Von Josef Ofner
Schon in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts zeigte sich in der Eisenstadt, bedingt durch Kriegsgeschehnisse, mehrere Hochwasserkatastrophen und Infektionskrankheiten, eine allmähliche Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage. Die ersten Jahrzehnte des 17. Jahrhunderts brachten auch keine Besserung, ja die religiösen und politischen Ereignisse führten nach 1624 zu einem völligen Zusammenbruch der Stadtwirtschaft. Trotzdem finden wir in diesen widerwärtigen Zeiten, besonders harte Jahre ausgenommen, ein von der Reformation und den innigen Handelsbeziehungen zu Venedig beeinflusstes reges kulturelles Leben. Lateinische Schulmeister brachten zahlreiche Komödien zur Aufführung, Handwerker pflegten eifrig den Meistergesang und wirkungsvolle Renaissancebauten mit prächtigem Sgraffitoschmuck wurden aufgeführt.
Nicht unbedeutend aber war auch der Anteil Steyrs an den übrigen Künsten in den hundert Jahren vor dem Prager Fenstersturz. Einer liebevollen Pflege erfreute sich die Musik. Zahlreiche Hinweise in den Archivalien bezeugen, dass zu allen Zeiten die Stadtbewohner großen Wert auf gute kirchliche und weltliche Musikdarbietungen legten. 1578 beklagte sich der Rat über die schlechte Musik in Schule und Kirche1), die gemeiner Stadt zum Spotte gereiche2).
Das große Interesse der Bürgerschaft für die Kirchenmusik beweist die Tatsache, dass Stiftungen aus dem 14. und 15. Jahrhundert auch für den Lebensunterhalt des Organisten an der Stadtpfarrkirche sorgten. Als im März 1522 die Orgel dieses Gotteshauses dem großen Brande zum Opfer fiel3), legierte achtzehn Jahre später der Bürger Hans Fuchsberger 40 Pfund zum Bau einer neuen4). Gegen Ende des 16. Jahrhunderts lesen wir in den Ratsprotokollen von Orgel-Reparaturen, in den Jahren 1613 bis 1616 von der Aufstellung einer neuen Orgel in der Klosterkirche. Als „Orgelmacher“ nennen die Quellen den Bürger Georg Hackher (um 1590), Dietrich Wagner und Ulrich Schreier, der 1614 auch mit dem Bau eines Orgelwerkes in der Frauenkirche zu Freistadt beauftragt wurde5).
Den Organistendienst versahen durch mehrere Jahrzehnte Wolfgang Khumer6) und Johann Kirchberger7). Ein Organist von überragender Bedeutung war der aus Horn in Niederösterreich stammende Paul Peurl, der als Urheber der „Deutschen Variationen-Suite“ gilt und zu den größten deutschen Komponisten des 17. Jahrhunderts zählt. Im Herbst des Jahres 1609 hielt Peurl, von Zeitgenossen als Künstler auf der Orgel gerühmt, seinen Einzug in Steyr, wo er an der evangelischen Schulkirche den Organistendienst übernahm. Groß ist die Zahl seiner in der Eisenstadt geschaffenen, zum Teil veröffentlichten Musikwerke. Besonders erwähnt seien die Kompositionen „Rewe Paduan, Intrada, Däntz und Galliarde“ für Streichinstrumente, „Weltspiegel, Neue teutsche Gesänge“ und die „Teutschen Lieder“8).
Peurl hatte auch die Aussetzung der Schulkirchen-Orgel zu überwachen, wofür ihm 1613 aus der Eisengesellschaftskasse 20 Gulden gegeben wurden. Sein Anteil am Zustandekommen dieses Werkes dürfte nicht unbedeutend gewesen sein. Als er 1625 von Steyr wegzog, musste er sich zur „Hinterlassung des Orgelwerkes“ verpflichten9).
Den Chorgesang leitete der Kantor. Die Sänger, Astanten oder Diskantisten genannt, waren gewöhnlich arme Schüler, die im Mittelalter singend und bettelnd ihr Leben fortbringen mussten. Zu Anfang des 17. Jahrhunderts gestattete ihnen der Rat beim „Herumbsingen“ den Besuch der Ratspersonen sowie der anderen reichen Bürgersleute und bewilligte für sie Kost und Bekleidung10).
