Die Bürgermeister der Stadt Steyr und ihre Zeit (Fortsetzung)
Von Dr. Erlefried Krobath
Nach dem Rücktritt des Bürgermeisters Adam Wilhelm verfügte die niederösterreichische Regierung, dass die Wahl eines neuen Stadtoberhauptes einfach durch Abgabe von Stimmzetteln von den Mitgliedern des Inneren und Äußeren Rates, ohne Beisein von Wahlkommissären, durchgeführt werde, um der Stadt Kosten zu ersparen.1) Diese Wahl wurde am 26. Mai 1721 abgehalten, die abgegebenen Stimmzettel wurden unter Verschluss dem Landgericht in Linz zur Weiterleitung an die Regierung in Wien übermittelt.
Der als neues Stadtoberhaupt erkorene Thomas Schoiber blickte auf ein langjähriges Wirken als gewählter Gemeindevertreter zurück,2) ehe ihm in der Ratssitzung am 21. Jänner 1722 bekanntgemacht wurde, dass ihn Kaiser Karl VI. als Bürgermeister Steyrs bestätigt hatte. Im Bestätigungsschreiben wurde Schoiber aufgefordert, „folgsam“ jederzeit in der Stadt anwesend zu sein und sich der „Markt Frequentierung“ (Schoiber war ja Handelsmann) zu enthalten. Im bezüglichen Sitzungsbericht ist verzeichnet, dass Thomas Schoiber sein Amt nicht sofort antreten wollte, sich „aber endlich dazue Bequemet“ hatte.3) Nach Verlesung der kaiserlichen Wahlbestätigung im Rathaus am 26. Jänner, gelobten ein Bürgerausschuss und die Viertelmeister einzeln durch Handschlag, sowohl dem neuen Bürgermeister als auch dem Stadtrichter „schuldigen gehorsam und parition zu leisten“.
Die nächste Wahl wurde am 9. Mai 1724 durchgeführt, deren Ergebnis das Verbleiben Schoibers an der Spitze der Stadt war. Während der folgenden acht Jahre wurde keine Bürgermeisterwahl durchgeführt, sondern es wurden lediglich vakant werdende Ratsposten wiederbesetzt. Die Ratsmitglieder hatten hierbei über Anordnung des Landeshauptmannes, ihren Vorschlag schriftlich zu machen und diesen in einem verschlossenen Umschlag beim Magistrat abzugeben, der die Vota dem Landgericht in Linz übersandte. Erst nach geraumer Zeit erfolgte dann Bestätigung oder Ablehnung der vorgeschlagenen.
Thomas Schoiber erblickte als drittes der sieben Kinder4) des Eisenhändlers und Bürgermeisters der Jahre 1689 bis 1990, Matthias Schoiber und seiner Gattin Susanna, am 13. Juni 1667 das Licht der Welt. Er ist der dritte Bürgermeister Steyrs, der einem Zweige, der nach dem Türkenkriege im ersten Drittel des 17. Jahrhunderts zugewanderten schwäbischen Messererfamilie Schoiber entstammt.
Am 2. Mai 1693 bewarb sich Thomas Schoiber um das Bürgerrecht der Stadt, das ihm gegen Zahlung von 24 Gulden Bürgergeld vom Rate gewährt wurde. Sein Vater Matthias „überließ“ dem Sohn im Mai 1695 das Haus Enge 1.5) Dieser widmete sich hier dem Handel mit Nägeln und Eisengeschmeide (Eisenkleinwaren). Seine Geschäfte scheinen guten Gewinn gebracht zu haben, denn 1714 scheint er als Besitzer eines weiteren Hauses in der Stadt auf.6) Als Thomas Schoiber vier Jahre später beim Magistrat um eine Steuerermäßigung ansuchte, wurde er mit der Begründung abgewiesen, dass er „derzeit in der Handlung der stärkste“, also der bedeutendste Eisenhändler Steyrs war.7)
Über Verfügung des Landeshauptmannes wurde Schoiber 1699 Mitglied des Äußeren Rates und stand somit am Beginn seiner Laufbahn in der Stadtverwaltung, in der er 33 Jahre lang in verschiedenen Funktionen tätig war.8) Es gab in diesem Zeitabschnitt viele Schwierigkeiten zu meistern; besonders drückend wirkte sich der chronische Geldmangel in den Stadtkassen aus. Häufig musste der Bürgermeister mit größeren Summen einspringen, um überhaupt die Verwaltung der Stadt aufrecht erhalten zu können. Zu Ende des Jahres 1713 war sein Guthaben auf 5.600 Gulden gestiegen. Als er um Rückzahlung vorstellig wurde, konnte ihn der Rat nur auf spätere Zeiten vertrösten, da der „jetzige Zustand“ der Stadtkasse keine Ausgabe zuließe. Als Abschlagszahlung gab man ihm eine auf die Innerberger Gewerkschaft lautende Anweisung über 1.500 Gulden auf künftige Erträge. Kurze Zeit darauf mutzte er jedoch wieder Geld borgen.9)
Im Monat Dezember 1733 fuhr der 66-jährige Bürgermeister in geschäftlichen Angelegenheiten nach Wien. Am vorletzten Tag dieses Jahres erreichte die Stadt ein Schreiben des zur Erledigung ihrer Agenden in Wien bestellten Agenten Johann Philipp Burckhard, in dem dieser mitteilte, dass Thomas Schoiber „unverhofft“ gestorben sei. Er dürfte auch in Wien beerdigt worden sein. Eine schriftliche Meldung von seinem Ableben wurde unmittelbar nach Verlesung der Todesnachricht verfasst und mit einem Boten dem Steyrer Stadtagenten Dr. Razesperger in Linz zur Vorlage an den Landeshauptmann zugeschickt.10)
Thomas Schoiber war dreimal verheiratet.11) Diesen Ehen entstammten elf Kinder.12) Die Witwe, Maria Magdalena, ließ zum Andenken an den verblichenen „am Stadtgraben“ eine Kreuzsäule errichten.13) Um das reiche Erbe des verstorbenen entstand unter den Familienangehörigen ein erbitterter Streit, der sich über einige Jahre hinauszog.14)
Während der Amtszeit Schoibers herrschte als Landesfürst Karl VI., dessen Regierung im Wesentlichen durch eine „fortschreitende innere Zerrüttung, besonders in finanzieller und wirtschaftlicher Hinsicht“15) gekennzeichnet war. Dieser im Jahre 1711 zum römisch-deutschen Kaiser gewählte und gekrönte letzte männliche Nachkomme der direkten Habsburgerlinie wollte noch zu seinen Lebzeiten die Anerkennung der als Haus- und Staatsgesetz unter dem Namen Pragmatische Sanktion in der Geschichte bekannten Vereinbarungen erwirken. Diese sahen vor, dass die Erbfolge in den österreichischen Erblanden auf des Kaisers älteste Tochter übergehen sollte, falls der Kaiser keine männlichen Erben hinterließe. Weiters bekräftigten sie das Erstgeburtsrecht sowie die Einheit und Unteilbarkeit der Erbländer. Geduldig widmete der Kaiser viele Jahre der Erreichung dieses Zieles. Unter den deutschen Erblanden bekannte sich Oberösterreich als erstes zur pragmatischen Sanktion. Am 19. April 1720 beschlossen die Stände in Linz die kaiserliche Kundgebung „als ein dauernd wirkendes unverletzbares Grundgesetz“ anzunehmen.16) Die fremden Mächte zögerten mit der Anerkennung und ließen sich diese teuer erkaufen.17) Für den Staat lag die Bedeutung der pragmatischen Sanktion darin, dass die mehr oder minder selbständigen habsburgischen Besitzungen, bisher nur durch die Person des Kaisers und die Dynastie miteinander verbunden, nunmehr auch als juridische Einheit in Erscheinung traten.
