Von Erlefried Krobath
Der Handelsmann1) und Stadtrichter des Jahres 1562, Sebastian Pischinger, trat 1566 das Bürgermeisteramt an,2) welches er durch das Vertrauen der Bürger bis zum Jahre 1570 innehatte.3)
Die Zeit war wieder vom Lärm der Waffen erfüllt. Sultan Soliman war mit einem gewaltigen Heer aus Ungarn im Anzug. Kaiser Maximilian II., sein Gegenspieler, bot ebenfalls eine große Armee auf, zu der Steyr auf die Dauer des Feldzuges zwei bespannte Wagen und zehn Pferde als Geschützborspann beizusteuern hatte und auf die Dauer des Feldzuges zu unterhalten verpflichtet wurde. Im April 1566 wurde schließlich auch eine Musterung der bewaffnet angetretenen Bürgerschaft abgehalten, damit festgestellt werde, dass man im Notfall auch auf diese zurückgreifen könne.4) Der Kaiser versuchte weiters, bei der Stadt und ihren vermögendsten Bürgern Geld zu leihen. Vorerst erklärten sich der Rat und einige der reichsten Bürger bereit, 14.300 Gulden zu borgen. Auf nochmalige Vorsprache der Anleihekommission, die glaubte, dass die finanzielle Kraft der Stadt und ihrer Bürger noch nicht entsprechend ausgeschöpft sei, wurden dem Kaiser 20.300 Gulden unverzinst auf die Dauer von drei Jahren zur Verfügung gestellt. Diese Summe wurde, unter Berücksichtigung der Vermögenshöhe, auf die Bürger umgelegt. Schließlich ordnete Maximilian am 26. 6. 1566 an, dass sich alle mit Adelsfreiheiten ausgestatteten Bürger bei Androhung des Verlustes dieser Privilegien ohne Verzug persönlich mit ihren Knechten und Pferden im Feldlager einzufinden hätten. Dieser Befehl verursachte bei allen Betroffenen große Aufregung. Es wurde an den Kaiser ein Bericht abgefertigt, in welchem der Rat hervorhob, dass wohl ein Teil der Vorfahren dieser Bürger, ihrer Verdienste wegen, mit Adelsbefreiungen ausgestattet worden wäre; sie hätten jedoch fast ausschließlich gewerbliche Tätigkeiten ausgeübt, überdies sei der größte Teil der nobilitierten Bürger mit Rats- und anderen Ämtern beladen. Da daher ihre Abwesenheit der Stadt und auch dem kaiserlichen Kammergut zum Nachteil gereichen würde, bäten sie um Befreiung vom Felddienste, die dann auch gewährt wurde. Der Feldzug fand durch den Tod Solimans im gleichen Jahre seinen Abschluss, da die Türken abzogen und der Kaiser darauf sein Heer entließ.5)
Am 29. und 30. Juni 1567 erlitt Steyr beachtlichen Schaden durch eines der größten Hochwasser seiner Geschichte. Alle Brücken, Stege, Schleifen, Fluder- und Mühlwerke fielen der Gewalt des Wassers zum Opfer.6)
Die unruhigen Zeitläufte hemmten die Aufbringung von Lebensmitteln ans dem Lande und verhinderten sie überhaupt. Trotzdem aus der Pfalz und aus Bayern Getreide zugeführt wurde, herrschte in vielen Orten Oberösterreichs Hungersnot; vielfach wurde Kleie mit Sägespänen zu Brot verbacken.7) Die Gemeinden Weyer und Gaflenz baten den Magistrat am 13. 3. 