Bürgermeister Michael Aidn 1597

Die Bürgermeister der Stadt Steyr und ihre Zeit (Fortsetzung)

Von Erlefried Krobath

 

In Gegenwart des landesfürstlichen Kommissars, kaiserlichen Rates und Vizedoms des Landes ob der Enns Hanns Adam Gienger von Wolfsegg und Rottenegg, wurde Michael Aidn für die Jahre 1595 und 1596 zum Bürgermeister gewählt. An Aidns Wahl zum Stadtoberhaupt für 1597 nahm der Anwalt der obderennsischen Landeshauptmannschaft Dr. Veit Spindler als Kommissär teil.1)

Aidn war ein treuer Anhänger der lutherischen Glaubensbekenntnisse. Es ist sicher anzunehmen, dass der gleichgesinnte Rat der Stadt mit Aidn bewusst einen Bürger an die Spitze der Stadt stellte, auf den er sich in der Zeit, die durch den Kampf der bisherigen kirchlichen Gewalten mit der neuen Glaubenslehre gekennzeichnet war, ganz verlassen konnte.

Als junger Mann war Michael Aidn nach Steyr gekommen. Die großen Möglichkeiten, die Steyr als weitum bekannte Handelsstadt aufstrebenden jungen Menschen bot, werden ihn veranlasst haben, in dieser Stadt sein Fortkommen zu suchen. Aidn wurde im Jahre 1536 in Freistadt als Sohn des Antoni Aidn, der 1537 und 1546 in diesem Orte die Stadtrichterwürde bekleidet hatte, geboren.2) In Steyr ging Michael Aidn dem Handel mit „Rupfen (Rohleinwand)“ und Messern nach.3) Wie viele seiner Berufskollegen trieb er auch mit Venedig Handel. In diese Stadt brachte er die Waren seiner Branche und nahm als Rückfracht Wein und Wachs mit. Die Steuerbücher seiner Zeit zeigen ihn als sehr reichen Mann; er besaß eine Anzahl von Häusern und Höfen.4) Unter ihnen seien erwähnt das „Aichetschlössel (heute Sierninger Straße 82)“, das er selbst erbauen ließ, und das Haus Enge 5, das er 1567 kaufte und 1596 an Ulrich Auracher weiterverhandelte. Ein anderes Haus, heute Enge 10, erwarb er aus der Konkursmasse des Venedigerwaren- und Kupferhändlers Wolf Gröbmer.

Im Alter von 28 Jahren, 1564, war er erstmalig Mitglied des Inneren Rates der Stadt. Diesem gehörte er dann noch viele Jahre an.5) Mehrfach bekleidete er auch die Stelle eines Kassenverordneten, des Spitalmeisters, des Kirchenmeisters, des Brunnenmeisters, eines von der Stadt beauftragten Baumeisters und war oft Vertreter des Bürgermeisters in den Ratssitzungen. Als die Stadt sich im Jahre 1594 auf die Abwehr einer Türkenbelagerung vorbereitete, wurde Aidn zum Stadtobersten bestellt.6)

Michael Aidn war von der Stadt auch mit der Erbauung des im Steyrer Stadtbildes so charakteristischen Wasserturmes in Zwischenbrücken betraut worden. Heute kennen wir ihn nur mehr in gekürzter Gestalt. Nach Fertigstellung des Turmes im Jahre 1574 wurden durch diesen die beiden am Stadtplatz befindlichen Brunnen (Poseidon- und Neptunbrunnen) gespeist.7)

Am 10. 5. 1594 war in St. Peter der zweite Bauernkrieg ausgebrochen, der sich vorerst gegen die Vertreter des Katholizismus gewandt hatte. Aus dem Mühlviertel griff der Aufstand auf das Hausruckviertel über. Schließlich brach am 6. April 1596 ein allgemeiner Aufstand der Bauern los, dessen letzter Abschnitt sich 1597 im Traunviertel, in der Umgebung Steyrs abspielte. Landeshauptmann Löbl, ein dem Katholizismus bedingungslos ergebener Mann, hatte schon 1594 den Auftrag erteilt, in Steyr Musterungen abzuhalten, die Stadt in den Verteidigungszustand zu setzen und Kaiser Rudolf II. die Treue zu wahren.