Im letzten Viertel des 16. Jahrhunderts wirkte als Kantor an der Klosterkirche Wilhelm Clausner11). Diese Stelle erhielt 1608, nach Wiedereröffnung der Lateinschule, Georg Taubenrockh aus Eferding12). Während seines Aufenthaltes in Steyr war er einige Male in Streithändel verwickelt. Im Juni 1613 hatte Taubenrockh, da er mit seinen Astanten nicht rechtzeitig zur Vesper erschien, eine heftige Auseinandersetzung mit dem Stadtprediger Johann Isingius, im August stieß er, durch das freche Benehmen eines Studenten völlig außer Fassung gebracht, die Frau des Konrektors Tydaeus fast zu Boden und einige Jahre später entzweite er sich mit dem Rektor Egydius Weixelberger und mit dem Konrektor Paul Collinus13).
Für den Lebensunterhalt der Kantoren kam die Stadt auf. Eine Nebeneinnahme bildeten die Gaben der Bürger, die durch das Singen „mit dem Stern“ am Feste der heiligen drei Könige eingingen. An diesem Tage zog der Kantor mit seinen Astanten durch die Straßen der Stadt, wobei religiöse Lieder gesungen wurden. Dieser uralte Brauch, der ein Vorrecht der Kantoren gewesen sein dürfte, wird in den Ratsprotokollen 1576 erstmalig erwähnt14).
Die von einigen Organisten oder Kantoren komponierten Musikwerke wusste die Stadtobrigkeit wohl zu würdigen, indem sie dedizierte Kompositionen jedes Mal mit einer „Verehrung“ belohnte. Im Jahre 1580 erhielt Wilhelm Clausner für einen Passionsgesang 20 Taler, Fr. Sebastian Ertelius 1611 für „etliche Gsäng“ 12 und 1615 für eine „composition“ 5 Taler. Dem Schuldirektor zu St. Peter, Balthasar Langing, bewilligte der Rat 1613 für zwei Weihnachtsgesänge, die jedoch zuvor vom Kantor „übersungen“ werden mussten, 2 bis 3 Taler, dem Organisten Peurl für gedruckte Kompositionen 10 und 1619 einem gewissen Thusius für zwei Gesänge einen Taler15).
Als besondere Pflegestätte der Musik scheint Steyr auch in den Nachbarländern bekannt gewesen zu sein, — vielleicht hat dazu Peurls Schaffen beigetragen, — da sich im Jahre 1606 sogar die beiden Söhne des berühmten Tondichters Orlando di Lasso, Ferdinand und Rudolf, in unserer Stadt einfinden und dem Rate Motetten ihres Vaters, der bekanntlich bei zwölfhundert komponierte, offerieren. „Dieweil des Herrn Orlands de laßo Mudeten vor diesem in gueter Anzahl vorhanden“, werden die „beeden Herrn Orländ“ abgewiesen, man gewährte ihnen aber für ihre „gute Assertion“ zwei Taler16).
Die Musik bei allen offiziellen Anlässen der Stadt hatte eine kleine privilegierte Musikkapelle zu stellen. Ihre Entstehung geht wahrscheinlich zurück auf die im 15. Jahrhundert gebildeten Stadtpfeifereien17). In Steyr und auch in anderen Städten18) oblag die Führung dieses Musikerverbandes dem Stadtturnermeister. Die ihm unterstellten Musikanten, im 16. Jahrhundert waren es meist vier, wurden wie im Handwerk als Gesellen bezeichnet19).
Neben seinen musikalischen Aufgaben hatte der Turnermeister auch die Wache auf dem Turm der Stadtpfarrkirche zu versehen, wo er von seiner Klause aus das gesamte Stadtgebiet leicht überblicken konnte. Die Bezeichnung „Turner“ wird deshalb von dieser Beschäftigung auf dem „Turn“, die auch das Choralblasen zu bestimmten Tageszeiten umfasste, abgeleitet20). Das Turmgebäude war zu Beginn des 17. Jahrhunderts nicht im besten Zustand. Um 1610 waren Stiege und Klause reparaturbedürftig, 1615 verlangte der Turnermeister Schmidtperger die Behebung von Baugebrechen21).