Wenngleich das Land ob der Enns unter der Regierung dieses Kaisers für einige Zeit durch Kriegssorgen nicht behelligt war, so hatten doch frühere bewaffnete Auseinandersetzungen das soziale Gefüge des Landes erschüttert. Die Anzahl der Entwurzelten war groß geworden, abgerüstete Soldaten, Arbeitslose, aber auch Arbeitsunwillige waren wie überall, so auch in Steyr, anzutreffen. In dieser Zeit, da von der Regierung eine merkantilistische, also eine nach Autarkie strebende Wirtschaftspolitik betrieben wurde, erfolgte eine Reihe von Industriegründungen. So war in Linz die Wollwarenfabrik entstanden, die 1719 von der „Orientalischen Compagnie“ aufgekauft wurde.18) Da man in diesem Betrieb Arbeitskräfte brauchte und auch glaubte, Unbeschäftigte nutzbringend einsetzen zu können, erreichte den Magistrat im September 1725 ein Patent, demzufolge „taugliche Bettler und Müßiggänger“ zum Wollspinnen in das erwähnte Unternehmen geschickt werden sollten.19) Aber auch auf andere Weise wollte man der Arbeitslosen ledig werden. Mit einer Verfügung der Landschaft vom 6. Mai 1727 wurde den in Steyr anwesenden Rekrutierungsoffizieren des Prinz Alexander von Württembergischen Regimentes erlaubt, „zu mehrern Nuzen und säuberung des Landes die vazierenden und herrenlosen Burschen mit Gewald hinweckh zu nehmen“, diese also zwangsweise zu Soldaten zu machen.20)
Alle Hauseigentümer mussten, in Befolgung der kaiserlichen und landesfürstlichen Bettelordnung für Oberösterreich vom 1. August 1725, bei ihnen untergebrachte Bettler binnen drei Tagen dem Stadtgericht bekanntgeben, überdies ließ der Magistrat in der Stadt verkünden, dass „auf Betlleuth und anderes vacierendes gesind“ Streifen gemacht würden. Die Bürger hätten sich hierzu mit Gewehr und Seitenwaffen versehen bereitzuhalten, um bei Aufruf dem Stadtrichter zur Verfügung zu stehen. Bei Nichtteilnahme an Streifen wurde eine Strafe von 12 Reichstalern angedroht.21) Es sollten auch Fremde bei Nacht nicht beherbergt werden. Die Handwerkszünfte wurden aufgefordert, wandernde Handwerksburschen mit einem Abschied zu versehen und sie zu warnen, ihre Wanderschaft auf den Hauptstraßen fortzusetzen. Almosen sollten nur den armen Leuten gegeben werden, die ein „Stadtzeichen“ besaßen. Dieses war ein Zinnplättchen mit dem Stadtwappen, es wurde vom Zinngießer Anton Franz Dubill verfertigt.22)
Eine drastische Art den Wohltätigkeitssinn der Stadtbürger anzuregen, erdachte sich der Magistrat im Oktober 1727. Wie Stadtrichter Johann Adam von Paumgartten vorbrachte, wurden bei den Wochensammlungen für die „cassa pauperum“, eine Kasse, aus der beim Magistrat an Bedürftige Unterstützungsbeträge verteilt wurden, nur mehr wenig gespendet. Da man mit den eingehenden Beträgen nicht mehr das Auslangen finden konnte, musste aus der Stadtkasse Geld zugeschossen werden. Es wurde daher verfügt, dass eigene Kommissare aus den Reihen des Rates in jedem Haus vorsprechen und die Bewohner auffordern sollten, mehr zu geben, sonst würde sich der Magistrat veranlasst sehen, bei denen, die nichts oder wenig spendeten, einen oder mehrere Arme einzuquartieren.23)
Um sich ein Bild über die Höhe der gewährten Unterstützungen machen zu können, seien zwei Fälle angeführt. Für „seine noch übrigen wenigen Lebens Tag“ ersuchte der alte Schulmeister Johann Georg Sturmbart in Ennsdorf, unter Hinweis auf seine lange Dienstzeit, um einen Unterhaltsbeitrag. Es wurden ihm aus der Armenkasse wöchentlich 21 Kreuzer zugebilligt.24) Dem Nachtwächter Hannß Brändler, der ebenfalls viele Jahre seinen Dienst ordnungsgemäß versah, wurden, „in Ansehung seiner Armut“, wöchentlich 15 Kreuzer bewilligt.25) Die Fleischhacker am Ölberg verkauften in dieser Zeit das Pfund Fleisch (0,56 kg) statt, wie erlaubt, um 3 ½ Kreuzer, um 4 Kreuzer.
1727 sollte für Steyr ein Unglücksjahr werden. Am frühen Morgen des 5. Jänner brach im Aichet „unter den Schleifen“ ein Brand aus, der einigen Schaden anrichtete. Man nahm an, dass er in der Schleiferei Dunst entstanden wäre. Um jedoch die Ursache genau feststellen zu können, lud der Rat alle Viertelmeister und Nachtwächter der Vorstädte vor den Magistrat. Es erwies sich, dass die Nachtwächter im Aichet „gar nachlässig“ waren und das Feuer zu spät bemerkten; so konnte die Nachbarschaft nicht zeitlich genug gewarnt und zur Hilfeleistung aufgefordert werden.26) Doch dieses Feuer überstieg in seiner Gefährlichkeit nicht das Ausmaß kleiner Brände. Niemand in der Stadt konnte ahnen, im gleichen Jahr von einem Großfeuer heimgesucht zu werden, wie es Steyr in seiner vielhundertjährigen Geschichte noch nicht erlebt hatte. Wie die vom Stadtrichter Johann Adam von Paumgartten im Dezember 1727 durchgeführten Untersuchungen und Verhöre ergaben, brach das Feuer Freitag, den 29. August, um ½ 10 Uhr vormittags, im Haus der Katharina Rädingerin, der Witwe des Färbermeisters Elias Rädinger in Ennsdorf (heute Haratzmüllerstraße 14 aus.27) Es kostete einer Anzahl von Menschen das Leben28) und verursachte ungeheuren Sachschaden. Auch das Haus Bürgermeisters Schoiber in der Enge Nr. 1 wurde durch den Brand in Mitleidenschaft gezogen.
