150 Jahre Steyrer Stadttheater

Zur Theatergeschichte der Stadt Steyr

Von Franz Pfeffer

 

Gegenständliche Arbeit wurde im Jahre 1943 anlässlich des 150jährigen Bestandes des Steyrer Stadttheaters in einer Zeitung veröffentlicht. Der Verfasser erklärte im Vorwort, dass er auf Grund der Zeitumstände nicht in der Lage war, eine lückenlose Gesamtdarstellung der Steyrer Theatergeschichte zu geben. Im Hinblick auf die Eröffnung des Theaters im Volkskino ist die Darstellung von aktuellem Wert.

Quellen und Literatur: D. Schiffmann „Drama und Theater in Österreich ob der Enns“ (1905); R. Stumpft „Das alte Schultheater in Steyr“ (1933); E. K. Blümml und G. Gugitz „Alt-Wiener Thespiskarren“ (1928); R. Latzke und O. Rommel „Ludwig Anzengrubers sämtliche Werke“; E. Castle „Ludwig Anzengrubers Werke u. a.“ — Ratsprotokolle und Theaterakten im Steyrer Stadtarchiv, Theaterakten des Linzer Landesarchivs, Theaterzettelsammlung des Steyrer Museums. — Bei der Bereitstellung des archivalischen Materials hat der Leiter des Steyrer Stadtarchivs O. J. Koller wertvolle Hilfe geleistet.

Steyrs Theaterüberlieferung lässt sich an Hand der Quellen bis ins 16. Jahrhundert zurückverfolgen. Lange vor dem Auftreten von Berufsschauspielern wurde auch in Steyr von Laien Theater gespielt. Von mittelalterlichen Bürgerspielen, wie sie nach dem Muster anderer Städte auch in der reichen Eisenstadt aufgeführt worden sein mögen, sind keine Überlieferungen erhalten. Dagegen nimmt Steyr eine hervorragende Ausnahmestellung im Raum des ehemaligen Österreich auf dem Gebiet der Schuldramatik ein. An der in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts begründeten Steyrer Lateinschule fanden insbesondere unter den Rektoren Thomas Brunner (1558—1571) und Georg Mauritius d. Ä. (1572—1600) jährlich zur Faschingszeit öffentliche Aufführungen deutscher und lateinischer Komödien durch die Steyrer Lateinschüler statt. Brunner und Mauritius haben die Dramen für diese Aufführungen zum Teil selbst verfasst, beziehungsweise bearbeitet. Von Brunner sind drei Steyrer Schuldramen in seltenen Wittenberger Drucken erhalten: der dem Bürgermeister, Richter und Rat der Stadt Steyr gewidmete „Jacob“, dessen Aufführung im Jahre 1566 die erste nachweisbare theatralische Vorstellung in Steyr ist, und zwei für eine Steyrer und eine Kremser Bürgerhochzeit geschriebene Stücke. Von Mauritius besitzen wir zehn Steyrer Bühnenbearbeitungen, die später in Leipzig gedruckt wurden. Auch unter Rektor Lindner (seit 1603) fanden Schülerausführungen (Weihnachts- und Passionsspiele) in Steyr und Garsten statt. Spätere Aufführungen veranstalteten die Steyrer Dominikaner, die u. a. 1628 einen Totentanz spielten, und die Steyrer Jesuiten, die 1669 zu Ehren des Steyrer Bürgermeisters Max Luckhmer die Komödie „Ansberta“ aufführten.

Diese Schulaufführungen fanden im Hof oder in einem Saal der Lateinschule, in der anschließenden Schulkirche (Dominikanerkirche), im Rathaus (Stadtsaal), in der Stadtpfarrkirche, in Garsten vor dem Kanzleigebäude des Stiftes statt. Neben den Schülern spielten auch die Steyrer Handwerker und Bürger. So hören wir 1576 von einem „Paurnspil“ der Steyrer Messerer, 1577 von „Messerer Comedien“, 1590 von einem „Raifftanz“ der Messerer und 1590 von einem Spiel der Steyrer Kürschnergesellen „mit Schlachtschwerdern undt Pannzerhembenden“. 1669 erhielten Steyrer „Büerger und Burgerskhinder“ die Bewilligung, zum Jahrmarkt in der großen Stube des Hirschenhauses (an der Stelle des Heutigen Kreisgerichtes) Komödie spielen zu dürfen.

