Die Bürgermeister der Stadt Steyr und ihre Zeit (Fortsetzung)
Von Erlefried Krobath
Am 28. Jänner 1771 verständigte die Landeshauptmannschaft den Magistrat Steyr, dass sie die Mitteilung vom Ableben des Bürgermeisters Angerholzer erhalten habe und verfügte, dass die Wahl eines neuen Stadtoberhauptes aus der Mitte des Rates mit Stimmzetteln ehestens durchzuführen wäre und das Ergebnis schriftlich, unter Verschluss, nach Linz gesendet werden müsse. Bis zur Bestätigung der Wahl, so wurde angeordnet, sollte der amtierende k. k. Stadtrichter Großrucker das Bürgermeisteramt versehen.1) Zwei Tage nach diesem Auftrag erfolgte die Wahl; die abgegebenen „vota“ wurden auftragsgemäß an die Landeshauptmannschaft weitergeleitet. Ehe jedoch die Wahlbestätigung eintraf, starb der von den Räten erwählte und von der Landeshauptmannschaft „angesetzte“ Bürgermeister am 25. April 1772 im Alter von 71 Jahren.2) Er hatte noch am 14. des gleichen Monates den Vorsitz im Rat geführt. Ein am 10. Jänner 1767 abgefasstes Testament wurde am 21. April in Gegenwart der Witwe Josepha eröffnet und kundgemacht.
Großrucker stammte aus Gmunden und hatte das Weißgerberhandwerk erlernt. Sein Vater, Wolf Adam Großrucker (Großruckher) war ebenfalls als bürgerlicher Weißgerber in der erwähnten Stadt tätig. Im Jahre 1722 bewarb sich Bernhard, damals noch Geselle seines Handwerkes, um das Bürgerrecht der Stadt Steyr. Dieses wurde ihm am 20. September 1722 erteilt. Am 9. September vermählte er sich mit der Witwe des Steyrer bürgerlichen Weißgerbers Leopold Feillmayr und schuf durch den Erwerb der Werkstätte des verstorbenen Weißgerbers die Voraussetzungen für die Erlangung des Bürgerrechtes.3) Fast ein Vierteljahrhundert gehörte Großrucker der Gemeindevertretung an, 13 Jahre war er im Äußeren Rat, 3 Jahre im Inneren Rat, 6 Jahre als Stadtrichter und mehr als ein Jahr lang als Stadtrichter und „angesetzter“ Bürgermeister tätig.
Das ungünstige Wetter der vorhergehenden Jahre hatte im Land ob der Enns Missernten bewirkt, sodass in den Jahren 1771 und 1772 eine große Not an Getreide, dem damaligen Hauptnahrungsmittel der Bevölkerung, herrschte. Dies hatte zur Folge, dass die Preise für Korn und Weizen gewaltig anstiegen. Zu Abwendung der so „muth wülligen getraydt Theuerung“, hatte der Magistrat erreicht, dass das Oberkammergrafenamt in Eisenerz, „zu Steuerung der Noth“, aus seinen Vorräten für Bürger und arme Inwohner der Stadt 3.000 Metzen Korn zum Preis von 2 Gulden 30 Kreuzer und 1.000 Metzen Weizen zum Preise von 5 Gulden je Metzen aus dem Kasten in der „Schönau“ (heute Eisenstraße 4) zur Verfügung stellte. Zu diesem Preise waren noch je Metzen 1 Kreuzer für den Kastenbeamten und zwei Pfennig für den Abmesser zu entrichten.4) An den Bezug des Getreides war die Bedingung geknüpft, dass dieses nicht an „Auswärtige“ verkauft werden dürfe. Für Übertreter dieses Gebotes waren „exemplarische“ Strafen und Einstellung des Bezuges vorgesehen. Jedem Berechtigten konnten 4 Metzen Korn und 2 Metzen Weizen ausgefolgt werden. Da aber nicht alle das Getreide metzenweise kaufen konnten, verfügte der Magistrat, dass für solche Leute „6 Kreuzer Leibe“ gebacken