In dieser unruhevollen Zeit zeigte sich Bürgermeister Aidn als überlegender und besonnener Mann, der sich der großen Verantwortung seines Amtes bewusst war.

Im November 1596 hatte die Herrschaft Steyr ihre Untertanen zur Musterung entboten. Die Bauern erschienen im Schloss, wollten aber vorerst ihre Beschwerden vorbringen und dann gehorchen. Es kam zu einem Tumult, bei dem der Burggraf von den Bauern tätlich bedroht wurde. Der Rat der Stadt ließ darauf die Bürgerschaft zum Schutze des Burggrafen aufbieten. Die beiden Bauern, die gegen diesen tätlich vorgegangen waren, wurden mit dem Schwerte hingerichtet. Dieses Vorgehen hatte zur Folge, dass sich die Bauern des Traunviertels zusammenrotteten und am 1.12. des gleichen Jahres vor die Stadt zogen. Zu gleicher Zeit trafen auch 5000 revoltierende Bauern aus Niederösterreich ein, die nordöstlich der Stadt ihr Lager aufschlugen. Dieses vereinigte Bauernheer wollte die Stadt und das Schloss besetzen und an dem Burggrafen Rache nehmen. Inzwischen hatte der Landeshauptmann der Stadt befohlen, dem Burggrafen Hilfe zu leisten. Die Bauern hatten alle Wege in die Stadt gesperrt und eine Abordnung an den Rat gesandt, von dem sie unter Androhung von Gewalt forderten, dass er ihnen freien Zugang in die Stadt, weiters Quartier und Verpflegung gewähre.8) Diese Ansinnen der Bauern wurden vom Rate abgelehnt. Sicherlich hatte die Furcht des Rates, die Bauern innerhalb der Stadtmauern zu haben und wehrlos ihren Aktionen ausgeliefert zu sein, eine Rolle bei der Ablehnung ihrer Forderungen gespielt. Um aber Zusammenstöße zu vermeiden, gestattete man den Bauern stillschweigend, ihre Verpflegung in Ennsdorf und Steyrdorf abzuholen. Ein sehr strenger Winter und die Aussichtslosigkeit ihre Forderungen durchzusetzen, bewogen das Bauernheer, am 6. Dezember wieder abzuziehen. Die Gruppe um Tasch zog gegen Sierning und dann weiter nach Wels, die anderen Bauernhaufen verliefen sich.

Der zweite Bauernkrieg und der Türkenkrieg hatten die Gegenreformation wohl verzögert, aber nicht aufgehoben. Der Rat war sich dessen bewusst als er 1597, zusammen mit dem evangelischen Kirchenministerium, eine Schrift „Theologische Bedenken der Stadt Steyr“, verfasste.9) In dieser wurde die Notwendigkeit einer einheitlichen protestantischen Front gegen Übelstände in der katholischen Kirche propagiert. Es ist sicher anzunehmen, dass Bürgermeister Aidn als begeisterter Anhänger der Lehre Luthers an der Abfassung dieser Bekenntnisschrift mitwirkte.

Aidns Amtszeit als Bürgermeister lief 1597 ab. Er verblieb aber weiterhin im Rate und wurde 1599 als Vertreter Steyrs zum Landtage nach Linz entsandt. Der neue Bürgermeister Hans Muth verstand es, ihn unter Hinweis auf das Vertrauen der Mitbürger und die politische und religiöse Not der Zeit, zur Reise zu bewegen.

Im Sommer desselben Jahres machte er als Abgesandter der Stadt auch eine Reise nach Prag.10)