Die Besoldung des Stadtmusikus erfolgte aus den Mauteinnahmen der Stadt. Sie betrug 1577 wöchentlich 3 Taler, das jährliche Holz- und Lichtgeld machte 12 Taler aus22). Wie die Rat- und Gerichtsdiener bekamen auch die Turner alle Jahre einen neuen Anzug. Ende November oder anfangs Dezember ersuchten sie den Rat um die Bekleidung für das kommende Jahr. Man gab ihnen entweder „gemeines Lindisch Tuch“ von grüner Farbe oder eine entsprechende Geldsumme, die sich um 1580 und in den folgenden Jahren für fünf Personen auf 70 Gulden belief. Um „gemeiner Stadt Schimpf“ zu vermeiden, versäumte der Rat auch nicht, den Turnern gelegentlich die Reinhaltung ihrer Uniform einzuschärfen23).
Ab und zu verbesserte die Stadtgemeinde das Einkommen der Musizi durch besondere Geld- oder Naturalienspenden. Im Jahre 1575 z. B. bewilligte der Rat für das „Trumeln“ bei der Musterung 6 Taler, 1593 dem Turnermeister zur Erhöhung seiner Besoldung 12 Metzen Korn24). Wie die Kantoren am Dreikönigsfest, die deutschen Schulmeister am Gregoritag (12. März), die Lehrer der Lateinschule zu Martini (11. November), so musizierten auch die Turner um milde Gaben zu Weihnachten vor den Häusern der Bürger25).
Die instrumentale Ausstattung der Stadtmusik war im 16. Jahrhundert noch recht bescheiden. Man unterschied stille und laute Instrumente. Zu diesen zählten Trommeln und Trompeten, zu jenen Geigen und Zwergpfeifen. Obwohl in den Archivalien erst viel später erwähnt, so ist anzunehmen, dass man um diese Zeit neben den Posaunen auch die Zinken, Holzblasinstrumente mit Grifflöchern und rundem Mundstück, verwendete26).
Leider ist die vom Rate dem Turnermeister erteilte „Instruktion“ aus dem Jahre 1589 nicht mehr vorhanden27). Nur vereinzelte Notizen! geben uns Aufschluss über seinen Aufgabenbereich. Außer der oben genannten Wache und dem Choralblasen aus dem Turm, hatten die Turner mitzuwirken am Kirchenchor und bei allen Stadtfestlichkeiten. So beim Empfang des Landesfürsten, bei der Eröffnung des Jahrmarktes, bei Schulfeiern28) und ähnlichen Anlässen. Trommler und Pfeifer mussten „allzeit unweigerlich“ zur Stelle sein, denn sie wurden benötigt auf den Fechtschulen, wenn Musterungen stattfanden oder wenn es galt, wichtige Anordnungen des Landesfürsten oder des Stadtrates der Bürgerschaft zu verkünden29).
Der Stadtmusikus besaß das Privilegium der alleinigen Ausübung der öffentlichen Instrumentalmusik innerhalb des Burgfrieds. Auch das Aufspielen bei Versprechen und Hochzeiten kam nur ihm und seinen Gesellen zu. Beschwerden beim Stadtrichter über fremde Musikanten oder Schulmeister, die sich um dieses Vorrecht des Turnermeisters wenig kümmerten, sind nicht selten. Die Stadtobrigkeit, die jederzeit dieses Recht schützte, unterließ es aber nicht, den Kapellmeister an seine Pflichten zu erinnern. Sie trug ihm auf, keine „Blaszeit“ zu versäumen und alles zu tun, dass die Musik „Gemainer Statt Zue ehr vnnd Jme alls zu Aignem Lob“ gereiche30).
Die Tanzmusik bei Hochzeiten bildete eine besondere Einnahmsquelle der Stadtmusiker. Sie waren vom Rate aus berechtigt, hierfür eine entsprechende Bezahlung von den Veranstaltern zu fordern. Im November 1593 verordnete die Stadtbehörde die Vornahme der Trauungen zur Abendzeit. Bei Frühhochzeiten sitze man zu lange bei Tisch, was Missbrauch und Verschwendung zur Folge haben könnte31).
Der Saal im Rathaus diente zur damaligen Zeit nicht allein den Schulmeistern und Meistersingern für ihre theatralischen und musikalischen Veranstaltungen, er wurde auch den Stadtbewohnern für den Hochzeitstanz zur Verfügung gestellt. Da die Mauern sehr feucht waren und daher die kostbaren Überkleider der Bürgersfrauen litten, ließ der Rat im Jahre 1583 die Wände mit grünen Tüchern verhängen32). Es sei in diesem Zusammenhange auch erwähnt, dass in den folgenden Jahren der Fußboden der Ratsstube neu gelegt und 1585 aus Sicherheitsgründen dem Bürgermeister, dem Stadtkämmerer und dem Waagmeister ein Rathausschlüssel ausgefolgt wurde33).
