Aus der Geschichte des Steyrer Bäcker-Handwerks

Wahrscheinlich waren schon im Spätmittelalter die Bäcker der Stadt in einem Verbande zusammengeschlossen. Weder Ordnung noch Lade ist aus dieser Zeit erhalten geblieben. Nur das im Heimathaus Steyr verwahrte Siegel dieser Vereinigung, darstellend die Gottesmutter, mag noch aus der gotischen Epoche stammen. In den Quellen findet die „Bäckerzeche“ erst im 16. Jahrhundert Erwähnung. Nach Valentin Preuenhueber bestand sie schon im Jahre 1525.

In der Zeit der Glaubensspaltung lockerten sich die Beziehungen der Zechen zur Kirche.

Bald schwanden die Bezeichnungen „Bruderschaft“ und „Zeche“ und wurden ersetzt durch „Handwerk“, „Innung“ oder „Zunft“. Bürgermeister, Richter und Rat der landesfürstlichen Stadt Steyr bestätigten in diesem Jahrhundert (1550, 1555, 1596) den Stadtbäckern verbesserte Handwerksordnungen, die bis in die Zeit nach dem Dreißigjährigen Kriege in Geltung standen und erst in den Jahren 1668 bis 1682 erneuert wurden. Damals, es war im Jahre 1674, ließ die Innung auch eine neue Lade anfertigen.

Es ist hier nicht möglich, alle Bestimmungen der Handwerksordnung anzuführen, nur einige seien erwähnt. So brauchte die Lehrlingsaufnahme nicht vor dem gesamten Handwerk erfolgen, sie konnte auch von zwei Meistern vorgenommen werden. Nach vollendeter Lehrzeit, also nach drei Jahren, erhielt der Lehrling ein „Lehrkleid“.

Überaus hoch waren in diesem Handwerk die Meistergebühren. Sie betrugen bis um 1630 etwa 70 bis 90 Gulden, dann 50 Gulden. Im Jahre 1655 mussten sie auf Befehl der Stadtobrigkeit auf 25 Gulden reduziert werden.

Die Erzeugnisse der Bäcker unterlagen, da es sich um unentbehrliche Lebensmittel handelte, hinsichtlich Qualität, Gewicht und Preis einer strengen Kontrolle.

Im Jahre 1679 bestanden 16 Backhäuser, davon 6 in der Stadt, 7 in Steyrdorf und 3 in Ennsdorf. Die Meisten verkauften das Gebäck in städtischen und handwerkseigenen Brotläden, entlohnte Verkäufer, genannt „Brotsitzer“, unterstützten sie hiebei.

Für die Benützung der Brotläden im Rathaus war ein „Brotladenzins“ zu entrichten. Brotläden des Handwerks bestanden am Wieserfeldplatz und inAichet. Nach einer Anordnung des Magistrates aus dem Jahre 1669 mussten diese Verkaufsstände auch an Sonn- und Feiertagen nach dem Gottesdienst in der Stadtpfarrkirche geöffnet werden.

In der Fastenzeit hatte die Bäckerzunft Beugel-Proben („Peiglmuster“) dem Rate vorzulegen, der den Preis festsetzte. Gewöhnlich kosteten drei Beuge] 1 Pfennig. Das Gewicht des übrigen Gebäcks (Semmeln, „Wöckhl“, „Schinpainl“, •“Würndl“, „Zopfen“, Bauernstriezel, 1 Kreuzer-, 2 Kreuzer-, 3 Kreuzer-, 4 Kreuzer-, 6 Kreuzer-Laibe) wurde ständig überprüft. Mitglieder des äußeren Rates mussten als „Brotbeschauer“ bei den Stadtbäckern jede Woche, bei den Gaubäckern an Wochenmarkttagen das Brotgewicht feststellen.

Verhältnismäßig oft wurden Meister bestraft, weil ihr Brot zu „gering“ befunden wurde. Von „alters her“ betrug die Strafe für jedes fehlende Lot (= 1’7, 5 Gramm) einen Reichstaler (= 1 Gulden 30 Kreuzer). Im Wiederholungsfalle verhängte die Stadtobrigkeit Arreststrafen und drohte mit der Schupfe. So wurden z. B. im Jahre 1676 drei Bäcker mit 1 Stunde, 1677 ein Bäcker mit 13 Stunden Arrest bestraft. 1698 erhielten drei Bäcker eine Arreststrafe „auf Tag und Nacht“. Die Meister hatten vor dem Stadtrichter zu erscheinen, der ihnen einschärfte, „daß im Fall sich khonfftig hinein oder anderer das Brot zu ring (gering) zu bochen (backen) betretten lassen sollte: Ein solchr Unfehlbohr mit der Böckhen schupfen abgestraft werden wurdte“.