Anscheinend war im Haus der erwähnten Färbermeisterswitwe ein kleiner Kaminbrand entstanden. Man unterließ es, fremde Hilfe anzufordern, da man angenommen hatte der Flammen selbst Herr zu werden. Diese breiteten sich jedoch aus und griffen auf die durch die Sommerhitze ausgetrockneten Schindeldächer der benachbarten Häuser über. Die Enge der Gassen und die Gedrängtheit der Bauten waren die Ursache, dass bereits am Vormittag viele Gebäude des Inneren Ennsdorfs brannten. Begünstigt durch einen starken Wind, fanden die Flammen dann ihren Weg über die hölzerne Ennsbrücke (auf der sie zwei kleine Drechslerläden zerstörten) in die Enge und weitere Teile der Stadt.
Am Abend des Unglückstages musste eine schreckliche Bilanz gezogen werden. Neben zahlreichen Gewerbebetrieben und Häusern in Ennsdorf, hatte das Feuer unter anderem alle ennsseitig gelegenen Häuser der Enge und die des Stadtplatzes, bis einschließlich des heutigen Hauses Nr. 9, erfasst. Ebenso wurden vom Feuer eine Anzahl stadteigener Gebäude, unter ihnen der „Wasserkunsttturm“, das Gewerkschaftshaus,29) das Kriechbaumische Stiftungshaus, das Schloss, Mühle und Säge des Josef Pezlberger („Gsangmühle“), verschiedene Schleifen und Hammerschmieden, so auch die des Franz Salcher im heutigen Stadtteil Vogelsang, der arg gelitten hat, erfasst. Aus den Ratsprotokollen des Magistrates kann man ersehen, dass allein 43 Häuser, in denen Gewerbetätigkeit ausgeübt wurde, mehr oder minder schwer beschädigt wurden und 13 Handwerksbetriebe völlig ausbrannten.30) Die Priorin des Cölestinerinnenklosters, heute Berggasse 4-10, teilte der Stadtverwaltung mit, dass das Kloster durch die Feuersbrunst einen unersetzlichen Schaden erlitten hatte und „in große Armueth gesezt worden“ war, da auch dieses Gebäude mit der Kirche vom Feuer erfasst wurde.31)
Durch das Feuer wurden viele wichtige Dokumente vernichtet, so auch alle in den Herbergen vorhandenen Urkunden der Handwerkszünfte.32) Der Magistrat sah sich daher veranlasst, über verlangen solche neu auszustellen. Die Bewerber um Ersatzdokumente mussten unter Eid erklären, dass ihre Angaben richtig wären.33) Zum Schutze der Abbrändler erklärte sich die Stadtverwaltung sogar bereit, mit deren eventuellen Gläubigern zu verhandeln und die Interessen jener zu wahren.34)
Mitschuld an dem Stadtbrand mit derartigem Ausmaß trug das mangelhafte Löschwesen. Wegen geringer Ergiebigkeit der vorhandenen Brunnen musste Löschwasser in Fässern zugeführt werden, ja sogar Wein wurde zur Bekämpfung der Flammen verwendet.35) Das Feuer hatte derart schnell um sich gegriffen, dass auch die einzige städtische Feuerspritze im Zeughaus (heute Kreisgericht) verbrannte.36)
Dem Magistrat war sehr daran gelegen, die durch den Brand unterbrochene Gewerbetätigkeit wieder in Gang zu bringen. Der Stillstand der Betriebe hätte Mangel und Not für die Gewerbetreibenden und die bei ihnen Beschäftigten, ja darüber hinaus einen bedeutenden Ausfall an Steuern und sonstigen Abgaben für die Stadtfinanzen bedeutet, vorerst wurden aus der Stadtkasse an 40 Inhaber von Gewerbebetrieben, die um Darlehen zum Wiederaufbau oder zur Reparatur ihrer Häuser angesucht hatten, rund 2.000 Gulden vorgestreckt. Einen Schaden von rund 28.000 Gulden, den größten unter den Gewerbetreibenden, erlitt das Ratsmitglied und spätere Bürgermeister Johann Derfflmayr. Ihm wurde, gegen Verzinsung und jährliche Rückzahlung von 200 Gulden, den Betrag von 1.000 Gulden geliehen.37)
Mit den Vorarbeiten zur Beseitigung der Schäden wurde schon anfangs September begonnen. Diese Aufgabe wurde dem Stadtkammeramte übertragen, dem der Gastgeb Georg Payr, gegen eine wöchentliche Entschädigung von 30 Kreuzern, beigeordnet wurde. Den Maurer- und Zimmermeistern trug der Rat auf, im Hinblick auf das Unglück, das die Bürgerschaft der Stadt betroffen hatte, die Handwerker zu einem „leidentlichen“ Arbeitslohn zu bewegen.38)
Da dem Magistrat nicht entsprechende Mittel zur Unterstützung der Brandgeschädigten zur Verfügung standen, beschloss der Rat am 10. September 1727, den Bürgermeister und den Stadtrichter an den kaiserlichen Hof nach Wien „zu erraichung ainiger Hülff“ zu entsenden.39) Auf diese Vorsprache hin befahl Kaiser Karl VI. am 21. Oktober 1727, dass durch den Landeshauptmann eine Kommission zur Feststellung des Schadens an Ort und Stelle eingesetzt werde. Diese hatte dann die Höhe des Schadens der niederösterreichischen Regierung und Kammer zu berichten. Als jedoch bis November 1728 wegen des Hilfsansuchens noch keine Erledigung eingelangt war, fuhr, im Einverständnis mit dem Magistrat, eine Abordnung der Geschädigten nach Wien, um bei der Regierung auf ihre Not zu verweisen und Hilfe zu erbitten.40) Die Ratsprotokolle des Jahres 1729 sind nicht mehr erhalten, doch ersieht man aus denen der folgenden Jahre, dass den Abbrändlern 15 Steuerfreijahre zugesagt und außerdem Geldhilfe versprochen wurde.41) Der Stadtverwaltung war es schon seit dem Jahre 1721 durch die Regierung in Wien untersagt, ohne deren Genehmigung Verpflichtungen finanzieller Natur einzugehen. So wurde den Abbrändlern vom kaiserlichen Hof ein Betrag von 21.512 Gulden als Schadensgutmachung bewilligt. Im Jänner 1732 sah sich der Rat, da die Stadtkasse „gänzlich erschöpft“ war, außerstande, diese Summe aufbringen zu können. Man hoffte jedoch, durch ausständige Steuern und durch einen Kredit von 5.000 Gulden diese Verpflichtungen teilweise erfüllen zu können. Schließlich forderten die Abbrändler die Hälfte von 31.000 Gulden als Schadensersatz sofort und den Rest innerhalb einer gewissen Frist; obwohl ihnen von Wien nur 21.512 Gulden zugestanden worden waren. Nach weiteren Verhandlungen gelangten endlich 10.000 Gulden zur sofortigen Auszahlung.42)