1570, ihnen mit Weizen und Korn auszuhelfen. Der Rat beschloss, unter Berücksichtigung des Bedarfes der eigenen großen Gemeinde, „sovill als möglich“ zu schicken.8) Vier Tage später übermittelte auch Burggraf Adam Hoffmann dem Rate ein Ansuchen seiner Untertanen in Ternberg, Raming, Laussa, Mitterberg und Arzberg, in welchem diese baten, auf dem Steyrer Wochenmarkte Getreide aufkaufen zu dürfen. Falls solches auf dem Markte nicht zu erhalten wäre, wollten die Gemeinden am Lande Getreide besorgen, und ersuchten die Stadt, diese Transporte auf ihren Straßen passieren zu lassen. Auch wollten die Gemeinden, dass die Stadt ihren Bürgern den „Fürkauf“ (Kauf außerhalb des Wochenmarktes zu erhöhten Preisen beim Erzeuger) verböte. Der Rat schlug das Ansuchen um Getreidekauf in Steyr ab, da in der Stadt solches nicht genügend vorhanden war.9)
Wegen der Teuerung sah sich die Stadt zu einer sehr unpopulären Maßnahme gezwungen: bis zu einer „Pesserung der Zeit“ wurde am 4. 9. 1570 die Schließung aller Brauhäuser befohlen.10)
Besonders wurde auch auf die Einhaltung der Preise und Gewichte der Lebensmittel geachtet. Am 13. 3. 1570 wurde vom Rate eine „Bäckerschupfen“ bestellt. Diese war ein Käfig aus Eisenbändern, in welchem ein Mensch in kauernder Stellung Platz fand. Straffällige Bäcker wurden in den Käfig gezwängt und, zur Unterhaltung der Zuschauer, in diesem mehrmals in die Enns getaucht. Nach dieser Prozedur musste der Bestrafte in den nassen Kleidern nach Hause gehen. Als erster erlitt diese Strafe in Steyr der Bäckermeister Gillig Prill. Bei einer Brotbeschau wurde einer seiner „Zwei Khreuzer Laib um 11 lott zw gering“ befunden. Schon bei früheren Kontrollen waren seine Semmeln „Zwayerlay gering und schwerer“ und als nicht gekennzeichnet festgestellt worden. Bis zur Fertigstellung und Aufrichtung der „Bäckerschupfen“ wurde Prill in den Turm gesetzt.11) In der Ratssitzung vom 1.9.1570 berichtete Bürgermeister Pischinger, dass „man sich auch bey dem Salzwesen zu Gmunden“ mit Getreide versorge und der Fürkauf durch den Grymüllner und gewisse Bauern erfolge, überdies forderten die „Herrn aufm Lanndt“ das ihren Untertanen in der größten Notzeit geliehene Getreide zurück, außerdem würden sie alles Getreide der Untertanen aufkaufen. Diese Handlungsweise habe zur Folge, dass künftig kein Getreide auf den Steyrer Wochenmarkt kommen werde und eine „Ansechliche Teurung“ entstehen würde.12) Zur Verhütung einer Lebensmittelnot in der Stadt schlug der Bürgermeister vor, wegen Getreides mit der Herrschaft Wolckenstorff und an anderen Orten zu verhandeln.13) Am 4. 11. 1570 trug Pischinger dem Rate vor, dass er anlässlich einer Landtagssitzung in Linz vom St. Florianer Propste Weizen und Korn für die Stadt gekauft habe, von dem ein Teil in Mauthausen und der andere in St. Florian lagerte.14)
Die Teuerung veranlasste auch die städtischen Lohnempfänger, um Aufbesserung ihrer Besoldung anzusuchen. Pankraz Löschenprandt, dem die Heizung der Ratsstuben und das Richten der Ratsuhr übertragen war, verlangte, ihm „ein merers als die vorher gereichten 6 Gulden“ geben zu lassen.15) Magister Johannes Schreiner16), ebenso wie der Torhüter des Steyrer Tores David Rottinger17), unteranderen,18) forderten eine Erhöhung ihrer Einkünfte. Dem Pfarrer Wolffgang Premer19) wurden, wegen der „schweren Teuren Zeiten“, vom Rate 20 Gulden geliehen.