Mit dem Auftreten der englischen, italienischen und deutschen Wandertruppen, das für Linz ab 1600 nachgewiesen ist, beginnt auch auf Steyrer Boden das Berufsschauspielertum Fuß zu fassen. Manche Truppen, die Linz, insbesondere zur Zeit der großen Oster- und Bartholomäimärkte, besuchten, werden auch in Steyr gespielt haben. Das erste Zeugnis für das Auftreten einer solchen Wandertruppe in Steyr stammt aus der Mitte des 17. Jahrhunderts; nach den Ratsprotokollen wurden im Jahre 1651, also kurz nach Beendigung des Dreißigjährigen Krieges, „Teutsche Comedianten“, die „verwichenen Steyrer Markht“ gespielt hatten, mit der Bitte um neuerliche Spielerlaubnis im Hinblick auf die Lage der Stadt, die nicht danach beschaffen sei, dass man sich mit Komödien erlustigen solle, abgewiesen. 1701 spielt in Steyr die Truppe des Ferdinand Egidi Pauli, dem von der Stadt 6 fl. angewiesen werden. 1714 finden wir den berühmten Hanswurstdarsteller Gottfried Prehauser, der 1722 in Linz aufgetreten war, mit seiner Truppe in Steyr. Hier vereinigte er sich mit der Truppe der Prinzipalin Elisabeth Steinmetz, mit der er am Ostermarkt 1724 in Linz spielte. 1739 bittet der Komödiant Carl Josef Nachtigall um Bewilligung, in Steyr ein geistliches Spiel aufführen zu dürfen, doch bedeutet ihm der Magistrat, dass er ihm keine Gratifikation anweisen könne und dass er daher „sein glickh weither zu suechen“ habe. 1745 weilte vielleicht die Truppe Arth in Steyr; die Tochter ihres Prinzipals, Eleonore Arth(in), die spätere Besitzerin des Wiener Freihaustheaters und Gemahlin des berühmten Schauspieldirektors Schikaneder, ist in diesem Jahre in Steyr geboren.

Die seltsamste aller dieser Wandertruppen, die in diesen Jahrzehnten nach Steyr kamen, war die Truppe des Prinzipals Felix Berner (1738 bis 1787). Berners 1758 gegründete „Junge Schauspieler-Gesellschaft“ war die berühmteste der im 18. Jahrhundert beliebten Kindertruppen. Berner bereiste mit ihr halb Deutschland, Österreich-Ungarn und die Schweiz und errang mit seinen Balletten große Erfolge, führte aber auch Opern, Singspiele, Lustspiele und klassische Schauspiele, wie „Emilia Galotti“, „Hamlet“, „Die Räuber“, „Kabale und Liebe“ auf, in denen die Hauptrollen von fünf- bis neunjährigen Kindern gespielt wurden. 1777 spielte Berner in Steyr in einer Spielhütte im Hof der Militärkaserne, dem bereits erwähnten Hirschenhaus am Stadtplatz. Auch auf seiner zweiten großen Gastspielreise durch das Land ob der Enns besuchte Berner 1784 Steyr wieder. Von diesem zweiten Gastspiel ist noch die Ankündigung einer Festvorstellung am 20. Dezember 1784 erhalten, bei der nach einer Dankrede von den jugendlichen Schauspielern zwei Ballette, ein Schauspiel und eine Oper gegeben wurden. Der wortreiche Theaterzettel in Rotdruck, der die Vorstellung sämtlichen „hochgeneigten Gönnern des Theaters der preiswürdigsten Stadt Steyr“ widmet, ist der älteste der reichen Theaterzettelsammlung des Steyrer Museums.

