Bürgermeister Hieronymus Händl (Handl)1) 1600 – 1602

Die Bürgermeister der Stadt Steyr und ihre Zeit (Fortsetzung)

Von Erlefried Krobath

Hieronymus Händl (Handl)1)

 

Für das Jahr 1601 war die Wahl der Stadtämter wieder nach altem Brauche erlaubt worden. AIs Bürgermeister ging aus dieser Wahl Hieronymus Händl hervor,2) dessen unbeugsame evangelische Gesinnung sicherlich einer der Gründe war, weshalb er berufen wurde. Mit ihm trat ein bedeutender Wirtschafts- und Verwaltungsfachmann Steyrs an die Spitze der Stadt.

Händl entspross einem Hammerherren- und Eisenhändlergeschlecht, das durch ein Jahrhundert in Steyr führend war und der Stadt schon einen Bürgermeister gestellt hatte.3) Er war der zweite Sohn des früheren Stadtrichters Joachim Händl und dessen zweiter Frau Catharina Schwäbin.5) Im väterlichen Hause Stadtplatz 38 (heute Gasthof „Zu den drei Alliierten“), das 1567 den Erben nach Joachim Händl gemeinsam gehörte und als dessen alleiniger Eigentümer Hieronymus 1571 nachgewiesen werden kann, betrieb er seinen Eisenhandel.6) Auch er hatte vor seiner Wahl zum Bürgermeister verschiedene Stadtämter bekleidet.7)

In Steyr prallten die verschiedenen religiösen Ansichten leidenschaftlich aneinander und machten sich in tumultarischen Austritten Lust. Trotz aller kaiserlichen Verordnungen hing der größte Teil der Bevölkerung nach wie vor den Lehren Luthers an. Zu einem argen Zusammenstoß kam es am 25. April 1601 in der Nähe des St.-Gilgen-Tores (heute Brucknerplatz).8) Einem alten Brauche folgend, zog nach langen Jahren wieder die katholische Geistlichkeit von Garsten nach Steyr. Aus der Stadtpfarrkirche kam ihr der katholische Stadtpfarrer Johann Widersperger mit seinem Gefolge entgegen. Viele Handwerksburschen und beschäftigungslose Soldaten mit umgegürteten Schwertern und Steinen in der Hand hatten sich in der Nähe der Kirche versammelt, um den ihnen fremden und ungewohnten Aufzug anzusehen. Als die Prozession in unmittelbarer Nähe der Kirche war, warf der Schneidersohn Jakob Fischer einen Stein auf die Prozessionsteilnehmer. Dies war ein Signal für die übrigen Zuschauer das gleiche zu tun, worauf sich die Prozession auflösen musste. Die mitgeführten Fahnen wurden von den Demonstranten zerrissen und die Gebetbücher verstreut. Pfarrer Widersperger hatte eine schwere Kopfwunde erlitten und wurde später an den Folgen dieser Wunde geistesgestört. Viele Prozessionsteilnehmer erlitten gefährliche Verletzungen. Das Stift Garsten reichte für sie in Linz gegen den Magistrat eine Klage ein und forderte 10.000 Dukaten als Schadenersatz für zugefügte Verletzungen und Unbilden. Für die zerrissenen Fahnen wurden 600 Gulden verlangt. Nach langwierigen Verhandlungen leistete der Magistrat eine Ersatzsumme von 200 Gulden für die Fahnen.9) Die Täter waren geflüchtet oder hatten sich aus Furcht vor Strafe gut versteckt, sodass sie nicht gefunden werden konnten.10)

In weiterer Folge wurde der Stadt neuerlich wegen der geschilderten Vorkommnisse verboten, die üblichen Ratswahlen für 1602 abzuhalten. Die im Jahre 1601 in den Stadtämtern tätigen Personen wurden seitens der n.-ö. Regierung jedoch auf ihren Posten bestätigt, sodass Hieronymus Händl ein zweites Jahr das Bürgermeisteramt bekleiden sonnte.13)

