnd hat er sich selbst biß ans ende gewalttig aus Gottes wortt getröstet …“37)
Über viele Teilnehmer am Bauernaufstand wurden Geldstrafen verhängt. So teilte der Rat am 24.6.1600 der Landesregierung mit, dass der hiesige Untertan Leonh. Hausermayr die über ihn verhängte Strafe von 150 Talern erlegt hatte.38)
Die Gefahr eines weiteren Aufstandes der Bauern schien noch nicht abgeklungen zu sein, denn auf einer Besprechung der landesfürstlichen Städte in Linz am 17.10.1599 beschäftigte man sich mit der zunehmenden Stärke der Bauern im Hausruckviertel und der Gefahr eines Einfalles der Bauernhaufen im Traunviertel.39)
Da in Waidhofen an der Ybbs und in anderen Orten der Umgebung Steyrs im September 1599 wieder Infektionskrankheiten auftauchten, sah sich der Rat gezwungen, den Stadtrichter zu beauftragen, in der Stadt und ihren Vororten die Schweineställe entfernen und auch die Gassen und Wohnungen der Bürger von allem „vndufft“ säubern zu lassen.40)
Im Jahre 1599 fehlte es in der Stadt nicht an wiederholten Versuchen, die evangelische Glaubensübung, trotz des kaiserlichen Verbotes, durchzusetzen. Eine Gelegenheit hierzu bot sich anlässlich des Ablebens des Altbürgermeisters Hanns Adam Pfefferl. Da dieser ein begeisterter Protestant gewesen war, wollten Bürgermeister Muth und der Rat durch Magister Joachim Müller für den Verstorbenen eine Leichenpredigt halten lassen.41) Über diesen Plan beratschlagten in Linz anwesende Steyrer Ratsherren mit den politischen Ständen, doch rieten ihnen diese, Geduld zu üben und vorläufig das Predigen zu unterlassen.42) Im Oktober dieses Jahres wurde ein eigener Religionsausschuss des Rates gebildet, dem Bürgermeister Muth, die Räte Schwindenhammer, Gutbrod und Stadtschreiber Höber angehörten. Diese berieten, ob man wegen der Kriegsgefahr durch evangelische Prediger das „Türkengebet“ beten lassen und gleichzeitig mit der Kinderlehre anfangen oder mit dem „völlig werch“ (also auch dem Predigen) wiederbeginnen solle.43) Gegen den Vorschlag mit dem vollen evangelischen Gottesdienst wieder zu beginnen, stimmten in einer Sitzung am 11.10. die übrigen Mitglieder des Rates. Sie meinten, dass die Stadt ein unbestrittenes Recht nur an der Schulkirche besitze.44) In dieser solle alle Tage morgens um 7 Uhr das Türkengebet gesprochen und ein Sermon abgehalten werden. Die Kinderlehre solle sonntags im Spital geübt und dort vormittags die Kommunion „in der Stube“ gereicht werden.
Auch an einen Ersatz für den im Spital tätigen Conrad Khün dachte man, da er schon altersschwach werde. So holte man Vorschläge von M. Müller, dem bestellten Seelsorger der Stadt, und dem Diakon M. Rennman ein. Dazu drängten Türkengefahr und Infektionskrankheiten sich sowohl im „geistlichen als Zeitlichen zu praeparieren“.45)
Ende November beriet der Rat, diesmal in Gegenwart der Prediger Müller und Rennman, was nach dem Ableben Khüns zu geschehen habe. Diakon Rennman solle vorläufig den „pestilentialis“ Khün im Spitale unterstützen, sonst solle er sich in seiner Wohnung aufhalten. Würde Khün sterben, solle Rennman ganz ins Spital übersiedeln. Magister Müller wurde ersucht, die weitere Entwicklung abzuwarten. Im Übrigen wurde den evangelischen Geistlichen der Rat gegeben, in ihren Wohnungen zu verbleiben und sich nicht viel auf der Straße sehen zu lassen.46)
Während des ganzen Jahres 1599 kann man deutlich erkennen, dass Bürgermeister Muth und die Stadtverwaltung sich mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln und Gegebenheiten für die Erhaltung des evangelischen Glaubens einsetzten. Im Jahre 1600 begann der Druck durch die landesfürstliche Obrigkeit stärker zu werden, der Rat musste sich im Wesentlichen aus eine Defensivstellung zurückziehen.