Aus dem Spielgesuch Berners von 1777 erfahren wir auch, wo die fahrenden Truppen — vorwiegend zu Jahrmarktszeiten — in Steyr spielten. Ihr Spielplatz war — wie damals allgemein — eine einfache Bretterhütte, die jede Truppe auf eigene Kosten am Stadtplatz aufzuschlagen hatte. Auch Berner wurde wegen der Feuergefährlichkeit der Vorstellungen vom Steyrer Magistrat „der Orth hierzue auf den (Stadt) blaz, wo die sogenanthe Kreuzer Spill Hütten sonst gestandten, 6 Klaffter lang benennet“. Erst über Entscheidung der Linzer Landesregierung erhielt er den günstigeren Kasernhof zugewiesen. Die „Kreuzerspielhütte“ hatte ihren Namen von dem Eintrittsgeld auf den billigsten Platz, das einen Kreuzer betrug. Auch Linz hat noch bis in den Anfang des 19. Jahrhunderts neben dem Stadt- und Landestheater solche Kreuzerhütten als Sommerbühnen besessen, von denen die erste nach älteren Berichten 1777 von Johann Böckl aus Steyr erbaut wurde.

Im Zusammenhang mit den großen Reformbestrebungen, die durch den Nationaltheatergedanken Lessings und Josef II. gekennzeichnet sind und das deutsche Theater auf neue geistige Grundlagen stellten, beginnt in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Zeit der Theaterneubauten, die als würdige Heime der neuen, gehobenen Schauspielkunst an die Stelle der Hütten der Wandertruppenzeit traten. Vielfach wurden die unter Kaiser Josef II. aufgehobenen Kloster- und Spitalkirchen als Theatergebäude verwendet, so in Ried (1790), Braunau, Wels (1829). In Steyr wurde das Kloster der Cölestinerinnen (seit 1782 Ursulinen) in der Berggasse, das 1784 geschlossen worden war, 1786 von der Stadtgemeinde samt Kirche, Lorettokapelle und Garten um den Schätzungswert von 3500 fl. übernommen. Bald nach der Erwerbung wurde die 1676—1681 erbaute Kirche als Theater benützt; am 30. Juni 1789 wanderte bereits die schöne Bühnenausstattung, die ein gewisser Eibel seinerzeit dem Garstner Dilettantentheater zu Aufführungen für das Armeninstitut geschenkt hatte, in das neue Theater. Am 7. Oktober 1789 fand anlässlich des Sieges bei Focsani eine Festvorstellung bei freiem Eintritt statt. Im August 1791 bittet der Linzer Turnermeister und Theaterunternehmer Franz Glöggl, der neben dem Linzer Landestheater auch die Theater von Salzburg und Passau vorübergehend führte und den ersten Linzer Bühnenkonzern schuf, um Überlassung des Steyrer Theaters; eine Erledigung dieses Ansuchens fehlt. 1792 wurden kleinere Arbeiten im Theater vorgenommen, in dem die Steyrer Dilettanten seit 1794 fleißig spielten. Der Kirchenraum blieb aber zunächst nur notdürftig als Theater eingerichtet, man hatte jedenfalls die gar nicht in den Raum passende Garstner Bühne mit den Dekorationen einfach in der Kirche aufgestellt.

Erst im Jahre 1796 erfolgte der eigentliche Ausbau und die festliche Eröffnung des Theaters. In den Ratssitzungen vom 17. Februar 1796 begründete Magistratsrat Schellmann die Notwendigkeit des vollständigen Ausbaues des Theatergebäudes damit, dass schon durch mehr als ein Jahr die Steyrer Schaubühne, „durch einige hiesige Herren Dilettanten dergestalt emporgehoben worden sei, dass endlich der allgemeine Wunsch rege gemacht wurde, dieses Theater in einen ordentlich und regelmäßigen Stand herzustellen.