Im Jahre 1582 fasste der Rat den Beschluss, „gemeinen“ Bürgersleuten den Tanz auf dem Rathaus einzustellen. Man fürchtete, dass das in „beiden Stuben“ verwahrte Geld aus Steuern und anderen Gefällen entwendet werden könnte. Der eigentliche Grund für diese Maßnahme war aber jedenfalls der damals noch herrschende große soziale Unterschied zwischen den reichen Ratsbürgern und den weniger bemittelten Handwerkern. Man stellte ihnen ja nicht nur den Tanz auf dem Rathaus ein, sondern ließ auch nicht zu, dass die Stadtmusik bei ihren Hochzeiten aufspielte34). Erst 1590 wurde dem Turnermeister die Bewilligung erteilt, bei Eheschließungen „vermüglicher“ Handwerksleute zu geigen, laute Instrumente waren auch weiterhin noch strenge untersagt35). Nach Schmidel wurden beim Hochzeitstanz auf dem Rathaus auch die mit dem Stadtwappen geschmückten, heute im Steyrer Heimathaus befindlichen sechs Zinnhumpen zum Ehrentrunk verwendet36).
Manchmal spielten die Steyrer Stadtmusikanten mit Erlaubnis des Rates auch auswärts, vorausgesetzt jedoch, dass die „fleißige Anordnung der Wacht auf dem Turm“ getroffen wurde. Meist waren es vornehme Personen, die sich zu ihren Hochzeiten die Turner kommen ließen. Sie musizierten z. B. 1574 in Enns und Seitenstetten, 1578 in Lambach und 1586 in Steinach in der Steiermark37).
Wenn es die Stadtobrigkeit für notwendig erachtete, wurde die musikalische Betätigung, zum Leidwesen der Turner, eingeschränkt. Wegen der Türkenkriege stellte man im Jahre 1593 „Tänz und Freudenspiel auf Hochzeiten“ gänzlich ein. 1595 nahm das Geigen, Pfeifen und Tanzen, auch auf offenen Plätzen, so überhand, dass der Stadtrichter den Auftrag erhielt, mit „ernstlichen Strafen“ vorzugehen. Zu Anfang des Jahres 1599, als die protestantischen Prediger die Stadt verlassen mussten, untersagte der Rat alle Lustbarkeiten wie „Saitenspiel, Tantzen vnd Schlittenfahren, Item fressen vnd sauffen“38).
Fast ein Jahrhundert lang lag die Stadtturnerei in den Händen der Familie Schmidtperger39). Im Jahre 1548 heiratete Veit Schmidtperger Wedrix, die Tochter des früheren Turnermeisters Peter Hengst. Nach seiner Dienstzeit von vierzig Jahren übergab Veit am 1. Juni 1588 das Turneramt seinem Sohne Balthasar, der sich vor dem Rate verpflichtete, seinen alten Vater zu pflegen. Er übernahm dafür dessen Instrumente40). Bis zum Jahre 1620 war er als Turmwächter und Leiter der Stadtmusik tätig. Am 30. März dieses Jahres bestellte er zu seinem Nachfolger seinen Balthasar41).
Wie die spärlichen archivalischen Notizen zeigen, vernachlässigte man neben Dichtung und Musik nicht die bildenden Künste. In den meisten Fällen werden nur die Namen der Maler, Bildhauer und Bildschnitzer überliefert. Baurechnungen der Sigmundskapelle im Stiftsarchiv von Kremsmünster nennen erstmalig einen Steyrer Maler, und zwar Hanns Tanner, der 1481 zwei Bilder für den Altar des hl. Sigmund anfertigte42). Weitere Hinweise enthalten vornehmlich die Steuerbücher und Ratsprotokolle aus dem 16. und 17. Jahrhundert. Sie erwähnen: Peter Fellinger (1543)43), Hans Oesterl (1567)44), Michael Schilwitz, Ratsverwandter (1570)45), Hans Thwennger (1571)46), Jobst Winzler (1573)47), Wilhelm Wilckhans (1574)48). Sebastian Osterl (1583)49), Matthäus Hofstetter (1583)50), Adam Dornickh (Dorningg, Dörnig, 1591, 1597)51), Hans Holzschueh (1592)52), Abraham Walter, Hans Pramhaß (1592)53), Pender (1608)54), Georg Herneiß aus Nürnberg (1610)55), Heinrich Döger (Teger, 1615)56) und Hans Bayr (1624)57).