Die zahlreichen Eingriffe der Regierung in die der Stadt in früheren Zeiten von verschiedenen Landesfürsten gewährten Privilegien und Freiheiten veranlassten den Rat, den Bürgermeister zu ersuchen, in der städtischen Registratur alle bezüglichen Originalurkunden hervorzusuchen. Diese sollten dann in der Stadtkanzlei in einem „Libell“ (Büchlein) vereint werden, damit man sie nötigenfalls sofort zur Hand habe.14)

Die über kaiserlichen Befehl erlassenen Patente in Glaubensdingen hatten die Auswanderung der ersten Steyrer Bürger zur Folge. Wie der Chronist Lindner berichtet, brachte jedoch der Tod des Landeshauptmannes Löbl am 10. Oktober 1602 die Reformation „zum Stillstand“.15) Die Steyrer ließen ihre Kinder wieder von den Schlosspredigern in Losensteinleiten oder Stadelkirchen taufen und hörten dort lutherische Predigten.

Die beiden Jahre der Tätigkeit Händls als Bürgermeister waren von der Gefahr des Einbruches der Türken überschattet. In der benachbarten Steiermark war das Land um Radkersburg und Vorau in eine Wüstenei verwandelt worden. Im Oktober 1602 musste deshalb auf Befehl des Kaisers in Steyr jeder 30. Mann gemustert werden, um die so gewonnene Truppe auf „den notfahl fortzuschickhen.“16)

In einem Ratsprotokoll wird berichtet, dass Händl auch das Direktorium der „(Eisen)gesellschaft vnd Zeugsverhandlung“ innehatte, obwohl er mit dem Bürgermeisteramt beladen war, das „vberflissig genueg Zuthuen“ gebe.17) In einem anderen Ratsprotokolle wird gesagt, dass der Bürgermeister „bey dem gemainen Stattweßen vnnd der Eißen eompagnia der fürnembst Vorgeher“ ist.18)

Die Ratsprotokolle des Jahres 1602 erwähnen, dass es in Steyr zu dieser Zeit viele baufällige Häuser gegeben hatte, um die sich niemand kümmerte. Der Rat ordnete daher eine Aufnahme dieser Wohnstätten durch die Viertelmeister an.19) Auch den Erben des Bürgermeisters Pfefferl wurde aufgetragen, das schlechte Dach und die baufälligen Obergewölbe der von ihren Altvorderen gestifteten „Cappeln In S. Egidien Statt Pfarrkhürchen alhie“ instandsetzen zu lassen.20) Dem Kirchenverwalter Dorninger wurde auferlegt, für die an der Kirche und aus dem Friedhöfe aufgestellten Grabmale Sorge zu tragen und sie nach Notwendigkeit verwahren zu lassen, „damit sie aufrecht vnd sauber verbleiben.21)

Preuenhuber22) und Pritz23) behaupten, dass Bürgermeister Händl mit anderen Steyrer Familien, die ihrem Glauben treu bleiben wollten, im Jahre 1602 nach Regensburg ausgewandert wäre. Am 18. 12. 1602 wird Bürgermeister Händl jedoch noch als Vorsitzender einer Ratssitzung erwähnt,24) auch an der ersten Sitzung des Rares im Jänner 1603 nahm er teil.25) Er scheint also erst 1603 fortgezogen zu sein. Im selben Jahre ist er in Regensburg gestorben.26)

An seiner Bahre trauerten die Witwe, eine geborene Halbmayrin aus Waidhofen an der Ybbs,27) sowie 6 Söhne und 3 Töchter.28)

 