Im März 1796 wandte sich der Magistrat an das Kreisamt Steyr um Bewilligung zum Umbau und wies darauf hin, dass in dem Gebäude „Schon seit einigen Jahren her ein Theater (- Bühne) wirklich stehe“ und bei den bisherigen Spielen benützt wurde. Ganz im Sinne der josefinischen Theaterreformen betonte der Steyrer Magistrat auch die staatspolitische Bedeutung der Theaterförderung: „Da ein anständiger Belustigungs Ort das Vergnügen des Publikums, somit in gewisser Rücksicht auch dessen Glückseligkeit befördert, so wird bei jedem gesitteten Volke selbst von Seite des Staates das Augenmerk darauf gerichtet, dem Publikum auch zu dieser Gattung Glückseligkeit eine schicksame Gelegenheit zu verschaffen.“ Durch den Umbau sollte die Bühne den Ausmaßen des Innenraumes entsprechend erhöht werden, damit Platz für den Einbau der bisher fehlenden Theatermaschinerie gewonnen werden konnte; der dadurch weiter beschränkte, ohnehin zu kleine Zuschauerraum sollte durch den Einbau von Galerien und einiger Logen erweitert werden.

Der Umbau wurde bewilligt, die Stadt schoss 800 fl. vor, stellte Bauholz und Fuhrwerk bei, Steyrer Bürger schenkten 50 fl. und Einrichtungsgegenstände. Ein Hauptförderer des Theaterumbaues war der theaterfreudige Fürst Lamberg, in dessen Schloss selber häufig Aufführungen stattfanden; der Fürst räumte dazu sein Sommerhaus im Hofgarten ein. Meist wurde Lamberg zu seinem Namenstag mit einer Festaufführung geehrt; so spielte man am 3. November 1817 im Schloss Salieris Oper „Die Höhle des Trophonio“. Für das neue Stadttheater ließ der Fürst das Proszenium, den neuen Hauptvorhang und zwei vollständige neue Dekorationen auf seine Kosten malen. Er schenkte auch Kostüme und andere wertvolle Einrichtung.

Stadtbaumeister Franz Huber führte den Umbau durch. Die Baukosten betrugen laut Voranschlag 148 fl. 28½ kr. für die Baumaterialien und Arbeitslöhne, 135 fl. für die Maurerarbeiten, 644 fl. 52 kr. für die Zimmermeisterarbeiten und 87 fl. für die Tischlerarbeiten. Beim Umbau wurde das Steinpflaster und die Marmorverkleidung entfernt.

Das nunmehr vollständig ausgebaute Theater wurde zu Ehren des Fürsten Lamberg an dessen Namenstag, am 16. Mai 1796 um 5 Uhr nachmittags mit der Oper „Zigeuner“ von Neefe eröffnet. Nach dem Tagebuch des Besitzers der Herrschaft Ramingdorf bei Steyr, der auch seine Theaterbesuche in Linz und Steyr von 1794—1798 aufzeichnete, war das Theater bei dieser Festaufführung zum Erdrücken voll. Zur Eröffnungsvorstellung hatte man die Gesellschaft des Prinzipals Probst berufen, der somit die Reihe der Direktoren des neuen Hauses einleitet.

Das neue Stadttheater wurde von der Gemeinde an Theaterunternehmer verpachtet, die hier regelmäßig in den Wintermonaten spielten; die Spielzeit begann im Oktober, November, manchmal auch schon Ende September und dauerte bis März, April oder Mai. Auch im Sommer kehrten gelegentlich Truppen zu kurzen Gastspielen zu. Die Pächter hatten eine Kaution (bis zu 400 fl.) zu erlegen und für jede Vorstellung 5, später 4, ab 1841 2 fl., ab 1848 1 fl. Pachtzins zu leisten, der nach jeder Vorstellung abgeführt werden musste. Außerdem hatten sie eine Tageseinnahme der Spielzeit, später 50 fl. für das Armeninstitut zu widmen und das Theatergebäude fallweise den Steyrer Dilettanten zur Verfügung zu stellen. Gepflegt wurde Schauspiel, Posse, Singspiel und Operette, gelegentlich wurden auch Opern aufgeführt. Meist wechselten die Pächter, in der Regel Direktoren von Wanderbühnen, von Jahr zu Jahr, doch wurden auch manche Direktoren in Steyr sesshaft, spielten hier jahrelang im Winter und gingen im Sommer von Steyr aus an verschiedene Sommerbühnen. Nach 1850 begannen sich immer ernstere wirtschaftliche Schwierigkeiten für das Theater zu zeigen; es ist dies eine allgemeine Erscheinung, die damit zusammenhängt, dass die Theater damals ihre bisher innegehabte Stellung als bevorzugte Stätten geselliger Unterhaltung mehr und mehr verloren. 1878/79 wird der Pachtzins aufgelassen, 1883/84 muss das Theater zum ersten Mal von der Gemeinde subventioniert werden, wiederholt kann kein Unternehmer mehr gefunden werden und nur mit immer wachsenden Zuschüssen der Gemeinde der Theaterbetrieb aufrechterhalten werden.

