Von Friedrich Berndt
Die ältesten Stadtansichten haben der Goldschmied Wolfgang Hauser (um das Jahr 1600) und Merlan (1648) auf Kupferplatten gestochen. Sie zeigen uns die Stadt aus der Vogelperspektive und um deutlich zu sein, mussten sie das Bild oft verzerren. So kommt es, dass wir von manchem sehr markanten Gebäude auf dem Bilde nicht sicher sagen können, wo heute sein Platz in der Stadt ist. Zu den markanten Gebäuden gehören die Vierkanthöfe, die Kirchen und Kapellen und die Adelshäuser. Die Bestimmung der Häuser ist oft sehr schwer, weil sie sich baulich sehr verändert haben.
Wer weiß heute, wo die am Ketzerfriedhof gestandene Kapelle zu finden ist? Sie ist nur auf Merians Stich sichtbar.
Wer kennt das Adelshaus am Gissibl, welches Merian und Hauser angeben? Die Adelshäuser waren größere, einstöckige, von einem Garten umgebene Häuser, welche au den vier Hausecken in der Höhe des ersten Stockes sogenannte Pfefferbüchserl angebaut hatten. Nur der wehrpflichtige Adel durfte sein Haus mit diesen Attributen schmücken.
Vergebens werden wir nach einem Adelshaus unterhalb der Neutorbrücke im Ennsdorf suchen. Es steht nicht mehr frei im Garten wie einst und hat auch keine Ecktürmchen mehr, denn es ist längst ein bürgerliches Haus geworden.
Hauser schreibt: „Storner“ in den Garten des Hauses. Ein Adelsgeschlecht dieses Namens hat es in Steyr nie gegeben, Merian nennt das Haus „Strasserisch Gebäu“.
Die Strasser waren ein reiches, altes Adelsgeschlecht, welches auch die Herrschaft Gleiß erworben hatte. Die Strasser von und zu Gleiß waren von 1561 bis 1603 im Besitze des heutigen Engelshofes in der Haratzmüllerstraße, des Hauses Stadtplatz 29 (neben dem Rathause), welches sie an Stelle von zwei Häusern erbauen ließen und des Hauses Paddlerweg 3, welches Haus er mit „Storner“ bezeichnete.
Der Gewerke und Eisenhändler Daniel Strasser1) hatte eine Tochter Anna. Sie wurde die Frau des reichen Simon Händl. Als Witwe gab sie Hieronymus Stötner die Hand zum Bunde.2)
Der Graveur von Hausers Stadtbild hat aus einem „T“ ein „R“ gemacht.
Die Stadtaufnahme vom Jahre 1825 zeigt uns schon die Zerstückelung des Hausgrundes. Eine Straßenverbesserung hatte den Abbruch der kleinen Wirtschaftsgebäude zur Folge. Ein großer Meierhof (Dukartstraße 23) wurde erbaut.
Als das Haus seine Bedeutung als Edelsitz verloren hatte, begann die Zerstückelung des Gutes. Der Meierhof mit einem großen Teil des Gartens wurde abgetrennt. Vom Garten wurde ein Teil abgetrennt und als Sommergarten einem Stadtwirt verkauft. Dieser baute sich darin ein gemauertes Gartenhaus, welches später zu dem großen Haus Paddlerweg Nr. 1 umgebaut wurde.
Ein weiterer Teil des Gartens wurde 1782 ein städtischer Holzplatz, aus welchem der Stadtbauhof wurde.
Ein Teil des Meierhofes wurde zum selbständigen Haus Paddlerweg Nr. 2. In den Garten flussab wurden 1878 das Haus Paddlerweg Nr. 4 und 1893 das Hans Paddlerweg Nr. 5 gebaut.
Das Haus Paddlerweg Nr. 3 ist als Adelshaus nicht mehr zu erkennen.
Das Bild des Hauses macht den Eindruck, als ob der Hausblock von einem Walmdach überdeckt gewesen wäre. Tatsächlich aber ist in dem Haus ein kleiner Hof, in welchem ein hoher Obstbaum steht. In einer tiefen Nische in Stockhöhe steht eine Holzfigur, den hl. Florian darstellend. Der Wasserkrug ist ihm schon entfallen und das Häuschen, dessen Brand er löschen sollte, ist dem Verfall nahe.