Über das Leben und Wirken dieser Künstler finden sich nur einige Aufzeichnungen. Von Abraham Walter wird berichtet, dass er vierzehn Fastentücher für die Altäre der Stiftskirche in Kremsmünster herstellte. Auch Hans Pramhaß arbeitete damals für dieses Kloster. Er porträtierte den Abt Johannes III. Spindler (1589—1600), malte ebenfalls Fastentücher und lieferte Gemälde für Kirche, Sakristei und Refektorium. Das im Jahre 1669 durch Blitzschlag zerstörte Portal vor dem Tor der Kremsmünsterer Stiftskirche zierten Wappen des Abtes und des Klosters aus der Hand des Malers Adam Dornickh58). Seine Kunst dürfte ihm nicht viel eingetragen haben, denn 1596 bewarb er sich um die Schulmeisterstelle am Neutor. Der Rat lehnte jedoch sein Ansuchen ab59). Dornickh starb vermutlich 1606. Der Witwe des „Adam Mallers“ wird nämlich in diesem Jahre von der Stadtobrigkeit befohlen, die „ain gemallene Taffel“ dem Malergesellen als Lohn zu geben, damit er seinen Weg weiternehmen könne60).
Im Jahre 1592 trug sich der Rat mit der Absicht, den Friedhof am Tabor mit einem Gemälde zieren zu lassen. Zur Durchführung dieses Planes ließ man den Maler Hans (David) Holzschueh nach Steyr kommen, der damals für Herrn Hans Wilhelm von Losenstein arbeitete61). Leider sind wir in Unkenntnis, ob das „Gottsakher gemell“ später auch tatsächlich zustande kam. Heinrich Döger besorgte die Bemalung der 1613—1616 in der Schulkirche aufgestellten Orgel62), Hans Bayr musste zur Erlangung des Bürgerrechtes dem Rate eine Probe seiner „erlernten Mallerkhunst“ vorlegen63).
Ebenso dürftig wie die Nachrichten über die Maler sind die bisher gewonnenen Forschungsergebnisse über die Bildhauer und Bildschnitzer, obwohl Kunsthistoriker in Steyr eine für Österreich bedeutsame Werkstätte vermuten64). Die erste Erwähnung eines Bildschnitzers zu Steyr geschieht 1481 in den Lichtamtsrechnungen der Stadtpfarrkirche St. Johannis zu Wels65). Dann aber versiegen die Quellen durch mehrere Jahrzehnte. Erst in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts lesen wir folgende Namen: Strasser (um 1576)66), Hans Aubinger (1583, 1597)67), Leonhard Amman (Ama, Amon, 1596, 1598)68) und Christoph Fischer (um 1596). Letzterer war Drechsler, Schnitzer und Vergolder. Er kaufte in „Berdelßgarten“ (Berchtesgaden) Schnitzwaren und verhandelte sie in Steyr69). Leonhard Amman schuf um 1598 für die Klosterkirche Kremsmünster ein vom Freisinger Maler Lukas Degginger gefasstes Auferstehungsbild70) und ein „ganz neues Kripperl“ lieferte zwanzig Jahre später (1618—1624) um 30 Gulden der Bildschnitzer Hans Spindler71).
Nicht unerwähnt sollen schließlich die Goldschmiede bleiben, die im Kunstleben der Eisenstadt am Ausgange des 16. Jahrhunderts gleichfalls eine wichtige Rolle spielten. Um diese Zeit gab es hier nicht weniger als sechs behauste Meister72), von denen Wolfgang Hauser, der 1584, 1611 und 1613 das Stadtbild in Kupferstichen festhielt, wohl der bedeutendste war. Er verschied am 11. November 1620 im 63. Lebensjahre73).