Die „Bäkkerschupfe“ hatte ihren Standplatz am Ufer eines Teiches oder Flusses und bestand aus einem langen Hebel, dessen längerer, über dem Wasser schwebender Arm, mit einem Käfig zum Untertauchen des straffälligen Bäckers versehen war. Die bisher älteste Nachricht über die Bestrafung mit der Schupfe stammt aus dem Jahre 15’70. Damals wurde der Stadtbäcker Gillig Prill „geschupft. “

Wie den Fleischhauern standen Magistrat und Stadtbewohner auch den Bäckern misstrauisch gegenüber.

Auch der berühmte Wiener Hofprediger Abraham a Sancta Clara (1644 – 1709) beklagte sich über dieses Handwerk: „Der Bäck schwört bei seiner Seel, er nimmt das weißeste Mehl, mischt unterdessen schwarz und weiß untereinander, den Teig netzt er immer mehr, so wiegt das Brot desto schwer; endlich ist des Bäcken, des Schalken, sein Brot ein lauterer Dalken. Non est veritas in terra“.

Die Stadtbäcker versorgten nicht allein die Bürgerschaft mit ihren Produkten, sondern lieferten Brot auch nach Linz. Die „Verlässliche Pückhen Ordnung“ vom 22. Dezember 1674 regelte die Brotlieferungen in die städtischen Versorgungshäuser.

Im Allgemeinen kauften die Bäcker am Wochenmarkt Getreide von den Bauern, Mehl und Grieß von den Müllern. Laut Ratsbeschluss vom 8. Oktober 1665 sollten sie das Mehl nur von den Mitgliedern der Steyrer Müllerzunft, zu der auch Gäumüller gehörten, beziehen. Das Auswiegen hatten die geschworenen Stadt – Abmesser (Getreide-Abmesser) zu besorgen. Den Mehl- und Getreidebezug störte zeitweilig recht fühlbar der Fürkauf. In Notzeiten ließ die Stadtverwaltung Getreide aus Österreich unter der Enns einführen, 1696 bezog sie es aus Bayern (Augsburg, Regensburg).

Die Festsetzung der Lebensmittelpreise („Preissatz“) lag völlig in den Händen des Magistrates.

Für die Bäcker waren nicht die am Markt herrschenden Getreidepreise richtungsgebend, sondern jene, die von der Stadtobrigkeit festgelegt oder „gesteckt“ wurden, denn nach diesen Preissätzen hatte sich das Gewicht des Brotes zu richten. Stiegen die Getreidepreise, dann wurde das Brotgewicht geringer. Probebackungen („Probmachung“) bildeten die Grundlage für die Kalkulation des „Brotsatzes“. Die von der Stadtverwaltung gesteckten Getreidepreise lagen vielfach unter dem Marktpreis. Als sie 1694 erheblich herabgesetzt wurden, beschwerten sich die Bäcker beim Landeshauptmann, da ihre Gesuche um Remedierung der Getreidepreise vom Magistrat nicht beachtet worden waren.

Die Bäcker waren auch zum Kleinverkauf von Mehl, Grieß und Salz berechtigt.

Wie die Fleischhauer mästeten sie eine größere Anzahl Schweine, die im Stadtgebiet frei umherliefen und Straßen und Plätze verunreinigten. Die aus diesem Grunde vom Magistrat mehrmals befohlene Einstellung der Schweinehaltung war jedoch nicht zu erreichen. Erst gegen Ende des 17. Jahrhunderts (1688) konnte der getroffene Übelstand beseitigt werden.

Abschließend sei erwähnt, dass den Mittelpunkt des Zunftlebens die Herberge bildete, in der meist auch die Handwerkslade untergebracht war.

Die Herberge gewährte dem wandernden Handwerksburschen Unterkunft und Verpflegung, sie war Arbeitsverrmittlungsstelle und alleiniger Versammlungsort des Handwerks. Geheime Zusammenkünfte außerhalb der Herberge („Winkelzusammenkünfte“) wurden von der Stadtobrigkeit nicht geduldet.

Zu Anfang des 18. Jahrhunderts befand sich die Bäcker-Herberge im Gasthaus des bürgerlichen Braumeisters Matthias Wenger in Ennsdorf (Haratzmüllerstraße Nr.12), 1715 im Gasthof zu den „Drei Alliierten (Stadtplatz Nr. 38) und später wahrscheinlich im Gasthaus zum „Goldenen Hufeisen“ (Grünmarkt Nr. 10).

Dr. Josef Ofner

(Stadtarchiv: Ratsprotokolle, Archivalien der Zunftverbände, E. Krobath, Die Bürgermeister und ihre Zeit).

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