Eine vom Magistrat gebildete „Feuerkommission“ schlug vor, die Eisengewerkschaft zu ersuchen, während einiger Jahre 3.000 bis 4.000 Gulden zur Wiederherstellung der abgebrannten städtischen Gebäude beizutragen. Dem Bürgermeister wurde auch empfohlen, an die namhaften Städte der kaiserlichen Erblande ein Rundschreiben oder „Patentl“ zu Erlangung einer „Brandsteuer“ (Geldspende) für Steyr zu richten. Den Geschädigten wurde, über Antrag des Magistrates bei Hof, im Jahre 1729 zugestanden, eine Sammlung in verschiedenen Städten des Reiches durchführen zu können, worauf sie ersuchten, ihnen Sammelpässe auszustellen. Am 5. September 1732 richtete der Magistrat ein „Bewögliches anbringen“ an den kaiserlichen Hof und bat, dass der niederösterreichischen Hofkanzlei bewilligt werde, einen Sammelbrief auszustellen. An dem gesammelten Gelde wollten die Stadt mit einem Drittel und die Abbrändler mit zwei Dritteln partizipieren. Im Feber 1733 langte endlich die schriftliche Sammelgenehmigung („kaiserliches Sammlungs Patent“) ein. Die Abbrändler baten nun den Magistrat, einen „Nachtrucksamben Paß“ für die als Sammler bestimmten Bürger ausstellen zu lassen.43)
In der Folgezeit wurde eine Reihe von Maßnahmen getroffen, die das Entstehen von Bränden verhüten sollten. Bürgermeister Schoiber veranlasste „zur Probe“ zwölf hölzerne Feuerspritzen zu beschaffen.44) Eine eigene Kommission wurde eingesetzt, die alle Dachböden der Häuser in der Stadt und in Ennsdorf zu besichtigen hatte, um festzustellen, ob auf diesen nicht brennbares Material aufbewahrt würde, da solches eine große Gefahr bedeutete. Der gesamten Bürgerschaft wurde verboten, sich, wie bisher, abends mit Spanlichtern auf die Straße zu begeben. Auch die Abhaltung der damals üblichen „Sonnabendfeuer“ auf dem Stadtgraben und „zwischen den Wassern“ wurde untersagt, da sich Werkslager („Werksgaden“) in der Nachbarschaft befanden. Eine Kontrolle der Kamine wurde durchgeführt und in den Werkstätten der Handwerker, die bei offenem Feuer arbeiteten, gewisse Sicherheitsvorkehrungen angeordnet.45)
Sein Hauptaugenmerk widmete der Magistrat der Erweiterung der Wasserversorgung. Der Ziehbrunnen nächst dem Rathaus wurde so vergrößert, dass er nunmehr die doppelte Wassermenge spenden konnte. Ein verschütteter Ziehbrunnen „unter dem Tor gegen Reichenschwall“ wurde instandgesetzt und ein anderer „im Örtl“ (Stadtteil Ort) wieder verwendbar gemacht. Das in Ennsdorf beim Brand zugrundgegangene steinerne Wasserbecken wurde schon im Oktober 1727 vorläufig durch einen 100 Eimer fassenden Holzbottich ersetzt.46) Auch der in der Berggasse neben dem Kloster stehende Ziehbrunnen wurde mit zwei Ausflussrohren versehen und einem Wasserbecken („Brunnchor“) ausgestattet.47) Da ein Ausbau der anderen zwei Stadtbrunnen viel Geld gekostet hätte, beschloss der Rat im Jahre 1728 Leitungsrohre aus Blei zu gießen und verlegen zu lassen, um auf solche Art die Brunnen am Stadtplatz vom Wasserturm in Zwischenbrücken aus versorgen zu können. Sie standen bis vor dem ersten Weltkrieg in Verwendung.48)
Vordringlich wurden ebenso die Tore des Enns- und Steyrtorturmes instandgesetzt, sie waren zu Weihnachten 1727 repariert. Es konnten daher die Mannschaften, die in der Zwischenzeit diese durch das Feuer beschädigten Stadteingänge bewachen mussten, wieder abgezogen werden. Die Schäden am Wasserturm in Zwischenbrücken wurden ebenfalls behoben und dem Turm ein neues Dach aufgesetzt. Da auch die Turmuhr durch die Flammen unbrauchbar geworden war, ließ der Rat vom Großuhrmacher Georg Peißkammer um den Preis von 80 Gulden eine neue anfertigen.49)
Um den Verkehr nicht zu behindern, wurde rasch der Wiederaufbau der Ennsbrücke in Angriff genommen. Sie wurde mit Pfosten belegt, um die Haltbarkeit zu erhöhen. Holzstämme durften künftig nicht mehr über die Brücke geschleppt, sondern mussten auf „Halbwagen“ geführt werden, ordnete der Rat an. Solche Halbwagen hatte sich die interessierte Bürgerschaft binnen vier Wochen zu verschaffen.50)
In den letzten Oktobertagen wurde der Brandschutt in der Enge weggeräumt, jener der Ölberggasse im Feber 1728. Beim Wiederaufbau des abgebrannten, dem Bruderhausfond gehörigen Schulhauses in der Berggasse, wurde der Bau um ein Stockwerk erhöht, um größere Mietzinserträge erzielen zu können.51)
Sehr schnell ging auch der Wiederaufbau des Klosters in der Berggasse vor sich. Abt Ambros von Garsten betrieb diesen, mit Unterstützung verschiedener kirchlicher Institutionen, so eifrig, dass die Klosterkirche (jetzt altes Stadttheater) schon 1729 wiedererrichtet war. Da man beim Bau keine Steyrer Handwerker beschäftigte, forderte der Rat die Priorin auf, auch den Steyrern Arbeit zu geben, da man sonst solcher „Unnachbarschafft auf eine gleiche arth (Art) begegnen“ würde. Die Nonnen entschuldigten sich, dass nicht sie, sondern Abt Ambros für die Vergabe der Arbeiten zuständig wäre. Der Magistrat wandte sich nun an den Landeshauptmann, damit dieser den Abt bewege, auch den ortsansässigen Gewerbetreibenden Arbeit zukommen zu lassen. Da bei den Neubauten des Klosters auch die Stadtmauer in die Außenmauern der Gebäude einbezogen wurde,52) verlangte der Rat einen Revers, in dem festgelegt war, dass die Rechte des Magistrates an der Stadtmauer gewahrt bleiben sollten. Pritz beziffert den Schaden des Nonnenordens mit rund 40.000 Gulden, in diesem Betrag sind die Kosten der Wiedererrichtung der Klostergebäude enthalten.53)
Der Wiederaufbau des Schlosses wurde besonders vom Passauer Bischof Graf Josef Dominik Lamberg, einem Bruder des Eigentümers Graf Franz Anton Lamberg, gefördert. Der durch das Feuer entstandene Schaden wurde mit 92.500 Gulden beziffert. Unter Beibehaltung der Dreiecksform des alten Schlossgrundrisses wurde in den Jahren 1727 bis 1731 die Erneuerung des Schlosses vom Linzer Baumeister Johann Michael Prunner durchgeführt, der sich in den Bauformen „stärker als sonst den architektonischen Ausdrucksmitteln Hildebrandts“ näherte. Anstelle der malerischen Burg, die früher Umfassungsmauern, Wehrgänge und Wachttürme hatte, entstand dem Zeitgeschmack entsprechend, das Schloss in einem schlicht gehaltenen Barock, wie es sich uns noch heute darbietet. Die bisherige Annahme, dass Prunner den Bau nach Plänen des Passauer hochfürstlichen Baumeisters Domenico d’Angeli durchgeführt hätte, wurde als irrig ernannt.54)
Zu Ende des Jahres 1729 war ein Großteil der durch das Feuer hervorgerufenen Sachschäden beseitigt. Viele Häuser erhielten, dem bevorzugten Baustil entsprechend, schöne Barockfassaden, die noch heute das Auge des Beschauers entzücken.