Obwohl uns die Archivalien nur mangelhaft unterrichten, so lassen sie dennoch erkennen, dass Steyr vor dem Dreißigjährigen Kriege trotz vieler wirtschaftlicher Schwierigkeiten eine hervorragende Pflegestätte der Kunst gewesen sein musste. Nicht minder bedeutungsvoll war aber die Stellung der Stadt auf wissenschaftlichem Gebiet. Neben mehreren deutschen Schulen bestand hier eine berühmte Lateinschule, die mit dem Landschaftsgymnasium zu Linz wetteiferte74). 1584 wurde eine Stadtbücherei eingerichtet75). Söhne wohlhabender Bürger studierten an den Universitäten zu Leipzig, Wittenberg und Padua76). Prediger, Gelehrte und auch Buchdrucker widmeten dem Rate ihre Werke und erhielten hierfür als Belohnung etliche Taler. Im Jahre 1589 stellte sich der Buchdrucker Hofman mit einigen „Püechl“ ein77), 1619 offerierte der Linzer Hans Plankh mehrere Kalender78), 1616 schickte Elias Ursinus mehrere Exemplare seiner Predigten79) und der katholische Lateinschulmeister Wolfgang Lindner überreichte ein „Tractätl de vitae humanae brevitate“80). Im folgenden Jahre dedizierte Johann Gstettner, Hofprediger zu Weißenburg, eine „Theologische Tabel“81), M. Hieronymus Weixelberger eine philosophische Disputation82) und 1624 Siegmund Pichler einen „Abriss des Landtß und ain rechnung durch aritmetische khunst“83). Dem genialen Astronomen Johannes Kepler, der seit 1611 als Mathematikus der Landstände in Linz wirkte, ließ die Stadtobrigkeit im August des Jahres 1616 für „verehrte Exemplar“ acht Taler einhändigen84).
Berühmte Historiker schrieben vor und nach 1618 ihre für die Geschichte der Stadt überaus wertvollen Jahrbücher. In lateinischer Sprache verfasste sie im Auftrag des Garstner Abtes Anton II. Wolfgang Lindner. Seine Annalen betreffen die Ereignisse in der Zeit von 1590 bis 162285). Vom Ennsdorfer Färbermeister Jakob Zetl stammt die von 1618 bis 1635 reichende Stadtchronik. Zu den bekanntesten Geschichtsforschern aber zählt der Eisengewerkschaftssekretär Valentin Preuenhueber. Von 1625 bis 1630 schrieb er die mit dem Jahre 1618 endenden „Annales Styrenses“, die erst 1740 in Nürnberg vom Buchhändler Johann Adam Schmidt herausgegeben wurden. Der bedeutendste Reformationshistoriker der Gegenwart, Universitätsprofessor DDr. Karl Eder, urteilt über Preuenhuebers Werk: „Vergleicht man die Annales Styrenses mit verwandter geschichtlicher Literatur der Zeit zwischen 1600—1630, so erheben sie sich um ein Bedeutendes über den Durchschnitt. Man darf sie mit Fug als eine hervorragende Leistung der österreichischen Historiographie im Zeitalter des Dreißigjährigen Krieges und als eine der besten Städteannalen im gesamtdeutschen Raum bezeichnen“86).
Mit wenigen Strichen nur konnte hier das reiche Kulturgeschehen der Eisenstadt vor dem Ausbruch des unheilvollen Krieges aufgezeigt werden. Verhältnismäßig rasch hatten die Kriegsereignisse eine große Teuerung und Hungersnot zur Folge. Um Weihnachten 1622 schreibt Zetl in seiner Chronik: „Es ist Kein ainicher Fleischhackher herein in die Statt gefahren, sondern es jeindt die Leuth selber auf Sirning, in die Rämbing, in den Stainbach, auf die Straß vnd auf Ternberg gangen vnd haben das Fleisch geholt, Ess ist auch Kain Wochenmarkht gewessen“87).
Als in den nächsten Jahren durch die politischen und religiösen Wirren die Not immer größer wurde, schwand begreiflicherweise das Interesse für alle kulturellen Veranstaltungen. Im Dezember 1626 wurden von der Stadtbehörde acht Jugendliche, die um die Bewilligung zur Aufführung einer Komödie vorsprachen, mit folgendem Beschluss abgewiesen: „Bei jetziger betriebter Zeit bschaffenheit sind diese Burben von Ihrer vorhabeten comedi in die Kirchen zum Gebett gewisen“88). Es mussten noch viele Jahre vergehen, bis sich die Stadt am Fuße der uralten Styraburg von den Drangsalen des Dreißigjährigen Krieges wieder erholen konnte, dann aber folgte eine Zeit, in der jene herrlichen Barockbauten entstanden, die wir noch heute bewundern.
Anmerkungen.
Abkürzungen: 5t. — Stadtarchiv Steyr, 21p. — Ratsprotokoll.