Da die Pest ihre furchtbare Geißel seit 1569 über die Stadt schwang,20) erließ der Rat am 26.6.1570 eine erste Verfügung, um die Verbreitung der Infektionskrankheiten einzudämmen. Nach Ansicht des Rates waren die Herde für diese Krankheiten besonders in den Pfarren Haag, Weistrach, Ernsthofen und Haidershofen zu suchen. Den Untertanen dieser Orte wurde mit sofortiger Wirksamkeit verboten, den Wochenmarkt in Steyr zu besuchen oder sonst die Stadt zu betreten. Damit jedoch die Steyrer Bürger durch diese Maßnahme nicht Mangel an Viktualien erleiden würden, sollten die Bewohner der vorerwähnten Orte ihre Waren „bey dem Creüz auf der Ennsleuthen“ feilbieten. Außerdem verfügte der Rat, innerhalb des Burgfriedes Schweine und „allandere vnsauberkhait“ abzuschaffen und in den Häusern gute Ordnung zu halten.21)
Am 1.9.1570 berichtete der Bürgermeister im Rate, dass er als weitere Maßnahme gegen die Infektionskrankheiten die Leichentransporte durch die Stadt nach Gasten „in Jeziger gefärlicher Zeit“ eingestellt habe, was dem Rat „ganz woll“ gefiel; zusätzlich wurde von diesem eine „Steüffe Hanndthabung Zethuen“ verordnet.22)
Schließlich erließ der Rat im Beisein des Bürgermeisters, Richters und Pfarrers am 15.9.1570 nachfolgende Artikel zur Eindämmung der Seuche, die „beratschlagt, abgehört vnd verzaichnet Zewerden verordnet“ wurden und „… auf negsten Sonntag (der Bevölkerung) verlesen werden sollen“.
Leute, die an Infektionskrankheiten starben, hatten von nun an durch zwei besondere Träger zu Grabe gebracht zu werden. Dies betraf nicht andere, an natürlichen Krankheiten Verstorbene, die weiterhin von ihrer Zunft oder anderen Personen beerdigt werden konnten. Die Verwendung des beim Tode eines Infektionskranken gebrauchten Leichentuches wurde bei anderen Begräbnissen verboten. Die Besoldung des Totengräbers und der Leichenträger wird festgesetzt, damit „die Leutt vor vberschazung verhüett“ werden. Dem Totengräber wurde befohlen, die Verstorbenen entsprechend tief in die Erde einzugraben.23)
Da der alte Friedhof beim Bruderhaus die Toten nicht mehr fassen konnte, und ein Teil desselben mit vielen unverwesten Leichen gegen die Steyr abgestürzt war,24) wurde über den Bau eines neuen Gottesackers auf des „Stadlmairs Feld oben beim Gasteig“ (Höhenweg) beratschlagt.25) Schon am 2. 8. 1570 wurde beschlossen, dass vorerst sofort die Umfassungsmauer gebaut werde.26)
In der Ratssitzung vom 21. 4. 1570 wurde beschlossen, dem berühmten Wasserbaumeister Gasteiger ein Hochzeitsgeschenk zu machen.27)
Von den Bauten, die in dieser Zeit errichtet wurden, sei das städtische Gefangenhaus, damals „Nachrichterhaus“ genannt, erwähnt (heute Grünmarkt 14); am 15. 9. 1570 befahl der Rat dem Stadtkämmerer ein solches zu erbauen.28) Ein Nachrichterhaus ist schon aus früheren Zeiten bekannt, doch dürfte es dem großen Stadtbrand des Jahres 1522 zum Opfer gefallen sein.29)
Zwanzig rheinische Gulden bewilligte der Rat am 7. 6. 1570 den Stachel-Schützen als Beitrag zur Erbauung einer Schießhütte.30)
In Steyr wollten Wiedertäufer und andere Sekten neuerlich Fuß fassen. Im Ratsprotokoll vom 15. 9. 1570 ist vermerkt, dass der Beschluss gefasst wurde, die wegen Verharrens bei diesen Lehren der Stadt Verwiesenen „gestraggs“ abzuschaffen.31) In derselben Sitzung wurde durch den Prädikanten auch die Deutsche Schulordnung der Stadt verlesen und vom Rat „darinnen khain Irrung befunden“.32)
Sehr strenge achtete die Stadt auf die Einhaltung der städtischen Privilegien. Ohne Genehmigung des Rates war die Benützung der Eisenstraße von Steyr bis Kastenreuth, die auch von der Stadt erhalten werden musste,33) nicht erlaubt. So wurden z. B. die auf dieser Straße ohne Erlaubnis beförderten Venedigerwaren des Linzer Bürgers Melchior Wrona beschlagnahmt34) und erst nach längeren Interventionen freigegeben.35)
Sebastian Pischinger war mit Cordula Khrafft verheiratet.36) Ein Testament, das er am 17. 4. 1574 abfasste, gab er ungefertigt in die Stadtschreiberei. Da er bald darauf starb, konnte er es nicht mehr unterschreiben. Seine Frau erwirkte daher am 24. 9. desselben Jahres vom Rate der Stadt eine „Testaments-Attestation“, der man entnehmen kann, dass Pischinger letztwillig auch verschiedenen Institutionen, wie dem Bruderhaus, dem Spital, der Stadtpfarrkirche und „Zu der Latteinischen Schuel gebeü“ Legate vermacht hatte, die jedoch erst nach dem Tode seiner Gattin auszuzahlen waren.37) Die Leibeserben des Bürgermeisters waren schon zur Zeit der Errichtung des Testamentes gestorben gewesen.