Rege Theaterbeziehungen ergaben sich naturgemäß zu Linz, wenn auch – im Gegensatz zu Wels — die Selbständigkeit des Steyrer Stadttheaters gegenüber dem Linzer Landestheater immer gewahrt blieb. Als Linz noch ein Jahrestheater mit ganzjähriger ununterbrochener Spielzeit hatte, spielten die Linzer Direktoren in den zu Erneuerungsarbeiten nötigen Spielpausen des eigenen Hauses gerne in Steyr: 1798 Dengler, 1812 Mire, der den Steyrern seine großen Linzer Opernerfolge vorführte, 1825 Pellet, der gleichfalls mit der Linzer Oper gastierte. Häufig gaben auch Linzer Schauspieler Gastspiele in Steyr, meist zu den Benefizvorstellungen von Steyrer Kollegen. Aber auch bedeutende Gäste des Linzer Landestheaters kamen nach Steyr, so 1844 einer der gefeiertsten Schauspieler seiner Zeit, Wilhelm Kunst, der „ein Stern erster Größe am Horizont der Steyrer Theaterwelt“, hier den Hamlet spielte, eine seiner großen Rollen, in der ihm Goethe den Vorrang vor allen anderen Darstellern gegeben haben soll. In den Wintern 1884/85, 1886/87, 1889/90 übernahm der Direktor des Linzer Landestheaters, Julius Laska, das Steyrer Stadttheater; die Linzer Kräfte spielten zwei- bis dreimal wöchentlich in Steyr. Laskas Plan, Linz, Wels und Steyr als Winter- und Ischl, Gmunden und Bad Hall als Sommerbühnen dauernd zu einer Spielgemeinschaft zu verbinden, kam jedoch nur teilweise und auf kurze Zeit zur Ausführung.

Auf die künstlerische und wirtschaftliche Entwicklung des Steyrer Stadttheaters, auf die Spielplangestaltung und auf den künstlerischen Wert der einzelnen Truppen kann hier im Einzelnen nicht eingegangen werden. Das Steyrer Theater unterschied sich hierin nicht wesentlich von dem allgemeinen Bild der kleinen österreichischen Provinzbühnen. Manche vielgenannte und noch mehr unbekannte Wandertruppenprinzipale haben die kleine Bühne in der Eisenstadt mit mehr oder weniger künstlerischem und wirtschaftlichem Erfolg geleitet. Mancher später bedeutende Schauspieler und Direktor hat hier als unberühmter Anfänger gespielt, manches Original eines Komödienprinzipals ist für kürzere oder längere Zeit in Steyr gelandet. Nur auf einige Namen sei hingewiesen, weil sie die Steyrer Theatergeschichte mit bisher noch wenig bekannten Einzelheiten bereichern.

Schon die erste Gesellschaft im neuen Haus, die Probsts, hatte einen guten Ruf, wie lobende Urteile in den Zeitungen („Linzer Zeitung“, „Augsburger Zeitung“) zur Zeit der Steyrer Tätigkeit Probsts und Zeugnisse der Behörden beweisen.

Um 1803/06 leitete Franz Baßbach (geboren 1758 in Königgrätz) das Steyrer Theater. Er war in den Neunzigerjahren des 18. Jahrhunderts Theaterdirektor in Prag (Nationaltheater, Hibernertheater) und Karlsbad, 1803 gastierte er mit dem Steyrer Ensemble während der Ostermesse in Linz in der Reitschule und gab hier die letzten Theatervorstellungen vor der Eröffnung des neuen Landestheaters.