- In der Reformationszeit die Schul- oder Klosterkirche. Evangelische Lateinschule.
- Rp. 1578, 6. Bd., S. 100.
- Valentin Preuenhueber, Annales Styrenses, S. 218 f.
- Karl Eder, Studien zur Reformationsgeschichte Oberösterreichs. 1. Bd. Das Land ob der Enns vor der Glaubensspaltung. Linz 1955. S. 149, Anmerkung 318.
- Rp. 1586, 166; 1591, 266; 1613, 218, 225, 226, 244; 1614, 31, 252, 254; 1616, 107; 1617, 137. — J. Jäkel, Kirchliche und religiöse Zustände in Freistadt während des Reformations-Zeitalters. 20. Jahresbericht des f. k. Staatsgymnasiums in Freistadt in Oberösterreich, 1890, S. 30.
- Steuerbuch 1567. Rp. 1590, 51.
- Rp. 1615, 24; 1636, 126.
- Cornelius Preihs, Aus Steyrs Musik-Vergangenheit, Peurl, der Schöpfer der Variationen-Suite. 1944. — Rolleder-Pillewizer, Die Schulen der Stadt Steyr in der Reformationszeit. Wien, 1918, S. 45 f.
- Rp. 1613, 244; 1625, 116. Peurl wird auch „Orglmacher“ genannt.
- Schiffmann, Das Schulwesen im Lande ob der Enns bis zum Ende des 17. Jahrhunderts. 59. Jahresbericht des Museum Francisco-Carolinum, 1901, S. 178. — St. Rp. 1602, 297’; 1604 (Rp. 1603, 216); 1613, 270.
- Rp. 1576, 5. Bd., S. 208; 1593, 352.
- Rolleder-Pillewizer, a. a. O., S. 44. — Auch Daubenrockh, Taubenrackh.
- Rolleder-Pillewizer, a. a. O., S. 47. — St. Rp. 1613, 138; 1619, 136; 1621, 312.
- Rp. 1576, 5. Bd., S. 357; 1616, 203, 284. — A. Czerny, Die Klosterschule von St. Florian. Linz 1873, S. 60 f.
- Rp. 1580, 7. Bd., S. 134; 1611, 168; 1613, 78, 281; 1615, 19; 1619, 207.
- St: Rp. 1606, 10. April, S. 49. — Vgl. K. Schiffmann, Drama und Theater in Österreich ob der Enns bis zum Jahre 1805. — Musealbericht 1905. S. 51, Anmerkung 3. — Kothe-Prochazka-Max Chop, Abriß der allgemeinen Musikgeschichte. Leipzig 1929. S. 155.
- Kothe-Chop, a. a. O., S. 99.
- B. Freistadt u. Ried i. I. — Vgl. F. Gmainer, Stadttürmer und Stadtwachtmeister von Freistadt im, 16. u. 17. Jahrhundert, Heimatgaue 1921, 2. Jg., Seite 243 ff. — F. Berger, Ried im Innkreis. 1948. S. 92 f.
- Rp. 1574, 4. Bd., S. 237.
- Rolleder-Pillewizer, a. a. O., S. 12. — F. Berger, a. a. O., S. 92 f.
- Rp. 1610, 157; 1615, 186; 1615, 190.
- Rp. 1577, 5. Bd., S. 586 f.
- Rp. 1572, 2. Bd., S. 547; 1574, 4. Bd., S. 786; 1580, 7. Bd., S. 354; 1582, 9. Bd., S. 545; 1584, 11. Bd., S. 199; 1589, 244 u. vielen anderen Stellen.
- Rp. 1575, 4. Bd., S. 706; 1593, 336.
- Rp. v. 19. Dezember 1618.
- Rp. 1577, 5. Bd., S. 406; 1590, 134. — A. Hackel, aus dem bürgerlichen Leben vergangener Tage. Kulturgeschichtliche Bilder aus den Ratsprotokollen der alten Eisenstadt Steyr. Sonderabdruck aus dem XXVII. Jahresberichte des k. k. Elisabeth- Gymnasiums. Wien, 1912. S. 34f. — Kothe-Chop, a. a. O., S. 103.
- Rp. v. 8. September 1589.
- Am 21. Oktober 1575 spielten die Turner bei der Wiedereröffnung der nach dem Hochwasser 1572 aufgebauten Lateinschule. St. Rp. v. 19. Oktober 1575.