Um noch evangelische Predigten zu hören, hatte die Bürgerschaft an Sonn- und Feiertagen die Predigten für die Studenten des evangelischen Gymnasiums besucht. Dies war dem Rat bekannt geworden u. er befahl am 5.1.1600 dem Rektor Magister Mauritius, bei Predigten für Schüler keine sonstigen Zuhörer zuzulassen.47) Am gleichen Tage beauftragte der Rat den Bürgermeister, mit den Frauen der Prediger Müller und Rennman Rücksprache zu pflegen. Er solle ihnen mitteilen, dass es dem Rat vorkomme, dass sich ihre Ehegatten, trotz „vielfalttiger Treuherziger Warnung“ noch in Steyr aufhielten, obwohl jene mehrmals aufgefordert worden waren, die Stadt zu verlassen. Durch ihre Gegenwart seien die Bürgerschaft und der Rat in Gefahr. Deshalb müsse man sie nochmals ersuchen, dass sie sich „von hier weg begebent vnd sich lenger nit vngelegentlich aufhalten“.
Am 14.1. wurde beschlossen, Magister Müller abzufertigen und sich deshalb in der Wohnung Höbers zu treffen.48)
Über wiederholten Befehl des Landeshauptmannes musste auch das protestantische Gymnasium seine Pforten schließen.49) Die Lehrer wurden entlassen. Der Rektor des Gymnasiums, Georg Mauritius, nahm mit einem wehmutsvollen Gedicht, das uns der Geschichtsschreiber Preuenhuber überlieferte, Abschied:50)
Du Edls Steyr, GOtt behiette dich,
Du hast ehrlich gehalten mich,
In deiner Schooß gepflogen mein
Die gantze Zeitt, weils hat khün sein,
Dein Jugend hab gelehrt ich zwar
Nun in die acht und zwantzig Jahr,
Jetzt aber alt und fast verdrossen,
Werd ich ins Elendt nauß gestosen.
Doch sey GOtt Danck, der durch sein Gnadt,
Mich auch darzu gewierdtigt hatt,
Daß ich was seinen Nahm zu Ehrn,
Soll leiden, thueß auch willig gehrn,
Für dich O Steyer! ich mein Gebett
Zu GOtt will richten, früe und spett,
Sowohl für alle die GOtt mir,
Zu Freundten geben, wie Ich spüer,
Ihr lieben Freundt GOtt Euch behiett,
Von Euch ich Urlaub nimm hiemit,
Und du mein Steyr behiett dich GOtt
Gsegn dich GOtt, rett dich aus Rott.