Es ist verständlich, dass sich der Magistrat in den folgenden Jahren vor allem die Verhütung der Feuersgefahr angelegen sein ließ und gegen Personen, die in dieser Hinsicht fahrlässig oder leichtsinnig handelten, mit empfindlichen Strafen vorging. Besondere Aufmerksamkeit wurde der Ausstattung mit Feuerlöschmitteln zugewandt. Auch auf die Tabakraucher wurde das Augenmerk gerichtet. Der Siechenhausverwalter Mühldorfer sah sich veranlasst, beim Magistrate anzuzeigen, dass der Pfründner Frechinger, trotz mehrmaligen Verbotes, „mit dem so excesihv — als gefährlichen Tobackhrauchen fortfahre und fast alle Winckhl ausschlieffe“, wodurch leicht ein Brand entstehen könne. Dem Pfründner wurde hieraus vom stellvertretenden Bürgermeister Johann Derfflmayr befohlen, das Tabakrauchen zu unterlassen „bey ansonsten erfolgend würcklicher Hinauß Thueung aus dem Armen Hauß“.55)
Das furchtbare Geschehen blieb lange im Gedächtnis der Bevölkerung lebendig. „Zu Abwendung aller schädlichen Feuersgefahr“ und zu „Ehren des Wunderthätigen und Großen Schuz Patrons, des Hl. Floriani“ wurde durch Jahrzehnte am Jahrestag des großen Brandes ein feierliches Hochamt in der Stadtpfarrkirche gelesen und einige Tage darauf eine Prozession nach St. Florian geführt. An dieser nahmen auch alle Ratsherren teil.56)
Heftige Regengüsse verursachten Ende Mai 1733 bedeutende Schäden. Der seit dem 16. Jahrhundert in die Steyr einmündende Teufelsbach trat aus den Ufern und floss in sein altes Bett, den Hundsgraben, zurück. Dieser wurde völlig unterwaschen. Im Robotdienst mussten Bauern den „Hundsgrabenweg“ wiederherstellen. Auch die Wasserbauten nächst dem Plauzenhof wurden in Mitleidenschaft gezogen.57) Wie es sich erwies, hatte durch den Regen auch die hintere der Pfarrkirche zugewendete Mauer des „Gerichtshauses“ solchen Schaden erlitten, dass sie einzufallen drohte.58)
Die laufend leeren Stadtkassen veranlassten Bürgermeister Schoiber, die Ratsherren Ende April 1731 einzuladen, innerhalb einer Woche Einzelvorschläge zu machen, wie man die Ausgaben des Stadthaushaltes vermindern und dessen Einnahmen vermehren könne. Die eingebrachten Vorschläge wurden zusammengefasst und der Regierung zur Genehmigung übersandt.59) Zwei Jahre später schickte die für die Untersuchung der Wirtschaft in Steyr eingesetzte Kommission ein Dekret, in dem verlangt wurde, dass vor allem die namhaften Steueraußenstände „eifrig“ eingetrieben werden sollten, weiters wurde dem Magistrat erlaubt, von den in die Stadt kommenden Marktfahrern je Wagen 1 Kreuzer und für ein vorgespanntes Paar Ochsen einen zusätzlichen Kreuzer einzuheben, von den Fleischhauern und „Grießlern“, die ihre Produkte auf dem Wochenmarkt absetzen wollten, sollte ein Marktgeld abverlangt werden. Der Rat beschloss daher, von ihnen jährlich je drei Gulden Wochenmarktgeld zu fordern, von den Fleischern, die am Ölberg ihre Ware verkauften und vom Lande kamen, sollte der Unterstadtkämmerer jedes Mal drei Kreuzer einheben.60)
Zu Untersuchung des wirtschaftlichen Zustandes der Stadt waren schon am 22. September 1723 kaiserliche Hofkommissäre erschienen und hatten sich „Einnahms- und Ausgangsverzeichnisse“ des Magistrates vorlegen lassen. Wie Landschreiber Johann Eberhard von Zeppenfeld der Stadtverwaltung schriftlich mitteilte, waren diese Kommissäre der Ansicht, dass ein Ausschuss von mindestens 24 „ansehnlicheren“ Bürgern gebildet werde, der bei den Beratungen der Stadtväter „auf welche Weise dem sinkenden Statt Wesen wider aufgeholffen“ werden könnte beratend Mitwirken sollte, um die Einnahmen mit den Ausgaben in Einklang zu bringen. Aus dem Ausschuss der 24 wiederum sollten sechs „der Sache gewachsene“ Männer ausgewählt und je drei Mitgliedern des Inneren und Äußeren Rates beigeordnet werden. Dieses Kollegium hätte gewisse Angelegenheiten „genau und umbständlich“ zu beraten und dann ein ausführliches Gutachten zu erstatten. Bürgermeister Schoiber war der Ansicht, dass diese Anordnung der Kommission sich für den gesamten Magistrat „forderist aber den Herrn Vorstehern (Bürgermeister und Stadtrichter) sehr disreputirlich und Besorglich“ auswirken würde. Er fürchtete, dass sich „dahero yble Folgerungen ergeben“ könnten. Da nur zwei Räte der Meinung des Bürgermeisters zustimmten, der Stadtrichter und die übrigen Ratsmitglieder jedoch der Ansicht waren, das Anbefohlene zu tun, da man sonst bei der Kommission „in yblen credit stehen derffte“, kam es am 25. Oktober zur Berufung von 24 Bürgern für den erwähnten Zweck.61) Auch 1725 war „zur Untersuchung des Notstandes der Stadt“ eine Hofkommission eingesetzt worden.62) Diese schlug vor, der Magistrat solle eine Zinssenkung für die bei der Stadt erliegenden Kapitalien vornehmen.63)
Die schlechte Finanzlage der Stadt brachte es mit sich, dass für die Instandhaltung der Straßen und Wege wenig getan werden konnte. Namens der Stadt ersuchten Stadtrichter Johann Adam von Paumgartten und Stadtschreiber Carl Joseph Huemayr (Huebmayr) im November 1724 die kaiserliche Wegreparierungskommission, die Wege von Steyr nach Kremsmünster und Wels in brauchbaren Zustand setzen zu lassen.64) Diese Kommission wieder beanstandete im Dezember 1725, dass die Straßen und Wege innerhalb des Burgfriedes der Stadt in sehr schlechtem Zustande wären. Fast unpassierbar fand sie die Gleinkergasse und den Ramingsteg. Der Magistrat wurde aufgefordert, die Instandsetzung sofort vornehmen zu lassen, da sonst eine Anzeige an die Regierung erfolgen würde.65) Für die Reparatur des Weges vom „Gottesackerberg“ (Taborfriedhof) herab und in weiterer Folge durch den Stadtteil Steyrdorf und die Enge, streckte Herr von Hochhaus im Juli 1732 dem Magistrat 250 Gulden vor.66)