Eine der originellsten Gestalten des Alt-Steyrer Theaters ergriff mit Franz Jakob Scherzer (1743 bis 1818) in der Spielzeit 1812/13 das Steyrer Direktionsszepter. Scherzer, der „letzte Prinzipal“ der Wandertruppenzeit, der „Vater aller angehenden Schauspieler auf den kleinen österreichischen Provinztheatern“, Gründer mehrerer Wiener Vorstadtbühnen (in der Josefstadt, in der Roßau, auf der Landstraße), mit denen er vergeblich den großen Traum seines Lebens, gleich Schikaneder ein glänzendes Wiener Theater zu schaffen, zu verwirklichen strebte, dann wieder jahrelang wandernder Schmierenkomödiant in Böhmen, Österreich und Ungarn, voll urwüchsiger Derbheit und unbekümmerter Theaterlust, hat fast ein halbes Jahrhundert in der Theatergeschichte eine denkwürdige Rolle gespielt. Seit 1806 war er endlich in Wiener Neustadt sesshaft geworden, die vorübergehende Vereinigung der Neustädter mit der Badener Bühne trieb Scherzer nach Steyr, wo sein Wirken allerdings eine wenig freundliche Kritik fand.

Ein bodenständiger oberösterreichischer Wanderbühnendirektor des Vormärz war Josef Bratsch, seit 1809 Prinzipal einer „Schauspieler- und Sängergesellschaft“, der zahlreiche Mitglieder der Familie Bratsch angehörten. Bratsch spielte lange in der Steiermark und seit 1822 im Land ob der Enns, wo er zuerst das Gmundner Theater übernahm und dann in vielen Städten und Märkten des Landes zu finden ist. 1823 ging Bratsch nach Steyr, von wo er sich noch im selben Jahr, allerdings vergeblich, wie viele seiner Steyrer Direktionskollegen, um das Linzer Landestheater bewarb. Länger als alle anderen Direktoren, 1823 —1831 hatte die Truppe Bratsch ihr Winterquartier in Steyr; im Sommer spielte sie an verschiedenen Sommertheatern. 1823 wurde Bratsch durch Doktor Wirer mit seiner Steyrer Truppe in den eben aufblühenden Kurort Bad Ischl berufen, wo er bis 1826 im alten Theater im Krallhaus spielte und damit der erste Ischler Kurtheaterdirektor wurde; Ischl war damals Sommerbühne von Steyr.

Im Sommer 1830 kehrte in Steyr die geschäftige Direktrice Katharina Hain ein, die langjährige Leiterin der Theater in Salzburg und Innsbruck.

Eine vielumstrittene Erscheinung des Wiener Theaterlebens tauchte 1839 im Steyrer Stadttheater auf: Ludwig Groll, der durch vier Spielzeiten, 1839—1841 und 1850—1852 die Steyrer Bühne leitete. Groll führte im Meidlinger Theater in Wien 1830—1839 eine Liebhaberbühne, die damals einzige Wiener Versuchsbühne, auf der jeder, der selbst alle Kosten bestritt und auf die Gage verzichtete, auftreten durfte. Manche später bedeutende Schauspieler haben sich beim alten Groll in Meidling ihre ersten Schauspiellorbeeren geholt, viel mehr Unbegabte sind, durch diese merkwürdige Bühne angelockt, auf viele Jahre, wie Ludwig Anzengruber, oder für immer auf die Bahn des Schmierentums geglitten. Nach längerer Pause, in die seine zwei Steyrer Direktionen fallen, zog Groll 1855 wieder in das Meidlinger Theater ein und führte es, allerdings durch die Behörde zum Engagementsystem verpflichtet, erfolgreich bis 1869 weiter. Er ist 1878 in Wien gestorben.