Im Hause selbst sucht man vergebens nach schönen, steinernen Tür- oder Fenstergewänden. Man hat das Gefühl, dass die adeligen Besitzer nie in dem Hause gewohnt haben.
Das Adelshaus am Gissübl wird heute die „Seifentruhe“ genannt. Sie liegt westlich vom altbekannten Stadlmayrhof auf einem Hübl, von welchen, die Regenwässer (Güß) gegen das Aichet abflossen. Daher der Name Güßhübl.
Zwei Adelsgeschlechter bemühten sich, im Aichet und am Gissibl festen Fuß zu fassen: die Engel von Wagrain und die Aidn.
Der reiche Eisenhändler Stefan Engl von und zu Wagrain besaß die Häuser Enge 2 und 8, viele Häuser im Aichet und den Lilienhof, einen Adelssitz in der Leopold-Werndl-Straße (bei der Brotfabrik). Seine Tochter Regina war die zweite Frau Michael Aidns.
Aidn war ein ebenso reicher Handelsmann mit Venedigerwaren. Er hatte sich in der Aichetgasse, am Mehlgraben und Güßhübl viele Häuser erkauft, war 1585 und 1586 Stadtrichter und 1595, 1596 und 1597 Bürgermeister der Stadt. Den Edelsitz, das Aichetschlösschen, erbaute er sich selbst.
Das Adelshaus am Güßhübl aber scheint sein Schwiegervater Stefan Engl erbaut zu haben.
Nach dem Bauernkrieg ging der Besitz in bürgerliche Hände über. Die Pfefferbüchschen wurden abgebrochen.
Merian hat die Lage des Ketzerfriedhofes eindeutig angegeben. Aber das Kirchlein oder die Kapelle, welche er gezeichnet hat, steht heute nicht mehr.
Sie stand am Oberen Schiffweg im Eck des mit einer hohen Mauer umgebenen Gartens des Anwesens Oberer Schiffweg Nr. 18 bis 21, der heutigen Gärtnerei Angerer. Das Steuerbuch 1598 nennt das Haus Nr. 18 „des Pfarrers Hof“. Es war der Meierhof des evangelischen Pfarrers Wolfgang Lampl, dessen Wohnhaus in der Leopold-Werndl-Straße stand und das „Pfarrhöfl“ genannt wurde.
Im Friedhof nächst dem Meierhof steht ein Wohnhaus. Unter dem abfallenden Puh aus der Barockzeit kommt ein Sgraffitoputz zum Vorschein. Das Haus dürfte also Ende des 16. Jahrhunderts erbaut worden sein. Ein kleines Gewölbe zu ebener Erde zeigt eine Bemalung mit Weinreben. Es könnte die Weinstube des Totengräbers gewesen sein.
Das Steuerbuch 1567 bezeichnet eines der nächsten Häuser mit: „Paul Khöberers Haus und Garten am Ketzerfreithof“. Der Friedhof hat offenbar bis zur Eröffnung des Friedhofes am Tabor im Jahre 1584 bestanden.
Ein anderer Ketzerfriedhof muss der Bestattungsort der 1397 verbrannten Waldenser gewesen sein. Preuenhuber schreibt3): „Wo der Ketzer-Freydhoff befindlich: eine Weyde oder Au, im Früxen-Thal (so anjetzo eine schöne Wiese unterm Puechholz ist)“. Also im Kraxental unterm Buchholz.
Auf dem Ausschnitt des Stiches von Merian sind die von ihm angeführten Nummern und Benennungen wiedergegeben. Merkwürdig ist, dass die Nummer 22 im Bilde fehlt.
- 1564 Ratsbürger, 1579 bis 1581 Bürgermeister der Stadt, 1595 am Friedhof bei der Stadtpfarrkirche begraben.
- Stötner (Stettner) entstammte einer Rad- und Forstmeisterfamilie und war 1599 im Rate der Stadt. Er starb 1611 in Linz.
- Steyrer Annalen S. 72.
Aus den Veröffentlichungen des Kulturamtes der Stadt Steyr, Heft 19, November 1959