Nur unumgänglich notwendige Reparaturen an städtischen Bauten konnten vorgenommen werden. So wurde 1733 der Ennsturm mit einem „einfallenden“ Schindeldach gedeckt, Instandsetzungen des Sondersiechenhauses vorgenommen, der baufällige Wächterturm im Katzenwald neu errichtet und die Stiege am Pfarrberg neu überdacht.67)
Im Jänner 1732 beabsichtigte der „Krugl-Müller“ und Garstnerische Untertan Johann Häckhl in Unterhimmel eine Brücke über die Steyr zu bauen, über dieses Unterfangen waren die Steyrer Gastwirte und Müller aus Konkurrenzgründen empört, auch der Magistrat meinte, dass dadurch sowohl der Stadt als auch der Bürgerschaft, ein großer Schaden entstünde. Die Angelegenheit wurde sogar dem Landgericht vorgetragen, die zugunsten des Häckhl entschied. Ende August war die Brücke fertiggestellt.68)
Ein Patent des Landeshauptmannes, das am 6. Juni 1732 verlesen wurde, setzte die Ratsherren in Kenntnis, dass Kaiser Karl VI. zur Eblandshuldigung nach Linz kommen werde und forderte zur Verpflegung des zahlreichen Gefolges die „unentbehrlichen viktualien umb leydentlich billichen werth Zuezuführen und Beyzubringen“.69) Über kaiserlichen Befehl, einige Deputierte zu diesem Festakte abzuordnen, nahmen an ihm am 10. September Bürgermeister Schoiber, Stabtrichterambtsverweser Adam Leopold Bichler und Stadtschreiber Dr. Carl Joseph Huemayr (Huebmayr) teil, die dem Landesfürsten namens der Bürgerschaft und des Magistrates huldigten.70) Bei dieser Gelegenheit erfuhren die Erwähnten, dass der Kaiser auch Steyr besuchen wolle. Überdies erreichte die Stadt am 18. Juli eine Verfügung des Landeshauptmannes, die beinhaltete, bei der Ankunft Karl VI. in Steyr die „Bürgerschaft ausziehen zu lassen, die Stücke (Geschütze) zu lösen und allerunterthänigste gehorsamste Aufwartung zu machen“.71) In der Stadt wurde sofort mit den Vorbereitungen begonnen. Eiligst wurden die Fenster des Rathauses ausgebessert und andere „Zuegerichtet“. Weiters wurde gefunden, dass es unumgänglich notwendig sei, den Stadtplatz zu pflastern. Da aber die Stadtkasse „sehr erschöpft“ war, wurde bestimmt, für diesen Zweck von den Bürgern einen gewissen Betrag einzuheben. Dieser war innerhalb von acht Tagen zu erlegen, sich widersetzende Bürger waren dem Magistrat anzuzeigen. Den Bürgern, die Eigentümer von Häusern in den Straßen und Gassen waren, die der Festzug zu passieren hatte, wurde aufgetragen, Dachrinnen und Abflussröhren herzurichten, damit bei eventuellem Regen das Wasser nicht auf die Köpfe der Vorbeiziehenden tropfe. Jenen, die diesem Auftrag nicht nachkommen sollten, wurde eine Strafe von sechs Reichstalern angedroht. Aus den „Feuerzutragsgeldern“ der Stadtkasse wurden Laternen angekauft, die statt der bisher üblichen Pechpfannen an den Häusern angebracht wurden. Auch das Schnallentor wurde repariert, „abgepuzt“ und an seiner Stirnfront ein vergoldeter Adler angebracht.72)
Die Bürgermiliz in der Stadt und in Ennsdorf bereitete sich vor, mit 500 Mann auszurücken, der Magistrat wurde ersucht, aus den Reihen des Rates Kommandanten einzuteilen. Für die „Fourirschützen“ wurden auf Gemeindekosten Patronentaschen angefertigt, ihre Hüte mit weißen Borten eingesäumt („aingebraimbt“) und es hatten auch die neu angefertigten Trommelriemen mit wollenen „Fränzlen“ besetzt zu werden. Die Stadtturner mussten zwei Musikstücke einstudieren, die zum Vortrag gebracht werden sollten.
Am Vortag des Besuches wurden alle Brunnen und die Steyrbrücke mit Blumenbogen geschmückt, in allen Gassen und Straßen wurden Bäumchen aufgestellt und die Artillerie der Stadt, 60 leichte und schwere Geschütze auf dem Stadlmayrfeld vor dem Schnallentor in Stellung gebracht. Mit drei Kanonenschüssen wurde am 25. September, dem Empfangstag, um drei Uhr morgens die Bevölkerung geweckt. Insgesamt rückten drei Kompanien in einer Gesamtstärke von rund 1.000 Mann aus. Eine von diesen wurde am Stadtplatz, die zweite in Steyrdorf und die dritte vor dem Schnallentor zur Parade aufgestellt. Nach 9 Uhr morgens erreichte der Kaiser mit seiner Gemahlin und dem Gefolge die Stadt beim Schnallentor. Hier erwarteten ihn die Mitglieder des Magistrates, der Bürgermeister und Stadtschreiber Dr. Huebmayr. Dieser hielt eine Begrüßungsrede, während Bürgermeister Schoiber dem Monarchen auf einem Kissen die teils versilberten, teils vergoldeten Stadtschlüssel überreichte. Bei seiner Weiterfahrt durch die Stadt wurde Karl VI. von den geistlichen Orden der Stadt willkommen geheißen. Vom Gilgentor aus fuhr er mit seiner Begleitung, ohne weiteren Aufenthalt zu nehmen, zum Lambergischen Jagdschloss in der Saß, wo er an einer Hirschjagd teilnahm, für die der Magistrat über Ersuchen des Fürsten Lamberg 30 Personen im Robotdienst zur Verfügung stellte.73) Am folgenden Tag jagte der Kaiser am Damberg; bei seiner Rückkehr von der Klopfpirsch empfingen ihn die Steyrer Bürger bei der Schiffbrücke, die die Enns beim Kloster Garsten überspannte, mit Musik. Bei der anschließenden Tafel im Kloster warteten die Mitglieder des Magistrates dem Kaiser und seinem Gefolge bei der Tafel auf. Eine Deputation der Abbrändler des Jahres 1727 benützte die Anwesenheit des Monarchen, ihn um die Ausfertigung eines bereits bewilligten „Brandbriefes“ (schriftliche Sammelerlaubnis) zu bitten.74)
- RP 1721,82. RP 1722,2,3,4,210. RP 1724,55.