Landeshauptmann Löbl hatte indessen die über die Stadt verhängte und noch nicht bezahlte Strafe von 8000 Dukaten nicht vergessen. Er lud am 7. August 1600 fünf Ratsmitglieder, unter denen Michael Aidn war, nach Linz. Hier wurden sie in Haft genommen und ihnen erklärt, dass sie solange in derselben zu verharren hätten, bis ein Revers über das Reformationswesen gefertigt werde und überdies die der Stadt als Strafe auferlegte Geldsumme bezahlt sei. Der Revers sollte die Verpflichtung enthalten, dass alle Stiftsbriefe und sonstigen Urkunden über Kirche, Pfarre, Klöster und Kapellen im Original dem Landeshauptmann zu übergeben seien. Weiters hätte das unkatholische Schulwesen abgeschafft zu werden. Nicht nur Bürgermeister, Richter und Rat müssten den Gottesdienst in der Pfarrkirche mit mehr Fleiß und Gehorsam besuchen, sondern auch die übrigen Mitbürger seien dazu anzuhalten. Seinen Entschluss, die Ratsbürger festzuhalten, bis seine Forderungen erfüllt seien, gab der Landeshauptmann der Stadt am 9. August bekannt.11) Aber auch die Festgehaltenen sandten noch am 7. August einen Brief an den Rat, in welchem sie über die an sie gestellten Forderungen und ihrer Weigerung, einen Revers zu unterfertigen, berichteten. Sie baten den Rat, die Angelegenheit zu bereinigen, und teilten ihm mit, dass ihrer daheim dringende Geschäfte warteten. Bis zur Erfüllung der Bedingungen könnten sie auch durch fünf andere Geiseln abgelöst werden.

Der Rat zögerte mit der Unterfertigung eines Reverses, aber auch mit dem Zahlen. Es geschah also von Steyrer Seite wenig, um das Los der arretierten Glaubensbrüder und Ratsbürger zu wandeln. Im Arrest erkrankte Michael Aidn. Über Bitten vornehmer Mitglieder des Herren- und Ritterstandes wurde er in das Haus des reichen Bäckermeisters Sebastian Sumerauer in Linz gelassen, der ihn aufopfernd pflegte. Doch Sorgen, Aufregungen, und nicht zuletzt die Festnahme, hatten die Lebenskraft dieses Mannes gebrochen. Im 65. Jahre seines Alters verstarb er in der Wohnung Sumerauers. Sein Leichnam wurde nach Steyr geführt und unter großer Anteilnahme der Bevölkerung im Taborfriedhofe zur letzten Ruhe gebettet.12)

Anlässlich der Verlassenschaftsverhandlung wurde im Ratsprotokoll vom 4.11.1600 der Stadt Freistadt der Tod Aidns vermerkt.

Am 12. 11. 1597 hatte Aidn seinen letzten Willen verfassen lassen.13) In seinem Testament bekennt er sich zur Augsburgischen Religion, von der er wünschte, dass ihn Gott bei ihr bis an sein Ende erhalten wolle. Einen breiten Raum nimmt die Verteilung des Besitzes ein. Er wollte, seinem Stande gemäß, bei der Pfarrkirche bestattet werden. Nach seinem Tode mögen ehestens an arme Leute, an Hausarme und an Arme des Spitals, des Bruderhauses und des neuen Siechenhauses einhundert Pfund Pfennig bar verteilt werden. Er bestimmte ferner, dass eventuelle Kinder aus seiner Ehe mit Eva Strasser je zehntausend Gulden baren Geldes erhalten sollten. Gingen aus seiner Ehe keine Söhne, sondern nur Töchter hervor, so sollten diese als Erben auch des Erblassers Kleider, Waffen, Harnisch, Rüstung, Betten und ähnlichen Mannesbesitz erhalten. Bis zur Verheiratung der Kinder habe die Witwe das Erbe der Kinder zu verwalten und diese gottesfürchtig zu erziehen. Im Falle der Kinderlosigkeit setzte er die Witwe zur Universalerbin ein und vermachte den Verwandten in auf- und absteigender Linie 4000 Pfund Pfennig; würden diese jedoch seinen letzten Willen „difficultieren“, gütlich oder rechtlich anfechten, seien die Legale verwirkt und ebenfalls den Armen und Insassen der Altersheime zu geben. 6000 Gulden seines Vermögens behielt er sich für „guete Verwandte“ und weitere Spenden an Ortsarme vor. Wenn ein Teil dieser Summe zu seinem Tode noch vorhanden wäre, so sei auch dieser dem Erbe seiner Frau zuzuschlagen.