werden sollten. Zu diesem Zwecke ließ er feststellen, dass aus einem Metzen Korn 30 Stück Brotlaibe zu je 6 Pfund und zum Preis von 6 Kreuzern je Stück hergestellt werden konnten. Doch diese Aushilfe hielt nicht lange vor. „Damit das größte Ellendt“ verhindert werde, erschienen die „Gemeindefürsprecher“ mit einigen Bürgern im September beim Bürgermeister und baten, man möge die Gewerkschaft ersuchen, weiteres Getreide anzuliefern.5) Großrucker beruhigte die Bürger durch die Mitteilung, dass der Rat bereits in Preßburg vorsorglich 3.000 Metzen Korn zum Preise von 2 Gulden 22 Kreuzer je Metzen angekauft hätte. Schließlich erschienen auch die Viertelmeister als Vertreter der Bevölkerung und ersuchten, aus Ungarn weitere 4.000 Metzen Brotgetreide zuführen zu lassen, die Stadtverwaltung möge das Geld für das Getreide und die Anlieferungskosten vorstrecken. Da diese Summe dem Magistrat nicht zur Verfügung stand, wurde die Innerberger Hauptgewerkschaft ersucht, für diesen Einkauf 3.100 Gulden unter Rückzahlungsgarantie der Stadt zu borgen, was auch geschah. Da der Antransport des ungarischen Getreides nur sehr zögernd vor sich ging, die Not jedoch aufs höchste stieg, stellte die Hauptgewerkschaft nochmals 2.000 Metzen Korn „zur langsamen und moderaten“ Abgabe zur Verfügung. Der Preis für den Metzen Getreide war inzwischen auf 5 Gulden 40 Kreuzer gestiegen. Mitte Dezember erreichte die Stadt ein landesfürstliches Patent, mit dem für „Ausschwärzer“ von Getreide „in auswärtige Länder“ die Todesstrafe zu verhängen war.6)
Endlich war im zweiten Drittel Dezember der ungarische Weizen auf Schiffen bis Nußdorf gekommen. Da der Transport mit Schiffen von dort bis Steyr zu teuer kam, beschloss man, jenen mit Fuhrwerken anzuliefern. Erst im Mai 1772 wurde vermerkt, dass die in „Hungarn erkauften getraydter allgemach anruckhen“ und deshalb eine Ratssitzung einberufen werden sollte.7) Der Magistrat hatte noch rechtzeitig eingekauft, denn am 7. Dezember 1771 verbot die Regierung in Ungarn Getreide einzukaufen.8) Um den Bedarf bis zur nächsten Ernte festzustellen, ließ der Rat in allen Häusern der Stadt die Getreidevorräte erheben.9)
Schon vor geraumer Zeit war beschlossen worden, den am Stadtplatz stehenden „alten Pranger oder Schandt Saullen“ zu entfernen. Dieser wurde in Steyrdorf „vor dem Narren Kötterl“ wieder aufgeftellt.10)
- RP 1771, 40, 75.
- mort. Bd. IV, Stadtpfarramt. — Die Witwe verkaufte das Haus dem Vizebuchhalter der Hauptgewerkschaft (RP 1773, 105).
- A. K. 11. L. 9. ad 3719.
- RP 1771, 104, 109.
- 5) RP 1771, 285. — 1 Metzen = 61,49 Liter; 1 Pfund = 0,56 kg.
- RP 1771, 288, 329, 361, 368, 371, 373.
- RP 1772, 142.
- RP 1771, 364.
- RP 1772, 50.
- RP 1771, 61.
Literaturverzeichnis
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Ratsprotokolle und Steuerbücher im Stadtarchiv, Taufbücher und Totenregister der Stadtpfarre.
Abkürzungen:
LV = Literaturverzeichnis; RP = Ratsprotokoll; St.A. = Städtisches Archiv; K = Kasten; L. = Lade; Stb. = Steuerbuch; V.d.K. = Veröffentlichungen des Kulturamtes; BV= Bürgerrechtsverleihung.
Aus den Veröffentlichungen des Kulturamtes der Stadt Steyr, Heft 28, Dezember 1967