- Mitglied des Äußeren Rates 1699 – 1704; Mitglied des Inneren Rates 1705 – 1721; Stadt- und Oberstadtkämmerer 1707 – 1730; Stadthauptmann und Oberviertelmeister 1721 – 1722; Täzamts- und Ungeldverwalter 1730 – 1733; über Verfügung des Landgerichtes vom 23.5.1721 wurde Schoiber auch, bis zur endgültigen Entscheidung durch den Kaiser, provisorisch die Verwaltung des Stadtrichteramtes übertragen (RP 1721,84).
- RP 1721,199. —Bei dieser Wahl wurde erstmalig eine eigene Wahlsteuer („wähl Täz“) von der niederösterreichischen Regierung vorgeschrieben, über Ersuchen des Magistrates wurde ein Teil dieser neuen Steuer nachgesehen, doch musste der Magistrat für die zur gleichen Zeit gewählten zwei Mitglieder des Inneren Rates je 12 und für die drei des Äußeren Rates je 6, zusammen 34 Reichstaler, erlegen. — Um die Wahlkosten im Jahre 1724 bezahlen zu können, musste Bürgermeister Schoiber der Stadtkasse 500 Gulden borgen, da vom „Universal Täx Ambt“ in Wien eine Wahlsteuer von 675 Gulden vorgeschrieben wurde.
- 1 Kind, gestorben 1690; Barbara, geboren 1664; Thomas, geboren 1667; Eva Rosina, geboren 1668; Johann Ignaz, geboren 1669 (Eigentümer der Häuser Altgasse 1, Stadtplatz 31); Margaretha, verehelichte Kofflerin, geboren 1670; Johann, geboren 1671.
- RP 1695,89.
- RP 1714,60.
- RP 1718,30.
- RP 1699,66.
- RP 1713,40.
- RP 1733,374.375.
- Die erste Frau, Ann Margaretha Giglingerin, ehelichte er am 29.1.1697 (RP 1697,15), nach ihrem Tode heiratete er Magdalena N. Die dritte Gemahlin starb 1738.
- Matthias, geb. u. gest. 1697; Maria Anna, verehelichte Pimplin in Wiener Neustadt (RP 1736,202) geb. 1698; Johann Andre, geb. 1699, gest. 1747, vermählt mit Maria Elisabetha Gstattmayrin (RP 1736,34); Anna Barbara, geb. 1701, verehelichte Steyrerin in Krems (RP 1735,147, RP 1738. 187); Maria Anna, geb. 1703; Joseph Anton, geb. 1706; Ignati (Ignaz), geb. 1709; Johann Michael, geb. 1711; Maria Elisabeth, verehelichte Fröllichin in Wien (RP 1739,5), geb. 1712; Maria Anna, geb. 1714; Maria Theresia, geb. 1719.
- RP 1734,312.
- RP 1735,74,86,137. Da die Eigentumsverhältnisse nicht geklärt waren, strengte die Witwe gegen ihren Sohn einen Prozess an. Sie ersuchte den Magistrat, eine Wohnung im „Ennsbrückenhaus“ (Enge 1) beziehen zu dürfen, was ihr mit dem Bemerken, dass damit der Streit nicht präjudiziert sein solle, erlaubt wurde. Nach dem Verhör beim Landgericht wurde das Haus Johann Andre Schoiber zuerkannt. Dieser bewarb sich um den Pfundwaagdienst, der ihm gegen eine Kaution von 1.000 Gulden gewährt wurde (RP 1735,333).
- LV 3. 8.27.
- LV 5.
- England Unterzeichnete am 17.5.1731, Spanien am 6.6., im August desselben Jahres endlich die Niederlande.
- Beim Merkantilismus handelte es sich nicht um ein wissenschaftliches System, sondern um eine Reihe von wirtschaftlichen Maßnahmen und Vorschlägen, die während eines langen Zeitraumes in verschiedenen Ländern entstanden. In Österreich wollte man damit nicht zuletzt die durch zahlreiche Kriege entstandene wirtschaftliche Rückständigkeit beheben. Durch Einführung von Schutzzöllen und Monopolen (Salz, Tabak), Errichtung von Baumwollfabriken, Förderung des Straßenbaues u.a. erfolgte die staatliche Förderung der Industrie. —Der Arbeiter wurde nach Auffassung des Merkantilismus als mechanisches „Produktionsmittel“ betrachtet, was auf ein geringes Verständnis für den Wert der Arbeit und des Arbeiters schließen lässt.
- RP 1723,194. — Wie einem Bericht vom 13. Mai 1729 zu entnehmen ist, hatte die Linzer Manufaktur mit einer Reihe von Schwierigkeiten zu kämpfen. Das Rohmaterial musste aus dem Ausland bezogen werden und war teurer als ausländische Fertigware. Unter den Arbeitskräften waren „zu viele Bettler“, worunter wahrscheinlich die der Wollfabrik zugeteilten Arbeitslosen, abgerüstete Soldaten und Arbeitsunwillige zu verstehen waren.
- RP 1727,86; RP 1722,12: Am oberen und unteren Ennstor waren Wachen aufgestellt, um das „Einschleichen von Räuber Bursch aus Unterösterreich“ zu verhindern.
- RP 1725,195,198.
- RP 1725,234.
- RP 1727,232.
- RP 1732, 44.
- RP 1732,144.
- RP 1727,3.
- RP 1727,289. —Ursprünglich war behauptet worden, der Brand sei in der benachbarten Brauereides Matthias Wenger (heute Haratzmüllerstraße 12) ausgebrochen. Wenger beantragte hierauf beim Magistrat die Inhaftsetzung aller in der Färberei Rädinger Beschäftigten, um einer Verabredungsgefahr vorzubeugen (RP 1727,213).
- In den Ratsprotokollen werden als verunglückt angeführt: Die Gattin des Braumeisters Wenger, die im Keller der Brauerei (heute Haratzmüllerstraße 12) erstickte; weiters der Zweckschmied Ernst und eine nicht angeführte Anzahl von Personen, die im Brandetschkischen Keller erstickten. Für diese wurden von der Stadtverwaltung um 4 Gulden 30 Kreuzer Totentruhen angeschafft. Im Kloster verbrannte die taube Nonne Maria Catherina, die sich nicht mehr rechtzeitig in Sicherheit bringen konnte.
- RP 1732,228.
- RP 1727,199,205 ff.
- RP 1730.20.
- RP 1750,196.