- Rp. 1574, 4. Bd., S. 287.
- Rp. 1574, 4. Bd., S. 287; 1588, 33, 291; 1577, S. Bd., S. 586 f.
- Rp. 1593, 325.
- Rp. 1582, 9. Bd., S. 59 ff.
- Rp. 1585, 397, 406; 1586, 166.
- Rp. 1582, 9. Bd., S. 59 ff.
- Rp. 1590, 134.
- Die Humpen sind 51 Zentimeter hoch. Ihren Grund ziert ein Medaillon, darstellend Herzog Ulrich v. Württemberg, der von 1505—1520 und von 1534—1540 regierte. E. Schmidel, Aus dem Rathause der Stadt Steyr. Tagespost. Unterhaltungsbeilage, 1906, Nr. 8. — F. X. Pritz, Beschreibung u. Geschichte der Stadt Steyr. S. 27.
- Rp. 1574, 405, 426; 1578, 16; 1586, 141.
- Rp. 1593, 280; 1595, 44. — R. Stumpfl, Das alte Schultheater in Steyr. Heimatgaue, 12. Jg., 1931. S. 13 f.
- Auch der erste Lateinschulmeister Andreas Küttner war um 1550, wahrscheinlich nur vorübergehend, als Turner tätig. Rolleder-Pillewizer, a. a. O., S. 12.
- Rp. 1583, 152; 1588, 60, 291.
- Rp. 1620, 50.
- Holter, Neue Quellen zur Kunstgeschichte (Oberösterreichs im Mittelalter. O.-Oe. Heimatblätter 1947, Heft 3, S. 255.
- Steuerbuch 1543.
- Steuerbuch 1567.
- Preuenhueber, a. a. O., S. 89.
- Rp. 1571, 320.
- Steuerbuch 1575.
- Rp. 1574, 64.
- Rp. 1583, 290.
- Steuerbuch 1583.
- Dorn, Abriß der Baugeschichte Kremsmünsters, Heimatgaue 1929, S. 101. — St. Steuerbuch 1597.
- Rp. 1592, 219.
- Dorn, a. a. O.
- Rp. 1608, 21.
- Rp. 1610, 201.
- Rp. 1615, 218.
- Rp. 1624, 115.
- Dorn, a. a. 0.
- Rp. 1596, 438.
- Rp. 1606, 154.
- Rp. 1592, 219, 227, 598.
- Rp. 1613, 57; 1614, 59. — Döger erhielt 1615 für das „Orglmallwerch“ 55 Gulden. Rp. 1615, 218.
- Rp. 1624, 115.
- Holter, a. a. O., S. 255.
- Ebenda, S. 254 ff.
- Fasz. Drechsler 1590—1774. Kasten XI, Lade 5.
- Steuerbuch 1583, 1586, 1597.
- Fasz. Drechsler, a. a. O. — Steuerbuch 1597, 1598.
- Fasz. Drechsler, a. a. O.
- Dorn, a. a. O., S. 101.
- Ebenda, S. 111.
- Steuerbuch 1585, 1598.
- Rp. 1611, 248, 290; 1615, 256. — Schroff, Annalen, 6. Bd., S. 841.
- Rolleder-Pillewizer, a. a. O., S. 44.
- Ebenda, S. 33.
- Ebenda, S. 44. — St. Rp. 1575, 795.
- Rp. 1589, 117.
- Rp. 1619, 13.
- Rp. 1616, 172.
- Rp. 1616, 9.
- Rp. 1617, 34.
- Rp. 1617, 65.
- Rp. 1624, 16.
- Rp. 1616, 184. — M. Döblinger, Johannes Kepler und sein Freundeskreis in Linz. Unterhaltungsbeilage der Linzer Tages-post. 1904, Nr. 15.
- Rolleder-Pillewizer, a. a. O., S. 48.
- Eder, Ein Reformationshistoriker — Valentin Preuenhueber. Sonderabdruck aus der Zeitschrift für deutsche Geistesgeschichte. Herausgegeben v. Forschungsinstitut für deutsche Geistesgeschichte in Salzburg. S. 6, 15.
- Edlbacher, Die Chronik der Stadt Steyr von Jakob Zetl. Mus. Jahr. Ber. XXXIII, S. 30.
- Rp. 1626 S. 76.
Aus den Veröffentlichungen des Kulturamtes der Stadt Steyr, Dezember 1949