In erster Ehe war Aidn mit Elisabeth Fentzel, der Witwe des Wolf Grüneis (Grüeneyß) und einer Tochter des Achaz Fentzel, Faktors zu Venedig, und seiner Gattin Margarethe, geborene Cronstorfferin, vermählt.14) Nach deren Tod heiratete er Regina Engel von und zu Wagrain, eine Tochter des Steyrer Ratsbürgers Stephan Engel von und zu Wagrain und der Magdalena Dorninger.15) Als Regina im März 1590 starb, vermählte sich Aidn nochmals mit der Tochter Eva seines Vorgängers im Bürgermeisteramte, Daniel Strasser.16) Alle drei Ehen blieben kinderlos.

 

  1. V. 2, S. 224.
  2. V. 18.
  3. B.1567, 1586.
  4. Aichetgasse 6, 13, 32, 38; Wolfernstraße 3; Haratzmüllerstraße 46, 147; 2 Häuser und 1 Brandstatt im „Gissübl“ (Mehlgraben 6-10); 8 Brandstätten.
  5. V. 12.
  6. P. 1594, S. 548, 566, 590; R.P. 1593, S. 275, 360, 441; L.V. 12, R.P. 1575, S. 415.
  7. P. 1575, S. 415.
  8. V. 2, S. 222, 315 ff.
  9. Religionsakten K. XI, L. 24, Nr. 1078 (St.A.).
  10. V. 7, S. 69.
  11. Religionsakten, K. XI, L. 24, Nr. 1171 (St.A.).
  12. V. 1, S. 329
  13. Testament vom 12. 11. 1597, K. XI, L. 14 (St.A.).
  14. V. 1, S. 292.
  15. V. 1, S. 289.
  16. V. 1, S. 318.

 


 

Literaturverzeichnis

 

1 Valentin Preuenhuber, Annales Styrenses, Nürnberg 1740.

2 Franz Raver Pritz, Beschreibung und Geschichte der Stadt Steyr und ihrer nächsten Umgebungen,
Linz 1857.

3 Anton Rolleder, Heimatkunde von Steyr.

4 Franz Raver Pritz, Geschichte der ehemaligen Benediktiner-Klöster Garsten u. Gleink.

5 Wolfgang Lindner, Annalen.

6 Joses Ofner, Die deutschen Schulen der Stadt Steyr.

7 Ilse Neumann, Steyr und die Glaubenskämpfe. V. d. K. Februar 1952.

8 Bürgermeister-, Richter- und Ratswahlen 1580—1617. MK., L. 12, Nr. 970 (St.A.).

9 Jahrbuch der k. k. heraldischen Gesellschaft „Adler“ 1917/18, 33b. XVII und XVIII.

10 Ilse Neumann, Die Einführung des Gregorianischen Kalenders.

11 Darlehensakten, MK., L. 22 (St.A.)

12 Bürgermeister-, Richter- und Ratswahlen 1487—1607. MK., L. 12, Nr. 970 (St.A.).

13 Oskar Freiherr von Mitis, Die diplommäßige Verleihung der Ortsnamenprädikate an den niederen
Reichadel im 16. und 17. Jahrhundert (Adler 1910, Nr. 349).

14 Ludwig Bittner, Das Eisenwesen in Innerberg-Eisenerz bis zur Gründung der Innerberger
Hauptgewerkschaft im Jahre 1625.

15 A. v. Pantz, Die Grabdenkmale der Stadtpfarrkirche zu Steyr.

16 Josef Ofner, Die Eisenstadt Steyr.

17 Erlefried Krobath, Michael Aidn. V. d. K. Dezember 1954.

18 Georg Grüll, Freistädter Geschichtsblätter 1950, 1. Heft.

19 Eder Karl, Glaubensspaltung und Landesstände in Österreich o. d. E. 1525—1602.

 

Ratsprotokolle 1569—1600, Religionsakten, Steuerbücher (St.A.).

Abkürzungen:

L.V. —  Literaturverzeichnis

R.P. — Ratsprotokoll

F — Faszikel

K — Kasten

L — Lade

Stb. — Steuerbuch

Stpf. — Stadtpfarramt

St.A. — Stadtarchiv

Mein besonderer Dank gebührt Herrn Amtsrat Adalbert Koller für die liebenswürdige Bereitstellung eines Teiles der Archivalien.

 

Aus den Veröffentlichungen des Kulturamtes der Stadt Steyr, Heft 19, November 1959

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