- RP 1727,296.
- RP 1727,261.
- RP 1727 245; RP 1728,93,105; z. B. bat der Gastgeb Thomas Kurz den Magistrat ihm die Getränkesteuer für dreißig Eimer (1698 I) Wein zu erlassen, die er zum Feuerlöschen verwendet hatte.
- RP 1727,203.
- RP 1727,272.
- RP 1727,207.260.
- RP 1727,197,252.
- RP 1728,276,278,296,304. — Die Kosten der Reise im Betrage von 137 Gulden 34 Kreuzer trug die Stadtkasse.
- Ende November 1730 setzte der Magistrat eine Kommission ein, die aus dem Bürgermeister, dem Stadtrichter, sieben Räten und vier Mitgliedern der Bürgerschaft bestand, um die Verteilung einer Geldhilfe an die Abbrändler vorzunehmen.
- RP 1732,16 ff.
- RP 1733,37.
- RP 1728,33.
- RP 1728,63,68.
- RP 1727,238; RP 1728,30,67.
- RP 1732,128. — Die Arbeit wurde durch den Steinmetzmeister Marx Loidl aus Steinbach durchgeführt, der hierfür 200 Gulden berechnete. Im September 1731 war das „Brunnchor“ errichtet.
- Stadtzimmermeister Paul Dittermayr forderte für diese Arbeiten 96 Gulden 6 Kreuzer (RP 1728,89).
- Der Steyrtorturm wurde vom Maurermeister Michael Zachhuber repariert. (RP 1728,63,99,227, 259). — Für das Bemalen der Zifferblätter verlangte der Maler Victorin Aichen 24 Gulden.
- RP 1728,15. — Der Brückenbau kostete rund 850 Gulden.
- RP 1728,62. — Der Rat verlangte, das Gebäude so zu errichten, dass die Stadtmauer nicht behindert werde.
- RP 1727,251,288.
- LV 1,329.
- Grimschitz, Johann Michael Prunner, S. 55.
- RP 1733,150.
- RP 1733,231; RP 1734,269. — In der St. Florianen Klosterkirche wurden durch Ratsmitglieder immer sechs Stück einen Pfund und zwei einen halben Pfund schwere Wachskerzen entzündet.
- RP 1733,140,164,197. —Die Bauern erhielten für diese Arbeit Brot und Getränke im Werte von 4 Gulden 48 Kreuzer.
- RP 1733,140.
- RP 1731,98,116. —Man wollte von allen die Brücke passierenden Fuhrwerken ein Brückengeld kassieren. Weiters sollte vom „Stahlbenefizium“ eine Hälfte der Stadt, die andere den Händlern und Handwerkern zugutekommen. Unter Stahlbenefizien verstand man Abgaben, die von den Rad- und Hammermeistern, den anderen zwei Partnern der Innerberger Hauptgewerkschaft, an die Stadt, sowie an die Eisenhändler und -handwerker entrichtet wurden. Auch von allen in die Stadt gebrachten Waren sollte, außer der Mautgebühr, ebenfalls eine Abgabe erhoben werden, die nach dem Gewicht der Ware zu bemessen wäre. 1733 genehmigte die Wirtschaftsuntersuchungskommission, dass der Magistrat die Biersteuer von 6 auf 12 Kreuzer je Eimer erhöhen dürfe (RP 1733, 216).
- RP 1733,137.
- RP 1723,179,189.
- RP 1725,190. —Pritz schreibt, dass in dieser Zeit, da sich „wenig Merkwürdiges in Steyr zutrug, eine bedeutende Tätigkeit herrschte, Handel und Wandel und mit ihm der Wohlstand der Bürger Zunahmen“ (LV 1,327). Dem widersprechen die Ratsprotokolle. In diesen wird die Lage der kleinen Handwerker als „desolat“ bezeichnet (RP 1711,56). Der Stein- und Wundschneidearzt Franz Georg Berger, z.B., bat um Bewilligung, dass seine alte Mutter am Wochenmarkt Medizinen feilhalten dürfe, um ihren Lebensunterhalt zu fristen (RP 1722,90).
- RP 1733,225. Für Mündelgelder sollten weiterhin 4 Prozent bezahlt werden, anderes Kapital sollte niedriger verzinst werden.
- RP 1724,198.
- RP 1725,222.
- RP 1732,174.
- RP 1733,140,167,173,194,267.
- RP 1732,14,16,18,28,96,232. — „Hochaus hat dem Krugl Müllner unterm Himmel erlaubt, daß er auf seine Parola im Steinfeld unweith des Bier Häußl eine neue Pruckhen yber den Steur Fluß“ erbaue.
- RP 1732,143.
- Der Huldigungszug bewegte sich vom Schloss bis zur Pfarrkirche RP 1732,239. — Die Kosten betrugen 42 Gulden 7 Kreuzer, außerdem hatte die Stadt an anteiligen, den landesfürstlichen Städten erwachsenen Spesen 90 Gulden 43 Kreuzer 4 Pfennig zu entrichten.
- RP 1732,191.
- RP 1732,227,228. — Da nicht alle Bürger an dem Aufzug der Kompanien teilnehmen wollten, verfügte der Rat, dass von diesen „ein geringer Aufschlag in Geld“ eingehoben werden sollte. RP 1732,319: Stadtplatz und Enge wurden durch den bgl. Pflasterer Johann Maximilian Ebenherwibmer aus Linz gepflastert.
- RP 1732,180.
- LV 1,332.
Literaturverzeichnis
- Franz Xaver Pritz, Beschreibung der Stadt Steyr und ihrer nächsten Umgebung. Linz 1837.
- Joses Ofner, Die Eisenstadt Steyr. Geschichtlicher und kultureller Überblick. Steyr 1958.
- Alfred Hoffmann, Oberösterreichisches Schicksal im Wandel der Jahrhunderte. Linz 1946.
- Alfred Hoffmann, Die Quellen zur Geschichte der Wirtschaft im Lande ob der Enns.
- Josef A. Tzöbl, Österreich — Großmacht.
- Bruno Gebhardt, Handbuch der deutschen Geschichte, Bd. 2, Stuttgart 1958.
- Ludwig Edlbacher, Landeskunde von Oberösterreich. Wien 1883.
- Heinrich Demelius, österreichisches Grundbuchsrecht. Wien 1948.
Weiteres (Quellenmaterial: Ratsprotokolle, Steuerbücher, Jurisdiktionsakten im Stadtarchiv Steyr, Sterbematriken im Stadtpfarramt Steyr.
Im Stadtarchiv fehlen die Ratsprotokolle der Jahre 1597, 1598, 1726, 1729, 1740 und 1761. Diese dürften bei Verlagerungen verloren gegangen sein. Die Archivalien der Stadt wurden 1704 und 1741 nach Eisenerz, 1809 nach Preßburg und 1944 nach Spital am Pyhrn gebracht.
Aus den Veröffentlichungen des Kulturamtes der Stadt Steyr, Heft 27, Dezember 1966