Für seine treuen Dienste wurde Mauritius der Dank der Stadt ausgesprochen. Gleichzeitig wurde ihm vom Rat für die Fortsetzung der Studien seiner beiden Söhne Karl und Philipp ein Stipendium zugesichert und für seine Übersiedlungskosten nach Nürnberg wurden 100 Gulden flüssiggemacht.51)
Im März wurden Bürgermeister Muth, Stadtrichter Hirsch und die vier ältesten Ratsherren zum Landeshauptmann vorgeladen. Dort wurde ihnen eröffnet, dass es in Linz bekannt wäre, dass Conrad Khün gestorben sei und an seiner Stelle Diakon Rennman im Spital säße. Deshalb seien die anwesenden Steyrer in „Leib vnd guetsstraf“ gefallen, also straffällig geworden. Unbeschadet anderer noch zu verhängender Strafen hätten sie sofort im kaiserlichen Schloss zu bleiben, bis Diakon Rennman aus Steyr fortgezogen wäre. Die Ratsherren entschuldigten sich damit, dass Rennman zwar schon von der Stadt abgefertigt worden wäre, er aber wegen der Kälte noch nicht hätte wegziehen können, da seine Kinder erkrankt waren. Es gelang, den Landeshauptmann zu bewegen, von der sofortigen Strafverhängung abzusehen, doch mussten die Stadtfunktionäre mit „mundt vnd Handt“ geloben, den Diakon sofort nach ihrer Heimkehr wegzuschicken.52)
In drei Gruppen wurde am 28.3.1600 die gesamte Einwohnerschaft Steyrs in das Rathaus entboten.53) Hier verlas ihnen Stadtschreiber Neudecker einen kaiserlichen Befehl, wonach die Steyrer nur mehr am katholischen Gottesdienste teilnehmen durften. Ebenso wurde das Predigen in Privathäusern untersagt und Widerstrebenden hohe Strafen angedroht. Im Laufe des Jahres wurde noch eine weitere Reihe von Verboten und Geboten in Religionsdingen erlassen, so z. B. wurden Osterbeichte und Kommunion zur Pflicht gemacht, Nichtkatholische durften nicht mehr Bürger werden.54)
Der aus Lugano stammende Garstner Abt Alexander vom See zeichnete sich durch besonderen Glaubenseifer aus. Er versuchte vor allem, die Steyrer Bevölkerung für den katholischen Glauben wiederzugewinnen. Da er glaubte, hierzu außergewöhnlicher Mittel zu bedürfen, fuhr er nach Wien und brachte den berühmten Kanzelredner und Domherren Dr. Thomas Rueff mit sich nach Steyr. Dieser fing erstmalig am 2.5.1600 in der Stadtpfarrkirche zu predigen an. Er gab sich redliche Mühe, den Sinn der Steyrer zu wandeln,55) doch wird berichtet, dass nur wenige Leute zu seinen Predigten gekommen waren.56)
Schon am 4. März 1599 hatte Stadtschreiber Melchior Höber von Wolfsegg den Rat ersucht, ihn zu verabschieden und sich um einen Ersatz für ihn umzusehen.57) Nach einer Dienstzeit von 35 Jahren fühlte er sich altersschwach. Der Tod Höbers zwang den Rat schließlich, einen neuen Stadtschreiber anzustellen. In der ersten Ratssitzung des Jahres 1600 hatte bereits Hanns Neudecker (Neitecker, Neudegger), ein Protestant, die Nachfolge Höbers angetreten.58) Diese Neubesetzung fand nicht die Zustimmung des katholisch gesinnten Landeshauptmannes. Die Stadt erhielt den Befehl, vorläufig keinen Stadtschreiber aufzunehmen. Um dem Willen des Landeshauptmannes wenigstens formell Genüge zu tun, beschloss der Rat am 19.1.1600, Neudecker „alßbald fortt zu schieben“.59) Doch sollten noch zwei Jahre vergehen, bis er die Stelle über wiederholten Auftrag des Landeshauptmannes verließ.
Ebenfalls aus religionspolitischen Gründen hatte Landeshauptmann Löbl im November 1599 den Befehl erlassen, dass die Stadt zurzeit keine neuen Bürger oder Mitbürger in ihren Verband aufnehmen dürfe.60) Diese Beschränkung ihrer Freiheiten in drei Fällen (Wahleinstellung für das Jahr 1600, Verbot der Aufnahme von Bürgern und Mitbürgern und das Verbot, einen Stadtschreiber zu installieren) veranlassten Bürgermeister und Rat, an den Kaiser eine „Beschwer-Schrift“ abzusenden.61)
Aus all dem ersieht man, wie schwer es für den Rat der Stadt, besonders aber für den Bürgermeister gewesen sein muss, den Anliegen der Bürger wie auch den strengen Forderungen der Regierung gerecht zu werden.