  1. Das Umlautzeichen auf beim „a“ im Namen Händl war früher ein Zeichen für die reine Aussprache des Selbstlautes „a“; LV. 9; RP. 1602, S. 1, 71.
  2. 9.
  3. Wolff Händl, Bürgermeister 1571—1578, 1582—1583, 1587—1589.
  4. u. 1550.
  5. 1, S. 268; der ersten Ehe Joachim Händls mit Ursula Prucknerin aus Freistadt entstammte der Sohn Sebastian, Bürger in Steyr, bei zweiten entsprossen Hieronymus und Simon, Ratsbürger in Steyr.
  6. 1567, 1571; das Haus Blumauergasse 25 wurde von Händl wiederverbaut; 1571 erbaute er das Haus Promenade 4, von seiner Mutter erbte er 1572 einen Garten und einen Acker vor dem Gilgentor.
  7. 1572, S. 503; RP. 1593, S, 295.
  8. 1601, S. 182.
  9. 3, S, 57; LV. 1, S. 330, 331; LV. 2, S. 234; LV. 5, S. 73—75.
  10. 5, S. 75.
  11. 1601, S. 182—185.
  12. 1601, S. 197.
  13. 9; LV. 1, S. 331.
  14. 1602, S. 308, 317.
  15. 5, S. 98; LV. 7, S. 73.
  16. 1002, S. 267.
  17. 1602, S. 71—73.
  18. 1602 S. 142.
  19. 1602, S. 294.
  20. 1602, S. 266.
  21. 1601, S. 125.
  22. 1, S. 331.
  23. 2, S. 334.
  24. 1002, S. 317.
  25. 1602, S. 1.
  26. 1, S, 331.
  27. 1, S. 268.
  28. Abraham, gest. 1619 in Steyr; Hieronymus, gest. 1629 in Regensburg; Adam, gest. in Venedig; Samuel; Hanns, Landeshauptmann in Oberösterreich; Michel; Elisabeth, verh. Elsenhammer; N. verh. Prusch, N. verh. Partner, Kämmerersgattin in Regensburg. — Abraham erbte von seinem Vater das Haus Blumauergasse 21.

Literaturverzeichnis

LV

  1. Preuenhuber Valentin, Annales Styrenses. Nürnberg 1740.
  2. Pritz Franz Xaver, Beschreibung und Geschichte der Stadt Steyr und ihrer nächsten Umgebungen. Linz 1887.
  3. Pritz Franz Xaver, Geschichte der ehemaligen Benediktiner-Klöster Garsten und Gleink. Linz 1841.
  4. Ofner Josef, Die Eisenstadt Steyr. Geschichtlicher u. kultureller Überblick. Steyr 1956.
  5. Schiffmann K., Die Annalen (1590—1622) des Wolfgang Lindner. Linz 1910.
  6. Zeit Jakob, Chronik der Stadt Steyr 1612—1635. Rev. u. red. von Ludwig Edlbacher. Im 36. Bericht des Mus. Fr. Carol. Linz 1878.
  7. Neumann Ilse, Steyr und die Glaubenskämpfe. d. K. d. St. St. Feb. 1952.
  8. „Statt Steyris Raths Wall“ 1500—1660. St. A.
  9. Verzeichnis der Bürgermeister, Richter und Räte 1500—1651. St. A.
  10. Bürgermeister-, Richter- und Ratswahlenbuch. St. A.
  11. Eder Karl, Ein Reformationshistoriker — Valentin Preuenhuber. d. K. St. Steyr, 1955.
  12. Eder Karl, Das Land o. d. Enns vor der Glaubensspaltung 1490—1526. Linz 1933.
  13. Eder Karl, Glaubensspaltung und Landesstände in Österreich o. d. Enns. 1525—1602. Linz 1936.
  14. Jahrbuch der k. k. heraldischen Gesellschaft Adler, 1917/18, XXVII. u. XXVIII. Bd.
  15. Krobath Erlefried, Was die Ratsprotokolle über die Errichtung des Taborftiedhofes berichten. U.-B. d. „Steyrer Zeitung“ 30. 10. 1958.
  16. Bittner Ludwig, Das Eisenwesen in Innerberg-Eisenerz bis zur Gründung der Innerberger Hauptgewerkschaft im Jahre 1625 (Archiv f. österreichische Geschichte, Bd. 89—1901).

 

Steuerbücher, Ratsprotokolle, Taufbücher und Totenregister der Stadtpfarre Steyr, Eisenakten, Testamente, Kriminalakten-Tumulte, Mautakten.

Mein Dank gebührt Herrn Amtsrat Koller für die Bereitstellung eines Teiles der Archivalien.

Abkürzungen: LV. — Literaturverzeichnis; RP. — Ratsprotokoll; St. A. — Städtisches Archiv; K. — Kasten; L. — Lade; Stb. — Steuerbuch; Krim. A. — Kriminalakten.

Aus den Veröffentlichungen des Kulturamtes der Stadt Steyr, Heft 20, April 1960

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