Im letzten Willen der Witwe wurden die vorerwähnten Legate des Bürgermeisters bestätlgt.38) Cordula Pischinger setzte weitere Legate aus und verteilte das vorhandene Vermögen unter ihren Verwandten. Weiters verfügte sie, dass ihr Haus Stadtplatz 18 – Berggasse 33 verkauft und vor anderen ihrer Gevatterin Katharina, der Gattin des Steyrer Burgers und Metzgers Ulrich Geraltshofer, zum Erwerb angeboten werde.39)
Pischinger und seine Gattin scheinen bei der Stadtpfarrkirche begraben worden zu sein; ihre Gräber sind nicht mehr festzustellen.
- 1567.
- V. 3.
- V. 3, L.V. 16.
- V. 1, S. 278.
- V. 1, S. 289, 290.
- V. 1, S. 282.
- V. 1, S. 285.
- P. 1570, S. 57.
- P. 1570, S. 59.
- P. 1570, S. 261.
- P. 1570, S. 57.
- P. 1570, S. 59.
- P. .1570, S. 248.
- P. 1570, S. 284.
- P. 1570, S. 7.
- P. 1570, S. 178.
- P. 1570, S. 81.
- P. 1570, S. 177, 179.
- P. 1570, S. 178.
- V. 1, S. 283, 284., 285.
- P. 1570, S. 173, 174.
- P. 1570, S. 246.
- P. 1570, S. 263, 264.
- V. 1, S. 283.
- P. 1570, S. 54. 90.
- P. 1570, S. 229.
- P. 1570, S. 98.
- P. 1570, S. 106.
- V. 1, S 90: (1437) „Der Zechmeister hatte das Nachrichter- oder Schergenhaus so an den Friedhof gebaut, dass ein Fenster desselben auf den Friedhof ging. Da dieses Haus nicht stets dort gewesen war (vor 1437) …“
- P. 1570, S. 112.
- P. 1570, S. 264.
- P. 1570, S. 265.
- V. 18.
- P. 1570, S. 32.
- P. 1570, S. 39.
- Testament der Cordula Pischinger, geb. Khrafft, vom 17. 2. 1580, (St. A.).
- Sebastian Pischingers Testaments-Attestation, 1574 den 24. 9. (St. A.).
- Siehe 37)
- Legate: der Tochter ihres Bruders Sebastian Khrafft, Bürgers und Kürschners in Vordernberg (diese hatte den Steyrer Bürger und Schleifer Wolff Rosenstain geheiratet); der Muhme Anna Rosenstainin; dem Stadtschreiber Melchior Höber; dem gewesenen Stadtschreiber-Substitute Christoff Seiringer; ihrem Täufling Margaretha Dürnperger. Die verbleibende Hinterlassenschaft war zu verteilen an ihre Schwester Apollonia Ettinger in Augsburg und deren Sohn Hans, weiters an die verwaisten Kinder der Brüder des Hans, Wolf Ettinger in Nürnberg und Michael Ettinger in Augsburg, schließlich an Ulrich, den Sohn ihres Bruders Sebastian Khrafft.
Aus den Veröffentlichungen des Kulturamtes der Stadt Steyr, Heft 17, November 1957
Die Bürgermeister der Stadt Steyr und ihre Zeit (Fortsetzung)