1861/62 übernahm Direktor Josef Lutz von Wiener Neustadt das Steyrer Theater gemeinsam mit Josef Matras, dem später berühmten Wiener Komiker, der mit Blaset und Knaack die Glanzzeit des Wiener Vorstadttheaters im 19. Jahrhundert verkörperte. Zur Truppe Lutz gehörte der Heldenspieler Karl Gürtler, ein heiterer, für ideale Geselligkeit begeisterter Mensch, der an allen Theatern, an denen er spielte, Schauspieler-Geselligkeitsvereine mit witzigem Zeremoniell, wöchentlichen Zusammenkünften und einer eigenen handgeschriebenen Zeitung gründete. In Steyr hatte diese Vereinigung den Namen „Narrenbund“, später „Götterbund“ und ihre Zeitung hieß „Der Narrenturm, Organ für Verrückte“, später „Hölle, Olympische Zeitschrift“. Einzelne Nummern und Manuskripte dieser Gürtlerschen Zeitungen sind in der Wiener Stadtbibliothek noch erhalten. Gürtler war der beste Freund Anzengrubers, der schon in Wiener Neustadt mit ihm engagiert und der Hauptmitarbeiter der Gürtlerschen Zeitungen und Bünde gewesen war. Im Februar 1862 folgte Anzengruber von Krems Matras und Gürtler nach Steyr nach, kam aber nur mehr zum letzten „Monstre-Götterabend“ des Steyrer Bühnenvolkes zurecht, für den er einige lustige Beiträge beisteuerte, dann löste sich die Steyrer Unternehmung Matras‘ vorzeitig auf und Anzengruber musste, wie der Schauspieler Stelzhamer von Passau zum „Müederl“ von Steyr enttäuscht zur Mutter nach Krems zurückkehren.

Unter Viktor Berthal, der 1882—1884 und 1887—1889 das Steyrer Theater leitete, war mit Steyr als Sommerbühne das Kurtheater von Bad Hall verbunden, wo durch Badeverwalter Josef Hermann Hillischer das erste hölzerne Theatergebäude, die sogenannte „Arena“ errichtet und 1833 das heutige Theatergebäude erbaut worden war. Berthal spielte mit dem Steyrer Ensemble auch in Wels.

Noch viele andere, weniger klangvolle Namen, die uns meist auch in den übrigen kleinen Theaterstädten des Landes begegnen, nennt die lange Liste der Steyrer Direktoren, die sich an der Hand der Theaterpachtakten halbwegs lückenlos bis 1823 zurückverfolgen lassen, während für die frühere Zeit bei dem Fehlen der Akten Theaterzettel und sonstige Literatur nur die Namen einzelner Direktoren überliefern. Die Zeit nach dem Weltkrieg brachte nach fast 130jährigem Bestand die Schließung des Steyrer Theaters, das keine feste Spielzeit mehr hatte, sondern nur mehr zu gelegentlichen Gastspielen seine Pforten öffnete.

Das Theatergebäude ist wiederholt gründlich erneuert worden. 1840 befand es sich in einem so schlechten Bauzustand, dass der Magistrat anlässlich eines Besuches des Erzherzogs Johann über das Aussehen des Theaters „erröten“ musste, wie es in einem späteren Bericht vom 26. Juli 1843 heißt; ein Inventar gibt Aufschluss über die damalige Einrichtung des Theaters. Das Haus wurde 1843/44 einer gründlichen Erneuerung unterzogen, wofür 1761 fl. 10 kr. aufgewendet wurden. Die Malerarbeiten besorgte der akademische Maler Matthias Größer aus Linz. Ein größerer Umbau, für den sich ein eigenes Baukomitee gebildet hatte, wurde 1879 vollzogen. Zu den Kosten von 8100 fl. steuerte die Stadt 3000 fl. bei, der Hauptteil wurde durch Spenden und verschiedene Veranstaltungen aufgebracht.

Auch anlässlich seiner Wiedereröffnung im Jahre 1938 wurde das Theater einer durchgreifenden Erneuerung unterzogen.

 

Aus den Veröffentlichungen des Kulturamtes der Stadt Steyr, Heft 19, November 1959

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