Die Tätigkeit Hanns Muths als Bürgermeister wurde vom Rat und der Bevölkerung dankend anerkannt. Nur ungern verzichtete man auf seine weitere Arbeit in der Gemeinde. Am 21. Juni 1601 hatte der Rat erfahren, dass sich Muth angeblich wieder bei guter Gesundheit befinde und sogar wieder im eigenen Geschäfte tätig sei. Es wurde beschlossen, ihm nahe zu legen, die Ratssitzungen wieder zu besuchen, da man auf seinen unentbehrlichen Rat in dieser schwierigen Zeit nicht verzichten wolle. Man schlug ihm vor, falls er nicht gehen könne, ihn ins Rathaus führen zu lassen, wie man es vorher auch bei den früheren Bürgermeistern Wolff Händl und Hanns Adam Pfefferl getan hatte.62)
Der Todestag Muths ist nicht mehr genau festzustellen. Das Ratsprotokoll des Jahres 1602 vermerkt, dass im Rate beschlossen wurde, über die Rüstung und die Kleider des verstorbenen Bürgermeisters Muth ein Inventar aufnehmen zu lassen, da diese Gegenstände den Söhnen testamentarisch vermacht worden waren.63)
Muth scheint am Taborfriedhof in dem für die Ratspersonen bestimmten Teil der Grüfte bestattet worden zu sein.64)
- 1575, S. 781.
- 10.
- 1583, Bl. 13.
- 1567, Bl. 10. Hans Muth, der Vater des Bürgermeisters, besaß 1541—1543 das Haus Grünmarkt 3. Seine Witwe ist 1567 Besitzerin des Hauses Stadtplatz 10.
- 1543, Bl. 17.
- 1575, S. 264.
- Testamentsabschrift v. 13. 4. 1602, St. A., K. XI, L. 15.
- 1599, S. 1.
- 12, S. 287. Durch das Studium an einer Universität erlangte man den Magister- oder Doktortitel.
- 1599, S. 2.
- 1599, S. 5.
- 1599, S. 6, 9, 10.
- 1599, S. 10.
- 1599, S. 22, 24, 26.
- 1599, S. 11—13.
- 1599, S. 17, 18, 20.
- 1599, S. 22, 23.
- 1599, S. 26.
- 1599, S. 29.
- 1599, S. 36.
- 1599, S. 107.
- 1599, S. 171a.
- 1599, S, 79; LV. 3, S. 53 ff; LV. 1, S. 325.
- 1599, S. 85. Nach Lindner (S. 50) Dr. Sollinger u. N. Praunfalk, dies ist sicher unrichtig (LV, 5, S. 50).
- 1599, S. 86.
- 1599, S. 117, LV. 1, S. 326.
- 1599, S. 129.
- 1599, S. 56.
- 1599, S. 120.
- 1599, S. 247.
- 1600, S. 213.
- 1600, S. 214.
- 1600, S. 217.
- 1600, S. 219.
- 1600, S. 208.
- 1599, S. 232.
- 1, S. 326, LV. 5, S. 40: Die Behauptung Lindners, dass Lasch schon 1597 hingerichtet wurde, widerspricht den Ratsprotokollen dieser Zeit und dem Geschichtsschreiber Preuenhuber.
- A., Tumulte, K. III, L. 16, Nr. 77.
- A., Tumulte, K. III, L, 16, Nr. 13.
- 1599, S. 222.
- 1599, S. 82.
- 1599, S, 87.
- 1599, S. 256, 268.
- 1305 anerkannte Steyr den Abt Ulrich von Garsten als obersten Priester, der die geistliche Verwaltung der Stadt übernahm. Damit wurde die Stadtpfarrkirche eine Filialkirche des Klosters Garsten.
- 1599, S. 937 238.
- 1599, S. 289.
- 1600, S. 6; Preuenhuber (S. 326) und Pritz (S. 232) behaupten, dass das evangelische Gymnasium 1599 geschlossen worden sei.
- 1600, S. 23.
- 2, S. 282.
- 1, S. 326, 327.
- 1600, S. 121.
- 1600, S. 77, 78.
- 1600, S. 110 ff.
- 7, S. 70.
- 1600, S. 183, LV. 3, S. 55.
- 5, S. 72.
- 1599, S. 87.
- 1600, S. 1.
- 1600, S. 7, 36.
- 1599, S. 299.
- 1600, S. 36.
- 1601, S. 189.
- 1602, S. 209.
- 15. Abraham Muth, der Bruder des Bürgermeisters, half der Witwe die Geschäfte weiter zu führen. Er starb unvermählt und vermachte sein Eigentum (die „Wieshaide unterm Wald“ und den Stadl in der Schönau) den Kindern seines Bruders (Test. 1605). Eine Schwester (Apollonia) war mit R. Stängl in Asten, die andere (Margaretha) mit N. Scheuber in Steyr vermählt.
Literaturverzeichnis
LV
- Preuenhuber Valentin, Annales Styrenses. Nürnberg 1740.
- Pritz Franz Xaver, Beschreibung und Geschichte der Stadt Steyr und ihrer nächsten Umgebungen. Linz 1887.
- Pritz Franz Xaver, Geschichte der ehemaligen Benediktiner-Klöster Garsten und Gleink. Linz 1841.
- Ofner Josef, Die Eisenstadt Steyr. Geschichtlicher u. kultureller Überblick. Steyr 1956.
- Schiffmann K., Die Annalen (1590—1622) des Wolfgang Lindner. Linz 1910.
- Zeit Jakob, Chronik der Stadt Steyr 1612—1635. Rev. u. red. von Ludwig Edlbacher. Im 36. Bericht des Mus. Fr. Carol. Linz 1878.
- Neumann Ilse, Steyr und die Glaubenskämpfe. d. K. d. St. St. Feb. 1952.
- „Statt Steyris Raths Wall“ 1500—1660. St. A.
- Verzeichnis der Bürgermeister, Richter und Räte 1500—1651. St. A.
- Bürgermeister-, Richter- und Ratswahlenbuch. St. A.
- Eder Karl, Ein Reformationshistoriker — Valentin Preuenhuber. d. K. St. Steyr, 1955.
- Eder Karl, Das Land o. d. Enns vor der Glaubensspaltung 1490—1526. Linz 1933.
- Eder Karl, Glaubensspaltung und Landesstände in Österreich o. d. Enns. 1525—1602. Linz 1936.
- Jahrbuch der k. k. heraldischen Gesellschaft Adler, 1917/18, XXVII. u. XXVIII. Bd.
- Krobath Erlefried, Was die Ratsprotokolle über die Errichtung des Taborftiedhofes berichten. U.-B. d. „Steyrer Zeitung“ 30. 10. 1958.
- Bittner Ludwig, Das Eisenwesen in Innerberg-Eisenerz bis zur Gründung der Innerberger Hauptgewerkschaft im Jahre 1625 (Archiv f. österreichische Geschichte, Bd. 89—1901).
Steuerbücher, Ratsprotokolle, Taufbücher und Totenregister der Stadtpfarre Steyr, Eisenakten, Testamente, Kriminalakten-Tumulte, Mautakten.
Mein Dank gebührt Herrn Amtsrat Koller für die Bereitstellung eines Teiles der Archivalien.
Abkürzungen: LV. — Literaturverzeichnis; RP. — Ratsprotokoll; St. A. — Städtisches Archiv; K. — Kasten; L. — Lade; Stb. — Steuerbuch; Krim. A. — Kriminalakten.
Aus den Veröffentlichungen des Kulturamtes der Stadt Steyr, Heft 20, April 1960